Johann Karl Wezel
Herrmann und Ulrike / Band 4
Johann Karl Wezel

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Viertes Kapitel.

Fast das ganze Publikum der Stadt nahm an dem Glücke eines Mannes lebhaften Antheil, dessen Verdienste seit dem Falle des Präsidenten ziemlich von Jedermann anerkannt wurden, einige Unzufriedne ausgenommen, die kein ander Vergnügen wissen, als das Gute zu verkleinern, das sie nicht thun können. Der Oberste Holzwerder wagte von Zeit zu Zeit eine Vorstellung an den Fürsten, wie sehr besonders das hochgräfliche Ohlauische Haus ihm zur Last legen werde, daß er eine so ungleiche Verbindung nicht gehindert habe: der Fürst, der ewigen Vorstellungen müde, bot zum Ersatze des Unrechtes, das er Ulrikens Familie durch die Beförderung ihrer Heirath zugefügt haben sollte, Herrmannen den Adel an. Herrmann antwortete: »Wenn Eu. Durchl. meine Dienste in einem höhern Stande angenehmer sind, so nehme ich das Geschenk mit Freude und Dank an: wo nicht, so verlange ich keinen Vorzug, der weder mein Verdienst noch 385 Ihre Gnade vergrößert.« – »Bravo!« sagte der Fürst und klopfte ihm auf die Schulter: »Ich schätze den Mann von Verdienst; der Stand gilt mir gleich: es mag bleiben, wie es ist.« – Der Oberste, da er sahe, daß es nicht zu ändern stund, gewöhnte sich allmälich an die Anverwandtschaft, lebte beständig in freundschaftlichem Vernehmen mit den beiden Eheleuten, Ulrike half ihm zuweilen Schlachten und Wälder und Städte aus Dendriten hervorpoliren, auch Herrmann wurde zum Ehrenmitgliede in seiner Akademie aufgenommen und verplauderte mit dem Alten manche lustige Stunde über der Erklärung eines neupolirten Dendriten.

Herrmann hielt es für Pflicht, Verachtung nicht mit Verachtung zu vergelten, und schrieb an Grafen und Gräfin Ohlau: ohne nur mit einem Seitenblicke, mit einem Worte für die beleidigenden Schimpfnamen und verächtlichen Begegnungen sich zu rächen, die er von ihnen zu einer Zeit ausstehn mußte, wo es freilich zu verwägen von ihm war, nach Ulrikens Besitze zu streben, dankte er 386 Beiden im Tone der wahren Politesse, ohne weggeworfne Ehrfurcht und ohne stolze Vertraulichkeit, daß sie ihn durch die Sorge für seine Erziehung würdig gemacht hätten, eine Anverwandtin von ihnen zu besitzen. Ulrike that das nämliche: selbst der Fürst hatte so viel Herablassung und ließ an den Grafen schreiben, um ihn über die Heirath zu beruhigen und zu bezeugen, daß sie mit seiner Genehmigung und Zufriedenheit geschehen sey. Der Graf antwortete dem Fürsten in einem schlecht orthographirten Handschreiben, weil er in den itzigen geldbedürftigen Zeiten sein eigner Sekretär seyn mußte, und seine vormalige sogenannte Kanzeley mit dem Verkaufe der Herrschaft an einen andern Herrn gekommen war: er dankte dem Fürsten in hochfahrendem Tone für sein Schreiben und die Gnade, die er gegen seine Schwestertochter zu haben schien: der ganze Brief bestund aus drey Zeilen und berührte den Punkt, worauf es ankam, nicht mit Einem Worte. Der Fürst, als er ihn gelesen hatte, warf ihn lächelnd unter den Tisch.

