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Elftes Capitel.
Die erste Landung im malayischen Archipel

Nach einer Fahrt von zweiundzwanzighundert Meilen oder viertausend Kilometern kam der »Dolly-Hope« in Sicht des Gebirges Mouna-Kea, das sich fünfzehntausend Fuß hoch auf der Insel Hawaï, der südlichsten der Sandwichgruppe erhebt.

Diese Gruppe besteht außer fünf großen und drei kleinen Inseln noch aus einer Anzahl von Inselchen, wo man nach dem »Franklin« gar nicht erst zu suchen brauchte. Es war augenscheinlich, daß dieser Schiffbruch längst bekannt geworden wäre, wenn er an den zahlreichen Klippen dieses Archipels, wie an denen von Medo-Manou stattgefunden hätte, obwohl diese nur von zahlreichen Seevögeln bewohnt sind. In der That sind die Sandwichinseln dicht bevölkert – die Insel Hawaï hat allein hunderttausend Bewohner – und Dank den französischen, englischen und amerikanischen Matrosen, die sich auf diesen Inseln aufhalten, hätte die Nachricht von diesem Unglücke bald nach San-Diego gelangen müssen.

Außerdem trafen sich vor vier Jahren, wo der Capitän Ellis dem »Franklin« begegnete, die beiden Schiffe schon jenseits der Sandwichinseln. Ter »Dolly-Hope« setzte daher seinen Weg gegen Südwesten durch jenen prächtigen Theil des Stillen Oceans fort, der während einiger Sommermonate hier wirklich seinen Namen verdient.

Sechs Tage später hatte der schnelle Dampfer die Linie überschritten, welche die Geographen vom Süden zum Norden zwischen Polynesien und Mikronesien ziehen. Auch in dem östlichen Theile der polynesischen Gewässer hatte der Capitän nichts zu thun; aber jenseits desselben, in den Gewässern von Mikronesien, wimmelte es von Inselchen, Felsen und Klippen, und hier fiel dem »Dolly-Hope« die gefährliche Aufgabe zu, nach einem Schiffbruche Ausschau zu halten.

Am 22. August legte man in Otia an, der wichtigsten Insel der Marschallgruppe, die im Jahre 1817 von Kotzebue und den Russen besucht wurde. Diese Gruppe, welche sich dreißig Meilen von Osten nach Westen und dreizehn Meilen von Norden nach Süden erstreckt, besteht aus nicht weniger als fünfundsechzig Inselchen.

Der »Dolly-Hope«, welcher mit Leichtigkeit seinen Wasservorrath in einigen Stunden an dieser Insel hätte aufnehmen können, hielt sich doch fünf Tage auf. Mit Hilfe seiner Dampfschaluppe konnte sich der Capitän Ellis überzeugen, ob in den letzten vier Jahren auf diesen Riffen ein Schiff gescheitert sei. Man stieß zwar entlang der Mulgraveinseln aus viele Trümmer, doch das waren nur Tannen-, Palmen- und Bambusstämme, welche die Strömung von Norden oder Süden hierhergetragen hatte und die von den Eingeborenen zu ihren Booten benutzt wurden. Der Capitän Ellis erfuhr von dem Gouverneur der Insel Otia, daß man seit dem Jahre 1872 nur von dem Untergange eines einzigen Schiffes gehört habe, und das war eine englische Brigg, deren Mannschaft auch später heimkehrte.

Als der »Dolly-Hope« den Marschall-Archipel verlassen hatte, nahm er seine Richtung gegen die Carolinen. Im Vorüberfahren landete die Schaluppe auf der Insel Oualam, deren Durchforschung von keinem Erfolge begleitet war. Am 3. September fuhr der Dampfer in den großen Archipel ein, der sich zwischen dem 12. Grade nördlicher Breite und dem 3. Grade südlicher Breite einerseits, und zwischen dem 29. Grade östlicher Länge und dem 170. Grade westlicher Länge andererseits, also zweihundertfünfundzwanzig Meilen nördlich und südlich von dem Aequator und tausend Meilen von Westen nach Osten ausdehnt.

