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Zweites Capitel.
Familienangelegenheiten

Nun müssen wir genauer Mrs. Branican skizziren, da sie in dieser Geschichte mehr in den Vordergrund tritt.

Um jene Zeit zählte Dolly (eine Abkürzung aus Dorothea) einundzwanzig Jahre. Sie war von amerikanischer Abstammung. Aber ohne ihre Ahnen sehr weit zu verfolgen, hätte man bald jene Generation gefunden, die sie mit der spanischen oder mexikanischen Rasse verband, aus der die besten Familien des Landes hervorgegangen waren. Ihre Mutter wurde in San-Diego geboren und diese Stadt bestand schon in der Zeit, als Nieder-Californien noch zu Mexiko gehörte. Die große Bucht, die vor drei und einem halben Jahrhundert von dem spanischen Seefahrer Juan Rodriguez Cabrillo entdeckt worden war, hieß zuerst San Miguel, und nahm den neuen Namen im Jahre 1602 an. Dann vertauschte im Jahre 1846 diese Provinz die Tricolore mit dem Sternenbanner der Konföderation und seit dieser Zeit gehörte sie definitiv zu den Vereinigten Staaten.

Von mittlerer Gestalt, ein Gesicht, das zwei große schwarze Augen außerordentlich belebten, ein südlicher Typus, üppiges, braunes Haar, die Hand und die Füße ein wenig stärker, als man sie sonst bei der spanischen Rasse zu sehen gewohnt ist, ein sicherer, aber graziöser Gang, eine Physiognomie, die ebenso von energischem Charakter wie von Herzensgüte zeugte – das war Mrs. Branican. Sie war eine jener Frauen, die man nicht mit gleichgiltigem Blicke ansieht, denn vor ihrer Verheiratung galt Dolly im wahren Sinne des Wortes als eines der schönsten Mädchen von San-Diego, wo doch sicher die Schönheit nicht selten ist. Sie war ernst, überlegend und hatte einen klaren Geist, moralische Eigenschaften, welche die Ehe sicher in ihr nur noch weiterentwickeln konnte.

O, was lag daran, wie es auch immer kommen würde! Dolly würde, Mrs. Branican geworden, schon ihre Pflichten kennen. Da sie das Leben offen und nicht durch trügerisches Glas gesehen hatte, so besaß sie muthigen Sinn und festen Willen. Die Liebe, welche ihr der Gatte einflößte, machte sie für die Erfüllung ihrer Aufgabe noch entschlossener. Im Nothfalle würde sie, und das ist keine hohle Redensart, für John ihr Leben hingeben, wie John das seinige für sie, wie beide es für ihr Kind hingeben würden. Sie liebten dieses Kind, das soeben zum erstenmal »Papa« gesprochen hatte, als der junge Capitän sich von seiner Mutter und ihm trennte. Die Aehnlichkeit des kleinen Wat mit seinem Vater war schon eine frappirende, durch die Gesichtszüge wenigstens, denn er hatte das südliche Kolorit des Teints seiner Mutter. Da er von kräftigem Körperbau war, hatte er nichts von den Kinderkrankheiten zu fürchten. Uebrigens wurde er so sorgsam gehütet ... Ach, welche Zukunftsträume hatte nicht schon die Phantasie des Vaters und der Mutter für das kleine Wesen gesponnen, dessen Leben erst begonnen hatte!

