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4. Ein Porträt.

Die Unterredung, welche Rittmeister von Birkenfeld mit General von Haustein in Gegenwart des Premier-Lieutenants hatte, dauerte lange. Der General bestätigte in jeder Beziehung die Mittheilungen des Letzteren über den Grafen Erhardt von Tannensee, weigerte sich aber mit Entschiedenheit, dem Rittmeister noch weiter gehende Aufschlüsse über den Mann zu geben, mit dem er nächstens so nahe verwandt werden sollte. Birkenfeld glaubte vor Allem in dieser Weigerung eine Beleidigung erblicken zu müssen; auch daß in einem öffentlichen Lokale, wenn schon nur in einem Kreise Vertrauter, so seltsame Dinge erzählt worden waren, die in gewisser Beziehung die ganze Familie der Tannensee's compromittirten, schien dem Rittmeister gegründeten Anlaß zu einer Herausforderung zu gegeben. Zwar wollte der Premier-Lieutenant die ganze Schuld auf sich nehmen und deshalb auch die unvermeidlichen Folgen seiner Schwatzhaftigkeit tragen, General von Haustein aber, der eigentliche Urheber jener Mittheilungen über die Verhältnisse und das frühere Leben des Grafen von Tannensee, gab dies nicht zu. Er nahm die Herausforderung des Rittmeisters, welche ihm von Baron Hohenort in gebräuchlicher Weise zugestellt ward, an und überließ sodann diesem, und dem Ober-Lieutenant, den sich der General zum Secundanten erwählte, die nähere Verabredung über Schlichtung dieses Ehrenhandels.

General von Haustein hatte die Pistole als Waffe gewählt. Man kam überein, sich auf zehn Schritte Barrière zu schießen, und begab sich an dem zu diesem Rencontre bestimmten Tage nach einem unfern der Residenz gelegenen Wäldchen, unter dessen grünen Schatten schon mancher Ehrenhandel ausgefochten worden war.

Es war noch früh am Tage, als die Gegner einander begrüßten. Die nöthigen Vorbereitungen waren bald getroffen, die Pistolen wurden geladen und den Kämpfern übergeben. Beide schossen fast ganz zu gleicher Zeit. Birkenfelds Kugel durchbohrte des Generals Feldmütze, die Kugel Hausteins aber traf den Rittmeister gerade auf die Brust, prallte jedoch hier an einem harten Gegenstände ab, wodurch sie eine andere Richtung erhielt und nur die Haut an der linken Seite aufriß.

»Ich bin verwundet,« sprach Birkenfeld, sich auf die Schulter des Barons von Hohenort stützend. Blut träufelte durch die zerrissenen Kleider und schnell sprang der Arzt hinzu, um die Wunde zu untersuchen und vorläufig in Eile einen Verband anzulegen.

»Das Medaillon!« sagte mit frohem Augenaufschlag der Verwundete, indem er selbst den Rock aufriß. »Ich glaube, ihm allein habe ich das Leben zu verdanken. Daß es nur ja nicht durch Blut beschädigt wird!«

Baron von Hohenort erblickte an schwarzem Bande eine kleine goldene Kapsel auf der bloßen Brust seines verwundeten Freundes.

»Sie erlauben doch?« sprach er, das Band lösend.

»Bitte! Bitte, nur schnell!« erwiderte der Rittmeister und wandte sich auf die Seite, um dem Arzte die Anlegung des Verbandes zu erleichtern.

Das Medaillon lag in Baron von Hohenorts Hand. Es war nur Zufall, nicht Neugierde, daß seine Finger eine verborgene Feder berührten, wodurch die goldene Kapsel aufsprang. Sein Blick fiel auf das Miniaturbild eines Mädchens von seltener Schönheit. Der Ueberraschte glaubte seinen Augen kaum zu trauen und doch, doch war es Wahrheit! So blickte nur ein junges Mädchen in der ganzen Residenz! Gerade so gescheitelt, so in Locken geordnet trug nur Eine das reiche, dunkle, glänzende Haar! ... Es war das Porträt Graziosa Feliciani's, das der Baron sprachlos vor Erstaunen in der Hand hielt! ...

Aus Rücksicht für den Rittmeister würde Baron von Hohenort geschwiegen haben, allein der Zufall wollte, daß in dem Augenblicke, wo sich die Kapsel von selbst öffnete, der Premier-Lieutenant gerade an ihm vorüberging und fast zu gleicher Zeit des auffallenden Bildes ebenfalls ansichtig wurde.