Der »Dolly-Hope« blieb drei Monate in den Gewässern der Carolinen, die seit den Forschungen Lütke's, des berühmten russischen Seefahrers, und denen der Franzosen Duperrey und Dumont d'Urville genügend bekannt sind. Man durchsuchte auch dann noch die hauptsächlichsten Gruppen, die diesen Archipel bilden, so die Peliou-, die Märtyrer-, die Matrosen-, die Saavedra-, die Sonsorol-, die Mariera-, die Anna-, die Lord-North-Inseln u. a. m.

Der Capitän Ellis hatte als Ausgangspunkt seiner Nachforschungen Jap oder Gouap gewählt, das zu den Carolinen im engeren Sinne gehört, welche ungefähr 500 Inseln umfassen. Von hier aus fuhr der Dampfer zu den entferntesten Punkten. Von wie viel Schiffbrüchen ist dieser Archipel der Schauplatz gewesen! So der »Antilope« im Jahre 1793 und des amerikanischen Capitäns Barnard bei den Mortz- und Lord-North-Inseln im Jahre 1832.

Während dieser ganzen Zeit war die Haltung der Matrosen eine musterhafte. Keiner von ihnen kümmerte sich weder um die Gefahren, noch um die Strapazen, die ihnen aus den Fahrten in diesen unheilvollen Gewässern erwuchsen. Dazu kam auch noch, daß jetzt die Jahreszeit anbrach, wo hier so häufig furchtbare Stürme wüthen.

Wenn die Matrosen ans Land gingen, so waren sie gut bewaffnet, denn es handelte sich hier nicht darum, Nachforschungen anzustellen, die denen glichen, die zur Auffindung des Admirals Franklin unternommen wurden, d. h. in öden Gegenden. Diese Inseln waren meistens bewohnt, und die Aufgabe des Capitäns Ellis bestand besonders darin, so vorzugehen, wie es Entrecasteaux that, als er die Inseln durchsuchte, wo man glaubte, daß Lapérouse verloren gegangen sei. Vor Allem war es wichtig, sich mit den Eingeborenen ins Einvernehmen zu setzen. Die Mannschaft des »Dolly-Hope« wurde oft von Völkerschaften feindlich empfangen, die durchaus nicht in dem Rufe standen, gegen die Fremden gastfreundlich zu sein. Sie wurden angegriffen, und man mußte sich mit den Waffen vertheidigen. Zwei oder drei Matrosen wurden sogar verwundet, was aber glücklicherweise von keinen schlimmen Folgen begleitet war.

Wenn die Matrosen ans Land gingen, so waren sie gut bewaffnet.

Aus dem Archipel der Carolinen konnte der Capitän Ellis die ersten Briefe an Mrs. Branican schicken, da von hier Schiffe nach Amerika fuhren. Aber sie enthielten nichts Positives über eine Spur des »Franklin« oder der Schiffbrüchigen. Die Nachforschungen sollten dann noch im Westen vorgenommen werden, wo man auf den zahlreichen Inseln eher eine Spur zu finden hoffte.

Die Wogen brachen sich mit solcher Wuth, daß das Schiff furchtbare Stöße erhielt.

Am 2. September erreichte der »Dolly-Hope« eine der großen Philippinen, die wichtigste der malayischen Gruppe. Diese Gruppe wurde im Jahre 1521 von Magellan entdeckt und erstreckt sich vom 5. bis zum 21. Grade nördlicher Breite und vom 114. bis zum 123. Grade östlicher Länge.

Der »Dolly-Hope« wollte sich nicht bei der Insel Luçon, die auch Manilla heißt, aufhalten. Wie konnte man annehmen, daß der »Franklin« so hoch hinauf in das Chinesische Meer gefahren sei, da er doch die Route nach Singapore hatte. Aus diesem Grunde fuhr der Capitän Ellis zur Insel Mindanao, südlich von genanntem Archipel, d. h. gerade auf den Weg, den John Branican nehmen mußte, um in das Javanische Meer zu kommen. Um diese Zeit lag der »Dolly-Hope« im südöstlichen Theile der Insel, in dem Hafen von Zamboanga, der Residenz des Gouverneurs, vor Anker.

