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Die vierte Bewegung

Impression

Le réveillon

Rot säumt der Himmel ringsumher
Und Nebel flieht und Schattengrau,
Wie aus dem Bette eine Frau
Steigt weiß der Morgen aus dem Meer.

Zackige erzne Pfeile schauern
Schon durch der Nacht Gefieder dicht,
Ein breiter Schwall von gelbem Licht
Bricht schweigend sich an Turm und Mauern.

Weit übers ebne Land hin schweift
Ein Vogel flatternd, kaum erwacht,
Kastanienwipfel schwanken sacht
Und jeder Zweig ist goldgestreift.

In Verona

Wie steil die Stufen, wenn Verbannungsnot
Wegmüd in Königshäusern Einzug hält,
Und das vom Tische dieses Hundes Can Grande. Anm. d. Ü. fällt,
Wie salzig doch und bitter ist das Brot!

Besser, ich fänd im roten Krieg den Tod
Und daß Florenz mein Haupt am Tor ausstellt,
Als so zu leben, allem zugesellt,
Was meiner Seele hier Verderben droht.

»Fluch Gott und stirb: gibt's bess're Hoffnung noch?
Er hat vergessen dich in aller Wonne
Der goldnen Stadt und seiner ew'gen Sonne –«

Nein still: hinter des Kerkers Gitter doch
Besitz ich, daß es ungeraubt mir bliebe,
Der Sterne ganze Pracht und meine Liebe.

Apologia

Willst du es, daß ich hoffen sollt' und zagen,
Tauschen für grauen Zwilch mein goldnes Kleid,
Zur Lust dir weben mit verlornen Tagen
Als buntsten Fäden dies Geweb von Leid?

Willst du es, Liebe, mir so sehr geliebt,
Daß meiner Seele Haus ein Qualort ist,
Der, wie zwei argen Buhlen, Wohnung gibt
Dem ew'gen Brand, dem Wurm, der immer frißt?

Doch ist's dein Wille, harr' ich aus im Leiden;
Mein Stolz soll auf dem Markt verhandelt sein,
In dunkles Betteltum will ich mich kleiden
Und Kummer grabe in mein Herz sich ein.

Und ist nicht eben dies vielleicht das beste?
Nie habe ich mein Herz zum Stein gemacht,
Trog meine Jugend nie um ihre Feste
Noch wandelt' ich, wo Schönheit nie gelacht.

Mancher tat so; schnürte in enge Bande
Die Seele, die nicht Fesseln tragen soll,
Zog staub'ge Alltagswege durch die Lande,
Indes der Wald ringsum von Freiheit scholl,

Sah nicht, wie der gefleckte Falk im Flug
Hoch in der Luft auf breiten Schwingen hing,
Wo nie betretner Höhen steiler Zug
Des Sonnengottes letzte Locken fing,

Nicht, wie das Gänseblümchen, drauf er trat,
Der goldne Schild im weißen Federnkreis,
Sehnlichen Blickes folgt der Sonne Pfad,
Zufrieden, wenn er sich vergoldet weiß.

Doch wohl ist's etwas, wenn du kurze Zeit
Der bestgeliebte warst und an der Hand
Der Liebe gingst und deine Seligkeit
Lächelnd der Purpurschwingen Hauch empfand.

Ja, zehrt die Schlange Wollust voller Gier
Am jungen Herzen auch, doch vom Averne
Stieg ich empor zur Schönheit und zu ihr,
Der Liebe, die beweget Sonn' und Sterne Schluß der Divina Commedia, Fassung von Streckfuß. D. Ü..

Quia multum amavi

O Herz, der jung inbrünst'ge Priester, sieh,
Nimmt er zuerst aus dem verborgnen Schrein
Den Gott, der einwohnt der Eucharistie,
Und ißt das Brot, und trinkt den furchtbarn Wein,

Fühlt solchen Schauder nicht, so heilig süßen,
Wie ich fühlt', als zuerst du mir erschienst
Und all die Nacht ich kniete dir zu Füßen,
Bis dich verdrießen mocht' mein Götzendienst.

Ach, hättest du in diesen Sommertagen
Mich minder lieb gehabt, doch mehr geliebt,
Nicht jetzt des Kummers Erbe müßt' ich tragen
Vorm Haus der Schmerzen, das mir Zuflucht gibt.

Folgt auch, der Jugend blasser Seneschall,
Die Reu mir auf dem Fuß, doch jubl' ich laut,
Daß ich dich liebte – denk' der Sonnen all,
Die hingehn, daß ein Ehrenpreis erblaut!