387 Weder Herrmann noch Ulrike erhielten Antwort von ihm: die Gräfin schrieb zwar nach einiger Zeit an die Leztere, aber kurz und mit der kältesten Höflichkeit: sie freute sich über ihre Gesundheit, dankte für ihren Brief und versicherte, daß sie ihre wohl affektionirte Tante sey. Herrmanns und seiner Verbindung wurde nicht mit Einer Silbe gedacht: aber man sah deutlich, daß sie den Brief unter der Aufsicht ihres Gemahls geschrieben hatte; denn auf der andern Seite stand, flüchtig hingeworfen – »Grüße deinen Mann und sey glücklicher als ich.« – Vermuthlich mochte sie diese Worte heimlich bey dem Zumachen des Briefs hinzugesezt haben: denn sie waren äußerst unleserlich. Auch für diese Verachtung rächte sich Herrmann nicht, sondern gab zu der Kollekte, die die Familie jährlich für den Unterhalt des Grafen machte, einen der stärksten Beyträge, ohne seinen Namen zu unterzeichnen. Der Oberste selbst, der ihn bey näherer Bekanntschaft ungemein schäzte, tadelte ihn wegen dieser Großmuth und sagte in seiner kernhaften Sprache: »setzen Sie dem 388 stolzen Bettler Ihren Namen unter die Nase hin, daß er daran riecht, wen er verachtet! Sacre-papier! Wenn wir ihm nichts geben, muß er ja schnurren gehn oder Brandbriefe herumschicken.« – Herrmann war niemals dazu zu bewegen. »Ich vergebe dem Grafen,« sprach er, »daß er in seinem Alter nicht besser denkt, als er es in der Jugend lernte. Mich haben meine Schicksale etwas bessers gelehrt; und so will ich denn auch hierinne diesem Unterrichte nicht untreu werden.« – Er war der Lezte, der mit seinem Beitrage bis zum Tode des Grafen aushielt und der Gräfin eine Pension auswirkte, als alle übrige ächte Mitglieder der Familie des Beitragens schon längst überdrüßig waren.

Alle seine übrigen Freunde bekamen nach der Reihe Briefe von ihm und darinne die Nachricht von seiner Verbindung: er wollte durchaus aller Beleidigungen vergessen und sich nur der Verbindlichkeiten erinnern, welches vorzüglich sein Brief an Schwingern bewies. Ihre Antworten sollen hier in der Ordnung folgen, wie er sie erhielt. 389

Vom alten Herrmann.

F** den 15. Decemb.

»Denkt mir doch! Bist nun gar ein großes Thier geworden und hast eine Fräulein geheirathet? Wenns nicht so ein hübsches herzlichgutes Thierchen wäre, wie Baronesse Ulrikchen, so spräch ich: Sohn, du bist ein rechter Tölpel, daß du dich mit einer Fräulein behangen hast: nun halt' ich in meinem Leben nichts wieder auf dich. Aber was will ich denn sagen? hat sich denn nicht dein Vater selbst vom Teufel blenden lassen, daß er einen tummen Streich machte? wie kan mans vom Sohne besser verlangen? Ach, Heinrich, du wirst dich kreuzigen und segnen, wenn du hörst, wie es deinem alten Vater gegangen ist.