Mindanao zerfällt in zwei Theile, in einen spanischen und in einen unabhängigen unter der Herrschaft eines Sultans, der Selangan zu seiner Hauptstadt gemacht hat.

Capitän Ellis zog zunächst bei dem Gouverneur und den Alcaden Erkundigungen ein, ob nicht in der Nähe von Mindanao ein Schiff gesunken sei. Die Behörden stellten sich ihm bereitwilligst zur Verfügung, aber in dem spanischen Theile von Mindanao war seit fünf Jahren nichts von einem Schiffsunfalle gehört worden.

Freilich konnte an den Küsten des unabhängigen Theiles der Insel, die von den Mindanaern, Caragos, Loutas, Soubanis und anderen, in dem Verdachte des Cannibalismus stehenden Völkern bewohnt waren, alles mögliche geschehen, ohne daß man etwas davon erfuhr. Unter jenen Malayen giebt es sogar viele, die in dem Rufe standen, Seeräuber zu sein. Diese machen mit ihren kleinen Kähnen Jagd auf die großen Handelsschiffe, die die Stürme gegen ihre Küste treiben, und wenn sie sich derselben bemächtigen, so zerstören sie dieselben. Wie leicht konnte ein solches Unglück auch dem »Franklin« zugestoßen sein, ohne daß der Gouverneur etwas davon wußte. Die wenigen Auskünfte, die er über den ihm unterstehenden Theil der Insel geben konnte, waren ganz ungenügend.

Der »Dolly-Hope« hatte in diesen Gewässern auch mit der rauhen Jahreszeit zu kämpfen. Manchmal landete man an mehreren Punkten und die Matrosen wagten sich dann in jene herrlichen Bambus- und Ebenholzwälder, die den Reichthum der Philippinen bilden. Inmitten der fruchtbaren Landschaften, wo sich die Erzeugnisse der gemäßigten Zone mit denen der tropischen mengen, besuchten Ellis und seine Leute verschiedene Dörfer, indem sie hofften, hier einige Anhaltspunkte, wie Schiffstrümmer oder Gefangene, zu finden; aber Ihre Bemühungen waren fruchtlos und der Dampfer mußte wieder nach Zamboanga zurückkehren, nachdem er sehr unter der Ungunst der Witterung gelitten hatte und nur wie durch ein Wunder den Untiefen und Klippen entgangen war.

Die Durchsuchung der Philippinen dauerte nicht weniger als zwei Monate; hierauf fuhr man zu den Bassilaninseln, südlich von Zamboanga, und dann gegen den Archipel von Holo, wo man am 25. Februar 1880 ankam.

Da war ein förmliches Piratennest, dessen Eingeborne inmitten der zahlreichen mit Dschungeln dicht bedeckten Inseln umherschweifen, die zwischen der Südspitze Mindanaos und der Nordspitze Borneos zerstreut sind. Von hier fuhr man auf Bevouan zu, wo vielleicht der Sultan, der eine Bevölkerung von ungefähr sechstausend bis siebentausend Einwohnern beherrschte, einige Auskunft geben konnte. Ellis scheute keine Geschenke, weder in Geld, noch in Naturalien. Die Eingeborenen machten ihn dann auf verschiedene Schiffbrüche aufmerksam, deren Schauplatz diese korallenreichen Gewässer gewesen waren.

Aber unter all den Schiffstrümmern, welche gesammelt worden waren, fanden sich keine, die dem »Franklin« hätten gehören können. Uebrigens waren die betreffenden Schiffbrüchigen zu Grunde gegangen oder längst heimgekehrt.

