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Fünftes Kapitel.

Der nächste Tag war ein Sonntag. Ich war mit meiner Freundin in der Stadt in der nächstgelegenen Kirche gewesen. Lotti war ruhig und heiter. Sie hatte mir gesagt, daß sie gegen Morgen wieder das häßliche Geräusch gehört habe, daß sie aber jetzt selbst glaube, es sei der Wind gewesen, der in dem alten Bau rumore.

Ich glaubte freilich bestimmt, meinte sie leichthin, es auch in ganz windstillen Nächten gehört zu haben; aber wenn man so unter der Furcht leidet, wie ich, kann man sich auch wohl manches einbilden. Ich habe eben eine zu lebhafte Phantasie! Willst du es glauben, daß ich mir eine ganze Schauergeschichte zusammengedichtet hatte? Da wimmelte es von Verschwörern und Verbrechern – und selbst Alexander –

Du hattest deinen Mann wohl in Verdacht, ein Nihilist oder gar ein Räuberhauptmann zu sein; wenn er das wüßte! lachte ich etwas mühsam. Und deshalb warst du zuerst so geheimnisvoll gegen mich?

Ja, ich wollte dich nicht in die schwarze Tiefe meines schlechten Herzens schauen lassen. Wenn du doch Sascha kenntest! Aber das wirst du ja bald; spätestens Mittwoch wird er hier sein. Er ist so klug und gelehrt – warst du eigentlich schon in seinem Studierzimmer?

Ich verneinte, und Lotti führte mich in den einfach ausgestatteten Raum, der durch eine Tür und schwere Vorhänge vom Vorsaal getrennt war. Eine zweite Tür verband die Studierstube mit Herrn von Löwens Schlafzimmer. Beide Räume waren mit einer gediegenen Einfachheit ausgestattet, die einen vorteilhaften Schluß auf die Gewohnheiten des fernen Bewohners zuließ. Nun war mir schon einmal durch den Kopf gegangen, wie Lotti damals Herrn von Löwens Zimmer hatte verschlossen finden können, da er doch unten gewesen sein wollte, und er die Tür sonst nur abschloß, wenn er in seinem Zimmer war. Sollte sich in diesen Räumen noch ein Ausgang befinden, von dem Lotti nichts wußte? Aber umsonst sah ich mich um; besonders im Schlafzimmer waren die in matter Oelfarbe gestrichenen Wände von einer solchen Uebersichtlichkeit, daß hier kaum die Möglichkeit einer geheimen Tür vorlag.

So folgte ich Lotti ziemlich enttäuscht durch die tiefe Türnische in die Studierstube zurück. Die Zwischenwand zeigte eine außergewöhnliche Dicke; vermutlich hatte sie früher die Außenmauer eines der ältesten Teile gebildet. Zerstreut ließ ich mich durch Lotti von dem breiten Diplomatenschreibtisch mit seinen aufgestapelten Broschüren und Büchern nach den hohen, soliden Bücherschränken führen, die bis oben voll dickleibiger, alter Bände steckten.

Dein Mann ist Altertumsforscher?

Ja, er schreibt ein Werk über irgendeine vorsündflutliche, alte Handschrift, sagte Lotti mit souveräner Gleichgültigkeit. Interessierst du dich für solch uralten Plunder?

Ich mußte lachen.

Wenn mein Mann sich so viel damit beschäftigte, würde ich es wenigstens versuchen.

Ach ja, ich weiß, schön ist es nicht, daß ich seinen Arbeiten nun einmal absolut kein Interesse abgewinnen kann. Sascha hat mich anfangs oft genug damit gelangweilt, aber ich konnte wirklich nichts davon begreifen. Ich bin nun einmal eine törichte kleine Frau – er nennt mich ja selbst so.

War er schon Privatgelehrter, als du ihn in Genf kennen lerntest?

Ja, seit einem Jahr etwa; vorher war er Dozent in Moskau ... Er hatte die Stellung aufgegeben, um sich seinen eigenen Forschungen besser widmen zu können.

Sagtest du nicht, es sei sein besonderer Wunsch gewesen, gerade nach dem Rottmerhof zu ziehen?

Hätte ich es sonst getan? Es war nicht nur ein Wunsch von ihm – geradezu eine fixe Idee!