Gewiß wäre Mrs. Branican die glücklichste der Frauen gewesen, wenn die Stellung Johns ihm erlaubt hätte, das Seemannsleben aufzugeben, dessen kleinster Unfall sie trennen konnte. Aber in dem Augenblicke, wo ihm das Kommando des »Franklin« übertragen worden war, wie hätte sie da den Gedanken haben können, ihn zurückzuhalten? Und dann, mußte er nicht auf den Lebensunterhalt der Familie bedacht sein, die sich wahrscheinlich nicht auf das einzige Kind beschränken würde? Die Mitgift Dollys reichte ja kaum für das Nothwendigste des kleinen Hausstandes aus. Gewiß konnte John Branican auf das Vermögen rechnen, das der Onkel seiner Nichte hinterlassen würde, und es hätten schon eigenthümliche Zustände zusammentreffen müssen, wenn dieses Vermögen ihm entgehen sollte, da doch Mr. Edward Starter, fast ein Sechzigjähriger, keine anderen Erben hatte als Dolly. In der That stand auch Jane Burker, die dem mütterlichen Familienzweige angehörte, in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Onkel Dollys. Sie war also reich ... aber es konnten wohl zehn und zwanzig Jahre verfließen, bevor sie in den Besitz dieser Erbschaft kam. So mußte denn John Branican arbeiten, wenn ihm nicht vor der Zukunft bangen sollte. Auch war er fest entschlossen, für das Haus Andrew in See zu stechen, umsomehr jetzt, wo er den »Franklin« befehligte und ihm ein Antheil an dem Ertrage der Fahrt zugesichert war. Da nun der Seemann auch zugleich ein tüchtiger Kaufmann war, so konnte man schon mit Bestimmtheit sagen, daß er vor dem Antritte der Erbschaft Onkel Starter's einen gewissen Grad von Wohlstand erreicht haben würde.

Nun ein Wort über diesen Amerikaner, einen Amerikaner im wahrsten Sinne des Wortes!

Er war der Bruder des Vaters Dollys und folglich der rechtmäßige Onkel des Mädchens, das Mrs. Branican geworden war. Dieser Bruder war fünf bis sechs Jahre älter und hatte ihn sozusagen aufgezogen, denn beide waren Waisen. Starter der Jüngere hatte für ihn auch stets ein lebhaftes Gefühl der Dankbarkeit gehegt. Unter der steten Gunst des Glückes kam er zu Reichthum, während Starter der Aeltere sich gewöhnlich auf Wegen verlor, die selten zum Ziele führten. Wenn er auch in die Ferne zog, um durch Ankauf und Urbarmachung weiter Ländereien im Staate Tennessee glücklich zu speculiren, so war er doch mit seinem Bruder in Verbindung, den die Geschäfte in den Vereinigten Staaten zu New-York zurückhielten. Als dieser Witwer wurde, ließ er sich in San-Diego nieder, der Geburtsstadt seiner Frau, wo er starb, als die Heirat Dollys mit John Branican schon eine beschlossene Sache war. Die Hochzeit wurde nach Ablegung der Trauer gefeiert und der junge Haushalt hatte weiter keine Unterstützung als das Wenige, was Starter der Jüngere hinterlassen hatte.

... um durch Urbarmachung weiter Ländereien in Tennessee glücklich zu speculiren.

Kurze Zeit darauf kam nach San-Diego ein Brief, der an Dolly Branican adressirt war und von Starter dem Aelteren kam; das war das erstemal, daß er seiner Nichte schrieb, und es sollte auch das letztemal sein.

Obwohl Starter weit von ihr war und obwohl er sie nie gesehen hatte, so vergaß er doch nicht, daß er eine Nichte hatte, die leibliche Tochter seines Bruders. Wenn er sie nie gesehen hatte, so war der Grund der, weil Starter der Jüngere und Starter der Aeltere nicht mehr miteinander zusammengekommen waren, seitdem letzterer eine Frau genommen hatte, und weil der jüngere Bruder zu Nashville, dem entlegensten Theile von Tennessee, lebte, während sie in San-Diego wohnte. Nun, Tennessee und Kalifornien liegen ungefähr einige hundert Meilen auseinander, die der Onkel in keinem Falle zurücklegen wollte. Wenn daher dieser die Reise viel zu anstrengend fand, seine Nichte zu besuchen, so fand er es ebenso sehr langweilig, wenn ihn seine Nichte besuchen würde, und er ersuchte sie, ihn nicht zu belästigen.

Dieser Mensch war wirklich ein Bär, nicht einer jener amerikanischen Bären, die Krallen und einen Pelz haben, aber einer jener menschlichen, die fern von jedem gesellschaftlichen Leben in der Wildniß hausen.

Das sollte übrigens Dolly keine Sorge bereiten. Sie war also die Nichte eines Bären, gut! Aber dieser Bär besaß das Herz eines Onkels. Er vergaß nicht, was er seinem Bruder verdankte, und die einzige Tochter seines Bruders sollte die Erbin seines Vermögens sein.

