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Erstes Kapitel

Abenteuer eines jungen Engländers namens Jenni, niedergeschrieben von Donna Las Nalgas

Als man uns sagte, daß dieselben Wilden, die von einer unbekannten Insel her durch die Luft zu uns gekommen, um Gibraltar zu nehmen, auch unsere schöne Stadt Barcelona belagern wollten, lasen wir der heiligen Jungfrau von Manreza neuntägige Messen; was gewiß die beste Art ist, sich zu verteidigen.

Dieses Volk, das von so fern herkam, um uns anzugreifen, nennt sich mit einem Namen, der sehr schwer auszusprechen ist; er heißt »englisch«. Unser ehrwürdiger Pater Inquisitor Don Jeronimo Bueno Caracucarador hielt eine Predigt gegen diese Räuber. Er schleuderte den großen Bannfluch gegen sie in der Kirche Unserer lieben Frau von Elpino. Er versicherte, die Engländer hätten Affenschwänze, Bärentatzen und Köpfe wie Papageien; sie sprächen allerdings manchmal wie Menschen, meist aber zischten sie; außerdem seien sie notorische Ketzer. Die heilige Jungfrau, die allen andern Sündern und Sünderinnen wohlgesinnt sei, vergebe den Ketzern niemals. Folglich würden sie unfehlbar ausgetrieben werden, besonders wenn sie sich vor Mont-Joui zeigen sollten. Kaum hatte er seine Predigt beendet, als wir erfuhren, daß Mont-Joui im Sturm genommen worden sei.

Am Abend erzählte man uns, daß ein junger Engländer bei diesem Angriff verwundet worden und in unsere Hände gefallen sei. Die ganze Stadt rief: »Vittoria! Vittoria!« und man veranstaltete große Illuminationen.

Donna Boca Vermeja, welche die Ehre hatte, die Geliebte des ehrwürdigen Pater Inquisitor zu sein, hatte eine unbezwingbare Lust, zu sehen, wie solch ein englisches, ketzerisches Tier gebaut sei. Sie war meine vertrauteste Freundin: ich war ebenso neugierig wie sie. Aber man mußte warten, bis er von seiner Verwundung geheilt sein würde. Dies dauerte nicht lange.

Bald darauf erfuhren wir, daß er Bäder nehmen mußte, und zwar bei meinem Geschwisterkind Elvob, dem Bader, der, wie man weiß, zugleich der beste Chirurg der Stadt ist. Die Ungeduld, dieses Monstrum zu sehen, verdoppelte sich bei meiner Freundin Boca Vermeja. Wir hatten keine Ruhe, und wir ließen meinem Vetter, dem Bader, ebenfalls keine, bis er uns in einem kleinen Ankleideraum hinter einen Rollvorhang versteckte, durch den man auf die Badewanne sehen konnte. Auf den Fußspitzen, ohne Geräusch, ohne zu sprechen, ja, ohne daß wir auch nur zu atmen wagten, traten wir gerade in dem Augenblick ein, als der Engländer aus dem Wasser stieg. Sein Gesicht war uns nicht zugekehrt; er zog eine kleine Mütze ab, unter der seine blonden Haare zusammengehalten waren; sie fielen jetzt in großen Locken auf den schönsten Rücken, den ich je gesehen habe; seine Arme, seine Schenkel, seine Beine schienen mir von einer Fülle, einer Vollendung, einer Eleganz, die meiner Meinung nach nur der Apoll vom Belvedere in Rom noch erreicht, dessen Kopie bei meinem Onkel, dem Bildhauer, steht.

Donna Boca Vermeja war außer sich vor Überraschung und Entzücken. Ich war hingerissen wie sie; ich konnte mich nicht enthalten zu sagen: »Oh! che hermoso muchacho!« Diese Worte, die mir entfuhren, veranlaßten den jungen Mann sich umzudrehen. Nun wurde es noch schlimmer! Wir sahen das Gesicht des Adonis auf dem Körper eines jungen Herkules. Es fehlte nicht viel, und Donna Boca Vermeja wäre auf den Rücken gefallen und ich dazu. Ihre Augen entbrannten und bedeckten sich mit einem leichten Tau, durch den man Blitze sprühen sah. Was mit den meinen geschah, weiß ich nicht.

Als sie wieder zu sich kam, sagte sie: »Heiliger Jakob und heilige Jungfrau! So also sehen Ketzer aus? Oh! wie man uns getäuscht hat!«

Wir gingen fort, so spät wir konnten. Boca Vermeja wurde bald von der heftigsten Liebe zu dem ketzerischen Ungeheuer ergriffen. Ich gebe zu, daß sie schöner ist als ich; und ebenso, daß ich mich darum doppelt eifersüchtig fühlte. Ich stellte ihr vor, daß sie sich um die ewige Seligkeit bringe, wenn sie den ehrwürdigen Pater Inquisitor Don Jeronimo Bueno Caracucarador mit einem Engländer betröge. »Ach! meine teure Las Nalgas,« sagte sie zu mir (denn dies ist mein Name), »ich würde Melchisedech mit diesem jungen Manne betrügen!« Sie tat es; und, da alles gesagt werden muß: ich steuerte im geheimen mehr als ein Zehntel zu dem Opfer bei.

Einer der Vertrauten der Inquisition, der täglich vier Messen hörte, um von Unserer lieben Frau von Manreza die Vernichtung der Engländer zu erflehen, bekam Wind von unsern frommen Handlungen. Der ehrwürdige Pater Don Caracucarador gab uns beiden die Peitsche. Unsern teuren Engländer ließ er von vierundzwanzig Häschern der heiligen Hermandad ergreifen. Jenni tötete fünf; von den übriggebliebenen neunzehn wurde er gefangengenommen. Man warf ihn in einen sehr feuchten Keller. Er wurde verurteilt, am folgenden Sonntag feierlich verbrannt zu werden, angetan mit einem weißen Sterbekleid und einer Mütze in Zuckerhutform, zu Ehren unseres Erlösers und seiner Mutter, der heiligen Jungfrau. Don Caracucarador bereitete eine schöne Predigt vor; aber er konnte sie nicht halten, denn am selben Sonntag wurde die Stadt um vier Uhr morgens genommen.

 

Hier endet die Erzählung der Donna Las Nalgas. Sie war eine Frau, die etwas von jenem Geist besaß, den die Spanier »agudezza« nennen.


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