Richard Wagner
Götterdämmerung
Richard Wagner

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Zweite Szene

Siegfried, Hagen, Gunther, Mannen

Hagens Stimme
Hoiho!

Mannen
Hoiho! Hoiho!

Siegfried
Hoiho! Hoiho! Hoihe!

Hagen (kommt auf der Höhe hervor. Gunther folgt ihm, Siegfried erblickend.)
Finden wir endlich,
wohin du flogest?

Siegfried
Kommt herab! Hier ist's frisch und kühl!

(Die Mannen kommen alle auf der Höhe an und steigen nun mit Hagen und Gunther herab.)

Hagen
Hier rasten wir und rüsten das Mahl.
Laßt ruhn die Beute und bietet die Schläuche!
Der uns das Wild verscheuchte,
nun sollt ihr Wunder hören,
was Siegfried sich erjagt.

Siegfried
Schlimm steht es um mein Mahl:
von eurer Beute bitte ich für mich.

Hagen
Du beutelos?

Siegfried
Auf Waldjagd zog ich aus,
doch Wasserwild zeigte sich nur.
War ich dazu recht beraten,
drei wilde Wasservögel
hätt' ich euch wohl gefangen,
die dort auf dem Rhein mir sangen,
erschlagen würd' ich noch heut.

Hagen
Das wäre üble Jagd,
wenn den beutelosen selbst
ein lauernd Wild erlegte!

Siegfried
Mich dürstet!

Hagen (indem er für Siegfried ein Trinkhorn füllen läßt und es diesem dann darreicht).
Ich hörte sagen, Siegfried,
der Vögel Sangessprache
verstündest du wohl:
so wäre das wahr?

Siegfried
Seit lange acht' ich des Lallens nicht mehr.

(Er faßt das Trinkhorn und wendet sich damit zu Gunther. Er trinkt und reicht das Horn Gunther bin.)

Trink, Gunther, trink!
Dein Bruder bringt es dir!

Gunther
Du mischtest matt und bleich
dein Blut allein darin!

Siegfried
So misch es mit dem deinen!

(Er gießt aus Gunthers Horn in das seine, so daß dieses überläuft.)

Nun floß gemischt es über:
der Mutter Erde laß das ein Labsal sein!

Gunther
Du überfroher Held!

Siegfried (leise zu Hagen)
Ihm macht Brünnhilde Müh?

Hagen (leise zu Siegfried)
Verstünd' er sie so gut,
wie du der Vögel Sang!

Siegfried
Seit Frauen ich singen hörte,
vergaß ich der Vöglein ganz.

Hagen
Doch einst vernahmst du sie?

Siegfried (sich lebhaft zu Gunther wendend)
Hei, Gunther, grämlicher Mann!
Dankst du es mir,
so sing' ich dir Mären
aus meinen jungen Tagen.

Gunther
Die hör' ich gern.

Hagen
So singe, Held!

Siegfried
Mime hieß ein mürrischer Zwerg:
in des Neides Zwang zog er mich auf,
daß einst das Kind, wann kühn es erwuchs,
einen Wurm ihm fällt' im Wald,
der lang schon hütet einen Hort.
Er lehrte mich schmieden und Erze schmelzen;
doch was der Künstler selber nicht konnt',
des Lehrlings Mute mußt' es gelingen:
eines zerschlagnen Stahles Stücke
neu zu schmieden zum Schwert.
Des Vaters Wehr fügt' ich mir neu:
nagelfest schuf ich mir Notung.
Tüchtig zum Kampf dünkt' er dem Zwerg;
der führte mich nun zum Wald:
dort fällt' ich Fafner, den Wurm.
Jetzt aber merkt wohl auf die Mär:
Wunder muß ich euch melden.
Von des Wurmes Blut
mir brannten die Finger;
sie führt ich kühlend zum Mund:
kaum netzt' ein wenig
die Zunge das Naß,
was da die Vöglein sangen,
das konnt' ich flugs verstehn.
Auf den Ästen saß es und sang:
»Hei! Siegfried gehört nun
der Nibelungen Hort!
Oh! fänd' in der Höhle
den Hort er jetzt!
Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt' ihm zu wonniger Tat!
Doch möcht' er den Ring sich erraten,
der macht' ihn zum Walter der Welt!«

Hagen
Ring und Tarnhelm trugst du nun fort?

Mannen
Das Vöglein hörtest du wieder?

Siegfried
Ring und Tarnhelm hatt' ich gerafft:
da lauscht' ich wieder dem wonnigen Laller;
der saß im Wipfel und sang:
»Hei, Siegfried gehört nun der Helm und der Ring.
Oh, traute er Mime, dem Treulosen, nicht!
Ihm sollt' er den Hort nur erheben;
nun lauert er listig am Weg:
nach dem Leben trachtet er Siegfried.
Oh, traute Siegfried nicht Mime!«

Hagen
Es mahnte dich gut?

Mannen
Vergaltest du Mime?

Siegfried
Mit tödlichem Tranke trat er zu mir;
bang und stotternd gestand er mir Böses:
Notung streckte den Strolch!

Hagen
Was nicht er geschmiedet,
schmeckte doch Mime!

Mannen
Was wies das Vöglein dich wieder?

Hagen (läßt ein Trinkhorn neu füllen und träufelt den Saft eines Krautes hinein)
Trink erst, Held, aus meinem Horn:
ich würzte dir holden Trank,
die Erinnerung hell dir zu wecken,

(er reicht Siegfried das Horn)

daß Fernes nicht dir entfalle!

Siegfried (blickt gedankenvoll in das Horn und trinkt dann langsam)
In Leid zu dem Wipfel lauscht' ich hinauf;
da saß es noch und sang:
»Hei, Siegfried erschlug nun den schlimmen Zwerg!
Jetzt wüßt' ich ihm noch das herrlichste Weib.
Auf hohem Felsen sie schläft,
Feuer umbrennt ihren Saal;
durchschritt' er die Brunst,
weckt' er die Braut,
Brünnhilde wäre dann sein!«

Hagen
Und folgtest du des Vögleins Rate?

Siegfried
Rasch ohne Zögern zog ich nun aus,
bis den feurigen Fels ich traf:
die Lohe durchschritt ich
und fand zum Lohn
schlafend ein wonniges Weib
in lichter Waffen Gewand.
Den Helm löst' ich der herrlichen Maid;
mein Kuß erweckte sie kühn:
oh, wie mich brünstig da umschlang
der schönen Brünnhilde Arm!

Gunther
Was hör' ich!

(Zwei Raben fliegen aus einem Busche auf, kreisen über Siegfried und fliegen dann, dem Rheine zu, davon.)

Hagen
Errätst du auch dieser Raben Geraun'?

(Siegfried fährt heftig auf und blickt, Hagen den Rücken zukehrend, den Raben nach.)

Rache rieten sie mir!

(Er stößt seinen Speer in Siegfrieds Rücken.)

Mannen
Hagen, was tust du?
Was tatest du?

Gunther
Hagen, was tatest du?

Hagen
Meineid rächt' ich!

Siegfried
Brünnhilde, heilige Braut!
Wach auf! Öffne dein Auge!
Wer verschloß dich wieder in Schlaf?
Wer band dich in Schlummer so bang?
Der Wecker kam; er küßt dich wach,
und aber der Braut bricht er die Bande:
da lacht ihm Brünnhildes Lust!
Ach! Dieses Auge, ewig nun offen!
Ach, dieses Atems wonniges Wehen!
Süßes Vergehen, seliges Grauen:
Brünnhild' bietet mir – Gruß!

(Er sinkt zurück und stirbt.)


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