Er kannte also den Rottmerhof?

Das war ja das Drollige an der Sache! Er hatte, ehe wir uns kennen lernten, einige Zeit hier in der Stadt gelebt und dieses halbe Jahr scheint er dazu benutzt zu haben, sich in diesen alten Kasten zu verlieben; er behauptet, nie am Rottmerhof vorbeigekommen zu sein, ohne den lebhaftesten Neid auf den unbekannten Besitzer zu empfinden, und der war doch ich! Köstlicher Zufall, nicht wahr? Darauf reist er nach Genf und verliebt sich ohne einen Schimmer des Zusammenhangs nun auch noch in die Besitzerin des von ihm so bewunderten alten Rattennestes! Ich hab ihm auch gesagt – er hätte den Rottmerhof geheiratet, nicht mich. Mich hat er nur mit in den Kauf genommen!

Sie lachte vergnügt. Ich schwieg und ließ Lotti weiterplaudern, aber ich hörte nicht mehr recht, was sie sagte; immer wieder kehrten meine Gedanken zu den Worten zurück, die ihr nur Scherz waren, mir aber Furcht einjagten – »er hat den Rottmerhof geheiratet – nicht mich.«

Während ich so grübelte, entdeckten meine umherschweifenden Augen plötzlich etwas, das mich wünschen ließ, einen Augenblick allein im Zimmer zu sein. So ließ ich denn mein Taschentuch fallen und drängte Lotti zur Tür.

Komm, die Sonne lockt draußen, wollen wir ausgehen, Lotti?

Sie stimmte mir bereitwillig zu und eilte mir voran in unser Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Jetzt entdeckte ich den Verlust meines Taschentuches und lief in die Studierstube zurück.

Was meine Aufmerksamkeit vorhin erregt hatte, war der Umstand gewesen, daß sich in der schon erwähnten breiten Türnische auf dem Fußboden halbkreisförmige Schrammen befanden. Schrammen, wie sie ähnlich von einer Tür, die sich unten beim Oeffnen klemmt, herzurühren pflegen. Nun war aber anscheinend keine Tür in dieser Nische vorhanden, deren Wände vollständig glatte Flächen aufwiesen, und dieser Widerspruch hatte zunächst meinen Verdacht erweckt. Ein Rütteln und Klopfen an der Holzbekleidung nach der größeren Wandseite zu schien meine Ansicht zu bestätigen, aber mir blieb keine Zeit mehr, wollte ich Lotti nicht aufmerksam machen. So raffte ich rasch mein Tuch auf und eilte fort.

 

Es war mir noch nicht möglich gewesen, die alte Marja unauffällig zu einer Aeußerung über die vergangene Nacht zu veranlassen; endlich, nachdem wir von unserem Spaziergang zurückgekehrt waren und sie uns im Erker den Kaffeetisch deckte, nahm ich die Gelegenheit wahr, als wir kurze Zeit allein waren.

Marja, sagte ich, so gelassen ich konnte, sollte es möglich sein, daß Frau von Löwen das wunderliche Geräusch im Kamin, über das sie klagt, wohl manchmal träumt?

Sie fuhr herum und starrte mich aufgeregt an.

Weshalb meinen Fräulein?

Nun, diese Nacht will sie es wieder gehört haben. Ich habe doch auch einen leisen Schlaf – haben Sie nichts bemerkt?

Ich? Ich schlafe doch im anderen Flügel; nein, ich habe nichts gehört!

Ich nahm mich zusammen:

Ach ja, gab ich ruhig zurück, Sie haben recht, Petruschka meint auch, es sei vermutlich nur im Zimmer der gnädigen Frau zu hören, wenn sie es sich nicht eingebildet hat.

Dann begann ich von etwas Gleichgültigem zu sprechen, aber innerlich war ich außer mir. Mußte es mir doch immer klarer werden, daß hier etwas Geheimnisvolles vor sich ging, ein lichtscheues, unaufgeklärtes Treiben, das mich unsagbar zu ängstigen begann. Den ganzen Tag über hatte ich den Alten nicht zu sehen bekommen, er schlief vermutlich, und mir fiel, ebenso wie Lotti, die sonderbare Wechselwirkung auf: in der Nacht das wunderliche Geräusch; am nächsten Tage verschwand der Alte von der Bildfläche. Er schlief – er holte den in der Nacht versäumten Schlaf nach. Natürlich, das war mir jetzt klar: Petruschka und das seltsame Geräusch hingen ursächlich zusammen, so weit war ich.

