Christoph Martin Wieland
Dschinnistan
Christoph Martin Wieland

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Adis und Dahy

In der Gegend von Masulipatnam, einer Stadt des Königreichs Golkonde, wohnte eine gute Frau, die ihr verstorbener Mann, mit zwei sehr artigen Töchtern auf dem Halse, in geringen Umständen hinterlassen hatte. Die älteste, namens Fatime, hatte siebzehn Jahre, und Kadidsche, die jüngste, kaum zwölfe. Sie wohnten in einer einsamen abgelegenen Hütte und nährten sich bloß von der Arbeit ihrer Hände. Ein Bach, der nicht weit von ihrer Hütte entsprang, lieh ihnen sein Wasser, um das Leinengeräte einiger Personen in Masulipatnam zu waschen, die schon von langem her ihre Kundsleute waren. Sobald die gute Bäurin und ihre Töchter ein Stück Wäsche recht schön gewaschen und getrocknet hatten, pflegten sie es mit Blumen zu überstreuen, damit es wohlriechend würde.

Eines Tages, da die Mutter in dieser Absicht Blumen auf der Wiese pflückte, kneipte sie, ohne es gewahr zu werden, eine Natter, die unter einer Hyazinthe verborgen lag, in den Schwanz. Der giftige Wurm rächte sich auf der Stelle und biß die arme Frau so heftig in den Finger, daß sie laut aufschreien mußte. Ihre Töchter liefen erschrocken herbei und fanden den Finger schon gewaltig aufgeschwollen; in weniger als einer Viertelstunde war das Gift schon in die edlern Teile eingedrungen, und es griff so schnell um sich, daß keine Rettung war. Da die unglückliche Frau sich ihrem Ende so nahe sah, wollte sie noch die letzte Pflicht einer guten Mutter erfüllen und sprach zu ihren Töchtern: «Liebe Kinder, mir ist leid, daß ich zu einer Zeit, wo ihr meiner noch so nötig hättet, von euch scheiden muß: aber meine Stunde ist gekommen; ich sehe den Todesengel sich nähern, und wir müssen uns trennen. Was mich tröstet, ist, daß ich mir wegen eurer Erziehung keinen Vorwurf zu machen habe und daß ich euch, Dank sei dem lieben Gott, als gutartige fromme Kinder hinterlasse. Bleibet immer auf dem guten Wege, auf den ich euch geführt, und habt die Gebote unsers großen Propheten immer vor Augen. Nährt euch von eurer kleinen Arbeit, wie wir bisher getan haben; der liebe Gott wird euch nicht verlassen. Besonders empfehle ich euch, im Frieden beisammen zu leben und, wo möglich, euch nie voneinander zu trennen; denn euer ganzes Glück beruht auf eurer Einigkeit. Du, liebe Kadidsche, bist noch ein Kind; gehorche deiner Schwester Fatime; sie wird dir niemals einen schlimmen Rat geben.»

Nach dieser Vermahnung fühlte die gute Frau, daß die Kräfte sie verließen; sie umarmte ihre Kinder zum letzten Mal und starb in ihren Armen. Der Schmerz ist über allen Ausdruck, der die armen Mädchen überfiel, da sie ihre Mutter ohne Leben vor sich liegen sahen; sie zerflossen in Tränen und erfüllten die ganze Gegend mit ihrem Jammergeschrei. Endlich, da sie sich die Augen schier ausgeweint hatten, sanken sie in eine Art von Betäubung, woraus sie durch die Notwendigkeit erweckt wurden, dem Leichnam ihrer Mutter die letzte Ehre anzutun. Sie nahmen jede ein Grabescheit, dessen sie sich sonst bedienten, ein kleines Gemüsgärtchen an ihrer Hütte zu bauen; gruben, etwa fünfzig Schritte weit davon, ein Grab; trugen mit vieler Mühe den Leichnam hinein und bedeckten ihn mit Erde und Blumen. Hierauf kehrten sie in ihre Hütte zurück, wo der Schlaf, den ihnen die Abmattung von dieser traurigen Arbeit verschaffte, sie auf einige Stunden in ein erquickendes Vergessen ihres Kummers senkte.

