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Gunther, Siegfried, Brünnhilde, Hagen, Gutrune, Mannen, Frauen
Mannen
      Heil dir, Gunther!
      Heil dir und deiner Braut!
      Willkommen!
Gunther
      Brünnhild', die hehrste Frau,
      bring' ich euch her zum Rhein.
      Ein edleres Weib ward nie gewonnen.
      Der Gibichungen Geschlecht,
      gaben die Götter ihm Gunst,
      zum höchsten Ruhm rag es nun auf!
Mannen
      Heil! Heil dir,
      glücklicher Gibichung!
(Gunther geleitet Brünnhilde, die nie aufblickt, zur Halle, aus welcher jetzt Siegfried und Gutrune, von Frauen begleitet, heraustreten.)
Gunther
      Gegrüßt sei, teurer Held;
      gegrüßt, holde Schwester!
      Dich seh' ich froh ihm zur Seite,
      der dich zum Weib gewann.
      Zwei sel'ge Paare
      seh' ich hier prangen:
      Brünnhild' und Gunther,
      Gutrun' und Siegfried!
(Brünnhilde schlägt erschreckt die Augen auf und erblickt Siegfried; wie in Erstaunen bleibt ihr Blick auf ihn gerichtet. Gunther, welcher Brünnhildes heftig zuckende Hand losgelassen hat, sowie alle übrigen zeigen starre Betroffenheit über Brünnhildes Benehmen.)
Mannen
      Was ist ihr? Ist sie entrückt?
Siegfried
      Was müht Brünnhildens Blick?
Brünnhilde
      Siegfried... hier...! Gutrune...?
Siegfried
      Gunthers milde Schwester:
      mir vermählt wie Gunther du.
Brünnhilde
      Ich... Gunther...? Du lügst!
      Mir schwindet das Licht...
      Siegfried – kennt mich nicht?
Siegfried
      Gunther, deinem Weib ist übel!
(Gunther tritt hinzu.)
Erwache, Frau!
      Hier steht dein Gatte.
Brünnhilde (erblickt am Finger Siegfrieds den Ring und schrickt mit furchtbarer Heftigkeit auf)
      Ha! – Der Ring,
      an seiner Hand!
      Er –? Siegfried –?
Mannen
      Was ist? Was ist?
Hagen
      Jetzt merket klug,
      was die Frau euch klagt!
Brünnhilde
      Einen Ring sah ich an deiner Hand.
      Nicht dir gehört er,
      ihn entriß mir (auf Gunther deutend) dieser Mann!
      Wie mochtest von ihm den Ring du empfahn?
Siegfried
      Den Ring empfing ich nicht von ihm.
Brünnhilde (zu Gunther)
      Nahmst du von mir den Ring,
      durch den ich dir vermählt;
      so melde ihm dein Recht,
      fordre zurück das Pfand!
Gunther
      Den Ring? Ich gab ihm keinen:
      Doch – kennst du ihn auch gut?
Brünnhilde
      Wo bärgest du den Ring,
      den du von mir erbeutet?
(Gunther schweigt in höchster Betroffenheit.)
Ha! – Dieser war es,
      der mir den Ring entriß:
      Siegfried, der trugvolle Dieb!
Siegfried
      Von keinem Weib kam mir der Reif;
      noch war's ein Weib, dem ich ihn abgewann:
      genau erkenn' ich des Kampfes Lohn,
      den vor Neidhöhl' einst ich bestand,
      als den starken Wurm ich erschlug.
Hagen
      Brünnhild', kühne Frau,
      kennst du genau den Ring?
      Ist's der, den du Gunther gabst,
      so ist er sein,
      und Siegfried gewann ihn durch Trug,
      den der Treulose büßen sollt'!
Brünnhilde
      Betrug! Betrug! Schändlichster Betrug!
      Verrat! Verrat! Wie noch nie er gerächt!
Gutrune
      Verrat? An wem?
Mannen
      Verrat? Verrat?
Frauen
      Verrat? An wem?
Brünnhilde
      Heil'ge Götter, himmlische Lenker!
      Rauntet ihr dies in eurem Rat?
      Lehrt ihr mich Leiden, wie keiner sie litt?
      Schuft ihr mir Schmach, wie nie sie geschmerzt?
      Ratet nun Rache, wie nie sie gerast!
      Zündet mir Zorn, wie noch nie er gezähmt!
      Heißet Brünnhild' ihr Herz zu zerbrechen,
      den zu zertrümmern, der sie betrog!
