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Siegfried, Hagen, Gunther, Mannen
Hagens Stimme
      Hoiho!
Mannen
      Hoiho! Hoiho!
Siegfried
      Hoiho! Hoiho! Hoihe!
Hagen (kommt auf der Höhe hervor. Gunther folgt ihm, Siegfried erblickend.)
      Finden wir endlich,
      wohin du flogest?
Siegfried
      Kommt herab! Hier ist's frisch und kühl!
(Die Mannen kommen alle auf der Höhe an und steigen nun mit Hagen und Gunther herab.)
Hagen
      Hier rasten wir und rüsten das Mahl.
      Laßt ruhn die Beute und bietet die Schläuche!
      Der uns das Wild verscheuchte,
      nun sollt ihr Wunder hören,
      was Siegfried sich erjagt.
Siegfried
      Schlimm steht es um mein Mahl:
      von eurer Beute bitte ich für mich.
Hagen
      Du beutelos?
Siegfried
      Auf Waldjagd zog ich aus,
      doch Wasserwild zeigte sich nur.
      War ich dazu recht beraten,
      drei wilde Wasservögel
      hätt' ich euch wohl gefangen,
      die dort auf dem Rhein mir sangen,
      erschlagen würd' ich noch heut.
Hagen
      Das wäre üble Jagd,
      wenn den beutelosen selbst
      ein lauernd Wild erlegte!
Siegfried
      Mich dürstet!
Hagen (indem er für Siegfried ein Trinkhorn füllen läßt und es diesem dann darreicht).
      Ich hörte sagen, Siegfried,
      der Vögel Sangessprache
      verstündest du wohl:
      so wäre das wahr?
Siegfried
      Seit lange acht' ich des Lallens nicht mehr.
(Er faßt das Trinkhorn und wendet sich damit zu Gunther. Er trinkt und reicht das Horn Gunther bin.)
Trink, Gunther, trink!
      Dein Bruder bringt es dir!
Gunther
      Du mischtest matt und bleich
      dein Blut allein darin!
Siegfried
      So misch es mit dem deinen!
(Er gießt aus Gunthers Horn in das seine, so daß dieses überläuft.)
Nun floß gemischt es über:
      der Mutter Erde laß das ein Labsal sein!
Gunther
      Du überfroher Held!
Siegfried (leise zu Hagen)
      Ihm macht Brünnhilde Müh?
Hagen (leise zu Siegfried)
      Verstünd' er sie so gut,
      wie du der Vögel Sang!
Siegfried
      Seit Frauen ich singen hörte,
      vergaß ich der Vöglein ganz.
Hagen
      Doch einst vernahmst du sie?
Siegfried (sich lebhaft zu Gunther wendend)
      Hei, Gunther, grämlicher Mann!
      Dankst du es mir,
      so sing' ich dir Mären
      aus meinen jungen Tagen.
Gunther
      Die hör' ich gern.
Hagen
      So singe, Held!
Siegfried
      Mime hieß ein mürrischer Zwerg:
      in des Neides Zwang zog er mich auf,
      daß einst das Kind, wann kühn es erwuchs,
      einen Wurm ihm fällt' im Wald,
      der lang schon hütet einen Hort.
      Er lehrte mich schmieden und Erze schmelzen;
      doch was der Künstler selber nicht konnt',
      des Lehrlings Mute mußt' es gelingen:
      eines zerschlagnen Stahles Stücke
      neu zu schmieden zum Schwert.
      Des Vaters Wehr fügt' ich mir neu:
      nagelfest schuf ich mir Notung.
      Tüchtig zum Kampf dünkt' er dem Zwerg;
      der führte mich nun zum Wald:
      dort fällt' ich Fafner, den Wurm.
      Jetzt aber merkt wohl auf die Mär:
      Wunder muß ich euch melden.
      Von des Wurmes Blut
      mir brannten die Finger;
      sie führt ich kühlend zum Mund:
      kaum netzt' ein wenig
      die Zunge das Naß,
      was da die Vöglein sangen,
      das konnt' ich flugs verstehn.