Stelle dir einmal vor! Nille ist deine Mutter nicht mehr. Weil ich so hübsch versorgt auf deinem Gütchen war, so kam mir die Lust an, meine Nille wieder bey mir zu haben: was geschieht? ich schreibe an sie, nicht lange nachdem du von uns gereist warst. Wer keine Antwort kriegte, war ich. Ich kriege den Koller und 390 schreibe drey, vier Briefe: endlich kömmt ein Wisch von dem Schandkerl, dem Leinweber, bey dem ich sie sitzen ließ. Da hat sie bey dem verdonnerten Leinweber den DurchbruchDies soll vermuthlich auf den herrnhutischen Ausdruck gehen – Der Durchbruch der Gnade. so gewaltig gekriegt, daß sie Beide – ich mag dirs gar nicht sagen, du wirst schon rathen. Kurz und gut, die Vettel läßt mich, wie ein verlaufnes Windspiel, in die Zeitungen setzen und auf den Kanzeln ausrufen. Hier in dem Neste kriegt man das ganze Jahr keine Zeitungen zu sehn, und ich lese auch keine; denn was gehn mich die Sachen der großen Herren an? Aber wenn ich gewußt hätte, daß etwas von meinen Affären drinne stünde, so hätt' ich doch so einen Wisch einmal in die Hand genommen. Da ich also nichts erfahre und mich nicht melde, so heirathet das Schandmensch feliciter den christlichen Leinweber. O so heirathe du in alle Ewigkeit hinein bis zum nimmer satt kriegen! Das schreibt mir mein Herr Nachfolger. Warte, dachte ich, ich will dich schon bezahlen. So sollst du mich nicht wieder zum Manne haben, und wenn du 391 schön wärst, wie ein Kirchengel. Hast du einen Andern genommen, so nehme ich mir eine Andre, die erste, die beste, aber eine Jungfer muß es seyn. Ich bin ein alter Kerl, aber eine Wittwe ist nicht meine Sache. Weil ich nun so recht toll und böse bin und vor Desperation durchaus wieder heirathen will, so sag' ich zur Fräulein Hedwig: der Donner und das Wetter, wenn nur gleich ein Kobold bey der Hand wäre, der mich heirathen wollte: meiner ehrvergeßnen Nille zum Trotz wollte ich mich auf der Stelle mit ihm trauen lassen. Für die alten Jungfern ist das Heirathen ein gar zu delikates Gericht. Was geschieht? der Rumpelkasten schmunzelt und schwänzelt so viel um mich herum und schwazt mir so nach dem Mäulchen und legt mirs so nahe, daß ich in einer tollen Stunde herausplumpe und sie frage, ob sie mich haben will. Höre, Sohn! das war, als wenn ihr der Blitz das Ja aus dem Halse führte. Ich schlage ein, und wir werden kopulirt. Hinter drein biß mich wohl der Wurm ein bischen, daß ich mich mit so einer vornehmen Trolle beklunkert hatte; denn 392 alles Vornehme ist mir zeitlebens bis zum Ekel zuwider gewesen. Aber es ist eine brave Frau geworden, das muß ich ihr lassen, eine Frau, als wenn ich nur sie bestellt hätte, eine Frau aus dem Fundamente. Meine Nille ist ein Lump dagegen, ein rechter Lump, sag' ich dir. Es ist mir recht lieb, daß sich der Leinweber mit ihr beseligt hat, so bin ich doch das Meerkalb los. Das hätt' ich der dicken Hedwig in meinem Leben nicht zugetraut, daß so eine gute Frau aus ihr werden würde. Sie sieht freilich aus, daß man sie nicht gern von der Straße aufhebt, besonders plagen sie itzo die Flüsse so jämmerlich. Das alte Thier bildet sich etwas anders ein und will es nicht Wort haben, daß es Flüsse sind, aber sorge nur nicht, daß du noch in deinem dreißigsten Jahre, oder wie alt du bist, ein Brüderchen bekommen möchtest: es sind nichts als Flüsse, dabey bleib ich. Sie milkt, sie bäckt und macht alles wie eine geborne Hausfrau, und handthiert im Hause herum, wie ein Feldwebel: das muß alles gehn, wie am Schnürchen, oder sie poltert, wie ein Drache, und schlägt auch wohl mit Fäusten drein, wenn das Gesinde nicht 393 gut thut. Sie hat dir dein Gütchen, seitdem du den Pachter abgesezt hast, wieder so in Ordnung gebracht, daß wir recht gut davon leben können; und dabey wartet sie mir auf, wie einem Fürsten, daß ich mich pflege, mir in Essen und Trinken gütlich thue und recht vergnügte müßige Tage habe. Mit dem Pfarr spiele ich zuweilen ein Picketchen, bin vergnügt und lasse den lieben Gott einen guten Mann seyn. Blitz! was mir der Pfarr noch täglich die Ohren voll räsonnirt, daß er sich damals von dem Donnerkerle, dem Siegfried, so