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IX.

Paul saß noch auf dem Felsen, dem bräunlichgelben, der steil gegen das Wasser abfiel. Die vom sanften Abendwinde gekräuselten Fluten rauschten dumpf herauf, zuweilen erklang die hellere Musik einer anklatschenden Welle. Riegler war leise fortgegangen, da er seinen Freund so sonderbar bewegt, so in sich versunken sah; es war menschenstill um Paul, ein tiefer Friede, der die Unruhe in seiner Brust doch ein wenig löste. Er sah auf den Golf hinaus, er sah alles, seine Augen suchten es zu fassen, aber es schien ihm ein Traum, und das Wunder des ganzen Lebens, seines eigenen, der Welt lag auf seiner Seele. Die Schlachtfelder von Frankreich stiegen vor ihm aus dem Golf heraus; das bleiche Gesicht des verwundeten Grafen, an dessen Bett er saß und der ihm von seiner Tochter Raffaela erzählte; – nun saß er hier, auf ein letztes Wort dieser Raffaela wartend, in der Villa am Posilipp – seiner Villa, wenn er einst gewollt hätte ... Die Dämmerung brach herein, das unermeßlich lang am Meere hingestreckte Neapel, das sich zu seiner Linken gegen den Vesuv zog und auch da noch in immer neuen Städten und Oertern sich fortsetzte, leuchtete noch in einem letzten Licht, das vom Himmel strahlte. »Nun wird diese Stadt des Lebens und der Lust,« dachte er, »bald in Nacht versinken – und was wird dann aus mir? Und aus meinem Leben und aus meiner Lust? – O warum mußte ich mein Herz so an sie verlieren – – Aber es ist doch süß ... Ach, so kannt' ich's nie ...«

Eine seltsame Erscheinung zog seine Augen nach den Höhen über Neapel hin; ein sanft abgerundeter Gipfel – oder war es ein Werk von Menschenhand, er konnte es nicht erkennen – fing an zu erglühen, sich in einer flammenhellen Erhöhung fortzusetzen, die sich rätselhaft emporwölbte. Dann aber stieg es langsam wie eine mächtige, goldene Seifenblase auf, die ein unsichtbarer Hauch nach oben trieb, löste sich mehr und mehr von dem Hügel ab und schwebte endlich majestätisch in das Blau empor. »Du bist's, schöner Mond!« sagte Paul ergriffen. »An dich dacht' ich nicht ... Wie warm du mich anschaust. Wie das goldene Auge des Schicksals, das mir ins Herz sehen will, ob es auch gefaßt und lebensmutig ist – dafür will ich dich nehmen! – Ja, ich bin gefaßt – und an wie manchem Ort auf dieser Erde und in wie mancher Schicksalsstunde sind wir uns schon begegnet. Hast mir auch manches Mal melancholisch und kalt in die Brust gesehen, hast mich müde und kummervoll gefunden wie die anderen Menschen – aber heute nacht leuchtest du so golden – so warm – – wie wenn du nur Segen und Freude und Liebe bringen könntest. Ja, ich glaube – ich hoffe –«

Eine leichte Hand legte sich ihm auf die Schulter. Als er sich umwendete – er dachte, es sei Riegler – stand Raffaela hinter ihm. Der Mond beleuchtete ihr lächelndes Gesicht; die Korallenschnüre, die farbige Schärpe, das Mützchen auf ihrem Kopfe, das zur Seite nickte. Paul starrte sie an, sie war ihm wie verwandelt. Er war aufgestanden. »Kommen Sie,« sagte ihre weiche Stimme. »Wir erwarten Sie. Bis ich Ihnen sagen kann, was ich – sagen möchte, seien Sie da drinnen mein Gast. Sie werden Durst oder Hunger haben?«

»O nein,« erwiderte er, sie fort und fort betrachtend.

