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Viertes Bild

 

Afremows Kabinett, weingefüllte Gläser auf dem Tisch, Gäste. Afremow, Fedja, Stachow – ein Mann mit zottigem Haarwuchs, Butkewitsch – mit glattrasiertem Gesicht, Korotkow – ein Mensch von schmarotzerhaftem Wesen.

 

Korotkow: Und ich sage euch, »La belle bois« macht das Rennen! Ich halte die Stute für das beste Pferd in Europa. Wetten?

Stachow: Rede nicht, alter Freund. Du weißt doch, daß niemand dir glaubt. Wer sollte mit dir wetten?

Korotkow: Ich sage dir, deine »Windrose« ist nichts dagegen!

Afremow: Zankt euch doch nicht. Ich will hier Frieden haben. Fragt Fedja, der ist ein Kenner.

Fedja: Beide Pferde sind gut. Es kommt auf den Reiter an.

Stachow: Gusew ist ein Halunke, dem muß man auf die Finger sehen.

Korotkow schreit: Absolut nicht!

Fedja: Regt euch nicht auf – ich will euren Streit schlichten. Wer hat das Derby gewonnen?

Korotkow: Ja doch, aber das hat gar nichts zu sagen, das war Zufall. Wenn Krakus nicht krank geworden wäre, siehst du …

Ein Lakai tritt ein.

Afremow: Was gibt's?

Lakai: Eine Dame ist da, sie fragt nach Feodor Wassiljewitsch.

Afremow: Was für eine Dame?

Lakai: Ich weiß es nicht. Eine richtige Dame ist's.

Afremow: Fedja, eine Dame will dich sprechen.

Fedja erschrocken: Wer ist's?

Afremow: Er weiß es nicht.

Lakai: Soll ich sie in den Salon führen?

Fedja: Wart, ich will erst sehen, wer es ist. Ab.

Korotkow: Wer mag's nur sein? Wahrscheinlich Mascha …

Stachow: Was für eine Mascha?

Korotkow: Mascha, die Zigeunerin – sie hat sich in ihn bis über die Ohren verliebt.

Stachow: Ein Prachtmädel. Und wie sie singt!

Afremow: Wundervoll! Sie und Tanjuscha – das sind unsere ersten Sterne. Gestern haben sie mit Piotr zusammen gesungen.

Stachow: Ein Glückspilz, dieser …

Afremow: Weil ihn die Weiber lieben? Ich schenke sie ihm alle.

Korotkow: Ich kann die Zigeunerinnen nicht leiden, ich finde nichts Schönes an ihnen.

Butkewitsch: Rede doch nicht!

Korotkow: Ich gebe sie alle für eine einzige Französin hin.

Afremow: Na ja, du bist auch als Feinschmecker bekannt. Ich will doch mal sehen, wer's ist. Ab.

Stachow: Wenn es Mascha ist, dann bring sie her, sie kann uns etwas vorsingen. Es ist jetzt nicht viel los mit den Zigeunern. Die Tanjuscha war früher mal ein Staatsweib, Teufel noch eins!

Butkewitsch: Sie machen ihre Sache doch nicht schlechter als früher.

Stachow: Meinst du? Sie singen keine richtigen Lieder mehr, sondern immer nur diese trivialen Romanzen.

Butkewitsch: Es gibt auch recht hübsche Romanzen.

Korotkow: Willst du wetten: ich lasse sie etwas singen – und du wirst nicht erkennen, ob es ein Lied oder eine Romanze ist!

Stachow: Dieser Korotkow kann ohne wetten nicht leben!

Afremow tritt ein: Es ist nicht Mascha, meine Herren. Im Salon ist nicht aufgeräumt, er muß die Dame hier empfangen. Gehen wir ins Billardzimmer.

Alle ab. Fedja und Sascha treten ein.

Sascha verwirrt: Verzeih, lieber Fedja, wenn ich dir ungelegen komme, aber hör mich um Gottes willen an! Ihre Stimme zittert. Fedja geht im Zimmer auf und ab; Sascha hat sich gesetzt und sieht ihn an. Fedja, kehre nach Hause zurück!

