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Das beinerne Tischlein

Da hauste einmal vor dem Wald ein Mann, der kratzte das Harz von den Tannen und trug es in runden, goldenen Laiben zum Meister Pechsieder und gewann also sein täglich Brot und aß es mit seinem Weib viele Jahre an einem eichenen Tischlein, das gar alt und voller Wurmstiche war. Und alle diese Zeit waren die zwei herzlich vergnügt und guter Dinge, bis einmal just des Mittags das Pechelweib sagte: »Jetzt mag ich nimmer an dem Tisch da essen!«

»Gutes Weib«, wollte er sie stillen, »das Tischlein hat mein Urähnelvater gezimmert, und es taugt noch lange für uns.«

Sie aber erboste sich, schlug auf den Tisch, dass die Würmer aus ihren Löchern fuhren und das Mehl davon stäubte, und schrie: »Mich verdrießt der hölzerne Tisch, und der hölzerne Tisch verdrießt mich! Narr du, bring mir einen steinernen!«

Was wollte der arme Mann tun? Er griff nach Spitzeisen und Schlägel und ging in den Steinbruch. Dort plagte er sich viele Tage und meißelte vier Säulen und eine hübsche runde Platte, so gut er es vermochte.

Indes er so arbeitete, saß immer auf einem nahen Strunk ein fremder Mann, wunderlich und wild, und schaute ihm zu. Der Mann hatte einen Kittel aus grünem Moos, einen moosigen Hut und einen moosigen, verzottelten Bart. Wie aber der Pechbrocker ihm ins Gesicht schauen wollte, da fand er keines. Und der Moosmann nickte seltsam mit dem Kopf, als wisse er alles, was der Pechmann dachte, und diesem wurde ganz unheimlich zumut, und er atmete auf, als er den Tisch fertig gehauen hatte und nach Hause bringen konnte.

Jetzt war eitel Freude daheim. »So ist es recht!« sagte das Pechelweib. »Der Tisch hält bis zum Jüngsten Tag, und die Würmer können ihn nicht fressen. Jetzt wollen wir ein süßes Leben führen wie ein Honigeimer!«

Es war aber kaum ein Jahr vergangen, da sagte sie zu ihrem Mann: »Ich bin des steinernen Tisches überdrüssig. Er ist mir zu rau und zu kalt und zu grau und zu alt. Ich will ein silbernes Tischlein haben!«

Darob verwunderte er sich und meinte: »Lass dir es genügen! Das Silber schickt sich nicht für uns armselige Leute. Und wo soll ich es denn hernehmen und nicht stehlen?«

Sie aber zeterte: »Narr du, nimm es her, wo du willst!«

So ging er denn traurig in den Wald; die Tannenelster schrie, das Laub sauste, der Felsbach klang. Und wie der Pechler nicht wusste, was er anheben sollte, und wie er zu der Steinkluft kam, da trat der grüne Moosmann heraus und fragte ihn, warum er gar so traurig für sich hin gehe.

»O weh, mein Weib will an einem silbernen Tisch essen!” klagte der Mann.

»Sei getrost!« sagte der Geist. »Im Berg drin wächst allerlei Wunder!« Und der Moosige kroch in die düstere Kluft und brachte alsbald ein zierliches Tischlein mit drei Füßen und aus lauter Silber zutage und schenkte es dem guten Mann.

Der trug es behutsamlich heim und stellte es mitten in die Stube. Und wie es dort so flimmerte und schimmerte, staunte das Pechelweib und lachte: »So ist es recht! Wie das glinzet und glanzet! Nun will ich mich alle Tage dran freuen bis zu meinem Tod!«

Aber es währte kaum eine Woche, so greinte sie: »Alleweil Silber und nichts als Silber! Hättest du doch gleich ein goldenes Tischlein gebracht! Ja, schaff mir ein goldenes her! Ich will nicht eher wieder essen, bis ich ein goldenes Tischlein habe!«

»Wie kann ich ein goldenes Tischlein kaufen«, sagte er, »hab ich doch keinen Kinkerling in der Tasche!«

»Narr du!« schalt sie. »Bring mir ein goldenes Tischlein, sonst werf ich dir den, Strohsack vor die Tür, und du darfst mir nimmer ins Haus!«

Zerknirscht nahm er dann das silberne Tischlein und trug es zurück zu der Steinkluft. Und wie er mit dem Knöchel an die silberne Platte klopfte, klang es wie eine helle Glocke, und da war auch schon wieder der Moosmann vorhanden.