Starter fügte hinzu, daß dieses Vermögen schon werth sei, eingeheimst zu werden, denn es belief sich damals auf fünfhunderttausend Dollars (über eine Million Gulden) und mußte sich noch vergrößern, da die Urbarmachung in dem Staate Tennessee ungemein prosperirte. Da dasselbe in Ländereien und Vieh bestand, so wäre es etwas Leichtes, es flüssig zu machen; man würde es zu einem vortheilhaften Preise losschlagen, und die Käufer würden sicher nicht ausbleiben.

Es war zwar ein wenig derb gesagt, aber das ist den eingebornen Amerikanern einmal eigen. Das Vermögen sollte ganz Mrs. Branican oder ihren Kindern zufallen. Sollte Mrs. Branican ohne directe oder andere Nachkommen sterben, so würde das Vermögen dem Staate anheimfallen, was dieser sehr gern nehmen würde.

Noch zwei Dinge:

1. Starter war ledig und würde es auch bleiben. »Die Dummheit, welche man gewöhnlich zwischen zwanzig und dreißig Jahren macht, würde er auch mit sechzig Jahren nicht machen,« war eine gewöhnliche Redensart seines Briefes. Nichts könnte das Vermögen von der Bestimmung abbringen, die er festgesetzt habe, und dasselbe würde ebenso sicher in den Haushalt Branican fließen, wie sich der Mississippi in den Golf von Mexiko ergießt.

2. Starter werde alle Anstrengungen machen – übermenschliche Anstrengungen – um seine Nichte so viel wie möglich zu bereichern. Er werde versuchen, hundert Jahre alt zu werden, und deshalb werde man ihm wohl nicht zürnen, wenn er bis zum letzten Faden hartnäckig bleibe.

Endlich ersuchte Starter Mrs. Branican – er befahl es ihr sogar – ihm nicht zu antworten. Uebrigens wären kaum Communicationsmittel zwischen den Städten und der Wildniß vorhanden, die er da hinten in Tennessee bewohne. Was ihn betreffe, so würde er nicht mehr schreiben, höchstens, daß er gestorben wäre, und dann wäre der Brief eigentlich auch nicht von ihm.

So lautete der eigenthümliche Brief, den Mrs. Branican erhielt. Daß sie die Universalerbin, die gesetzliche Erbin ihres Onkels werden sollte, das war nicht zu bezweifeln. Sie solle also einmal dieses Vermögen von fünfhunderttausend Dollars besitzen, das wahrscheinlich durch die unermüdliche Arbeit des Onkels noch heranwachsen soll. Aber da Starter deutlich die Absicht kund gab, hundert Jahre alt zu werden – und man weiß, daß diese Nordamerikaner ein zähes Leben haben – so hätte John Branican nicht gut gethan, seinen Seemannsstand aufzugeben. Seine Intelligenz, sein Muth, sein hilfreicher Wille würden seiner Familie wohl unterdessen jenen Wohlstand erworben haben, bevor Starter einwilligte, in das bessere Jenseits zu reisen.

So war also die Lage des jungen Haushaltes in dem Augenblicke, wo der »Franklin« durch die westlichen Theile des Stillen Oceans fuhr. Da das Verständniß des Folgenden uns auch auf die nähere Betrachtung der einzigen in San-Diego zurückgebliebenen Verwandten Dollys führt, so seien Mr. und Mrs. Burker näher ins Auge gefaßt.

Len Burker, ein geborener Amerikaner von ungefähr einunddreißig Jahren, befand sich erst seit einigen Jahren in der Hauptstadt Nieder-Californiens. Dieser Yankee Neu-Englands mit kalten Zügen und kräftigem Körperbau war von großer Entschlossenheit und ließ nie durchschauen, was er beabsichtigte, sagte nie, was er that. Er war eine jener Naturen, die hermetisch verschlossenen Häusern gleichen, deren Thüren sich vor Niemand öffnen. Aber doch war in San-Diego nicht das mindeste üble Gerede über diesen so wenig zugänglichen Menschen, bis seine Ehe mit Jane Burker ihn mit John Branican in Verwandtschaft brachte. Man wunderte sich daher nicht, daß dieser, da er keine andere Familie als die Burker besaß, ihm sein Weib und Kind anvertraute. In Wirklichkeit aber vertraute er sie nur Jane an, da er wußte, daß die beiden Cousinen eine tiefe Neigung zu einander hatten.