Gunther
      Brünnhild', Gemahlin!
      Mäß'ge dich!
Brünnhilde
      Weich fern, Verräter!
      Selbst Verratner!
      Wisset denn alle: nicht ihm –
      dem Manne dort bin ich vermählt.
Frauen
      Siegfried? Gutruns Gemahl?
Mannen
      Gutruns Gemahl?
Brünnhilde
      Er zwang mir Lust und Liebe ab.
Siegfried
      Achtest du so der eignen Ehre?
      Die Zunge, die sie lästert,
      muß ich der Lüge sie zeihen?
      Hört, ob ich Treue brach!
      Blutbrüderschaft
      hab' ich Gunther geschworen:
      Notung, das werte Schwert,
      wahrte der Treue Eid;
      mich trennte seine Schärfe
      von diesem traur'gen Weib.
Brünnhilde
      Du listiger Held, sieh, wie du lügst!
      Wie auf dein Schwert du schlecht dich berufst!
      Wohl kenn' ich seine Schärfe,
      doch kenn' auch die Scheide,
      darin so wonnig ruht' an der Wand
      Notung, der treue Freund,
      als die Traute sein Herr sich gewann.
Mannen
      Wie? Brach er die Treue?
      Trübte er Gunthers Ehre?
Frauen
      Brach er die Treue?
Gunther (zu Siegfried)
      Geschändet wär' ich, schmählich bewahrt,
      gäbst du die Rede nicht ihr zurück!
Gutrune
      Treulos, Siegfried, sannest du Trug?
      Bezeuge, daß jene falsch dich zeiht!
Mannen
      Reinige dich, bist du im Recht!
      Schweige die Klage!
      Schwöre den Eid!
Siegfried
      Schweig' ich die Klage,
      schwör' ich den Eid:
      wer von euch wagt seine Waffe daran?
Hagen
      Meines Speeres Spitze wag' ich daran:
      sie wahr' in Ehren den Eid.
Siegfried
      Helle Wehr! Heilige Waffe!
      Hilf meinem ewigen Eide!
      Bei des Speeres Spitze sprech' ich den Eid:
      Spitze, achte des Spruchs!
      Wo Scharfes mich schneidet,
      schneide du mich;
      wo der Tod mich soll treffen,
      treffe du mich:
      klagte das Weib dort wahr,
      brach ich dem Bruder den Eid!
Brünnhilde
      Helle Wehr! Heilige Waffe!
      Hilf meinem ewigen Eide!
      Bei des Speeres Spitze sprech' ich den Eid:
      Spitze, achte des Spruchs!
      Ich weihe deine Wucht,
      daß sie ihn werfe!
      Deine Schärfe segne ich,
      daß sie ihn schneide:
      denn, brach seine Eide er all',
      schwur Meineid jetzt dieser Mann!
Mannen
      Hilf, Donner, tose dein Wetter,
      zu schweigen die wütende Schmach!
Siegfried
      Gunther, wehr deinem Weibe,
      das schamlos Schande dir lügt!
      Gönnt ihr Weil' und Ruh',
      der wilden Felsenfrau,
      daß ihre freche Wut sich lege,
      die eines Unholds arge List
      wider uns alle erregt!
      Ihr Mannen, kehret euch ab!
      Laßt das Weibergekeif!
      Als Zage weichen wir gern,
      gilt es mit Zungen den Streit.
(Er tritt dicht zu Gunther.)
Glaub, mehr zürnt es mich als dich,
      daß schlecht ich sie getäuscht:
      der Tarnhelm, dünkt mich fast,
      hat halb mich nur gehehlt.
      Doch Frauengroll friedet sich bald:
      daß ich dir es gewann,
      dankt dir gewiß noch das Weib.
(Er wendet sich wieder zu den Mannen.)
Munter, ihr Mannen!
      Folgt mir zum Mahl!
(Zu den Frauen.)
Froh zur Hochzeit helfet, ihr Frauen!
      Wonnige Lust lache nun auf!
      In Hof und Hain,
      heiter vor allen sollt ihr heute mich sehn.
      Wen die Minne freut,
      meinem frohen Mute
      tu es der Glückliche gleich!
(Er schlingt in ausgelassenem Übermute seinen Arm um Gutrune und zieht sie mit sich in die Halle fort. Die Mannen und Frauen, von seinem Beispiele hingerissen, folgen ihm nach.)