hinters Licht führen ließ und ihm deine ganze Historie vorplauderte und endlich gar noch Ursache war, daß dir dein Ulrikchen weggenommen werden konte. Er will sich gar nicht zufrieden geben. Schreib' doch an ihn und sprich ihm Trost zu. Ich sage immer, wenn er so lamentirt: es ist ja zu des Jungen seinem Glücke ausgeschlagen, wenn Sie sich nicht so hätten übertölpeln lassen, so wäre er ja itzo nicht, was er ist, so könte er ja seine Ulrike itzo nicht zur Frau haben, so hätte ich ja das Gütchen itzo nicht mit meinem Weibchen so 394 allein zu genießen und könte mir nicht so wohl seyn lassen. Aber der Mann hört nicht. So lange er nicht dein Wort hat, daß du ihm seine damaligen tummen Streiche vergiebst, so lange kan er nicht eine Minute recht mit Verstande Picket spielen. Er macht einen Pudel über den andern, und die Unruhe ist ihm nur erst wieder angekommen, seitdem er gehört hat, daß du ein großes vornehmes Vieh geworden bist. Du kanst ihm ja vergeben. Er schwört Stein und Bein, daß keine Bosheit dabey gewesen ist, und daß er sich aus guter Herzensmeinung gegen dich von dem Banditen, dem Siegfried, so treuherzig hat machen lassen. Aber der Schurke, der Siegfried, giebt sich itzo selbst seinen Lohn. Seitdem du von uns weg bist, hat er alle Tage gesoffen, daß er vom Morgen bis zum Abend keine Minute den Himmel erkennen konte, und die dicke Watschelente, seine Frau, mit ihm. Das gieng alle Tage zu, wie bey dem reichen Manne. Unser Dorf ist auf diese Art in die Kehle hinunterspatzirt. Es ist schon lange verkauft, und mit dem andern Gute wirds nächstens auch 395 so kommen. Ueber dem vielen Trinken sind sie krüpelicht, kontrakt und elend, wie der arme Lazarus, geworden. Da liegen sie und können sich weder helfen noch rathen, müssen sich heben und tragen lassen und saufen noch alle Tage, daß sie springen möchten. Sie werdens nicht lange mehr antreiben; denn wenn sie sich nicht bald zu Tode trinken, so müssen sie aus dem Gute, und dann mögen sie bey den lieben Vögelein in holen Bäumen schlafen und hungern und betteln. Unrecht Gut gedeyet nicht, das ist mein Spruch, und darum hab' ich in der Welt nichts vor mir gebracht, damit ich nichts unrecht Erworbnes auf meinem Gewissen haben möchte. Was hilfts nun dem versofnen Krüpel, daß er mich damals um meinen Dienst brachte und mir hernach noch mein kümmerliches Gnadengeld bestahl? Was hilfts ihm, daß er den Grafen so rein ausgezogen und seine ganze Herrschaft geplündert hat? Was hilfts ihm, daß er dich hier so drückte und so schelmisch um deine Ulrike brachte? Nicht einen Pfifferling! Ende gut, alles gut. Drum geht nichts über den 396 Kernspruch: Ehrlich währt am längsten. Wer ist nun besser daran? Ich oder der Bandit? Der Teufel! ich bin so vergnügt, wie eine Bachstelze, habe gute Tage und lebe mit meinem Weibchen so zufrieden, wie ein Engel im Himmel. Hab' ichs nicht immer gesagt? Dem alten Herrmann wirds wohl gehn, wenn alles das Gesindel, das ihn itzo schuriegelt, verhungern und verkummern muß. Ich meine den hochfahrenden Großthuer, den Grafen, auch mit. Es ist ihm ganz recht, daß er izt so demüthig zu Fuß gehen muß, wie er sonst stolz gefahren ist. Er hat die Leute etwas ehrliches geplagt, und mich am meisten, daß ich nicht so schmeicheln und hofiren wollte, wie seine andern Maulaffen. Nun mag er selbst den Leuten hofiren, damit sie ihm nur das liebe Leben erhalten. Nun kan er sehn, wie es andern Menschen, die auch keine Narren sind, in der Seele weh that, daß sie so einem Oelgötzen beinahe zu Fuße fallen mußten, wenn sie einmal ein Bröckchen Gnade haben wollten, und ihn doch niemals genug anbeten konten. Ende gut, alles gut. Ich möchte wahrhaftig 397 itzo nicht mit ihm tauschen: ich brauche doch nicht zu betteln. Ich möchte itzo nur zwey Stündchen bey ihm seyn. Nu? wollte ich ihm sagen. Wer ist nun der größte Narr unter uns Beiden? Der alte grobe Klotz, wie Sie mich sonst nannten, oder Ihre Hoch-Hoch-Hochreichsgräfliche Excellenz und Hochgeborne Gnaden? Kurz und gut, wer bis ans Ende beharrt, der ist selig. Das merke dir und sey ein ehrlicher Kerl, bis dich die Maden fressen, wie

