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Zweites Kapitel

Weitere Abenteuer des jungen Engländers Jenni und seines Herrn Vaters, des Doktor der Theologie, Mitglieds des Parlamentes und der Königl. Gesellschaft

Sie kennen das bewundernswerte Verhalten des Grafen Peterborough, sobald er Herr von Barcelona war; wie er Plünderungen verhinderte; mit welcher flinken Klugheit er alles in Ordnung brachte; wie er die Herzogin von Popoli den Händen einiger betrunkener deutscher Soldaten entriß, die sie entführen und vergewaltigen wollten. Aber die Überraschung unseres Freundes Freind, seinen Schmerz, seine Niedergeschlagenheit, seinen Zorn, seine Tränen und Aufregungen, als er erfuhr, daß Jenni sich im Kerker des Inquisitionsgerichts befinde und sein Scheiterhaufen schon gerüstet sei, müssen Sie sich selbst ausmalen! Sie wissen, daß die kaltblütigsten Köpfe bei großen Anlässen die lebhaftesten sind. Sie hätten diesen Vater sehen sollen, den Sie so ernst und unerschütterlich kannten, wie er, rascher als unsere Rassepferde in Newmarket, zur Höhle der Inquisition flog. Fünfzig Soldaten folgten ihm außer Atem in einer Entfernung von zweihundert Schritten. Er kommt an, er betritt die Höhle. Welcher Augenblick! Wieviel Tränen! Welche Freude! Zwanzig Opfer, die für dieselbe Feierlichkeit wie Jenni bestimmt sind, werden befreit. Alle diese Gefangenen bewaffnen sich; alle verbinden sich mit unsern Soldaten. In zehn Minuten zerstören sie das Inquisitionsgericht und frühstücken auf seinen Ruinen mit dem Wein und den Schinken der Inquisitoren.

Mitten in diesem Lärm von Fanfaren und Trommeln und dem Dröhnen von vierhundert Kanonen, die unsern Sieg in Katalonien verkündeten, hatte unser Freund Freind die Ruhe wieder angenommen, die Sie an ihm kennen. Er war ruhig wie die Luft an einem schönen Tage nach einem Sturm. Er erhob sein Herz, das so rein war wie sein Antlitz, zu Gott. Da sah er aus einem Kellerloch ein schwarzes Gespenst im Chorhemd auf sich zustürzen, das sich ihm zu Füßen warf und um Gnade flehte.

»Wer bist du,« sagte unser Freund, »kommst du aus der Hölle?«

»Beinahe,« antwortete der andere; »ich bin Don Jeronimo Bueno Caracucarador, Inquisitor des Glaubens wegen; ich bitte Sie demütigst um Vergebung, daß ich Ihren Herrn Sohn auf öffentlichem Platz verbrennen lassen wollte; ich hielt ihn für einen Juden.«

»Nun, wenn er Jude gewesen wäre,« antwortete unser Freund mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit, »steht es Ihnen dann an, Herr Caracucarador, Leute verbrennen zu lassen, nur weil sie von einer Rasse stammen, die ehemals einen kleinen steinigen Bezirk bei der syrischen Wüste bewohnte? Was geht es Sie an, ob ein Mann eine Vorhaut hat oder nicht? Ob er seine Ostern im rötlichen Vollmond oder den Sonntag darauf feiert? Dieser Mann ist Jude, also wird er verbrannt, und sein ganzes Eigentum gehört mir: das ist ein sehr schlechtes Argument und nicht die Art, wie man in der Königlichen Gesellschaft zu London Schlüsse zieht. Wissen Sie denn nicht, Herr Caracucarador, daß Jesus Christus Jude war, daß er als Jude geboren wurde, lebte und starb? Daß er als Jude im Vollmond Ostern feierte; daß alle seine Apostel Juden waren; daß sie nach seinem Leidenstode in den jüdischen Tempel gingen, wie es ausdrücklich geschrieben steht; daß die fünfzehn ersten geheimen Bischöfe von Jerusalem Juden waren? Mein Sohn ist kein Jude, er ist anglikanisch: wie gerieten Sie auf die Idee, ihn verbrennen zu wollen?«