»Du lieber Geist«, seufzte der Pechelmann, »meinem Weib wär es halt darum, dass sie ein goldenes Tischlein hätte!«

Der Moosige nickte. »Ja ja, wenn der Frosch auf den Schoß kommt, will er gleich auf den Kopf. Aber sie soll kriegen, was sie begehrt.« Und er holte aus der Kluft ein goldenes Tischlein, auf der ganzen Welt war nichts Schöneres zu finden, und gab es dem Pechelmann. »Da nimm es! Es ist aus dem Mond gefallen.«

Ei, wie war das Pechelweib froh, als der stolze Tisch in ihrer Hütte stand und funkelte wie der gelbe Mondschein selber! Sie tanzte wie .besessen um ihn herum und rief ein ums andere Mal: »So ist es recht! Jetzt bin ich zufrieden bis in alle Ewigkeit!«

Aber schon nach einer Stunde wurde sie still, zog einen scheelen Mund und sagte: »Der Tisch ist ja nur aus Gold. Soll ich denn allzeit und ewig daran essen?«

Ihr Mann erschrak sehr über diese übermütige Rede, und er warnte sie: »Sei nicht so arg, und lass dir es genügen! Was gibt es denn Köstlicheres als Gold?!«

»Narr du!« rief sie. »Viel köstlicher als Gold ist das Elfenbein. Und just mag ich ein beinernes Tischlein! Anders kann ich nicht glückselig werden! Trag ihn gleich hinweg, den goldenen Tisch! Ich mag ihn nimmer sehen!«

»Liebes Weib«, sagte er, »du verlangst, was niemand im Land hat, selbst unser Graf nicht!«

»Narr du!«, schrie sie. »Bring mir ein beinernes Tischlein oder ich sterbe auf der Stelle!«

»Einen steinernen, einen silbernen, einen goldenen, einen beinernen, das ist zu viel!« murmelte er sich ins Fäustlein.

»Narr du! Ich bin deiner leid. Wenn du mir nicht das beinerne Tischlein bringst, so lass dich beileibe nimmer bei mir sehen!« Und das störrige Weib schlug den Pechelmann und stieß ihn in den Mondschein hinaus.

Der Schnee fiel, und die Eulen jammerten, und der arme Mann schleppte das goldene Tischlein zur Kluft. »Moosmann, Moosmann, komm heraus!«

Der Moosmann fragte: »Was für einen Tisch will sie jetzt? Einen eisernen, einen buchenen, einen samtenen einen tuchenen?«

»Nun will sie gar einen beinernen!« sagte der Pechelmann verzagt.

»Geh heim! Sie soll ihn haben!”

Der Pechelmann kehrte zu seiner Hütte zurück und klopfte an: »Lass mich ein, gutes Weib!«

Aber sie schaute zum Fenster hinaus und rief: »Narr du! Ich hab es mir geschworen, ohne das beinerne Tischlein darfst du mir nimmer ins Haus.«

Da schrieb der Mann mit seinem Stecken in den Schnee: Ade! und lief in die Welt und kam nimmer wieder.

Das Pechelweib aber hatte fürder niemanden mehr, der für sie das tägliche Brot erworben hätte, und weil der Hunger weh tat, musste sie betteln gehen. Sie schlich durch die Dörfer und summte vor den Türen traurig ihr Gebet, und wenn man ihr ein Stück Brot gab, so setzte sie sich auf einen Stein am Weg und brach es auf ihren Knien. Also aß sie zu guter Letzt doch, wie sie sich es gewunschen hatte, auf einem beinernen Tisch.


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