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Auf dem Walkürenfelsen
Die drei Nornen
Die erste Norn
      Welch Licht leuchtet dort?
Die zweite Norn
      Dämmert der Tag schon auf?
Die dritte Norn
      Loges Heer lodert feurig um den Fels.
      Noch ist's Nacht.
      Was spinnen und singen wir nicht?
Die zweite Norn (zu der ersten)
      Wollen wir spinnen und singen,
      woran spannst du das Seil?
Die erste Norn
      So gut und schlimm es geh',
      schling' ich das Seil und singe.
      An der Weltesche wob ich einst,
      da groß und stark dem Stamm entgrünte
      weihlicher Äste Wald.
      Im kühlen Schatten rauscht' ein Quell,
      Weisheit raunend rann sein Gewell';
      da sang ich heiligen Sinn.
      Ein kühner Gott
      trat zum Trunk an den Quell;
      seiner Augen eines
      zahlt' er als ewigen Zoll.
      Von der Weltesche
      brach da Wotan einen Ast;
      eines Speeres Schaft
      entschnitt der Starke dem Stamm.
      In langer Zeiten Lauf
      zehrte die Wunde den Wald;
      falb fielen die Blätter,
      dürr darbte der Baum,
      traurig versiegte des Quelles Trank:
      trüben Sinnes ward mein Gesang.
      Doch, web' ich heut
      an der Weltesche nicht mehr,
      muß mir die Tanne
      taugen zu fesseln das Seil:
      singe, Schwester, dir werf' ich's zu.
      Weißt du, wie das wird?
Die zweite Norn
      Treu beratner Verträge Runen
      schnitt Wotan in des Speeres Schaft:
      den hielt er als Haft der Welt.
      Ein kühner Held
      zerhieb im Kampfe den Speer;
      in Trümmer sprang
      der Verträge heiliger Haft.
      Da hieß Wotan Walhalls Helden
      der Weltesche welkes Geäst
      mit dem Stamm in Stücke zu fällen.
      Die Esche sank,
      ewig versiegte der Quell!
      Fessle ich heut
      an den scharfen Fels das Seil:
      singe, Schwester, dir werf' ich's zu.
      Weißt du, wie das wird?
Die dritte Norn
      Es ragt die Burg, von Riesen gebaut:
      mit der Götter und Helden heiliger Sippe
      sitzt dort Wotan im Saal.
      Gehau'ner Scheite hohe Schicht
      ragt zuhauf rings um die Halle:
      die Weltesche war dies einst!
      Brennt das Holz
      heilig brünstig und hell,
      sengt die Glut
      sehrend den glänzenden Saal:
      der ewigen Götter Ende
      dämmert ewig da auf.
      Wisset ihr noch,
      so windet von neuem das Seil;
      von Norden wieder werf' ich's dir nach.
      Spinne, Schwester, und singe!
Die erste Norn
      Dämmert der Tag?
      Oder leuchtet die Lohe?
      Getrübt trügt sich mein Blick;
      nicht hell eracht' ich das heilig Alte,
      da Loge einst entbrannte in lichter Glut.
      Weißt du, was aus ihm ward?
Die zweite Norn
      Durch des Speeres Zauber
      zähmte ihn Wotan;
      Räte raunt' er dem Gott.
      An des Schaftes Runen,
      frei sich zu raten,
      nagte zehrend sein Zahn:
      da, mit des Speeres
      zwingender Spitze
      bannte ihn Wotan,
      Brünnhildes Fels zu umbrennen.
      Weißt du, was aus ihm wird?
Die dritte Norn
      Des zerschlagnen Speeres
      stechende Splitter
      taucht' einst Wotan
      dem Brünstigen tief in die Brust:
      zehrender Brand zündet da auf;
      den wirft der Gott in der Weltesche
      zuhauf geschichtete Scheite.
      Wollt ihr wissen,
      wann das wird?
      Schwinget, Schwestern, das Seil!
Die erste Norn
      Die Nacht weicht;
      nichts mehr gewahr' ich:
      des Seiles Fäden find' ich nicht mehr;
      verflochten ist das Geflecht.
      Ein wüstes Gesicht wirrt mir wütend den Sinn.
      Das Rheingold raubte Alberich einst.
      Weißt du, was aus ihm ward?
Die zweite Norn
      Des Steines Schärfe schnitt in das Seil;
      nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst;
      verwirrt ist das Geweb'.
      Aus Not und Neid
      ragt mir des Niblungen Ring:
      ein rächender Fluch
      nagt meiner Fäden Geflecht.
      Weißt du, was daraus wird?
Die dritte Norn
      Zu locker das Seil, mir langt es nicht.