Der Rittmeister bemerkte unter den Händen des Arztes nichts von der Entdeckung und dem Staunen des Barons. Auch dem General von Haustein, der von Birkenfeld bereits versöhnt die Hand gereicht hatte und jetzt in einiger Entfernung mit verschränkten Armen unter den von der Morgensonne vergoldeten Bäumen, in Gedanken versunken, auf- und niederschritt, entging die Bewegung und der rasche Wechsel vielsagender Blicke, mit denen die beiden Secundanten ein lebhaftes, nur stummes Gespräch führten.

»Ist es denn möglich!« raunte dann der Premier-Lieutenant flüsternd dem Baron zu, während dieser geräuschlos und unbemerkt von den Uebrigen die Kapsel wieder zudrückte. »Nicht wahr, man kann irre werden?« lautete die Antwort Hohenorts. »Wer hätte das geahnt!«

»Es ist nicht recht, daß wir ihn schonen,« fuhr der Ober-Lieutenant lebhafter, aber nur flüsternd fort. »Alles war Maske an ihm. Er hat sich meisterhaft verstellt, um für seine Dulcinea ins Feuer gehen zu können! ... Wissen Sie, Baron, daß ich jetzt an seine angebliche Verlobung mit der Comtesse Tannensee gar nicht glaube? ... Es war eine Fabel, erfunden zu, Gott weiß, welchem Zwecke!«

»Das möchte ich doch bestreiten,« erwiderte Baron von Hohenort. »Aus freien Stücken hat mir der Rittmeister seine bevorstehende öffentliche Verlobung mit Gräfin Bianca von Tannensee mitgetheilt, für erfunden also kann ich diese nicht halten. Aber das schließt ja das Bestehen eines früheren Verhältnisses nicht aus ... Diese verführerische Italienerin hat wunderbar bezaubernde Augen ... Der Rittmeister ist ein stattlicher Mann; von Gestalt, Wuchs, Haar ein wahrer Apollo ... Wer also kann es ihm verargen, daß er Wohlgefallen an einem Wesen fand, das vielleicht gern von ihm erobert werden wollte? ... Doch still! der Arzt ist fertig ... Lassen Sie uns dem Verwundeten beistehen und schweigen wir vorläufig von unserer interessanten Entdeckung! Geschenkt ist dem schlauen, heimlichen Verehrer Graziosa's dieser Schalksstreich nicht. Ich riskire nöthigenfalls deshalb selbst einen Gang mit dem Rittmeister. Doch warten, überlegen wir, was sich thun läßt, bis nach seiner Genesung. Diese Geschichte kann pikant werden und einige Abwechselung in das trockene Einerlei des alltäglichen Gesellschaftslebens bringen.«

Der Rittmeister erhob sich jetzt und streckte sogleich seine Hand nach dem Medaillon aus, das er ohne sichtbare Bewegung wieder auf der Brust verbarg.

Baron von Hohenort verrieth sich weder durch Wort noch Miene, ebenso behielt der Premier-Lieutenant seine Ruhe äußerlich bei. Man kehrte in zwei Wagen nach der Residenz zurück, und es würde von dem Vorgefallenen kaum etwas verlautet haben, wäre nicht von dem Einen oder Andern der bei der Affaire Betheiligten absichtlich davon gesprochen worden.

Rittmeister von Birkenfeld hütete einige Tage das Zimmer. Die Wunde heilte rasch und es wäre ihm möglich gewesen, noch vor Ablauf einer Woche wieder auszugehen, hätte er dies überhaupt beabsichtigt. Er kam lieber dem Wunsche des Arztes, der längere Ruhe rieth, entgegen, weil ihm mehr daran gelegen war. Seine Hauptbeschäftigung bestand in Briefschreiben. Die Correspondenz des Rittmeisters war nicht sehr ausgebreitet, wer aber einmal mit ihm in Verbindung stand, der erhielt ziemlich oft von ihm Briefe. Vorerst setzte nun Birkenfeld seine Verlobte von dem Unfalle in Kenntniß, der ihn an's Zimmer fesselte, ohne jedoch die Veranlassung nur anzudeuten, aus welcher das Duell entstanden war. Er hielt dies nicht für nöthig und glaubte überdies den Charakter der Comtesse Bianca genügend zu kennen, um zu wissen, daß sie schwerlich der Quelle dieses Ehrenhandels sehr eifrig nachspüren werde. Die Freunde besuchten den zu freiwilligem Zimmerarrest sich Verurtheilenden fast täglich und theilten gegen das Ende desselben dem Rittmeister mit, daß man doch von dem stattgehabten Rencontre spreche. Es war leicht, den Verdacht, die Sache ausgeplaudert zu haben, auf ganz fremde Personen zu lenken. Man mochte die Schüsse in der Morgenfrühe gehört, wohl auch die Wagen aus dem Wäldchen haben zurückkommen sehen. Das hatten denn die in der Feme harrenden Beobachter weiter erzählt, man hatte im Stillen nachgeforscht und endlich die Betheiligten glücklich errathen.