Fedja: Ich kann dich sehr wohl verstehen, meine liebe, kleine Sascha, und ich würde an deiner Stelle ebenso handeln; ich würde nichts unversucht lassen, um alles wieder ins gleiche zu bringen. Aber wenn du, liebes, kleines Mädchen, in meiner Lage wärst – es klingt ja etwas sonderbar, was ich da sage –, du würdest bei deinem Zartgefühl sicherlich ebenso handeln wie ich: würdest deiner Wege gehen, um nicht fremdes Glück zu stören …

Sascha: Wieso zu stören? Kann den Lisa überhaupt ohne dich leben?

Fedja: Ach, Sascha, mein liebes Kind, sie kann es, sie kann es, und sie wird noch glücklich werden, weit glücklicher als mit mir!

Sascha: Niemals!

Fedja: Das scheint dir so. Er hält ihre Hand in der seinen. Doch sehen wir davon ab – die Hauptsache ist, ich kann nicht zurückkehren! Nimm ein Stück Pappe, siehst du, bieg es so oder so: neunundneunzig mal biegst du es hin und her, und es bleibt ganz, und beim hundertsten Male geht es entzwei. So war es zwischen mir und Lisa. Es ist mir gar zu peinlich, ihr in die Augen zu sehen. Und ihr geht es mit mir ebenso, glaub es!

Sascha: Nein, nein.

Fedja: Du sagst nein – und du weißt doch selbst, daß es so ist.

Sascha: Ich kann nur nach mir selbst urteilen: wenn ich an ihrer Stelle wäre und du so reden würdest, wie du jetzt redest – das wäre entsetzlich für mich.

Fedja: Ja, für dich …

Schweigen. Beide sind verlegen.

Sascha erhebt sich: Es soll also dabei bleiben?

Fedja: Es muß sein.

Sascha: Fedja, kehr zurück!

Fedja: Ich danke dir herzlich, meine liebe Sascha. Die Erinnerung an dich wird mir stets lieb und wert sein … Doch … leb wohl, du Gute! Laß mich dich küssen! Küßt sie auf die Stirn.

Sascha bewegt: Nein, ich will nicht Abschied nehmen, ich glaube es nicht und will es nicht glauben … Fedja …

Fedja: Nun, so höre denn. Aber gib mir dein Wort, daß du das, was ich dir sage, niemandem weitersagst. Gibst du mir dein Wort darauf?

Sascha: Selbstverständlich.

Fedja: So höre also, Sascha: Ich bin ihr Gatte, gewiß, und der Vater ihres Kindes – und doch bin ich für sie überflüssig … Halt, halt, unterbrich mich nicht! Du denkst, ich sei eifersüchtig: nicht im geringsten! Erstens habe ich kein Recht, es zu sein, und zweitens habe ich keinen Anlaß dazu. Viktor Karenin ist ihr alter Freund, und auch der meinige. Und er liebt sie, und sie liebt ihn.

Sascha: Das ist nicht der Fall!

Fedja: Doch – sie liebt ihn, wie eben eine anständige, moralisch empfindende Frau die ihrem Gatten die eheliche Treue bewahrt. Aber sie wird ihn anders lieben, sobald dieses Hindernis … Er zeigt auf sich selbst … beseitigt sein wird. Und ich werde es beseitigen, und sie werden glücklich sein. Seine Stimme zittert.

Sascha: Fedja, sprich nicht so!

Fedja: Du weißt doch, daß die Sache so liegt, und ich werde mich freuen über ihr Glück und mir sagen, daß ich nichts Besseres tun konnte. Ich kehre nicht zurück, ich lasse ihnen jede Freiheit und bitte dich, ihnen das nur auszurichten. Und nun, sprich nicht, sprich nicht, und leb wohl!

Er küßt sie auf den Kopf und öffnet die Tür.

Sascha: Fedja, ich bin ganz hingerissen!

Fedja: Leb wohl, leb wohl! Sascha ab. Ganz vortrefflich, ganz ausgezeichnet! Klingelt. Der Lakai erscheint. Rufen Sie den Herrn … Allein. So war's recht!

Afremow tritt ein: Nun, bist du mit ihr fertig geworden?

Fedja: Ganz famos! Sie hat beteuert, hat geschworen! Ganz ausgezeichnet. Wo sind die andern?

Afremow: Sie spielen Billard.

Fedja: Gut, gehen wir zu ihnen – ein Stündchen wollen wir uns noch bewilligen.

Vorhang.

 


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