Sie lächelte. »Ich wünsche aber, daß Sie Durst oder Hunger haben. Solange Sie noch hier sind, müssen Sie meinen Wünschen folgen. Das ist Ihre Ritterpflicht. Ich gehe voran. Also kommen Sie!«

Er gehorchte stumm. Er war wie im Traume, reden mochte er nicht. Sie schwebte durch den Mondschein voran, in das Haus hinein, nicht über die Terrasse, sondern in einen Anbau, der am Garten lag. Es war ein mäßig großes Gemach, in das sie eintraten, mit Holz getäfelt, das sich heller und dunkler abtönte; farbige Lampen, in denen die Flammen schon brannten, hingen von der Decke herab. In der Mitte des Zimmers stand ein niedriger Tisch ohne Stühle, mit Wein, Kuchen und Früchten auf vier silbernen Schalen. Um den Tisch her, aber in einiger Entfernung, waren vier Diwans im Viereck gestellt. Die beiden Diener im Kostüm neapolitanischer Bootsführer, die den Doktor Riegler vorhin bedient hatten, standen im Hintergrunde, Riegler und Grabow erwarteten die Herrin an der Schwelle.

»Wir werden unser vier sein,« sagte Raffaela zu Paul. »Sie, Ihr Freund und mein alter Grabow, wenn Sie es gestatten. Ich erzählte Ihnen ja einmal von dem ›Vater Grabow‹, der, als ich da unten in Piedigrotta Kinderschuhe trug, mein Beschützer, mein Freund war. Heute, zur Feier der Heimkehr, muß er mit uns tafeln, nicht wahr, mit uns Lacrimae Christi trinken –«

Paul verneigte sich lächelnd. Grabow seufzte und keuchte vor Bewegung, wischte sich mit seinem Taschentuche angeblichen Schweiß von den Augen fort und beugte sich heimlich auf Raffaelas Hand, um sie zu küssen.

»Meine Herren,« fuhr Raffaela fort, »Sie sind in Neapel! Erlauben Sie, daß ich Sie heute nach meiner neapolitanischen Phantasie bewirte, nicht ganz wie im alten Pompeji, aber doch so ein wenig nach antiker Art. Ich bitte, lagern Sie sich; Sie sehen, für jeden steht ein Diwan bereit. Man wird Sie bedienen wie im Altertum, legen Sie sich nur hin!«

»Ah, ah!« rief Doktor Riegler aus. »Fürstin, das ist ja die reine Poesie!« Er faßte Paul am Aermel und flüsterte: »Steh doch nicht so eingefroren da, was ist in dich gefahren? – Schau sie an, Paul, ist sie nicht wie ein Märchen?«

Paul erwiderte nichts. Die Fürstin nahm ihn bei der Hand und führte ihn stumm zu einem Diwan. Er lagerte sich, ebenso die anderen, nur Raffaela stand noch. Die Diener traten herzu, nahmen die silbernen Schalen von der Tafel und stellten sie auf winzigen Tischchen neben die Gäste hin. Nebenan, hinter einem Vorhang, der eine Thür verdeckte, begann eine gedämpfte Musik, sie spielte die Melodie der » Vera Sorrentina«, die Raffaela vorhin gesungen hatte, während sie sich schmückte. Riegler horchte entzückt.

»Was ist das?« fragte er, sich ein wenig aufrichtend.

»Das ist unsere alte, simple, neapolitanische Musik,« antwortete Raffaela, »Guitarre, Mandoline und Geige. Meine drei Musikanten, meine alten Freunde; sie hatten schon gehört, daß ich gekommen sei, und warteten auf der Straße. Das gehört ja auch zu einem antiken ›Gelage‹, nicht wahr? ... Trinken Sie, meine Herren – trinken Sie. Vater Grabow, fürchten Sie sich nicht. Wenn Sie auch müde sind und der Vesuvwein Sie einschläfert – was thut's? Sie dürfen hier ruhig einschlafen, so wie Sie da liegen. Ja,« setzte sie hinzu, indem sie über die Schulter einen verstohlenen, beobachtenden Blick auf Paul warf, »dieser pompejanische Abend am Posilipp erspart meinen Gästen das Heimgehen; ohne prosaische Unterbrechung aus der Lust des Lebens in die Lust des Schlafes: das ist die Parole!«

»Du!« flüsterte Doktor Riegler, sich etwas vorbeugend, zu Paul hinüber, der ihm rechts zunächst lag, »hast du das gehört? Das erinnert mich ja an deine Phantasie!«

Paul antwortete nicht, aber sein Herz schlug stark. »Was bedeutet das alles?« dachte er. »Was hat sie im Sinne – was will sie? – –« Raffaela hatte sich von ihm abgewendet; sie lagerte sich nun auch und griff zu ihrem Becher, denn auf jeder Schale stand ein silbernes Trinkgefäß, schon mit Wein gefüllt. »Ich trinke Ihnen zu, Vater Grabow,« sagte sie, ihren Becher hebend. »Wie sagten Sie mir vorhin? Willkommen am Posilipp!«