Es wäre gewiß ganz anders gewesen, wenn der Capitän John gewußt hätte, wer dieser Len Burker war, wenn er den Schurken durchschaut hätte, den dieser so gut hinter einer undurchdringlichen Maske zu verbergen wußte, mit welcher Gleichgiltigkeit er die socialen Convenienzen, die Achtung vor sich selbst, die Rechte Anderer behandelte. Getäuscht durch sein einnehmendes Aeußere, durch eine Art magnetischer Kraft, die er auf sie ausübte, hatte Jane ihm vor fünf Jahren ihre Hand in Boston gereicht, wo sie mit ihrer Mutter wohnte, die kurze Zeit darauf starb, was für sie von schlimmsten Folgen war. Die Mitgift Janes und das mütterliche Erbtheil hätten für den Lebensunterhalt der beiden Gatten genügt, wenn Len Burker ein Mensch gewesen wäre, der auf geraden und nicht auf Abwegen ging. Nachdem er theilweise das Vermögen seiner Frau durchgebracht, beschloß Len Burker, da sein Credit in Boston ungemein gelitten hatte, diese Stadt zu verlassen. Auf die andere Seite Amerikas würde ihm sein zweifelhafter Ruf kaum folgen, und die neuen Länder würden ihm genug neue Chancen bieten, die er in Neu-England nicht mehr finden konnte.

Jane, die jetzt ihren Gatten kannte, war glücklich, Boston verlassen zu können, und willigte mit Freuden in diese Uebersiedlung ein; hoffte sie doch auch, die einzige Verwandte, die ihr übrig geblieben war, zu finden. Alle beide ließen sich in San-Diego nieder, wo Dolly und Jane sich wiederfanden. Uebrigens hatte Len Burker in den drei Jahren, die er in dieser Stadt zubrachte, noch keine Veranlassung zum Verdachte gegeben, so geschickt wußte er sich zu verstellen.

Derart waren die Umstände, welche die Vereinigung der beiden Cousinen herbeigeführt hatten in einer Zeit, wo Dolly noch nicht Mrs. Branican war. Die junge Frau und das Mädchen schlossen sich eng aneinander. Obwohl es schien, als ob Jane eine gewisse Herrschaft über Dolly ausübte, so war doch gerade das Gegentheil der Fall. Dolly war stark, Jane schwach, und das Mädchen wurde bald die Stütze der jungen Frau. Als die Hochzeit Dollys mit John Branican eine beschlossene Sache war, da fühlte sich Jane überglücklich, weil es eine Heirat war, die nicht der ihrigen gleichzukommen schien. Wie viel Trost hoffte sie bei den jungen Eheleuten zu finden, wenn sie ihnen das Geheimniß ihrer Leiden mittheilen wollte!

Inzwischen wurde die Lage Len Burker's immer ernster. Seine Geschäfte gingen nicht, und das Wenige, was von dem Vermögen seiner Frau nach der Abreise von Boston übrig blieb, war bald geschwunden. Dieser Mann, ein Spieler oder vielmehr ein wahnsinniger Speculant, war einer jener Leute, die Alles aus den Zufall setzen und Alles nur von diesem erwarten wollen. Ein solches Temperament, das jeder Eingabe der Vernunft widerstand, konnte und mußte nur zu traurigen Resultaten führen.

Nach seiner Ankunft in San-Diego hatte Len Burker eine Kanzlei in der Fleet-Street eröffnet, eines jener Comptoirs, die den Ausgangspunkt guter oder schlechter Handlungen bilden. Gewissenlos bezüglich der Mittel, welche er anwandte, geschickt, Alles zu verdrehen und das Gut Anderer als das seinige anzusehen, warf er sich bald in Hunderte von Speculationen, die immer mehr das Licht zu scheuen hatten. In der Zeit, wo diese Geschichte beginnt, war Len Burker fast auf dem Trockenen, und diese Verlegenheit spiegelte sich auch in seinem Haushalte ab. Aber er wußte Alles geheimzuhalten, und da er noch über einen gewissen Credit verfügte, so verwendete er das geborgte Geld immer wieder zu neuen Speculationen.