Des folgenden Tages stellte Fatime, als die Verständigere, ihrer Schwester vor, daß sie nun wieder an ihre Arbeit gehen müßten, und hieß sie zwei Körbe mit der Wäsche füllen, welche sie den Tag vor ihrem Unglück gewaschen hatten; hierauf setzten sie die Körbe auf den Kopf und traten den Weg nach Masulipatnam miteinander an. Sie hatten kaum hundert Schritte zurückgelegt, so begegnete ihnen ein kleiner, sehr häßlicher, kahlköpfichter und bucklichter alter Mann, der aber ziemlich reich gekleidet war und sie mit großer Aufmerksamkeit betrachtete. Er schien nahe an hundert Jahre alt zu sein und stützte sich auf einen Stab, mit dessen Hülfe er gleichwohl, für sein hohes Alter, noch stattlich genug einherstapfte. Der Greis fand die beiden Schwestern nach seinem Geschmacke. «Wo hinaus, ihr schönen Kinder», redete er sie mit einem Ton an, den er so sanft und gefällig, als ihm möglich war, zu machen suchte. «Wir gehen nach Masulipatnam», sagte die Älteste. «Darf ich euch, ohne allzu große Zudringlichkeit, fragen», versetzte er, «was eure Lebensart ist und ob man euch nicht irgend einige Dienste leisten könnte?» «Ach, guter Herr», erwiderte Fatime, «wir sind nur einfältige Bauernmädchen und arme Waisen, wir haben erst gestern durch den unglücklichsten Zufall unsre Mutter verloren.» Und darauf erzählte sie ihm die Geschichte mit allen Umständen, nicht ohne von neuem viele Tränen zu vergießen. «Oh, wie leid tut es mir», sagte der Greis, «daß ich eure Mutter nicht vor ihrem Tode noch gesehen habe! Ich hätte ihr ein Geheimnis gegen alle giftige Wunden geben können, das sie in zwei Tagen wieder gesund gemacht haben sollte. Meine lieben Kinder», fuhr er fort, «euer Kummer geht mir zu Herzen, und ich erbiete mich, Vatersstelle bei euch zu vertreten, wenn ihr so viel Vertrauen zu mir fassen könnt, die Sorge für euer Schicksal meiner Erfahrenheit und meinem guten Willen zu überlassen. Ich gestehe euch», fügte er hinzu, indem er einen Blick auf die junge Kadidsche warf, «daß ich eine starke Zuneigung zu diesem liebenswürdigen Mädchen in mir finde. Ihr erster Anblick hat Empfindungen in mir erregt, die ich noch nie gefühlt habe. Wenn ihr beide mit mir kommen wollt, so will ich euch in eine Lage setzen, die weit über euerm Stand ist; und ihr sollt Ursache finden, den Tag, da ihr mir begegnet seid, auf ewig glücklich zu preisen.»