Der Inquisitor Caracucarador war starr über das große Wissen Freinds; er rief, während er immer noch zu seinen Füßen lag: »Ach! Von all diesem erfuhren wir nichts auf der Universität von Salamanca. Noch einmal bitte ich um Verzeihung: aber der wahre Grund ist, daß Euer Herr Sohn mir meine Geliebte Boca Vermeja genommen hat.«

»Oh, wenn er Ihnen die Geliebte genommen hat,« erwiderte Freind, »so ist das etwas anderes: man soll niemals das Gut anderer nehmen. Trotzdem ist dies kein zureichender Grund, wie Leibniz sagt, um einen jungen Mann zu verbrennen: man muß die Strafe immer im Verhältnis zum Vergehen abmessen. Ihr Christen von jenseits des britannischen Meeres, dort, wo es sich gegen Süden hinstreckt, ihr habt stets eure Brüder verbrennen lassen, den Rat Anne Dubourg, Michel Servet und alle jene, die verbrannt wurden unter Philipp II., dem Verschwiegenen, häufiger als wir in London ein Roastbeef braten lassen. Aber man hole mir Fräulein Boca Vermeja, damit ich von ihr die Wahrheit höre.«

Boca Vermeja wurde weinend herbeigeholt. Wie es zu gehen pflegt, war sie durch ihre Tränen verschönt. »Ist es wahr, mein Fräulein, daß Sie Don Caracucarador zärtlich liebten, und daß mein Sohn Jenni Sie mit Gewalt genommen hat?«

»Mit Gewalt! Der Herr Engländer! Nein, es kam alles aus der Tiefe meines Herzens. Nie sah ich solche Schönheit und Liebenswürdigkeit wie die Ihres Herrn Sohnes. Sie müssen glücklich sein, daß Sie sein Vater sind. Ich selber habe die ersten Schritte getan. Er verdient es wohl: ich werde ihm bis ans Ende der Welt folgen, wenn die Welt ein Ende hat. Immer habe ich diesen abscheulichen Inquisitor im Grunde meiner Seele verabscheut; er hat mich, ebenso wie Fräulein Las Nalgas, fast bis aufs Blut gepeitscht. Wenn Sie mein Leben fröhlich machen wollen, lassen Sie diesen verbrecherischen Mönch an meinem Fenster aufhängen. Ihrem Herrn Sohn schwöre ich ewige Liebe zu: wie glücklich wäre ich, könnte ich ihm jemals einen Sohn schenken, der Ihnen gleicht!«

Während Boca Vermeja diese naiven Worte aussprach, ließ der Mylord Peterborough in der Tat den Inquisitor Caracucarador holen, um ihn hängen zu lassen. Sie werden nicht überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, daß Herr Freind sich dem energisch widersetzte. »Möge Ihr gerechter Zorn vor Ihrer Großmut haltmachen,« sagte er; »man soll nie einen Menschen töten, wenn es nicht unbedingt für das Heil der Nächsten notwendig ist. Die Spanier würden sagen, die Engländer seien Barbaren, die alle Priester töten, mit denen sie zusammentreffen. Dies könnte dem Herrn Erzherzog, für den Sie eben Barcelona erobert haben, sehr schaden. Mir genügt es, daß mein Sohn gerettet ist, und daß dieser Schurke von Mönch nicht mehr imstande sein wird, seine Inquisitionstätigkeit auszuüben.« Kurz, der weise und barmherzige Freind sprach so viel, daß Mylord sich damit zufrieden gab, Caracucarador auspeitschen zu lassen, wie dieser Elende Fräulein Boca Vermeja und Fräulein Las Nalgas hatte auspeitschen lassen.

So viel Güte rührte das Herz der Katalaner. Die aus dem Kerker der Inquisition befreit wurden, begriffen, daß unsere Religion unendlich besser sei als die ihre. Beinahe alle baten um Aufnahme in die anglikanische Kirche. Selbst einige Bakkalaureusse der Universität Salamanca, die sich in Barcelona befanden, wollten aufgeklärt werden. Die meisten wurden es schnell; nur ein einziger namens Don Inigo y Medroso y Comodios y Papalamiendo war ein wenig starrköpfig.

Hier sei der Inhalt des ehrlichen Streites, den unser teurer Freind mit dem Bakkalaureus Don Papalamiendo in Gegenwart des Mylord Peterborough hatte, wiedergegeben. Man nannte dieses vertraute Gespräch den Dialog der »Aber«. Sie werden beim Lesen leicht erkennen, warum.


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