Der Rittmeister nahm diese Mittheilung gleichgiltig auf, da es nicht wahrscheinlich war, daß die Polizei Recherchen anstellen würde. Was man über diese Veranlassung zu dem Duell etwa munkeln mochte, konnte, wenn nur die Eingeweihten reinen Mund hielten, seine Ehre nicht berühren. Er stand in dem besten Rufe und Niemand – das wußte er – traute ihm etwas Unehrenhaftes zu. Um so mehr wunderte er sich nach seinem Wiedereintritt in die Welt, daß Alle, denen er persönlich bekannt war, eine früher nicht bemerkte Aufmerksamkeit ihm zuwandten. Diese Aufmerksamkeit, die eigentlich nur in einem stillen Beobachten bestand, hatte weder geradezu etwas Auffallendes, noch auch besonders Auszeichnendes. Nur entging dem Rittmeister nicht, daß er sehr häufig Gegenstand des Gespräches selbst für ihn fremde Personen sein mußte. Diese stummen Winke, dies Augenblinzeln, dies heimliche Flüstern klang in seinem Ohre, als vernähme er die laut gesprochenen Worte:

»Seht, das ist er! Der ist's, der mit dem General von Haustein Kugeln gewechselt hat!«

Kannte man wirklich die Veranlassung des stattgehabten Duells? Hatte das Gerücht diese entstellt und mit allerhand romantischem Flitter ausgeschmückt? ... Wie leicht war es dann, daß er bei solcher Entstellung in einem wenig empfehlenswerthen Lichte erschien!

Dieser Gedanke beunruhigte den Rittmeister. Aber er mochte ihn nicht laut werden lassen, nicht einmal gegen seine nächsten Bekannten. Ruhiges, kühles Beobachten und Abwarten konnten ja genügen, das Geheimniß ihm gelegentlich zu enthüllen.

Gesellige Cirkel hatte von Birkenfeld noch nicht wieder besucht. Ein unklares Etwas hielt ihn davon zurück. Es würde ihn unangenehm berührt und in Verlegenheit gesetzt haben, hätte da oder dort der Eine oder der Andere eine directe Frage an ihn gerichtet. Um jeder solchen, doch immerhin möglichen Anfrage auszuweichen, beschloß er Antwort von Tannensee abzuwarten. Diese Antwort – so hoffte er – würde gleichzeitig die Erlaubniß enthalten, seine Verlobung mit Comtesse Bianca der vornehmen Welt anzeigen zu dürfen. Dies aber war wieder eine so wichtige Neuigkeit, daß man darüber sicherlich das fast spurlos vorübergegangene Duell vergessen mußte.

Es sollte jedoch ganz anders kommen, als Rittmeister von Birkenfeld vermuthete.

Der Circus ward seit einigen Tagen mehr noch als früher besucht. Ein wahrer Flor von Damen fand sich zu den Vorstellungen ein und es verging kein Tag, an welchem nicht mehrfache Aufrufe in den Zeitungen zu lesen waren, die stets ein und denselben Wunsch aussprachen. Director Bianchi wurde wiederholt dringend gebeten, doch ja die bewunderte Signora Graziosa Feliciani so oft wie möglich auftreten zu lassen.

Der viel begehrten Künstlerin, die gerade in neuester Zeit einer besonders gelungenen Leistung sich ihrerseits nicht erinnern konnte, fielen diese Annoncen zuerst auf. Sie forschte und fragte, um die Urheber derselben zu entdecken, konnte aber etwas Gewisses durchaus nicht erfahren. Daß sie dennoch ihr allein galten, vielleicht mehr ihrer Person als ihren Leistungen, das entging ihr nicht. Hätte sie noch daran zweifeln können, so würden die zahlreichen Lorgnetten und Operngucker, die sich auf sie richteten, so oft sie im Circus erschien, sie eines Besseren belehrt haben.

Eines Morgens saß Graziosa Feliciani allein in ihrem Zimmer. Vor ihr stand ein kleiner Koffer von sehr zierlicher Arbeit, der außer einer Reisetoilette auch eine Menge Schmuckgegenstände und Briefe oder doch beschriebene Papiere enthielt.