Dem »Dolly-Hope« blieb, da Kohlenmangel eintrat, nun nichts weiter übrig, als nach den Maratoubasinseln zu fahren, um in den Hafen Bandger-Massing, im Süden von Borneo, zu kommen.

Der Capitän Ellis fuhr in dieses Meer, welches wie ein See von den großen Malayischen Inseln und einem Gürtel von Inselchen umgeben ist. Das Meer von Celebes ist trotz dieser natürlichen Hindernisse schlecht gegen die Wuth der Stürme geschützt, und wenn man auch die Farbenpracht seiner Gewässer rühmen kann, die von Zoophyten in den glänzendsten Farben und von tausenderlei Mollusken wimmeln, und die Phantasie der Seefahrer sie sogar mit einem Beete flüssiger Blumen verglichen hat, so werfen doch die Wirbelstürme, die hier hausen, einen Schatten auf das wunderbare Bild.

Der »Dolly-Hope« mußte diese Erfahrung in der Nacht vom 28. zum 29. September machen. Während des Tages war der Sturm nach und nach gestiegen, und obgleich er sich am Abend ein wenig gelegt hatte, so konnte man doch aus den mächtigen Wellen, die sich am Horizonte aufthürmten, auf eine sehr unruhige Nacht schließen.

Und wirklich brauste gegen elf Uhr der Orkan mit einer solchen Heftigkeit einher, daß sich das Meer in einer furchtbaren, selten dagewesenen Aufregung befand.

Der Capitän Ellis, mit Recht um die Maschine des »Dolly-Hope« besorgt, wollte jedem Unfalle, der seiner Fahrt verderblich werden konnte, vorbeugen. Er ließ daher die Schraube nur gerade so schnell in Bewegung setzen, als es nöthig war, damit das Schiff dem Steuer gehorchte.

Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln brachen sich die Wogen mit einer solchen Wuth, daß das Schiff furchtbare Stöße erhielt. Mehrmals stürzten hunderte Tonnen Wassers auf das Verdeck und füllten alle Räumlichkeiten. Aber die fest geschlossenen Luken widerstanden dem furchtbaren Anpralle des Wassers und hielten es auf, in den Heiz- und Maschinenraum zu dringen. Das war ein Glück, denn wenn das Feuer erlosch, so war der »Dolly-Hope« waffenlos dem Wüthen der Elemente verfallen, und gehorchte er nicht mehr dem Steuer, so wurde er auch von der Seite her angegriffen und war dann verloren.

Die Mannschaft zeigte in dieser furchtbaren Lage ebensoviel Kaltblütigkeit wie Muth. Sie führte rasch die Befehle ihres Commandanten und ihrer Officiere aus und sie war würdig des Capitäns, der sie aus den besten Matrosen von San-Diego gewählt hatte. Das Schiff wurde durch die schnelle, geschickte Ausführung der einzelnen Befehle gerettet.

Nach einem Kampfe von fünfzehn Stunden mit dem wüthend gepeitschten Meere legte sich der Sturm; man kann sagen, er fiel plötzlich in der Nähe der Insel Borneo, und das Schiff hatte am Morgen des 2. März die Maratoubainseln in Sicht. Diese Inseln, welche in geographischer Beziehung zu Borneo gehören, wurden in den ersten vierzehn Tagen des März mit einer außerordentlichen Genauigkeit durchforscht. Dank den Geschenken, welche nicht gescheut wurden, betheiligten sich die Eingeborenen an allen Nachforschungen. Aber es war unmöglich, nur den geringsten Anhaltspunkt über das Verschwinden des »Franklin« zu entdecken. Da diese malayischen Gewässer sehr oft von Piraten heimgesucht werden, so konnte man die Befürchtung hegen, daß John Branican und seine Leute ermordet worden seien.