Hier hielt der kleine bucklichte Greis mit Reden ein und wartete mit sichtbarer Unruhe auf die Antwort, die man ihm geben würde. Er hatte freilich alle Ursache, unruhig zu sein. Sein Alter und seine Figur waren nicht so beschaffen, daß sie diesen jungen Personen Lust machen konnten, seinem Vorschlage Gehör zu geben. Indessen hatte doch Fatime schon Verstand genug, um einzusehen, daß es, in Umständen wie die ihrige, eben nicht die schlimmste Partie wäre. Der Alte bemerkte ihre Unschlüssigkeit mit Betrübnis. «Mein schönes Kind», sagte er ihr, «wenn ihr die Gefahr, in einer so abgelegenen Gegend so allein zu wohnen, gehörig überlegt hättet, so würdet ihr euch nicht lange bedenken, mein Anerbieten anzunehmen. So ohne allen Schutz, wie ihr seid, glaubt ihr den Fallstricken entgehen zu können, welche man eurer Unschuld legen wird? Wenn ihr auch Tugend genug habt, um zu lasterhaften Anträgen eure Einwilligung zu verweigern, so wird es euch doch an Macht fehlen, gewaltsame Anfälle abzuhalten. Bei mir habt ihr nichts dergleichen zu fürchten. Mein Alter sichert euch vor Anfechtungen von mir selbst, und meine Erfahrenheit soll euch gegen die von andern Leuten sicherstellen. Gebt eine mühselige Arbeit auf, die euch kaum den notdürftigsten Unterhalt verschaffen kann: ihr sollt bei mir alles finden, was ihr zur Notdurft und zur Annehmlichkeit des Lebens verlangen könnt; und ich will euch Dinge sagen, die euch begreiflich machen werden, daß der Vorschlag, den ich euch tue, euer und mein Glück sein wird. Kommt, liebe Mädchen, ihr könnt nichts Bessers tun. Wenn eure Mutter noch lebte, würde sie gewiß meinen Gründen nachgeben und euch unter meinem Schutze sichrer glauben als in der Hütte, die ihr bewohnet.» Kurz, der kleine alte Mann sprach so gut, daß Fatime anfing, sich überreden zu lassen. «Guter Herr», sagte sie, «ich glaube Euch zum Teil zu verstehen und bin ganz geneigt, von Eurer Güte für mich und meine Schwester Gebrauch zu machen; aber da Euer Antrag, nach dem Geständnis Eurer besondern Neigung zu ihr, hauptsächlich sie angeht, so muß ich doch vorher ihre Gesinnung wissen, eh' ich Euch eine genaue Antwort geben kann. Rede also, Kadidsche: fühlst du dich geneigt, dem Antrag dieses Herrn Gehör zu geben und ihn zum Gemahl anzunehmen? Denn ich halte ihn für zu rechtschaffen, als daß er ein paar unschuldige Waisen, die ihm ihre Ehre anvertrauen, könnte hintergehen wollen.» – «Nein, Schwester», antwortete Kadidsche errötend, «er ist gar zu alt und gar zu häßlich.»

Die kindische Offenherzigkeit dieses jungen Mädchens setzte Fatimen in einige Verlegenheit. «Liebe Schwester», sprach sie, «man sieht wohl, daß du noch in einem Alter bist, wo man wenig Überlegungen macht, weil du die Ehre, die dir dieser Herr erweisen will, so schlecht erkennst. Anstatt ihm solche Unhöflichkeiten zu sagen, solltest du es für ein Glück ansehen, daß du ihm gefallen hast.» – «Ja, wahrhaftig», erwiderte Kadidsche weinend, «das ist auch eine Sache, worüber eins sich viel zu freuen hat! Ich weiß nicht, ob es eine Ehre für mich ist; aber das weiß ich recht gut, daß es ein schlechtes Vergnügen ist, einen Mann, wie dieser da, immer vor Augen zu haben.» – «Du mußt nicht so reden», sagte ihre Schwester. «ich kann nicht anders reden», antwortete die Jüngere; «wenn es ein so großes Glück ist, ihm zu gefallen, warum macht er sich nicht an dich, da du doch schöner und verständiger bist als ich? Ich möchte wohl sehen, wenn er dich liebte, ob du ihn wiederlieben würdest.»

