Richard Wagner
Götterdämmerung
Richard Wagner

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Dritte Szene

Die Felsenhöhe wie im Vorspiel

Brünnhilde, Waltraute, Siegfried

Brünnhilde
Altgewohntes Geräusch
raunt meinem Ohr die Ferne.
Ein Luftroß jagt im Laufe daher;
auf der Wolke fährt es wetternd zum Fels.
Wer fand mich Einsame auf?

Waltrautes Stimme
Brünnhilde! Schwester!
Schläfst oder wachst du?

Brünnhilde
Waltrautes Ruf, so wonnig mir kund!
Kommst du, Schwester?
Schwingst dich kühn zu mir her?
Dort im Tann
– dir noch vertraut –
steige vom Roß
und stell den Renner zur Rast!
Kommst du zu mir?
Bist du so kühn,
magst ohne Grauen
Brünnhild' bieten den Gruß?

Waltraute
Einzig dir nur galt meine Eil'!

Brünnhilde
So wagtest du, Brünnhild' zulieb,
Walvaters Bann zu brechen?
Oder wie – o sag –
wär' wider mich Wotans Sinn erweicht?
Als dem Gott entgegen Siegmund ich schützte,
fehlend – ich weiß es –
erfüllt' ich doch seinen Wunsch.
Daß sein Zorn sich verzogen,
weiß ich auch;
denn verschloß er mich gleich in Schlaf,
fesselt' er mich auf den Fels,
wies er dem Mann mich zur Magd,
der am Weg mich fänd' und erweckt',
meiner bangen Bitte doch gab er Gunst:
mit zehrendem Feuer umgab er den Fels,
dem Zagen zu wehren den Weg.
So zur Seligsten schuf mich die Strafe:
der herrlichste Held
gewann mich zum Weib!
In seiner Liebe leucht' und lach' ich heut' auf.
Lockte dich, Schwester, mein Los?
An meiner Wonne willst du dich weiden,
teilen, was mich betraf?

Waltraute
Teilen den Taumel, der dich Törin erfaßt?
Ein andres bewog mich in Angst,
zu brechen Wotans Gebot.

Brünnhilde
Angst und Furcht fesseln dich Arme?
So verzieh der Strenge noch nicht?
Du zagst vor des Strafenden Zorn?

Waltraute
Dürft' ich ihn fürchten,
meiner Angst fänd' ich ein End'!

Brünnhilde
Staunend versteh' ich dich nicht!

Waltraute
Wehre der Wallung,
achtsam höre mich an!
Nach Walhall wieder
treibt mich die Angst,
die von Walhall hierher mich trieb.

Brünnhilde
Was ist's mit den ewigen Göttern?

Waltraute
Höre mit Sinn, was ich dir sage!
Seit er von dir geschieden,
zur Schlacht nicht mehr schickte uns Wotan;
irr und ratlos ritten wir ängstlich zu Heer;
Walhalls mutige Helden mied Walvater.
Einsam zu Roß, ohne Ruh' noch Rast,
durchstreift er als Wandrer die Welt.
Jüngst kehrte er heim;
in der Hand hielt er seines Speeres Splitter:
die hatte ein Held ihm geschlagen.
Mit stummem Wink Walhalls Edle
wies er zum Forst, die Weltesche zu fällen.
Des Stammes Scheite hieß er sie schichten
zu ragendem Hauf rings um der Seligen Saal.
Der Götter Rat ließ er berufen;
den Hochsitz nahm heilig er ein:
ihm zu Seiten hieß er die Bangen sich setzen,
in Ring und Reih' die Hall' erfüllen die Helden.
So sitzt er, sagt kein Wort,
auf hehrem Sitze stumm und ernst,
des Speeres Splitter fest in der Faust;
Holdas Äpfel rührt er nicht an.
Staunen und Bangen binden starr die Götter.
Seine Raben beide sandt' er auf Reise:
kehrten die einst mit guter Kunde zurück,
dann noch einmal, zum letztenmal,
lächelte ewig der Gott.
Seine Knie umwindend, liegen wir Walküren;
blind bleibt er den flehenden Blicken;
uns alle verzehrt Zagen und endlose Angst.
An seine Brust preßt' ich mich weinend:
da brach sich sein Blick –
er gedachte, Brünnhilde, dein!
Tief seufzt' er auf, schloß das Auge,
und wie im Traume raunt' er das Wort:
»Des tiefen Rheines Töchtern
gäbe den Ring sie wieder zurück,
von des Fluches Last
erlöst wäre Gott und Welt!«
Da sann ich nach: von seiner Seite
durch stumme Reihen stahl ich mich fort;
in heimlicher Hast bestieg ich mein Roß
und ritt im Sturme zu dir.
Dich, o Schwester, beschwör ich nun:
was du vermagst, vollend es dein Mut!
Ende der Ewigen Qual!

Brünnhilde
Welch banger Träume Mären
meldest du Traurige mir!
Der Götter heiligem Himmelsnebel
bin ich Törin enttaucht:
nicht fass' ich, was ich erfahre.
Wirr und wüst scheint mir dein Sinn;
in deinem Aug', so übermüde,
glänzt flackernde Glut.
Mit blasser Wange, du bleiche Schwester,
was willst du Wilde von mir?

Waltraute
An deiner Hand, der Ring,
er ist's; hör meinen Rat:
für Wotan wirf ihn von dir!

Brünnhilde
Den Ring? Von mir?