dein            
Vater
Adam Ehrenfried Herrmann.
       

N. S. Du hättest wohl mit deinem Briefe ein Stückchen Brautkuchen schicken können. Unser Schulze macht itzo superfeinen Kümmel, und dazu wär er mir just gelegen gewesen. Ich will dirs diesmal vergeben. Bey der Kindtaufe mach es besser. 398


Von der gewesenen Fräulein Hedwig,
izt Herrmanns Stiefmutter
.

den 15. December.

Wohlgebohrner Herr,
Hochgeehrtester Herr Stiefsohn,

Dero hohe und preiswürdige Eigenschaften, wie auch Dero Frömmigkeit und gutes ingenium, und diese und viele andre lobens- und rühmenswerthe Tugenden Ihrer vortreflichen Frau Gemahlin haben bey mir beständig so große admiration und approbation gefunden, daß Denenselben beiderseits bey Dero erfreulichen Vermählung und Beylager nicht bergen kan, wie sehr ich mich über eine so wohlgetrofne mariage erfreue, und wünsche Ihnen dazu salus, prosperité und Wohlergehen. Mich hat der weise Gott, der alles wunderlich fügt, noch in meinen Jahren in ein glückseliges matrimonium versezt, wodurch zugleich Dero ergebenste Stiefmutter worden bin, und notificire Denenselben zugleich, daß meine bisherigen Umstände mir die angenehme Hofnung geben, daß ich nicht sine 399 effectus oder pour rien und vergeblich in meinen neuen Ehe- und Wehestand getreten bin. Auch kan daher nicht ermangeln, Dieselben beiderseits zum Voraus zu Taufzeugen und Pathen gehorsamst zu erbitten und versichre, daß ich beständig mit allem estime und cum affectionibus, wie eine leibliche Mutter, nebst ergebenstem Gruß an Dero preiswürdige Frau Gemahlin, bis in den Tod seyn werde, worüber ich ungemein flattirt bin,

Meines werthgeschäzten Herrn Stiefsohns

zärtlich liebende Stiefmutter,
Hedwig Gottelieba Charitas
Herrmann
, geb. von Starkow.
       

Vom Doktor Nikasius.

Dresden, den 20. December.

Wohlgeborner &c.