Der kleine bucklichte Greis spielte keine angenehme Rolle während diesem Wortwechsel. «Wie unglücklich doch mein Schicksal ist», rief er mit Betrübnis aus; «ich habe die berühmtesten Schönheiten aller Morgenländer gesehen und lebe nun bis auf das Alter, worin ihr mich seht, ohne daß ich jemals mein Herz hätte überraschen lassen; und nun muß ich in diesem Augenblick in die stärkste Leidenschaft für eine Person fallen, die mit einem unüberwindlichen Widerwillen gegen mich eingenommen ist! Ich sehe, welch ein schreckliches Los ich mir selbst zubereite, und gleichwohl nötigt mich mein Verhängnis, einer Neigung zu folgen, die mich wider Willen fortzieht.» Die Augen stunden dem Alten voll Wassers, indem er dies sagte, und er schien so bewegt, daß Fatime, die von Natur sehr weichherzig war, Mitleiden mit ihm haben mußte. «Lieber Herr», sagte sie, «höret auf, Euch so zu betrüben! Laßt Euch die ersten Reden eines Kindes nicht beunruhigen, das noch nicht weiß, was ihm gut ist; ihr Verstand wird mit den Jahren reifer werden. Ihr habt freilich die Annehmlichkeiten der Jugend nicht mehr, aber ich halte Euch für einen wackern Herrn. Eure Liebe und Eure Gefälligkeiten werden sie gewiß noch gewinnen. Wir wollen inzwischen mit Euch gehen, und ich verspreche Euch, daß ich mein Bestes bei ihr tun will.» – «Gut, Schwester», fiel ihr die Kleine verdrießlich ins Wort; «aber wenn er mich quält und haben will, daß ich ihn liebe, so bin ich euch nicht gut dafür, daß ich nicht davonlaufe.» – «Nein, schöne Kadidsche», sagte der Greis, «du sollst nicht gequält werden; ich schwör' es bei allem, was heilig in der Welt ist! Ich will dir nicht den geringsten Zwang auflegen. Du sollst unbeschränkte Gebieterin über alles, was ich habe, sein. Hättest du gern ein reiches Kleid oder irgendeinen andern Putz, so sollst du's auf der Stelle haben; ich werde mir eine Pflicht daraus machen, allen deinen Wünschen entgegenzukommen. Noch mehr, wenn ich merken werde, daß dir mein Anblick lästig sein wird, so will ich dich damit verschonen, wie schwer es mich immer ankommen mag.»

Fatime nahm nun wieder das Wort und sagte zum Alten: «Weil denn meine Schwester nicht abgeneigt scheint, auf die versprochnen Bedingungen mit Euch zu gehen, so erlaubet nur, daß wir vorher diese Wäsche zu den Personen tragen, denen sie zugehört; wir wollen bald wieder bei Euch sein.» – «Ach! ich bitte Euch inständig», rief der Alte, «wenn Ihr mir nicht das Leben nehmen wollt, so nehmt mir Eure holdselige Schwester nicht! Es sei nun Vorsichtigkeit oder Ahndung, genug, ich fürchte, euch nie wiederzusehen, wenn ihr mich beide verlaßt, und darüber würde ich mich zu Tode kränken. Ihr wollt bald wiederkommen? Nun, so laßt sie bei mir, bis Ihr wiederkommt! Was habt Ihr zu besorgen? Könntet Ihr ein Mißtrauen...» «Nein, nein», fiel Kadidsche hastig ein, «ich gehe mit meiner Schwester, ich bleibe nicht allein bei ihm.» – «Und warum denn nicht?» sagte Fatime, die dem Alten eine Probe ihrer versprochenen guten Dienste geben wollte, «warum wolltest du nicht bei ihm bleiben? Ich werde in einem Augenblick wieder hier sein. Ich bitte dich, Schwester, bleibe und warte hier auf mich. Du bist dem Herrn diesen Beweis deines Zutrauens schuldig, um ihn über die unangenehmen Dinge zu trösten, die du ihm gesagt hast.»

Kadidsche, so hart es sie ankam, allein bei ihm zu bleiben, wagte es doch nicht, sich dem Willen ihrer ältern Schwester zu widersetzen, die sie als eine zweite Mutter betrachtete. Fatime nahm also beide Körbe und machte sich auf den Weg, nachdem sie dem Alten wohl empfohlen hatte, mit dem Eigensinn der kleinen Person, die sie bei ihm zurückließ, behutsam zu verfahren. Allein, anstatt bald wiederzukommen, wie sie versprochen hatte, kam sie den ganzen Tag nicht wieder. Kadidschens Unruhe war mit nichts zu vergleichen; und wie sie endlich gar die Nacht einbrechen sah, verlor sie alle Geduld und überschüttete den armen Alten mit Vorwürfen. «Ihr allein bringt uns Unglück», sagte sie; «ohne Eure leidige Bekanntschaft wär' ich itzt bei meiner Schwester. Was für ein Unfall ihr auch zugestoßen sein mag, so wollt' ich ihn lieber mit ihr teilen als hier bei Euch sein.»