Graziosa betrachtete diese Papiere mit düstern Blicken und eine Thräne feuchtete ihre großen, dunkeln Augen.

»Ach, was nützt alles Grübeln,« rief sie dann seufzend aus, »es führt ja doch zu keinem Resultate!« Und mit einer trotzigen Miene warf sie unwillig die Papiere wieder in den Koffer, und schlug heftig den Koffer zu.

Da klopfte es an ihre Thür ...

Graziosa stand auf und trat vor den Spiegel.

»Ich darf es wohl wagen,« sprach sie selbstgefällig lächelnd, und sogleich rief sie ein lautes »Herein!«

»Signora entschuldigen, daß ich so früh störe,« redete der eintretende Director die jugendliche Künstlerin an. »Ich komme, um mich eines Versprechens zu entledigen, das ich Ihnen vor einigen Tagen gab.«

»Sind Sie unterrichtet?« unterbrach ihn mit großer Lebhaftigkeit Graziosa Feliciani.

»Ich glaube vollkommen auf der rechten Spur zu sein,« erwiderte Bianchi. »Man hat sich geschlagen.«

»Um mich? ... Für mich? ... Wem könnte das einfallen!«

»Es ist dennoch geschehen, Signora! ... Die ganze Welt spricht von dem Vorfalle. Die Damenwelt ist begreiflicherweise ganz außer sich und betrachtet seitdem, wie wir ja selbst bemerken konnten, Sie und Ihre Leistungen mit gesteigertem Interesse. Freilich – setzte der Director schalkhaft lächelnd hinzu – mag bei unsern schönen Zuschauerinnen Manche Ihnen recht von Herzen grollen. Einer der reichsten Cavaliere hat um Ihretwillen, aus glühender, schwärmerischer Liebe zu Ihnen, sein Leben aufs Spiel gesetzt!«

»Kenne ich den Mann?« fragte Graziosa, den Worten des Directors noch immer keinen rechten Glauben beimessend.

Bianchi hob schalkhaft drohend den Finger.

»Böse, schöne Zauberin,« sprach er, »wenn Sie ihn nicht kennten, wie wäre es möglich, daß Ihr Bild sein Lebensretter werden konnte?«

»Signor Bianchi,« erwiderte Graziosa in einem Tone, der Schmerz und Zorn ausdrückte, »Sie kennen mich genugsam, um zu wissen, daß ich für derartige Scherze sehr wenig Sinn habe. Ich traure um ein verloren gegangenes Geheimniß, das mir keine Ruhe läßt. Der Wunsch, dies Geheimniß vielleicht doch irgendwo wieder aufzufinden, hat mich den, wenn Sie wollen, verzweifelten Entschluß fassen lassen, mich Ihnen anzuschließen ... Ich war mittellos, verlassen; dem Elende, vielleicht dem Tode preisgegeben ... Sie sahen mich, redeten mich an, wollten sich für mich verwenden ... Es gelang nicht Alles, was Sie beabsichtigten, aber Sie verließen mich nicht ... Da entdeckte ich mich Ihnen, so weit ich durfte und konnte ... Meine traurige Lage und ein dankbares Gefühl, das sich für Sie in meinem Herzen regte, entriß mir eine Zusage, die ich oft schon bereut habe, die ich aber zurückzunehmen zu wenig Entschlossenheit besitze ... So liegen die Dinge zwischen uns und sie sind es, die Ihnen immer und immer wieder sagen müssen, daß ich auf Eroberungen wahrhaftig nicht ausgehe.«

»Signora,« versetzte darauf Bianchi, »ich habe kein Recht, Ihre Herzensgeheimnisse erforschen zu wollen. Sie beauftragten mich mit einer Art Mission, und dieser Mission habe ich mich unterzogen. Welchen Erfolg sie hatte, wissen Sie.«

»Wenn Ihre Worte nicht scherzhaft gemeint waren,« sagte Graziosa, »so verlange ich den Namen des Mannes zu erfahren, der aus irgend einer romantischen Ueberspannung, wie sie den Deutschen noch immer eigen sein soll, sich zu – einer so übereilten Handlung hinreißen ließ.«

»Rittmeister von Birkenfeld nennt sich der Mann. Er ist jung, schön, ein wahrhaft ritterlicher Charakter und von sehr vornehmer Familie.«

Graziosa zuckte die Achseln und warf schmollend die Lippe auf.