In dieser Nacht hoffte ich nun einen Schritt weiterzukommen. Befand sich tatsächlich in Herrn von Löwens Zimmern ein Ausgang, führte die maskierte Tür nicht etwa nur zu einem Wandschrank, so war ich hoffentlich imstande, dem Geräusch nachspüren zu können, ohne die Halle passieren zu müssen. Daß Marja ihren Wachtposten nicht aufgeben würde, solange ich im Hause weilte, glaubte ich annehmen zu dürfen.

Daß Petruschka noch nicht versucht hatte, mich zu sprechen, seit er gestern augenscheinlich Antwort von seinem Herren erhalten hatte, zeigte mir, daß sie nicht so ausgefallen war, wie er gehofft hatte. Alexander von Löwen bezeugte nicht, daß seine Frau gemütskrank sei! Petruschka hatte mir gegenüber einfach gelogen.

 

Es dauerte diesmal lange, bis Lotti einschlief.

Immer wieder fand sie noch etwas Wichtiges zu erzählen; dazu begann gegen Mitternacht ein wahrer Sturm um den alten Herrensitz zu toben, so daß wir fast »unser« Geräusch überhört hätten, das sich pünktlich einstellte. Aber es schreckte Lotti nicht mehr; sie saß nur aufrecht und horchte nach Nicolai hinüber. Ich hatte ihr von der Angst des Knaben erzählt, und richtig, es regte sich nebenan, und als Lotti halblaut seinen Namen rief, kam es auf bloßen Sohlen eilfertig über den Teppich gehuscht und ein weißes Gespenstchen kroch überselig in der Mutter Bett.

Ich wartete noch eine halbe Stunde, die mir unwahrscheinlich lang vorkam, dann zog ich mich flüchtig an und schlich auf leisen Sohlen in das Studierzimmer; vorsichtshalber hatte ich die Tür zur Halle versperrt. Ich hatte Streichhölzer und ein Lichtstümpfchen mitgenommen, und begann nun das Innere der Türnische abzuleuchten. Ich untersuchte noch einmal die Schrammen: Da war kein Zweifel möglich, und ich wußte nun auch, an welcher Seite sich die Tür öffnen mußte. Aber obgleich sie bei einem Druck sich hin- und herbewegte, vermochte ich sie lange nicht zu öffnen. Endlich entdeckte ich einen geschickt verborgenen kleinen Riegel, und nachdem er zurückgeschoben, ließ sich die ganze Holzverkleidung leicht zu mir herziehen. Ein schmaler, völlig finsterer Raum tat sich vor mir auf.

Ein Gang oder nur ein Wandschrank? Ich trat einen Schritt vor, dann aber hätte ich fast aufgeschrien: dort an der Wand – großer Gott – stand da nicht ein Mensch?!

Fast wäre mein schwach leuchtendes Lichtstümpfchen meiner Hand entfallen, so zitterte ich vor Schreck. Erst nach und nach überzeugte ich mich, daß die regungslosen dunklen Stoffalten, die sich dort bauschten, kein lebendes Wesen bargen, sondern ein grober, kittelartiger Rock waren, der an einem Nagel hing.

Nachdem ich die geheime Tür, durch ein davorgelegtes dickes Buch, verhindert hatte, zuzuschlagen und mich einzuschließen, trat ich vorsichtig in den äußerst schmalen Raum, der mit einer groben Kokosmatte belegt war. Aber mein flackerndes Licht gab eine so unsichere Beleuchtung ab, daß ich fast in das Loch hinuntergefallen wäre, das nach wenig Schritten sich dicht vor mir öffnete. Es war der Beginn einer unendlich engen Wendeltreppe!

Ich stand unschlüssig; sollte ich mich da hinab trauen? Dann faßte ich Mut und tastete mich vorsichtig die runden Holzstufen hinunter; nach einiger Zeit hörten diese auf, und es begann eine steile, gerade Hühnersteige von außergewöhnlich hohen, schmalen Steinstufen, die endlich in einem feuchten Gewölbe endigten. Auf der untersten Stufe blieb ich stehen und horchte. Stille und Finsternis rings um den engen Lichtkreis meines rötlichen Flämmchens.