»Ach!« seufzte der Alte, der die schweren Augen vor Seligkeit aufriß. Er trank in kleinen Zügen, aber fort und fort. »Ja, ja, ja,« sagte er, mehr singend als sprechend. »Willkommen am Posilipp! – Wir sind wieder heimgekehrt – wir sind wieder heimgekehrt – wir sind am Posilipp!«

Die heitere Melodie nebenan, mehrmals gespielt, verstummte; die Guitarre präludierte einen Uebergang, dann begannen die Musikanten eine ernste, getragene Melodie zu spielen, die schwermütig feierlich emporstrebte und dem alten Grabow plötzlich große Thränen entlockte. Er fing an, leise mitzusummen; er hielt sich den Becher vor die Augen, damit man seine Rührung nicht bemerken sollte, dann trank er wieder und seufzte.

»Was spielen sie jetzt?« fragte Riegler zu dem Alten hin.

Raffaela antwortete für ihn. »Auch ein italienisches Lied,« sagte sie, »aber nicht von hier. » Vorrei morir quando tramonta il sole« ...«

» Vorrei morir,« summte Grabow selig. Er horchte eine Weile; dann, als die Melodie zu ihrem Anfang zurückkehrte, riß es ihn mit fort, und ebenso unrichtig wie begeistert sang er voll der glückstrahlendsten Schwermut:

» Vorrei morir quando tramonta il sole –«

Plötzlich brach er ab. »O meine teure Donna Raffaela,« sagte er, sich aufrichtend, »bitte tausendmal um Exküse. Was erdreist' ich mich –«

»Singen Sie nur!« rief Raffaela lustig. »Nicht wahr, er soll singen, und wenn er auch eine ganz andere Melodie singt ... Heute ist Freiheit, Grabow; folgen Sie Ihrem Herzen, schonen Sie uns nicht!«

Grabow schlug eine Weile den Takt, dann schloß er die Augen, die, von Wachen, Wein und Hitze schwer, nicht mehr gehorchen wollten, und sang wieder mit. Auch Raffaela fiel ein, um ihm Mut zu machen. Doktor Riegler, den die Poesie dieses »griechischen Abends« völlig übermannte, ließ seine Kehle schüchtern versuchen, ob sie sich anschließen könnte; aber ihm fehlten die Worte, die Melodie und die Stimme, und er sank wieder auf seinen Diwan und in das Schweigen des Glücklichen zurück.

Das Lied war aus, die Musik verstummte. »Meine Herren!« rief Grabow plötzlich, mit unsicherer Stimme. »Nein,« unterbrach er sich, »meine hohe Dame, Donna Raffaela ... Nein, entschuldigen Sie, nicht an Sie richte ich diese Worte ... Also meine Herren! Erlauben Sie, daß ich alter Mann in dieser Weihestunde, an diesem anti – anti – – an diesem Abende aus alter Zeit meine Gefühle ausspreche. Wir sind am Posilipp – am Posilipp, ja, am Posilipp – dieses Land ist das Paradies! Ach, nicht jeder ist hier geboren, meine Herren: auch ich bin hier nicht geboren, meine Herren ... Aber eines Tages wanderte ein armer deutscher Gärtner durch die Straßen dieses Paradieses, und war selig, und hungerte, und an einem Fenster stand – – und an einem Fenster stand – –«

Die Rührung und die schwere Zunge hemmten seine Rede; er deutete auf Raffaela, um zu sagen, daß sie an jenem Fenster gestanden hatte, und fing an zu schluchzen. Die Musik begann wieder, sie spielten das Lied von der Schwalbe, die der unglücklich Liebende als Boten ausschickt. Es war Grabows Leiblied und Schicksalslied; wie viel hundertmal hatte er es falsch gesungen – beim ersten Ton horchte er auf. Beim zweiten fiel er ein:

» O rondinella amabile,
Vola dall' idolo mio,
Dalle l'estremo addio,
Dille ch' io son per mar.
«

Schluchzen, wie das eines müden Kindes, erstickte ihm die Stimme. Aber er konnte nicht schweigen, er mußte der Grausamen, die ihn nicht erhörte, die ihn verließ, noch einmal seinen Kummer und seine falschen Noten ins Gesicht schleudern:

» Perchè tradirmi?
Perchè fuggirmi?
Sei dona barbara,
Non hai cuor!
«

Dann sank er auf seine Kissen, lächelte und seufzte. »Ja, ja, meine Herren!« murmelte er, »das ist das Paradies – der Golf, der bekannte Golf von Neapel ... Und, sehen Sie, in diesem Paradiese gibt es einen Engel – wie ich sagen wollte ...« Er deutete wieder mit dem Finger in die Richtung, wo Raffaela lag. »Ach, wenn ich nur nicht so müde wäre – –«

»Er darf müde sein,« sagte Raffaela halblaut. »Er hat viel gewacht – für uns alle, und diesen feurigen Wein ist er nicht gewöhnt ... Vater Grabow!« flüsterte sie.

»Er schläft ein,« sagte Riegler leise.

»Er schläft,« setzte er nach einer Weile hinzu.

»Also ein Instrument ist still,« sagte Raffaela und lächelte verstohlen zu Paul hinüber, der noch immer stumm mit seinen Gefühlen kämpfte. »Wir machen es heute wie in jener Haydnschen Symphonie, ein Instrument nach dem anderen spielt seinen Part zu Ende – verschwindet – bis zuletzt nur noch eines bleibt, und das spielt den Schluß! – – Das erste Instrument verschwindet,« sagte sie dann heiter und winkte den Dienern, die wieder hinten im Winkel standen, wo niemand sie bemerkte. Die beiden traten an Grabows Diwan heran und hoben ihn behutsam auf. Darauf trugen sie ihn geräuschlos durch eine hintere Thür hinaus, ohne daß der Alte erwachte.

»So wird man jeden von uns sans adieu in sein Zimmer tragen,« sagte Raffaela. »Das ist die Vervollkommnung Pompejis am Posilipp!«

»Paul!« flüsterte Riegler. »Dein Ideal! Bei Gott!«

Der Vorhang zum Nebenzimmer öffnete sich, einer der Musikanten trat ein, die Geige unter dem Arme; ein kleiner, grauhaariger Mann mit einer hohen Stirne. Er verneigte sich mit vielem Anstande und überreichte der Fürstin ein Billet.

»Wer hat das gebracht?« sagte sie und öffnete es rasch.

Eine jähe Freude färbte ihr die Wangen, die bisher zuweilen vor Unruhe erbleicht waren. Sie nickte vor sich hin, sah in die Luft, flüsterte etwas. Sie winkte dem Geiger, zu gehen.

Dann trat sie auf den Diwan zu, auf dem sich Paul aufgerichtet hatte, und zog aus dem Couvert eine Blume hervor. Sie hielt sie in die Höhe wie das Zeichen ihres Sieges, ein tiefer Atemzug befreite ihre Brust.

»Was bedeutet diese Blume?« fragte Riegler, in dem auf einmal, durch den beseligenden Dunst des Weines hindurch, eine unbestimmte Ahnung aufstieg.

»Was sie bedeutet?« sagte Raffaela. »Daß ich – –«

Sie verstummte. Aber ein so strahlender und inniger Blick aus den schönen Augen ging zu Paul und ruhte auf ihm und lächelte ihn an, daß Riegler, der Staunende, wohl erraten mußte, wie es zwischen den beiden stand. Raffaela dachte auch nicht daran, es länger zu verbergen; sie legte eine Hand auf ihr übervolles Herz. Dann ging sie langsam zu ihrem Diwan zurück, setzte sich und drückte die Augen zu.

Auch Paul saß auf seinem Diwan. Es war alles still. Doktor Riegler stand auf, ging leise zu Paul und setzte sich neben ihn. »Ich verstehe, Bruder,« flüsterte er, mit einem wehmütigen Lächeln. »Dieser Abend – die Diwans – in der Villa am Posilipp ... Und der Blick, und die Blume ... Dein ›Luftschloß‹, Paul!«

Paul Eberstein lächelte ein wenig und drückte ihm die Hand.