Eu. Wohlgeb. gütiges Schreiben vom 5 Decembris c. a. ist mir wohl und glücklich zu Handen gekommen und habe daraus mit angenehmer Gemüthsbewegung für mich und meine liebe Ehegattin ersehn, wasmaßen Dieselben nicht 400 nur die præmia ihrer guten Qualitæten und vortreflichen Eigenschaften allbereits gefunden und erhalten, wie auch zu Vermehrung ihrer Satisfaction und Zufriedenheit mit Tit. pl. der Hochwohlgebornen Fräulein, Fräulein von Breysach etc. etc. ein christliches Eheverbündniß getroffen und in vollkommner Leibes- und Gemüthsergötzung vollzogen haben, für welche uns zu geben beliebte Nachrichten wir beiderseits gehorsamsten Dank abzustatten nicht ermangeln. Und wie wir nun an Eu. Wohlgeb. hierob schöpfenden Freude, wie an allem, so Denenselben und Dero Frau Gemahlin Gnaden behagliches und vergnügliches wiederfahren mag, aufrichtig Theil nehmen und Denenselben zu solcher glücklichen Begebniß hiermit ergebenst gratuliren: also wünschen wir annebenst beiderseits, daß die göttliche Providenz und Vorsehung zu Dero angetretenem Ehestande reichen Segen und Gedeyen nebst allen selbst verlangenden Prosperitäten verleihen, mithin auch Denenselben aus sothaner mariage continuirliches Vergnügen empfinden lassen wolle.

401 Da nun Dieselben aus alter Bekanntschaft und wohlmeinender affection nicht ungeneigt seyn werden, mein und meiner lieben Ehegattin Gesundheit und anderweitiges Befinden zu vernehmen, als dienet hiermit zur freundlichen Nachricht:

1mo) anlangend unsern beiderseitigen Gesundsheitszustand, so ist derselbe noch völlig so erwünscht und glücklich, wie bey Dero geehrten Gegenwart in unserm Hause, wie denn auch meine Frau dergestalt und allermaßen täglich an körperlichem Gedeyen und Leibesstärke zunimmt und deswegen schon längst von allem Gehen und in specie von dem Steigen auf denen Treppen überaus incommodiret wird, welchermaßen denn auch mich wegen zunehmender Corpulenz meine vielen Arbeiten in meinen hohen Jahren gewaltig belästigen und beschweren.

2do meine sonstigen Umstände und res domesticas betreffend, so ist alles noch auf dem vorigen Fuße, völlig ut supra, und ist sonst gar nichts veränderliches vorgefallen, als daß ich nach langem Streben und Treiben meiner Frau 402 vor einigen Jahren einen ansehnlichen Titel erhalten habe und denselben noch gegenwärtig zu genießen fortfahre.

3tio in Betracht Dero an die Frau Oberstin gelassenen Schreibens, so ist dasselbe den Tag darauf von meiner Frau bey einer förmlichen Visite eigenhändig und richtig überliefert und zugestellt worden. Obwohlen nun der Frau Oberstin Gnaden bey Durchlesung obangeregten Schreibens die Augen nicht wenig aufgesperret, auch einige ungebührliche Reden und lästerliche Flüche auszustoßen sich nicht entblödet haben, als wie in specie: »Also hat das Donner-hagels-blitz-elementsche Wetteraas den sappermentschen Seehund doch noch geheirathet!« Ferner: »wenn der Kreuz-Mordio-Sappermenter nur wenigstens ein Edelmann geworden wäre!« desgleichen auch mit verschiedentlichen andern Schmähreden Eu. Wohlgeb. und Dero Frau Gemahlin zu begünstigen nicht ermangelt haben: jedennoch hat sich bemeldete Frau Oberstin verlauten lassen, daß sie bey 403 so gestalten Sachen sich über Dero Verbindung höchlich erfreue, auch meiner Frauen aufgetragen, Denenselben beiderseits in ihrem Namen alles ersprießliche Wohlergehen dazu anzuwünschen und von Herzen zu gratuliren, inmaßen denn sie wegen heftiger Schwäche und starken Zitterns in denen Händen, auch sonstigen Ungeübtheit im Schreiben sich kein eignes Antworts- und Gratulationsschreiben abzufassen getraue, zumalen ihr bisheriger treufleißiger Bedienter, so sonst bey dergleichen Vorfällen ihr Beistand und assistenz geleistet, durch einen Steckfluß schon seit geraumer Zeit das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt, und desselben Nachfolger so kreuz-hagel-ochsen-gänse-hornviehmäßig tumm buchstabiere, daß mit demselben nichts anzufangen sey.«

Schließlich empfehlen wir Eu. Wohlgeb. beiderseits in Gottes Obhut, allstets mit vollkommenem Estime verharrend &c. 404


Von Schwingern.