Eines Tages sprach der Capitän Ellis mit seinem Officier über diese Möglichkeit und sagte:

»Es ist möglich, daß das Verschwinden des ›Franklin‹ mit einem solchen Angriffe zusammenhängt. Deshalb würde es sich erklären, daß wir bisher nicht den geringsten Anhaltspunkt über den Schiffbruch erlangt haben. Diese Piraten rühmen sich eben nicht ihrer Thaten. Wenn ein Schiff verschwindet, so schreibt man es ganz einfach dem Typhon zu und Alles ist gut!

– Sie haben nur allzu recht, Capitän, bemerkte der zweite Officier. Die Piraten sind in diesen Gewässern sehr zahlreich und sogar wir müssen unsere Wachsamkeit verdoppeln, wenn wir die Meerenge von Mahkassar passiren werden.

– Ohne Zweifel, erwiderte der Capitän, aber wir sind in einer besseren Lage als John Branican und können ihnen leicht entrinnen. Mit so unregelmäßigen und wechselnden Winden hat ein Segelschiff immer viel zu thun; so lange aber unsere Maschine arbeitet, können uns diese Malayen nicht einholen. Nichtsdestoweniger empfehle ich die größte Vorsicht.«

Der »Dolly-Hope« fuhr in die Meerenge von Mahkassar ein, welche Borneo von Celebes trennt. Durch zwei Monate – vom 15. März bis zum 15. Mai – untersuchte der Capitän, nachdem er seinen Kohlenvorrath im Hafen von Damaring ergänzt hatte, alle Buchten und Einschnitte im Osten.

Die Insel Celebes, welche von Magellan entdeckt wurde, hat nicht weniger als hundertzweiundneunzig Meilen Länge und fünfundzwanzig Meilen Breite. Sie hat eine so eigenthümliche Gestalt, daß einige Geographen sie mit einer Tarantel verglichen haben, deren große Füße, welche Halbinseln bilden, ausgestreckt sind. Der landschaftliche Reiz, der Reichthum ihrer Producte, die glückliche Lage ihrer Gebirge wetteifern mit denen von Borneo.

Aber ihre zerklüftete Küste bietet den Piraten ausgezeichnete Schlupfwinkel, so daß hier den Schiffen die größten Gefahren erwachsen.

Trotzdem setzte Ellis mit peinlichster Genauigkeit seine Nachforschungen fort. Nachdem er seine Kessel ordentlich hatte heizen lassen, besichtigte er die Küste mit den Booten, immer bereit, bei der geringsten Gefahr sofort an Bord zurückzukehren.

Als das Schiff sich dem südlichen Theile dieser Meerenge näherte, war die Gefahr keine so große mehr. Dieser Theil von Celebes steht ja unter holländischer Herrschaft.

Die Hauptstadt dieser Besitzungen ist Mahkassar, früher Wlaardingen, die von dem Fort Rotterdam geschützt wird. Hier landete der Capitän Ellis am 17. Mai, um seiner Mannschaft ein wenig Ruhe zu gönnen. Wenn er hier auch nichts vernahm, was ihn auf die Spur des »Franklin« hätte führen können, so erhielt er doch in diesem Hafen eine höchst wichtige Nachricht: Am 3. Mai 1875 war dieses Schiff in einer Entfernung von zehn Meilen von Mahkassar in der Richtung nach dem Javanischen Meer gesehen worden. Es war daher mit Bestimmtheit anzunehmen, daß es nicht in den furchtbaren malayischen Gewässern gescheitert war. Also jenseits von Borneo und Celebes, d. h. im Javanischen Meere, mußte man die Nachforschungen fortsetzen, und zwar bis nach Singapore selbst.

In einem Briefe, den er über diese wichtige Nachricht sofort an Mrs. Branican absandte, erneuerte er sein Versprechen, sie von den Untersuchungen im Javanischen Meere und zwischen den Sundainseln auf dem Laufenden zu halten.

Und es war auch wirklich schon von vornherein bestimmt gewesen, daß der »Dolly-Hope« nicht den Meridian von Singapore überschreite, der also die äußerste Grenze nach Westen bilden sollte. Bei der Rückfahrt sollte er dann noch die südlichen Gestade des Javanischen Meeres durchsuchen und die Inselgruppe, welche hier die Grenze bildet, durchforschen; dann sollte er durch die Molukken wieder in den Stillen Ocean fahren und nach Amerika zurückkehren.