Aber ein solches Vorgehen mußte schließlich zu einer Katastrophe führen. Die Stunde war nicht mehr fern, wo die Reclamationen von allen Seiten herbeiströmen mußten. Vielleicht würde dieser Yankee, der nach Westamerika gekommen war, keinen anderen Ausweg mehr haben, als San-Diego zu verlassen, wie er Boston verlassen hatte. Und doch hätte in dieser intelligenten Stadt, deren Fortschritte sich von Jahr zu Jahr wahrnehmen ließen, ein ehrlicher Mensch hundertmal Gelegenheit gehabt zu reussiren. Doch dazu gehörte eben das, was Len Burker nicht besaß, nämlich Ehrlichkeit und Intelligenz.

... hatte Len Burker eine Kanzlei eröffnet.

Wir müssen noch ein wenig dabei verweilen, warum weder John Branican oder Mr. William Andrew, noch sonst Jemand etwas von dem Treiben Len Burker's ahnte. In der Geschäftswelt wußte man nicht, daß dieser Abenteurer – gefiele es dem Himmel, daß er nur diesen Namen verdient hätte – vor seinem Abgrunde stehe. Und selbst wenn die drohende Katastrophe eintrat, würde man ihn nur als einen Menschen ansehen, der vom Glücke weniger begünstigt war, und nicht als einen jener Leute, die sich auf alle nur mögliche Weise zu bereichern suchen. Ohne daß John Branican für ihn irgend eine besondere Sympathie gehabt hätte, so hatte er doch nie das geringste Mißtrauen gegen ihn gehegt, so daß er auch fest darauf vertraute, Burker werde während seiner Abwesenheit für seine Frau in bester Weise sorgen, und wenn Dolly sich irgendwie genöthigt sehen würde, bei ihm Zuflucht zu suchen, daß er ihr jeden Schutz angedeihen lassen werde. Jenes Haus war ihr stets offen und sie würde dort nicht nur bei einer Freundin, sondern auch bei einer Schwester Aufnahme finden.

In diesem Punkte war den Gefühlen Jane Burker's vollständig zu trauen, denn die Freundschaft, die sie für ihre Cousine hegte, war eine wirklich aufrichtige. Weit entfernt, die Freundschaft, welche die beiden Frauen vereinigte, zu tadeln, hatte sie Len Burker sogar gefördert, sicher in der Hoffnung auf gewisse Vortheile, welche ihm diese Verbindung einbringen würde. Er wußte übrigens, daß Jane nie etwas von dem, was sie nicht sagen sollte, ausplaudern, daß sie sich über ihre eigene Lage reservirt halten und nichts sagen würde von den Verlegenheiten, in denen sich ihr Hausstand befindet. Darüber würde Jane schweigen und auch ihm würde darüber nie ein Vorwurf entschlüpfen.

Wir müssen eben noch einmal sagen, daß die Frau ganz unter seinem Einflusse stand, obwohl sie ihn für einen gewissenlosen Mann hielt, der nach dem Verluste seines wenigen moralischen Sinnes zu Allem fähig war. Wie hätte sie ihn nach so vielen Enttäuschungen noch schätzen können? Aber – und man kann dies nicht oft genug hervorheben – sie fürchtete ihn und sie folgte ihm auf den Wink, selbst wenn seine Sicherheit ihn in den entlegensten Theil der Welt verschlug. Das that sie aber nur aus Achtung vor sich selbst, denn sie wollte um keinen Preis der Welt Jemanden das Elend in ihrem Hause sehen lassen, noch je der Cousine ihren Schmerz anvertrauen, den diese vielleicht ahnte, auch ohne ins Vertrauen gezogen zu werden.

Jetzt ist das Verhältniß zwischen John und Dolly Branican einerseits und das Len und Jane Burker's andererseits zur Genüge auseinandergesetzt, um das Folgende gründlich zu verstehen. In welcher Weise hatte sich dies so unerwartet und plötzlich fügen können? Niemand wäre im Stande gewesen, es zu ergründen.


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