G., den 23. December.

Noch einmal wage ich es, die Sprache freundschaftlicher Wärme so ganz mit dir zu reden, wie sie meinem Herze sonst so wohl that, ohne sie durch frostige Titel und Komplimente zu ersticken; und warum sollte ich nicht reden wie sonst, da dein Brief noch völlig die starke feurige Empfindung athmet, die vormals deine Briefe belebte? Ich will mit dir sprechen, wie ein Vater mit seinem emporgekommnen Sohne; und gewiß, dein leiblicher Vater kan sich über dein Glück nicht aufrichtiger und inniger freuen, als ich. O könt' ich zu dir hineilen, dich nur Einmal an meine Brust drücken und mir sagen: dazu hab ich ihn gebildet! dieser thätige feurige Mann, dieses edle rechtschaffne Herz, dieser auffliegende Geist, diese starke männliche Seele ist ein Werk meiner Sorge! diese Grundsätze, die ihn nahe an den Rand des Verderbens, des Lasters, des Leichtsinnes und selbst des Verbrechens hintaumeln ließen, daß ihn oft nur ein Haarbreit vom Falle schied, und die ihn 405 jedes mal kräftig zurückzogen, diese Grundsätze habe ich in ihn gelegt! diese Lenkung seiner Ehrbegierde auf nützliche große wichtige Dinge hat er mir zu danken! Diese brennende Wärme des Herzens habe ich zuerst angefacht, diese vernünftige Schätzung der Glückseligkeit ich ihn gelehrt! Diese Offenheit des Charakters, die für jeden liebenswerthen Gegenstand der ganzen Natur sich aufschließt, diese weitumfassende Sympathie, die an allem Theil nimmt, was edles Vergnügen giebt und nimmt, diese wahre richtige Empfindsamkeit ohne Künsteley und Zwang – dieser ganze vortrefliche Mensch ist die Frucht meiner Erziehung! Glücklich, wem so für seine Mühe gelohnt wird!

Vergieb mir diese Ruhmräthigkeit! es ist die Prahlerey der Liebe, weder Eitelkeit noch Schmeicheley spricht aus mir. Wie soll man sich nicht von Freude und Wonne, von Stolz begeistert fühlen, daß man zwo so edle Seelen, wie dich und Ulriken, gebildet hat? Soll man nicht den Guten preisen, daß er Verführung überwand und aus dem Taumel der Jugendjahre sich zu 406 der Vollkommenheit emporarbeitete, wozu ihn die Natur bestimmte? – Ja, ein Jahr meines Lebens gäb ich für das Entzücken dahin, dich an deinem Hochzeittage neben Ulriken gesehn zu haben: welch' ein Bild! Ulrikens fröliche Lebhaftigkeit neben deinem heitern Ernste! – Wie freu' ich mich, als wäre ich neu geboren, daß mich dein Brief aus einer Verblendung riß, worein mich, ich weis nicht welcher Wahn versezte! Ich habe dich verkannt, dich für einen Bösewicht, für einen verderbten Spötter, einen Verächter der heiligsten Freundschaftsrechte, einen verstockten Verführer gehalten: ich habe an deiner Bestrafung gearbeitet, und wie ich sehe, dein Glück veranlaßt, indem ich dich ins Elend bringen wollte: ich bekenne mein Vergehen, und ob du mir gleich großmüthig mit deiner Verzeihung zuvorgekommen bist, so will ich sie doch durch meine tiefste Reue izt zu verdienen suchen. Ich handelte aus Irrthum: so schwach ist der Mensch, daß auch Leute, die aus allen ihren Kräften sich der Billigkeit und Menschenliebe befleißigen, sie oft gröblich beleidigen, selbst indem sie sich einbilden, sie auf das 407 gewissenhafteste auszuüben. Die Vorsicht hat richtiger geurtheilt als ich elender Sterblicher: sie hat durch ihre Führung meinen Irrthum widerlegt. Wohl mir! daß ich einen Mann wieder lieben darf, den ich eine Zeitlang mit Betrübniß hassen mußte! Ich bin wie ein Vater, der sein einziges Kind für ermordet von den Händen der Räuber achtete, und es plözlich voll Leben und Wohlseyn wiederfindet.