Waltraute
Den Rheintöchtern gib ihn zurück!

Brünnhilde
Den Rheintöchtern, ich, den Ring?
Siegfrieds Liebespfand?
Bist du von Sinnen?

Waltraute
Hör mich, hör meine Angst!
Der Welt Unheil haftet sicher an ihm.
Wirf ihn von dir, fort in die Welle!
Walhalls Elend zu enden,
den verfluchten wirf in die Flut!

Brünnhilde
Ha, weißt du, was er mir ist?
Wie kannst du's fassen, fühllose Maid!
Mehr als Walhalls Wonne,
mehr als der Ewigen Ruhm
ist mir der Ring:
ein Blick auf sein helles Gold,
ein Blitz aus dem hehren Glanz
gilt mir werter
als aller Götter ewig währendes Glück!
Denn selig aus ihm leuchtet mir Siegfrieds Liebe:
Siegfrieds Liebe!
O ließ' sich die Wonne dir sagen!
Sie – wahrt mir der Reif.
Geh hin zu der Götter heiligem Rat!
Von meinem Ringe raune ihnen zu:
Die Liebe ließe ich nie,
mir nähmen nie sie die Liebe,
stürzt' auch in Trümmern
Walhalls strahlende Pracht!

Waltraute
Dies deine Treue?
So in Trauer
entlässest du lieblos die Schwester?

Brünnhilde
Schwinge dich fort!
Fliege zu Roß!
Den Ring entführst du mir nicht!

Waltraute
Wehe! Wehe!
Weh dir, Schwester!
Walhalls Göttern weh!

(Sie stürzt fort.)

Brünnhilde
Blitzend Gewölk,
vom Wind getragen,
stürme dahin:
zu mir nie steure mehr her!
Abendlich Dämmern deckt den Himmel;
heller leuchtet die hütende Lohe herauf.
Was leckt so wütend
die lodernde Welle zum Wall?
Zur Felsenspitze wälzt sich der feurige Schwall.
Siegfried! Siegfried zurück?
Seinen Ruf sendet er her!
Auf! – Auf! Ihm entgegen!
In meines Gottes Arm!

(Sie eilt in höchstem Entzücken dem Felsrande zu. Feuerflammen schlagen herauf: aus ihnen springt Siegfried auf einen hochragenden Felsstein empor, worauf die Flammen sogleich wieder zurückweichen und abermals nur aus der Tiefe heraufleuchten. Siegfried, auf dem Haupte den Tarnhelm, der ihm bis zur Hälfte das Gesicht verdeckt und nur die Augen freiläßt, erscheint in Gunthers Gestalt.)

Verrat! – Wer drang zu mir?

Siegfried
Brünnhild'! Ein Freier kam,
den dein Feuer nicht geschreckt.
Dich werb' ich nun zum Weib:
du folge willig mir!

Brünnhilde
Wer ist der Mann,
der das vermochte,
was dem Stärksten nur bestimmt?

Siegfried
Ein HeIde, der dich zähmt,
bezwingt Gewalt dich nur.

Brünnhilde
Ein Unhold schwang sich auf jenen Stein!
Ein Aar kam geflogen,
mich zu zerfleischen!
Wer bist du, Schrecklicher?
Stammst du von Menschen?
Kommst du von Hellas nächtlichem Heer?

Siegfried
Ein Gibichung bin ich,
und Gunther heißt der Held,
dem, Frau, du folgen sollst.

Brünnhilde
Wotan! Ergrimmter, grausamer Gott!
Weh! Nun erseh' ich der Strafe Sinn;
zu Hohn und Jammer jagst du mich hin!

Siegfried
Die Nacht bricht an:
in deinem Gemach
mußt du dich mit mir vermählen!

Brünnhilde (indem sie den Finger, an dem sie Siegfrieds Ring trägt, drohend ausstreckt)
Bleib fern! Fürchte dies Zeichen!
Zur Schande zwingst du mich nicht,
solang der Ring mich beschützt.

Siegfried
Mannesrecht gebe er Gunther,
durch den Ring sei ihm vermählt!

Brünnhilde
Zurück, du Räuber!
Frevelnder Dieb!
Erfreche dich nicht, mir zu nahn!
Stärker als Stahl macht mich der Ring:
nie – raubst du ihn mir!

Siegfried
Von dir ihn zu lösen,
lehrst du mich nun!

(Er dringt auf sie ein; sie ringen miteinander. Brünnhilde windet sich los, flieht und wendet sich um, wie zur Wehr. Siegfried greift sie von neuem an. Sie flieht, er erreicht sie. Beide ringen heftig miteinander. Er faßt sie bei der Hand und entzieht ihrem Finger den Ring. Sie schreit heftig auf. Als sie wie zerbrochen in seinen Armen niedersinkt, streift ihr Blick bewußtlos die Augen Siegfrieds.)

Siegfried
Jetzt bist du mein,
Brünnhilde, Gunthers Braut –
gönne mir nun dein Gemach!

Brünnhilde
Was könntest du wehren, elendes Weib!

(Siegfried treibt sie mit einer gebietenden Bewegung an. Zitternd und wankenden Schrittes geht sie in das Gemach.)

Siegfried (das Schwert ziehend – mit seiner natürlichen Stimme)
Nun, Notung, zeuge du,
daß ich in Züchten warb.
Die Treue wahrend dem Bruder,
trenne mich von seiner Braut!

(Er folgt Brünnhilde nach.)


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