Ein wenig verzagt begann ich mich in dem Raum umzusehen, und jede Bewegung meines Lichtes schien die drohenden Schatten in den Ecken zu gespenstischem Leben zu wecken. Ich stand in einem alten Keller, der seit Jahrzehnten nicht gebraucht sein mochte; tief hingen von der niederen Wölbung die dichten, staubbeschwerten Spinngewebe herab, dickleibige Spinnen und allerlei sonstiges Ungeziefer huschte vom Kerzenlicht aufgeschreckt über die schwärzlichen Quadern der unbehauenen Wände, auf denen die Schnecken glitzernde Streifen zurückgelassen hatten. Eine einzige, nur angelehnte Tür aus ungefügen Bohlen führte aus diesem Gewölbe hinaus und zu ihr gingen rötliche Erdspuren von der Treppe aus, die ich eben herabgekommen war. Dicht neben der untersten Stufe lag ein Häufchen Stroh, auf dem augenscheinlich beschmutzte Stiefel gesäubert worden waren; zwischen den zertretenen Strohhalmen hingen dicke Klumpen einer rötlichen Tonerde. Ich erinnerte mich nicht, in der Nähe des Rottmerhofs eine ähnliche Erde gesehen zu haben; wie kam sie in dies Gewölbe? Ich beschloß, diesen Spuren zu folgen. Hinter der Bohlentür tat sich ein fensterloser Gang auf, in dem mir eine feuchte Moderluft entgegenkam; dann ging es eine verwahrloste Steintreppe von acht bis zehn Stufen hinauf, und hier endete eine geschlossene Tür mein weiteres Vordringen.

Durfte ich wagen, diese Tür zu öffnen? Wohin mochte sie führen? Lief ich vielleicht den beiden Alten gerade in den Weg? Ich versuchte, durch das Schlüsselloch zu sehen, nachdem ich mich mittels einer Haarnadel überzeugt, daß es nicht durch den Schlüssel versperrt war – alles finster. Ich richtete mich auf und wandte meine Blicke in den tiefen Gang zurück, und in dieser lastenden Stille und der gähnenden Finsternis dieser verlassenen Tiefe fühlte ich, wie eine plötzlich erwachte Furcht mich beschlich. In diesem Augenblick erschrak ich so heftig, daß mir das Kerzenende entglitt und zu Boden fiel, wo es zischend erlosch und mich im Dunkeln zurückließ. Atemlos und gelähmt vor Furcht horchte ich dem Rollen und Scharren, dem Stöhnen und Dröhnen in meiner unmittelbarsten Nähe – so schien es mir wenigstens; voller Angst, daß der Schreckenslaut, der mir entfahren, von irgend jemand gehört sein könnte. Aber es schien nicht so; noch eine kurze Zeit dauerte das unheimliche Geräusch fort, dann hörte es plötzlich auf. Ich bückte mich nach dem Lichtstümpfchen, und dabei bemerkte ich durch das ziemlich große Schlüsselloch, daß jetzt in dem angrenzenden Raume ein Licht brannte. Ein heftiger Schreck durchzuckte mich: wenn der, den ich jetzt dort hörte, hierher kam?! Dann, als meine Hände sich unwillkürlich gegen die Tür stemmten, atmete ich auf. Ich hatte gefühlt, daß an meiner Seite ein Riegel vorgeschoben war.

Beruhigt kniete ich nieder, und versuchte, etwas im Nebenraum zu erkennen. Zunächst sah ich nur den unebenen Steinfußboden, über dem ein matter, rötlicher Schimmer schwankte; dagegen hörte ich deutlich Männerschritte, es wurde etwas Hartes zur Erde gestellt. Dann wurde es plötzlich heller, gleichzeitig knarrte eine Tür und wurde ins Schloß gedrückt, ein knirschender Laut – ich begriff plötzlich – das war die eiserne Krampe, die ich an der Turmtür gesehen; der Laut war unverkennbar, mit dem das Eisen sich über die Krampe schob! Jetzt wußte ich also, daß vor mir der Kellerflur liegen mußte, in den wir damals von außen hereingekommen waren, und nun war mir klar: das seltsame, unheimliche Geräusch kam aus dem Turm, und der Mann, den ich da hörte, war Petruschka.