Diese Reden machten dem Alten große Unlust. Er wußte nicht, was er antworten sollte, so sehr scheute er sich, die junge Person noch mehr aufzubringen, die, wie er sich wohl bewußt war, nur zu viel Ursache hatte, wider ihn eingenommen zu sein. Indessen tat er sein äußerstes, sie zu beruhigen; aber alles, was er vornahm, vermehrte nur ihre Unruhe und ihren gegen ihn gefaßten Widerwillen. Sie sagte ihm, er sollte schweigen, und sie wollte nach Masulipatnam gehen, trotz der Finsternis der Nacht und einem großen Regen, der inzwischen eingefallen war. Im Grunde war es noch mehr, um nicht die Nacht bei dem Alten zubringen zu müssen, als aus Verlangen, von ihrer Schwester Nachricht einzuziehen, wie groß dieses auch immer sein mochte. Indessen brachte er sie doch endlich davon ab, indem er ihr vorstellte: Aller Wahrscheinlichkeit nach werde Fatime, da sie das Gewitter im Anzuge gesehen, bei einer ihrer Bekanntschaften zurückgeblieben sein und morgen früh unfehlbar wiederkommen. Kurz, er vermochte endlich, ungeachtet ihres Widerwillens und Eigensinns, so viel über sie, daß sie ihm nach ihrer Hütte folgte, wo sie, über einer leichten Mahlzeit von trocknen Datteln und Brunnenwasser, von nichts als den unglücklichen Zufällen dieses Tages reden konnten. Das junge Mädchen tat die ganze Nacht nichts als weinen und jammern; man kann sich vorstellen, wie ihrem alten Liebhaber dabei zumute war.

Sobald der Tag anbrach, verließen sie die Hütte und gingen zusammen nach Masulipatnam. Sie erkundigten sich allerorten nach Fatimen, wo Kadidsche wußte, daß sie Wäsche hingetragen hatte; aber niemand konnte ihr sagen, was aus ihr geworden sei. Sie begnügten sich nicht hieran. Sie suchten sie von Gasse zu Gasse und fragten in allen Häusern nach ihr; aber ihr Nachforschen war vergeblich. Diese Dunkelheit über Fatimens Schicksal setzte sie in den äußersten Kummer. Sie konnten nicht zweifeln, daß dem armen Mädchen etwas Außerordentliches begegnet sein müsse. Ihre junge Schwester blieb ganz untröstbar und sagte dem Alten die härtesten Dinge von der Welt, so oft er es versuchen wollte, sie zu beruhigen.

Sie brachten die sieben oder acht folgenden Tage damit zu, die ganze benachbarte Gegend zu durchlaufen. Es war kein Schloß, kein Haus und keine Hütte auf vier Meilen in die Runde, wo sie nicht nachgesucht hätten, aber immer mit gleich schlechtem Erfolge. Endlich, da sie sich nicht anders zu helfen wußten, kehrten sie ganz niedergeschlagen in die Hütte zurück. Wie nun der kleine Greis sah, daß Kadidsche sich ohne Maß über den Verlust ihrer Schwester grämte, beschwor er sie mit tränenden Augen, einen Ort, wo alles ihren Schmerz nährte und wo er sie überdies nicht hätte schützen können, zu verlassen und ihm in die Stadt, wo er sich gewöhnlich aufhielt, zu folgen. Er legte ihr alle nur möglichen Beweggründe vor; und da sie ihm keine Antwort gab, fing er wieder von vornen an und drang so lange und so inständig in sie, bis sie endlich mehr aus Verzweiflung als gutwillig sich erklärte, er möchte sie hinführen, wohin es ihm beliebte. Sie machten sich also auf den Weg; aber ehe sie sich entfernten, schrieb der Alte mit einer Kohle über die Tür, wohin er Kadidschen führe, damit Fatime, wenn sie etwa wiederkäme, Nachricht von ihnen hätte. Hierauf schlossen sie die Tür zu und steckten den Schlüssel in einen benachbarten hohlen Baum, wie sie es sonst immer zu tun gewohnt waren.


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