      Auf den Ästen saß es und sang:
      »Hei! Siegfried gehört nun
      der Nibelungen Hort!
      Oh! fänd' in der Höhle
      den Hort er jetzt!
      Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,
      der taugt' ihm zu wonniger Tat!
      Doch möcht' er den Ring sich erraten,
      der macht' ihn zum Walter der Welt!«
Hagen
      Ring und Tarnhelm trugst du nun fort?
Mannen
      Das Vöglein hörtest du wieder?
Siegfried
      Ring und Tarnhelm hatt' ich gerafft:
      da lauscht' ich wieder dem wonnigen Laller;
      der saß im Wipfel und sang:
      »Hei, Siegfried gehört nun der Helm und der Ring.
      Oh, traute er Mime, dem Treulosen, nicht!
      Ihm sollt' er den Hort nur erheben;
      nun lauert er listig am Weg:
      nach dem Leben trachtet er Siegfried.
      Oh, traute Siegfried nicht Mime!«
Hagen
      Es mahnte dich gut?
Mannen
      Vergaltest du Mime?
Siegfried
      Mit tödlichem Tranke trat er zu mir;
      bang und stotternd gestand er mir Böses:
      Notung streckte den Strolch!
Hagen
      Was nicht er geschmiedet,
      schmeckte doch Mime!
Mannen
      Was wies das Vöglein dich wieder?
Hagen (läßt ein Trinkhorn neu füllen und träufelt den Saft eines Krautes hinein)
      Trink erst, Held, aus meinem Horn:
      ich würzte dir holden Trank,
      die Erinnerung hell dir zu wecken,
(er reicht Siegfried das Horn)
daß Fernes nicht dir entfalle!
Siegfried (blickt gedankenvoll in das Horn und trinkt dann langsam)
      In Leid zu dem Wipfel lauscht' ich hinauf;
      da saß es noch und sang:
      »Hei, Siegfried erschlug nun den schlimmen Zwerg!
      Jetzt wüßt' ich ihm noch das herrlichste Weib.
      Auf hohem Felsen sie schläft,
      Feuer umbrennt ihren Saal;
      durchschritt' er die Brunst,
      weckt' er die Braut,
      Brünnhilde wäre dann sein!«
Hagen
      Und folgtest du des Vögleins Rate?
Siegfried
      Rasch ohne Zögern zog ich nun aus,
      bis den feurigen Fels ich traf:
      die Lohe durchschritt ich
      und fand zum Lohn
      schlafend ein wonniges Weib
      in lichter Waffen Gewand.
      Den Helm löst' ich der herrlichen Maid;
      mein Kuß erweckte sie kühn:
      oh, wie mich brünstig da umschlang
      der schönen Brünnhilde Arm!
Gunther
      Was hör' ich!
(Zwei Raben fliegen aus einem Busche auf, kreisen über Siegfried und fliegen dann, dem Rheine zu, davon.)
Hagen
      Errätst du auch dieser Raben Geraun'?
(Siegfried fährt heftig auf und blickt, Hagen den Rücken zukehrend, den Raben nach.)
Rache rieten sie mir!
(Er stößt seinen Speer in Siegfrieds Rücken.)
Mannen
      Hagen, was tust du?
      Was tatest du?
Gunther
      Hagen, was tatest du?
Hagen
      Meineid rächt' ich!
Siegfried
      Brünnhilde, heilige Braut!
      Wach auf! Öffne dein Auge!
      Wer verschloß dich wieder in Schlaf?
      Wer band dich in Schlummer so bang?
      Der Wecker kam; er küßt dich wach,
      und aber der Braut bricht er die Bande:
      da lacht ihm Brünnhildes Lust!
      Ach! Dieses Auge, ewig nun offen!
      Ach, dieses Atems wonniges Wehen!
      Süßes Vergehen, seliges Grauen:
      Brünnhild' bietet mir – Gruß!
(Er sinkt zurück und stirbt.)