Richard Wagner
Götterdämmerung
Richard Wagner

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Vorspiel

Auf dem Walkürenfelsen

Die drei Nornen

Die erste Norn
Welch Licht leuchtet dort?

Die zweite Norn
Dämmert der Tag schon auf?

Die dritte Norn
Loges Heer lodert feurig um den Fels.
Noch ist's Nacht.
Was spinnen und singen wir nicht?

Die zweite Norn (zu der ersten)
Wollen wir spinnen und singen,
woran spannst du das Seil?

Die erste Norn
So gut und schlimm es geh',
schling' ich das Seil und singe.
An der Weltesche wob ich einst,
da groß und stark dem Stamm entgrünte
weihlicher Äste Wald.
Im kühlen Schatten rauscht' ein Quell,
Weisheit raunend rann sein Gewell';
da sang ich heiligen Sinn.
Ein kühner Gott
trat zum Trunk an den Quell;
seiner Augen eines
zahlt' er als ewigen Zoll.
Von der Weltesche
brach da Wotan einen Ast;
eines Speeres Schaft
entschnitt der Starke dem Stamm.
In langer Zeiten Lauf
zehrte die Wunde den Wald;
falb fielen die Blätter,
dürr darbte der Baum,
traurig versiegte des Quelles Trank:
trüben Sinnes ward mein Gesang.
Doch, web' ich heut
an der Weltesche nicht mehr,
muß mir die Tanne
taugen zu fesseln das Seil:
singe, Schwester, dir werf' ich's zu.
Weißt du, wie das wird?

Die zweite Norn
Treu beratner Verträge Runen
schnitt Wotan in des Speeres Schaft:
den hielt er als Haft der Welt.
Ein kühner Held
zerhieb im Kampfe den Speer;
in Trümmer sprang
der Verträge heiliger Haft.
Da hieß Wotan Walhalls Helden
der Weltesche welkes Geäst
mit dem Stamm in Stücke zu fällen.
Die Esche sank,
ewig versiegte der Quell!
Fessle ich heut
an den scharfen Fels das Seil:
singe, Schwester, dir werf' ich's zu.
Weißt du, wie das wird?

Die dritte Norn
Es ragt die Burg, von Riesen gebaut:
mit der Götter und Helden heiliger Sippe
sitzt dort Wotan im Saal.
Gehau'ner Scheite hohe Schicht
ragt zuhauf rings um die Halle:
die Weltesche war dies einst!
Brennt das Holz
heilig brünstig und hell,
sengt die Glut
sehrend den glänzenden Saal:
der ewigen Götter Ende
dämmert ewig da auf.
Wisset ihr noch,
so windet von neuem das Seil;
von Norden wieder werf' ich's dir nach.
Spinne, Schwester, und singe!

Die erste Norn
Dämmert der Tag?
Oder leuchtet die Lohe?
Getrübt trügt sich mein Blick;
nicht hell eracht' ich das heilig Alte,
da Loge einst entbrannte in lichter Glut.
Weißt du, was aus ihm ward?

Die zweite Norn
Durch des Speeres Zauber
zähmte ihn Wotan;
Räte raunt' er dem Gott.
An des Schaftes Runen,
frei sich zu raten,
nagte zehrend sein Zahn:
da, mit des Speeres
zwingender Spitze
bannte ihn Wotan,
Brünnhildes Fels zu umbrennen.
Weißt du, was aus ihm wird?

Die dritte Norn
Des zerschlagnen Speeres
stechende Splitter
taucht' einst Wotan
dem Brünstigen tief in die Brust:
zehrender Brand zündet da auf;
den wirft der Gott in der Weltesche
zuhauf geschichtete Scheite.
Wollt ihr wissen,
wann das wird?
Schwinget, Schwestern, das Seil!

Die erste Norn
Die Nacht weicht;
nichts mehr gewahr' ich:
des Seiles Fäden find' ich nicht mehr;
verflochten ist das Geflecht.
Ein wüstes Gesicht wirrt mir wütend den Sinn.
Das Rheingold raubte Alberich einst.
Weißt du, was aus ihm ward?

Die zweite Norn
Des Steines Schärfe schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb'.
Aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.
Weißt du, was daraus wird?

Die dritte Norn
Zu locker das Seil, mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt!

Es riß!

Die zweite Norn
Es riß!

