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Kapitel III

General Alison an seine Mutter

Es freut mich zu hören, dass es Euch allen gut geht, in San Bernardino.

... Deine Enkelin ist nun hier seit – gut, ich weiß gar nicht seit wie vielen Tagen genau; kein Mensch ist seit ihrer Anwesenheit hier mehr in der Lage, den Überblick über Tage oder über sonst irgend etwas zu behalten. Mutter, sie hat etwas geschafft, was die Indianer niemals geschafft haben. Sie hat das Fort im Handstreich genommen – vom ersten Tage an! Sie hat mich eingenommen, sie hat die Colonels eingenommen, die Captains, die Frauen, die Kinder, und die Tiere; sie hat Buffalo Bill eingenommen und alle seine Scouts; sie hat die Garnison erobert – bis hin zum letzten Mann; und innerhalb von achtundvierzig Stunden gehörte ihr auch noch das indianische Feldlager, einschließlich seinem majestätisch alten Häuptling Thunderbird und allen anderen. Mache ich auf Dich den Eindruck, als hätte ich meine Achtung, meine Bodenständigkeit, meine Würde oder Seriosität verloren? Du würdest all dies auch verlieren, wärest Du an meiner Stelle. Mutter, niemals hast Du einen so gewinnenden kleinen Teufel erlebt. Sie ist voller Energie, Esprit und Sonnenschein, sie interessiert sich für alles und jeden, und schüttet dabei verschwenderisch ihre Liebe über jedes Wesen, dem sie begegnet, gleich ob hohen oder niederen Standes, gleich ob Christenmensch oder Heide, ob in Pelz gekleidet oder mit Federn geschmückt; und niemand hat sie bis jetzt zurück gewiesen, und niemand wird das jemals tun, denke ich. Sie hat aber auch Temperament, und manchmal entflammt es, dann ist wahrscheinlich, dass sich verbrennt, wer immer auch ihr zu nahe kommt; aber das geht vorüber, ihre Leidenschaft geht so schnell wie sie kommt. Natürlich hat sie schon einen indianischen Namen; die Indianer geben einem Fremden schnell einen ihrer Namen. Thunderbird hat sich persönlich darum gekümmert. Er nannte sie nach dem indianischen Wort für Feuerfliege oder Feuerkäfer. Er sagte:

»Sie meistens sehr ruhig, sehr sanft, sie sein wie Sommernacht, aber mit Ärger kommt Feuer.«

Ist das nicht schön? Kannst Du die Flammen sehen? Sie ist schön, Mutter, schön wie ein Bildnis; und da ist ein Hauch von Dir in ihrem Gesicht, und auch von ihrem Vater – armer George! – und in all ihrem rastlosen Treiben, in ihrem furchtlosen Wesen, in ihren Wolkenbrüchen und in ihren Sonnenstrahlen, immer bringt sie mir auch ein Stück von George zurück. Solch impulsive Naturen sind dramatisch. George war dramatisch, und genau so ist dieser kleine Feuerkäfer, genau so ist auch Buffalo Bill. Als sie hier ankam – es war an einem Vormittag – war Buffalo Bill noch unterwegs, er brachte Befehle zu Major Fuller nach Five Forks, oben in den Clayton Hügeln. Später, gegen Nachmittag, saß ich an meinem Tisch und versuchte zu arbeiten, aber dieser kleine Kobold machte es mir unmöglich. Nach einer halben Stunde sagte ich:

»Oh, du verhexte kleine Spitzbübin, kannst du nicht mal ein oder zwei Minuten still sein und deinen armen alten Onkel wenigstens einen Teil seiner Arbeit machen lassen?«

»Ich versuch' es, Onkel, ehrlich, ich versuche es«, sagte sie.

»Na dann, gut, braves Kind – gib mir einen Kuss. Und jetzt setzt Du Dich in diesen Stuhl, setz' Dich aufrecht hin, und schaue auf die Uhr dort. So – so ist es richtig. Wenn Du Dich rührst – und wenn Du nur zwinkerst – in den nächsten vier Minuten, dann beiß' ich Dich!«

Es war so süß und lieb, wie sie da gehorsam saß, still wie Mäuschen; ich konnte mich kaum beherrschen, sie wieder frei zu geben und ihr zu erlauben, so viel herum zu toben, wie sie mochte. Für zwei Minuten herrschte eine unnatürliche Stille, eine himmlische Ruhe, dann kam Buffalo Bill bis vor die Tür gedonnert, in all seiner Scout Herrlichkeit, schwang sich aus dem Sattel, befahl seinem Pferd »wart' auf mich, Boy«, trat ein, und erstarrte im Schritt – er blickte das Kind an. Sie vergaß alles, hüpfte im selben Moment auf den Boden, und sagte:

»Oh, siehst Du toll aus! Magst Du mich?«

»Nein, ich mag' dich nicht, ich liebe Dich!« Er drückte sie an sich, und setzte sie mit einem Schwung auf seine Schultern – da war sie, neun Fuß hoch über der Diele.

Sie war zu Hause angekommen. Sie spielte mit seinen langen Haaren und bewunderte seine großen Hände, seine Kleidung und den Karabiner, stellte Fragen über Fragen, so schnell wie er sie nur antworten konnte, bis ich beide bat, mich doch wenigstens für eine halbe Stunde in Ruhe meine Arbeit beenden zu lassen. Ich hörte noch, wie Cathy über Soldier Boy in Verzückung geriet, und wirklich, er ist es Wert, dass man sich an ihm freut, denn er ist ein Bild von einem Pferd mit einem Ruf, so glänzend wie sein Fell.


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