      Soll ich nach Norden neigen das Ende,
      straffer sei es gestreckt!
Es riß!
Die zweite Norn
      Es riß!
Die erste Norn
      Es riß!
Die drei Nornen
      Zu End' ewiges Wissen!
      Der Welt melden Weise nichts mehr.
Die dritte Norn
      Hinab!
Die zweite Norn
      Zur Mutter!
Die erste Norn
      Hinab!
(Sie verschwinden.)
Brünnhilde und Siegfried
Brünnhilde
      Zu neuen Taten, teurer Helde,
      wie liebt' ich dich, ließ ich dich nicht?
      Ein einzig' Sorgen läßt mich säumen:
      daß dir zu wenig mein Wert gewann!
      Was Götter mich wiesen, gab ich dir:
      heiliger Runen reichen Hort;
      doch meiner Stärke magdlichen Stamm
      nahm mir der Held, dem ich nun mich neige.
      Des Wissens bar, doch des Wunsches voll:
      an Liebe reich, doch ledig der Kraft:
      mögst du die Arme nicht verachten,
      die dir nur gönnen, nicht geben mehr kann!
Siegfried
      Mehr gabst du, Wunderfrau,
      als ich zu wahren weiß.
      Nicht zürne, wenn dein Lehren
      mich unbelehret ließ!
      Ein Wissen doch wahr' ich wohl:
      daß mir Brünnhilde lebt;
      eine Lehre lernt' ich leicht:
      Brünnhildes zu gedenken!
Brünnhilde
      Willst du mir Minne schenken,
      gedenke deiner nur,
      gedenke deiner Taten:
      gedenk' des wilden Feuers,
      das furchtlos du durchschrittest,
      da den Fels es rings umbrann.
Siegfried
      Brünnhilde zu gewinnen!
Brünnhilde
      Gedenk' der beschildeten Frau,
      die in tiefem Schlaf du fandest,
      der den festen Helm du erbrachst.
Siegfried
      Brünnhilde zu erwecken!
Brünnhilde
      Gedenk' der Eide, die uns einen;
      gedenk' der Treue, die wir tragen;
      gedenk' der Liebe, der wir leben:
      Brünnhilde brennt dann ewig
      heilig dir in der Brust!
Siegfried
      Lass' ich, Liebste, dich hier
      in der Lohe heiliger Hut;
(er hat den Ring Alberichs von seinem Finger gezogen und reicht ihn jetzt Brünnhilde dar)
zum Tausche deiner Runen
      reich' ich dir diesen Ring.
      Was der Taten je ich schuf,
      des Tugend schließt er ein.
      Ich erschlug einen wilden Wurm,
      der grimmig lang ihn bewacht.
      Nun wahre du seine Kraft
      als Weihegruß meiner Treu'!
Brünnhilde (voll Entzücken den Ring sich ansteckend)
      Ihn geiz' ich als einziges Gut!
      Für den Ring nimm nun auch mein Roß!
      Ging sein Lauf mit mir
      einst kühn durch die Lüfte
      mit mir verlor es die mächt'ge Art;
      über Wolken hin auf blitzenden Wettern
      nicht mehr schwingt es sich mutig des Wegs;
      doch wohin du ihn führst,
      – sei es durchs Feuer –
      grauenlos folgt dir Grane;
      denn dir, o Helde,
      soll er gehorchen!
      Du hüt ihn wohl;
      er hört dein Wort:
      o bringe Grane oft Brünnhildes Gruß!
Siegfried
      Durch deine Tugend allein
      soll so ich Taten noch wirken?
      Meine Kämpfe kiesest du,
      meine Siege kehren zu dir:
      auf deines Rosses Rücken,
      in deines Schildes Schirm,
      nicht Siegfried acht' ich mich mehr,
      ich bin nur Brünnhildes Arm.
Brünnhilde
      O wäre Brünnhild' deine Seele!
Siegfried
      Durch sie entbrennt mir der Mut.
Brünnhilde
      So wärst du Siegfried und Brünnhild'?
Siegfried
      Wo ich bin, bergen sich beide.
Brünnhilde
      So verödet mein Felsensaal?
Siegfried
      Vereint, faßt er uns zwei!
Brünnhilde
      O heilige Götter! Hehre Geschlechter!
      Weidet eu'r Aug' an dem weihvollen Paar!
      Getrennt – wer will es scheiden?
      Geschieden – trennt es sich nie!
Siegfried
      Heil dir, Brünnhilde, prangender Stern!
      Heil, strahlende Liebe!
Brünnhilde
      Heil dir, Siegfried, siegendes Licht!
      Heil, strahlendes Leben!
Beide
      Heil! Heil! Heil! Heil!