Langsam entfernten sich seine schlurfenden Schritte, der Lichtschein zuckte hin und her und erlosch endlich. Ich erhob mich von den Knien und schob lautlos den Riegel zurück, öffnete vorsichtig die Tür und trat auf die Schwelle.

Von fern hörte ich noch Petruschkas Schritte, dann ging irgendwo eine Tür und es ward still. Wohl fünf Minuten blieb ich regungslos auf der Schwelle stehen, dann entzündete ich mein Licht von neuem und sah mich um.

Ich hatte mich nicht geirrt: da war die Tür, die nach außen führte, und hier die Turmpforte, die aussah, als sei sie Jahrhunderte alt, mit ihren festen Eichenbohlen und den schweren Krampeneisen quer darüber. Vor der Tür, ziemlich weit umhergetreten, zeigte sich wieder die rötliche Erde, die mir schon in dem Gewölbe aufgefallen war. Frische Spuren, die Petruschkas Stiefel eben zurückgelassen haben mochten, führten mich zu der Souterraintreppe, die, wie ich wußte, bei den Wirtschaftsräumen endete. In der dunkeln Ecke neben dieser Treppe lag auch hier ein beschmutztes Strohbündel und zeigte, daß der Alte seine Füße säuberte, bevor er durch jene Räume schritt, in denen am Tage Köchin und Stubenmädchen verkehrten.

Plötzlich hörte ich ein leises, unterdrücktes Knurren und Sultans schweren Trab von der Halle her; würde er mich anbellen?! Das mußte Petruschka und Marja unfehlbar hierherlocken!

Aber nein – kaum hatte das mächtige Tier mich erblickt, als es sich beruhigte und langsam herankam, um seinen großen Kopf in meine Hand zu drücken. Ich schickte ihn nach der Halle zurück. Er trottete auch gutmütig ab und ich wandte mich wieder nach dem Kellerflur.

Vor der Turmpforte blieb ich stehen. Was hätte ich nicht darum gegeben, durch diese altersbraunen Bretter schauen zu können! Denn hier mußte die Lösung des Rätsels zu finden sein.

Ich sah mich in dem Flur um. Wenn ich mich morgen nacht hier versteckte? Aber nein, das war nicht möglich, der kahle, leere Raum bot keine Gelegenheit dazu. So beschloß ich, morgen hinter der Tür, durch die ich vorhin gekommen war, Petruschkas Erscheinen und Verschwinden im Turm abzuwarten, dann leise hervorzukommen, und falls er die Tür nicht hinter sich zuschloß, hoffte ich gewonnenes Spiel zu haben. Dann würde ich ergründen, was dieser alte Turm an Geheimnissen barg.

Während ich meinen Weg zurück suchte, stieß mein Fuß in dem schmalen Raum, da wo die Wendeltreppe endigte, an etwas Hartes; ich leuchtete hin: es waren schwere, grob gearbeitete Stiefel, an denen noch trockene Spuren der rötlichen Tonerde hafteten. Darüber hing der kuttenartige Rock, der mich vorhin so arg erschreckt hatte; er war grob und sehr beschmutzt. Eine alte Schirmkappe hing darüber.

Auf was für Wegen ging der feine Herr von Löwen, wenn er in dieses Räuberkostüm geschlüpft war?!

Ich erschrak vor meinen eigenen Gedanken.

Arme Lotti, deutete dies alles nicht unverkennbar auf ein lichtscheues Geheimnis hin?!

Schon wollte ich weiter, als meine Hand ein knisterndes Papier streifte, das halb aus der Rocktasche hing; rasch faßte ich zu und brachte es in den Bereich meines Lichtes. Es war eine halbe Briefseite, auf der mit flüchtigen Strichen eine Zeichnung, anscheinend ein Grundriß gezeichnet war, und ein paar Worte standen. Ich schob den Zettel in meine Tasche und beeilte mich, nachdem ich die geheime Tür wieder sorgfältig geschlossen hatte, mein Bett aufzusuchen. Ich wagte nicht länger fortzubleiben aus Besorgnis, daß Lotti erwachen und mich vermissen könnte; so mußte ich die Untersuchung des gefundenen Zettels auf morgen verschieben.


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