Silentium amoris

Wie oft die blasse Schwester mitleidslos
Zurückscheucht der zu helle Sonnengott
In ihre dunkle Grotte, eh sie bloß
Ein einzig Lied der Nachtigall vernahm,
So fühlt mein Mund vor deiner Schönheit Scham
Und all mein süßest Singen wird zu Spott.

Und wie frühmorgens wohl im ersten Licht
Ein starker Wind daherweht übers Gras
Und mit zu wildem Kuß das Rohr zerbricht,
Das einz'ge Instrument für seinen Sang,
So leid' ich Schmerzen von zu stürm'schem Drang
Und meine Seele schweigt im Übermaß.

Doch sicher kannst du mir's im Auge sehn,
Warum dir Lied und Laute nicht erklungen,
Sonst besser laß uns scheiden nur und gehn,
Du hin, wo süßrer Sang dir schallen müßt',
Und ich der Küsse, nimmermehr geküßt,
Der Lieder zu gedenken, nie gesungen.

Ihre Stimme

Wildbiene schwirrt im Pelzgewand
Mit schillernden Flügeln und goldnen Schuhn,
Nun hin zu des Lilienkelches Rand,
Schwingt Hyazinthenglöckchen nun
Und will nicht ruhn;
Komm näher, Liebster: hier gab ich zum Pfand
Dir meine Hand,

Daß mein Leben fortan in deinem lebt;
Wie die Möwe nur liebt das Meer allein,
Und die Sonnenblume zur Sonne strebt –
So mög' es, sagte ich, ewig sein
Zwischen uns zwein!
Doch nun ist der Liebe Geweb gewebt
Und die Zeiten entschwebt.

Blick auf und sieh, der Pappelbaum
Schwankt in der Sommerluft blätterschwer, –
Dort wehen stets von dem Ufersaum
Und dem mächtigen, murmelnden, mystischen Meer
Die Stürme daher;
Hier unten zerträgt ein Windhauch kaum
Den Distelflaum.

Blick auf, wo die weiße Möwe schreit!
Was sieht sie, das unser Auge nicht sieht!
Ist das ein Stern? eine Lampe weit
Auf einem Schiff, das zur Ferne zieht? –
Ach, das Leben entflieht
Und im Land der Träume schwand uns die Zeit!
O bittres Leid!

Liebster, nur dies noch sag' ich dir:
Liebe kann nie verloren gehn.
Die Brust, die im Winter erkaltet schier,
Sieht Mai in roten Rosen stehn;
Wie die Stürme auch wehn,
Findet jedes Schiff seinen Hafen hier,
Und so auch wir.

Und, Liebster, nur noch das eine tu:
Bevor du scheidest, küsse mich!
Und laß uns scheiden in Herzensruh –
Du hast deine Kunst, meine Schönheit ich,
Wie genügte auch, sprich,
Eine Welt für zwei wie ich und du?
Und klagen wozu?

Meine Stimme

In dieser hastenden modernen Welt
Nahmen wir, was an Lust die Herzen sahn,
Nun sind die weißen Segel eingestellt
Und der Gallione ganze Fracht vertan.

Blaß vor der Zeit darum sind meine Wangen,
Mein Frohsinn floh vor bittrer Tränen Lauf,
In Gram ist meiner Lippen Rot vergangen,
Elend zieht meines Bettes Vorhang auf.

Doch all dies reiche Leben war nicht mehr
Als Leier dir und Laute, süßer Schall
Von Geigen und der Sang des Meeres, der
In Muscheln schläft gleich einem Widerhall.

Taedium vitae

Nimmer verzweifelt meine Jugend morden,
Bunte Livrei so schnöder Zeiten tragen,
Im Netz von Frauenhaar die Seele schlagen,
Preisgeben meinen Schatz den Pöbelhorden,

Selbst bloßen Mammons Hauslakai geworden –
Nein, nimmer will ich's! all dies gilt mir kaum
Soviel als samenloser Distelflaum
In Sommerlüften und am Meeresboden

Der dünne Schaumtrieb: lieber ferne stehn
Von all der niedren Narren Schmähgelüst,
Die Unverstandnes höhnen, lieber wähle

Die ärmste Hütte, als zurückzugehn
In diesen Kampf, wo deine weiße Seele
Zum erstenmal der Sünde Mund geküßt!


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