»Alles möglich,« sprach sie, »trotzdem aber kenne ich ihn nicht. Der Mann ist wahrscheinlich ein Narr oder – ein sehr berechnender schlauer Schelm.«

»Sie erlauben, Signora, daß ich eine andere Ansicht habe. Ich bin überzeugt, daß der namhaft gemachte Rittmeister Sie verehrt, er würde sonst Ihr Bild nicht auf dem Herzen tragen.«

Graziosa erglühte in zorniger Schönheit. Ihre Augen blitzten, die noch ungeordneten Locken ringelten sich wie dunkel glänzende Schlangen um die von leisem Rosa nur angehauchte zarte Wange. Sie glich einer schönen Furie.

»Diese Behauptung ist eine Entwürdigung!« rief sie empört. »Sie beleidigt mich, sie droht mich zu entehren! ... Wahrlich, wäre ich kein Weib, ich würde den zu blutiger Rechenschaft ziehen, der sie ausspricht!«

»Dann müßten Sie sich mit der halben Stadt schießen,« versetzte der Director. »Es gibt kein Kaffeehaus, wo man nicht von dem Rencontre des Rittmeisters von Birkenfeld spricht ... Ihr Porträt, das dieser – Ihnen unbekannt gebliebene schwärmerische Verehrer in goldener Kapsel auf seiner Brust trägt, hat mehr denn Einer gesehen und Jeder, Jeder hat, was doch unmöglich bloße Einbildung und überspannte Phantasie junger verliebter Hitzköpfe sein kann, Signora Graziosa Feliciani darin erkannt.«

»Kein Mann kann sich rühmen, mein Bild von mir erhalten zu haben,« erwiderte Graziosa. »Es muß also eine Intrigue im Spiele sein, die entweder mir oder einer Anderen, vielleicht mir völlig Unbekannten gilt.«

»Höchst wahrscheinlich hat der Rittmeister ein Porträt von Ihnen gekauft,« bemerkte Bianchi, als er die heftige Unruhe der Signora gewahrte. »Nach diesem offenbar von dem leidenschaftlichen Schwärmer hoch verehrten Bilde wird er sich dann ein Miniaturgemälde haben anfertigen lassen.«

»Kennen Sie den Rittmeister persönlich?« warf Graziosa ein.

»Man hat ihn mir gezeigt.«

»Besucht er den Circus?«

»Ich erinnere mich, ihn einige Male gesehen zu haben.«

»Wo pflegt er Platz zu, nehmen?«

»Gewöhnlich hält er sich im Hintergrunde.«

Graziosa sann eine Weile, ihr klassisch geformtes Haupt auf die Hand stützend, nach.

»Signor Bianchi,« sprach sie dann, »wenn es sich, ohne Aufsehen zu erregen, thun ließe, daß Sie in einer der nächsten Vorstellungen dem Rittmeister einen Platz anweisen könnten, wo ich den sonderbaren Mann beobachten kann, so möchte ich Sie bitten, dies zu arrangiren. Ich bin doch begierig, den Mann kennen zu lernen, der, der Sage nach, mein Bild auf dem Herzen trägt, sich für mich schlägt, mich, wie man annimmt, leidenschaftlich liebt und doch nicht einmal den Muth besitzt, sich mir zu nähern. Liebhaber solch' romantischer Art sind gar zu eigenthümliche Menschen. Sie kennen zu lernen ist man sich selbst schuldig, damit man doch Gelegenheit findet, die männliche Natur zu ergründen.«

»Es wird nicht schwer fallen, Ihren Wunsch zu erfüllen, Signora,« erwiderte der Director. »Wir kündigen für einen der nächsten Abende eine Benefiz-Vorstellung für Sie an nebst warmer Aufforderung an das Publikum, sich ja recht zahlreich zu dieser an ganz außerordentlichen Leistungen reichen Vorstellung einzufinden. Wie die Sachen liegen, wird so leicht von Denen, welche den Vorfall kennen, Keiner fehlen, der Rittmeister am wenigsten. Da es bei solchem Zudrange natürlich auch an Platz mangeln dürfte, so werde ich selbst mich bemühen, die Herrschaften am zweckmäßigsten zu placiren, und ich gebe Ihnen mein Wort, Signora, der Rittmeister von Birkenfeld soll in erster Reihe Platz finden und Ihnen so nahe gerückt werden, daß Sie ihn bequem betrachten, und, wenn Ihnen daran gelegen sein sollte, ihm sogar die Hand reichen können.«

»Besorgen Sie das Nöthige,« versetzte Graziosa kühl, »was mir zu thun obliegt, werde ich im entscheidenden Momente wohl wissen.«


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