»Du bist mir ein Rätsel, aber es scheint, du hast's erreicht! – – Ich gönne dir's, Bruder. Wahrhaftig ... Nun ist hier also nur noch einer zu viel, und der bin ich!«

Er sah die Diener, die ohne Geräusch wieder eingetreten waren; mit einem plötzlichen Entschluß ging er zu seinem Diwan zurück. Nachdem er sich, wie auf Befehl, wieder ausgestreckt hatte, sagte er mit einer gewissen Anstrengung, aber liebenswürdig: »Erlauben Sie, Fürstin, daß ich – – daß ich nun auch einschlafe! –«

Sie öffnete die Augen. »Sie auch?«

»Ja. Es ist etwas in der Luft ...« Er lehnte sich ganz zurück und zog die Lider herunter. »Haben Sie die Gnade, zu befehlen, daß man den schlafenden Doktor Riegler hinausträgt, Ihren ergebensten Diener – und Paul Ebersteins Freund!«

»Guter Junge!« murmelte Paul bewegt.

Raffaela stand auf. Nun begriff sie erst.

»Er schläft?« fragte sie, um etwas zu sagen.

»Es scheint,« antwortete Paul.

Sie lächelte und winkte. Die Diener nahmen Doktor Rieglers Diwan und trugen ihn dem ersten nach.

»Wenn das kein Gedicht ist!« dachte Riegler, vom Bacchus erfüllt, in elegischem Humor, während sie ihn hinaustrugen:

»Sie schlugen beide dieselbe Schlacht,
Die Schlacht auf dem Felde der Liebe;
Der eine fiel, den tragen sie fort,
Der andre – –«

Der Schluß fiel ihm nicht ein, der passende Reim wollte sich nicht finden. Die italienischen Verse, die Grabow gesungen hatte, drängten sich dazwischen ...

Er war verschwunden. Paul war aufgestanden, Raffaela und er standen sich gegenüber, zwischen ihnen der große Tisch. »Nun?« sagte sie, auf deren verklärtem Gesichte ihre Bewegung zitterte und spielte. »Hatt' ich ihn mir gut gemerkt, Ihren Traum von damals? – Und hab' ich's nun gut gemacht? Ich hatte mein Glück verkauft, ich hab' es zurückgekauft – um einen geringen Preis, um Geld – weiter nichts. Diese Blume – –« Sie nahm ihren Becher und warf sie hinein. »Sehen Sie, da werf' ich die Hälfte meines Vermögens – nicht ins Wasser, aber in den Wein. So ist es gut, ich bin glücklich! Ich bin wieder frei – wie Sie –«

»Raffaela!«

»Ja, ja, nennen Sie mich so, denn ich will ja nicht heucheln, für Sie hab' ich's gethan. Ja, ich bin nun frei – und ich bin nicht mehr die Grafentochter, die Fürstin – ich bin, was Sie da sehen, in ihrem Mützchen, mit ihren Korallen die Raffaelina, die Tochter der armen Teresa von Piedigrotta. Da fang' ich nun wieder an ... Nicht wahr, ich war tapfer, ich hab' Sie mir erkämpft ... Oder nicht? Verdien' ich Sie noch nicht?«

Er kniete vor ihr nieder. »Raffaela! Sie mich?«

»Nein, nicht so!« sagte sie und zog ihn in die Höhe. Dann sank sie an seine Brust.

*

»Es wird spät,« sagte sie nach einer langen Zeit – wie lang, wußte sie nicht – und löste sich sanft aus seinen Armen. »Sie müssen nun fort – – Du, du mußt nun fort.« Sie lächelte ihn an: »Man wird dich nun auch hinaustragen, wie die anderen –«

»O nein!« sagte er. »Mich nicht!«

»Doch, mein Herr. Sie haben es selber so gewollt, als Sie damals so dreist, so übermütig von mir phantasierten. Nun sollen Sie Ihre Phantasie, die Ihnen so gut ausgegangen ist, auch zu Ende spielen ...«

Eine bacchantische Glückseligkeit strahlte ihr aus den liebevollen Augen. Er zögerte noch; er umschlang sie wieder. Sie küßte ihn zum letztenmal, dann noch einmal das Grübchen; dann trat sie zurück. »Nun geh,« sagte sie leise. »Heute will ich noch meinen ›Willen‹ haben – von morgen an den deinen – – wenn er mir gefällt!« setzte sie übermütig hinzu.

Sie winkte hinaus, und die Diener kamen. »Schlafen Sie nun ein,« sagte sie, »strecken Sie sich aus. –« Sie sah ihm lächelnd zu, während er gehorchte.

»Paul!« flüsterte sie dann, wie zum Abschied über ihn gebeugt. »Paul! das Leben ist doch eine gute Sache!«

*


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