Die erste Norn
Es riß!

Die drei Nornen
Zu End' ewiges Wissen!
Der Welt melden Weise nichts mehr.

Die dritte Norn
Hinab!

Die zweite Norn
Zur Mutter!

Die erste Norn
Hinab!

(Sie verschwinden.)

Brünnhilde und Siegfried

Brünnhilde
Zu neuen Taten, teurer Helde,
wie liebt' ich dich, ließ ich dich nicht?
Ein einzig' Sorgen läßt mich säumen:
daß dir zu wenig mein Wert gewann!
Was Götter mich wiesen, gab ich dir:
heiliger Runen reichen Hort;
doch meiner Stärke magdlichen Stamm
nahm mir der Held, dem ich nun mich neige.
Des Wissens bar, doch des Wunsches voll:
an Liebe reich, doch ledig der Kraft:
mögst du die Arme nicht verachten,
die dir nur gönnen, nicht geben mehr kann!

Siegfried
Mehr gabst du, Wunderfrau,
als ich zu wahren weiß.
Nicht zürne, wenn dein Lehren
mich unbelehret ließ!
Ein Wissen doch wahr' ich wohl:
daß mir Brünnhilde lebt;
eine Lehre lernt' ich leicht:
Brünnhildes zu gedenken!

Brünnhilde
Willst du mir Minne schenken,
gedenke deiner nur,
gedenke deiner Taten:
gedenk' des wilden Feuers,
das furchtlos du durchschrittest,
da den Fels es rings umbrann.

Siegfried
Brünnhilde zu gewinnen!

Brünnhilde
Gedenk' der beschildeten Frau,
die in tiefem Schlaf du fandest,
der den festen Helm du erbrachst.

Siegfried
Brünnhilde zu erwecken!

Brünnhilde
Gedenk' der Eide, die uns einen;
gedenk' der Treue, die wir tragen;
gedenk' der Liebe, der wir leben:
Brünnhilde brennt dann ewig
heilig dir in der Brust!

Siegfried
Lass' ich, Liebste, dich hier
in der Lohe heiliger Hut;

(er hat den Ring Alberichs von seinem Finger gezogen und reicht ihn jetzt Brünnhilde dar)

zum Tausche deiner Runen
reich' ich dir diesen Ring.
Was der Taten je ich schuf,
des Tugend schließt er ein.
Ich erschlug einen wilden Wurm,
der grimmig lang ihn bewacht.
Nun wahre du seine Kraft
als Weihegruß meiner Treu'!

Brünnhilde (voll Entzücken den Ring sich ansteckend)
Ihn geiz' ich als einziges Gut!
Für den Ring nimm nun auch mein Roß!
Ging sein Lauf mit mir
einst kühn durch die Lüfte
mit mir verlor es die mächt'ge Art;
über Wolken hin auf blitzenden Wettern
nicht mehr schwingt es sich mutig des Wegs;
doch wohin du ihn führst,
– sei es durchs Feuer –
grauenlos folgt dir Grane;
denn dir, o Helde,
soll er gehorchen!
Du hüt ihn wohl;
er hört dein Wort:
o bringe Grane oft Brünnhildes Gruß!

Siegfried
Durch deine Tugend allein
soll so ich Taten noch wirken?
Meine Kämpfe kiesest du,
meine Siege kehren zu dir:
auf deines Rosses Rücken,
in deines Schildes Schirm,
nicht Siegfried acht' ich mich mehr,
ich bin nur Brünnhildes Arm.

Brünnhilde
O wäre Brünnhild' deine Seele!

Siegfried
Durch sie entbrennt mir der Mut.

Brünnhilde
So wärst du Siegfried und Brünnhild'?

Siegfried
Wo ich bin, bergen sich beide.

Brünnhilde
So verödet mein Felsensaal?

Siegfried
Vereint, faßt er uns zwei!

Brünnhilde
O heilige Götter! Hehre Geschlechter!
Weidet eu'r Aug' an dem weihvollen Paar!
Getrennt – wer will es scheiden?
Geschieden – trennt es sich nie!

Siegfried
Heil dir, Brünnhilde, prangender Stern!
Heil, strahlende Liebe!

Brünnhilde
Heil dir, Siegfried, siegendes Licht!
Heil, strahlendes Leben!

Beide
Heil! Heil! Heil! Heil!


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