Der Rest meines Lebens soll mir nunmehr wie Jugendtage verfließen, zwar einsam, ohne Freund und Gattin um mir, aber doch ruhig, in ländlicher Stille und Zufriedenheit. Anfangs hielt mich übertriebne Gewissenhaftigkeit von der Ehe ab, und dann ließen mich zu hochgespannte Begriffe von weiblicher Vollkommenheit keine finden, die meine Wahl zu verdienen schien: so sey es! Unser Leben ist ein immerwährender Irrthum: der meinige hat mir viele Freuden geraubt, die Freuden des Gatten und des Vaters: so gebe sie dann der Himmel meinem Freunde in vollem Maaße, und ich will durch die Theilnehmung an seinem Glücke die 408 Wonne genießen, die mich kein eignes empfinden läßt.

Lebt wohl, ihr zwey mir so lieben Herzen! seyd glücklich, und wenn ihr mir meine Verlassenheit versüßen wollt, so weihet zuweilen mitten im Genusse Eures Glücks einige Augenblicke dem Andenken Eures

aufrichtigen liebevollen Freundes
Schwinger.
       

Von Herrmanns gewesener Mutter.

Z**, den 19. Juli.

Hochehrwirticher Hochwolgeborner Her,

Ire hochwolgeporne Gnaden werten nich ungnedig nemen ich bin eine arme ferlasne Frau und habe weter Tach noch Fach Ire hochwolgebornen Gnaten werden Ihr mildes Herz auftun salfa fenia ich muß auf der Straße umkommen Es ist mir gar zu schlim geganen (gegangen) ich denke Ire hochwolgeborne Gnaden mein Man ist tot unt neme in kristlicher Gesinnung einen 409 Antern. Das war ein rechter Schantkerl Ire hochwolgeporne Gnaten er war ein Leinwäber. Der Henker wirt im wol das Lon geben daß er mich so betölpelt hat. ich arme Frau weis weder aus noch ein. Da nam ich ten Galgen-Schwengel Ire hochwohlgeporne Gnaten weil er so ein guter Krist war unt so hübs bätte (betete) da nam ich In zum manne. Ich habe was rechts bey im ausgestanten. er hat mich geprigelt wien Melsack weil er alle Dage drank und palt bätte (betete) unt balt trank und hernach nich von sinnen wußte und ta prigelte er mich weil er gar nich zu sich kam. Ire hochwolgeporne Gnaten s war n rechter Höllenprand. Da ging ich von im weil ichs gar nich mer aushalten konte unt lebe nun in Kummer unt Jammer und weis nicht wo ich mein haubt hinlegen sol Ire hochwolgeborne Gnaten werten sich irer armen Mutter erbarmen. Ich habe erfaren daß Si ein gar groser vornemer man geworten sint unt sie werten toch ir miltes Herz auftun unt mich nich verhungern und verkummern lasen. wen mich nur nich der böse Feind geplagt hätte 410 unt daß ich nich einen antern Man genomen hette ach s ist gar eine große Not mit mir weil ich nischt zu beisen noch zu brechen habe Ire hochwolgeporne Gnaden mögen sich meiner annemen. Wen Sie mir was schicken wolen ich bin mit gehorsamster submision Ire untertänichste Magd

Anna Maria Petronilla Schwenkfeldin.

 


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