Der »Dolly-Hope« verließ am 23. Mai Mahkassar, fuhr den südlichen Küsten der Meerenge, welche die Insel Celebes von der Insel Borneo trennt, entlang und landete in Bandger-Massing. Hier residiert der Gouverneur von Borneo oder vielmehr von Kalematan, um schon den richtigen geographischen Namen zu nennen. Die Schiffsregister wurden hier mit der größten Genauigkeit durchgesehen, doch konnte man nirgends finden, daß der »Franklin« signalisiert worden wäre.

Zwei Tage später fuhr das Schiff südwestlich weiter und warf in dem Hafen von Batavia Anker, an der äußersten Spitze jener großen Javanischen Insel, die vulcanischen Ursprunges ist und fast noch immer thätige feuerspeiende Berge hat.

Einige Tage genügten der Mannschaft, die Vorräthe in dieser großen Stadt zu ergänzen, welche der Hauptort der holländischen Besitzungen in Oceanien ist. Auch der Generalgouverneur konnte nicht die geringste Mittheilung über das Schicksal des »Franklin« machen. In dieser Zeit ging die Meinung der Seeleute von Batavia dahin, daß der amerikanische Dreimaster in einen Wirbelsturm gerathen und mit Mann und Maus untergegangen sei. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1875 ging eine große Anzahl von Schiffen verloren, von denen man nichts mehr gehört hatte, und die so verschwunden waren, daß nicht die geringsten Trümmer an die Küste gespült wurden.

Das Schiff verließ Batavia, ließ die Sunda-Meerenge, welche das Javanische Meer mit dem von Timor verbindet, backbord und fuhr dann auf die Inseln Billitow und Bangha zu. Ehemals war das Anlaufen der Schiffe, die hier Eisen und Zinn faßten, wegen der Piraten mit steten Angriffen verbunden, aber die Seepolizei vernichtete dieselben schließlich, und es war kein Grund vorhanden, zu denken, daß der »Franklin« und seine Mannschaft ihnen zum Opfer gefallen wären.

Der »Dolly-Hope« fuhr nun nordwestlich weiter, besuchte Sumatra, fuhr um die Spitze der Halbinsel Malakka herum und legte nach einer ziemlich stürmischen Fahrt am Morgen des 20. Juni in Singapore an.

Da einige Reparaturen an der Maschine vorgenommen werden mußten, so blieb der Capitän Ellis in dem Hafen, der im Süden der Insel liegt, volle vierzehn Tage. Obwohl sie nur einen Flächeninhalt von zweihundertsiebzig Quadratmeilen hat, so ist diese Besitzung doch durch den großen Handelsverkehr mit Europa und Amerika höchst wichtig und ist eine der reichsten Inseln des äußersten Asien geworden, seitdem die Engländer im Jahre 1818 ihre ersten Kontore dort errichtet haben.

In Singapore sollte, wie wir wissen, der »Franklin« einen Theil seiner Ladung für Rechnung des Hauses Andrew löschen, bevor er weiter nach Calcutta fuhr. Man weiß auch noch, daß der amerikanische Dreimaster nie in Singapore erschienen war. Trotzdem wollte Ellis seinen Aufenthalt dazu benutzen, um Erkundigungen über die Schiffsunfälle im Javanischen Meere in den letzten Jahren einzuziehen.

Da der »Franklin« einerseits auf der Höhe von Mahkassar gesehen worden und andererseits nicht nach Singapore gekommen war, so mußte der Schiffbruch zwischen diesen beiden Punkten stattgefunden haben, wenn nicht Capitän John Branican das Javanische Meer verlassen und durch eine jener Meerengen gefahren war, welche die Sundainseln trennen, und gegen die Timorsche See seine Richtung genommen hatte ... Aber warum hätte er dies thun sollen, nachdem er doch die Bestimmung nach Singapore hatte? Das wäre unerklärlich, unwahrscheinlich gewesen.

Da die Erkundigungen zu einem negativen Resultate führten, so blieb dem Capitän Ellis nichts übrig, als sich von dem Gouverneur von Singapore zu empfehlen und nach Amerika zurückzukehren.

Am 25. August war ein ungemein gewitterreicher Tag. Die Hitze war erdrückend, wie sie es gewöhnlich um diese Zeit in jenen Tropengegenden ist, die nur einige Grade vom Aequator entfernt liegen.

Der »Dolly-Hope« mußte viel unter der schlechten Witterung leiden, welche die letzten Wochen dieses Monates ausfüllten. Unterdessen ließ er, während er die Sundainseln entlang fuhr, keinen Punkt undurchforscht zurück. So wurden der Reihe nach Madura, eine der zwanzig javanischen Regentschaften, Bâli, eine der wichtigsten Inseln für den Handel, besucht und auch Lombok und Sumbava, dessen Vulcan Tombovo damals diese Gegend mit einer ähnlichen Katastrophe bedrohte wie im Jahre 1815.

... die Vorräthe in dieser großen Stadt zu ergänzen.

Zwischen diesen Inseln befinden sich eine Menge von Meerengen, die sich alle gegen die See von Timor öffnen. Der »Dolly-Hope« mußte in diesen klippenreichen Gegenden ungemein vorsichtig fahren, da gerade in den malayischen Gewässern die meisten Schiffbrüche vorkommen. Von der Insel Flores ab fuhr Capitän Ellis den anderen Inselketten, die im Süden das Meer der Molukken abschließen, entlang, ohne aber zu einem Erfolge zu kommen. Bei einem solchen Mißerfolge kann man sich nicht wundern, wenn die Mannschaft schließlich entmuthigt wurde.

... legte am Morgen des 20. Juni in Singapore an

Aber deswegen durfte man noch nicht die Hoffnung aufgeben, den »Franklin« doch noch zu finden, denn es war möglich, daß Capitän John, als er die Philippinen verließ, nicht durch die Meerenge von Mahkassar, sondern durch den Archipel der Molukken gefahren war, um das Javanische Meer zu erreichen, und sich dann entlang der Insel Celebes gehalten hatte.

Unterdessen floß die Zeit dahin. Weder auf Timor, noch auf den Molukken war es möglich, irgend eine Spur oder Nachricht über ein Schiff zu erhalten, das im Frühjahre 1875 in diesen Breitegraden gesunken wäre. Am 23. September kam der »Dolly-Hope« nach Timor, am 27. December nach Gilolo, und diese drei Monate flossen dahin, ohne einen Lichtstrahl in die Sache zu bringen. Das Schiff hatte seine Fahrt beendigt, denn bei der Insel Gilolo, der wichtigsten der Molukken, schloß sich jener Kreis, den Ellis um die malayischen Länder gefahren war. Die Mannschaft pflegte dann durch einige Tage der Ruhe, deren sie auch sehr bedurfte. Und doch, was hätten diese Leute nicht noch Alles gewagt, wenn sie auf eine Spur gekommen wären.

In Ternate, der Hauptstadt der Insel Gilolo, nahm der »Dolly-Hope« Lebensmittel und Kohlen für die Rückfahrt an Bord, und hier ging das Jahr 1881 zu Ende ... das sechste seit dem Verschwinden des »Franklin«. Am 9. Januar wurden die Anker gelichtet und das Schiff schlug die Richtung nach Nordost ein.

Die Fahrt war wegen der vielen Stürme eine gefährliche und langwierige, so daß erst am 23. Januar das Schiff von den Semaphoren von San-Diego signalisirt wurde.

Die Fahrt hatte neunzehn Monate gedauert, und trotz der Anstrengungen des Capitäns Ellis, trotz der Todesverachtung seiner Mannschaft blieb das Verschwinden des »Franklin« in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt.


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