Leo Tolstoi
Chadschi Murat
Leo Tolstoi

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Neunzehntes Kapitel

Chadschi Murats Familie war bald, nachdem er selbst sich zu den Russen begeben hatte, nach Schamyls Residenz gebracht worden, wo sie unter strenger Bewachung gehalten wurde, bis der Imam ihr Schicksal entschieden hatte. Die Frauen – die alte Mutter Patimat und die beiden Gattinnen Chadschi Murats – wohnten samt den vier jüngeren Kindern unter strenger Aufsicht in dem Hause des Unteranführers Ibrahim Raschid, während Chadschi Murats achtzehnjähriger Sohn Jussuf im Kerker saß. Dieser Kerker bestand aus einem mehrere Ellen tiefen dunklen Loche, in dem Jussuf mit sieben Verbrechern, die gleich ihm der Entscheidung ihres Schicksals harrten, festgehalten wurde.

Die Entscheidung über das Schicksal der Gefangenen verzögerte sich darum, weil Schamyl abwesend war. Er war auf einem Kriegszuge gegen die Russen begriffen.

Am 6. Januar 1852 kehrte Schamyl nach einem Zusammenstoß mit den Russen zurück, bei dem er nach der Meinung der Russen eine Schlappe erlitten und die Flucht ergriffen hatte, während er nach seiner und aller Muriden Auffassung den Sieg davongetragen und die Russen vertrieben hatte. Er hatte in diesem Treffen, was nicht oft geschah, selbst eine Büchse auf die Feinde abgefeuert und war mit geschwungenem Säbel auf sie losgesprengt, daß seine Muriden ihn mit Gewalt zurückhalten mußten. Zwei von ihnen hatten dabei an seiner Seite den Tod erlitten.

Es war um die Mittagsstunde, als Schamyl in Begleitung einer Schar von Muriden, die um ihn herum ihre Rosse tummelten, ihre Büchsen und Pistolen in die Luft abschossen und ohne Aufhören ihr »La illach il allah«»Es ist nur ein Gott«. sangen, in seinem Hauptorte Dargo erschien.

Die ganze Bevölkerung der großen Ortschaft stand auf der Straße und auf den Hausdächern, um den Gebieter würdig zu empfangen. Man feuerte, um die Feierlichkeit des Einzugs zu erhöhen, gleichfalls aus Büchsen und Pistolen in die Luft. Schamyl ritt auf einem weißen arabischen Rosse, das bei der Annäherung an das Haus seines Herrn lebhaft und munter den Kopf in den Zügeln bewegte. Sattel- und Zaumzeug waren im übrigen von recht schlichter Art, weder Gold noch Silber blinkten daran: Der Zügel bestand aus einem in der Mitte mit einem dunklen Streifen verzierten roten Riemen aus feinem Leder, die Steigbügel waren einfache runde Metallhülsen, und die unter dem Sattel hervorschauende Schabracke war aus schlichtem roten Tuch verfertigt. Der Imam trug einen braun überzogenen, am Halse und an den Ärmeln mit schwarzem Rauchwerk besetzten Schafpelz, der um die schlanken Hüften mit einem Riemen umgürtet war. Ein Dolch steckte in dem einfachen Gürtel. Auf dem Kopfe trug er eine hohe Lammfellmütze mit flachem Deckel, schwarzer Troddel und einem weißen Turban, dessen Ende über den Hals herabhing. Die Füße steckten in grünen Schuhen, und über die Waden hatte er schwarze, mit einfacher Schnur besetzte Lederstrümpfe gezogen.

Nichts Schimmerndes, kein Gold- oder Silberschmuck, war an dem Imam zu sehen. Seine hohe, gerade, stattliche Gestalt in der schmucklosen Kleidung machte inmitten der Muridenschar, deren Kleider und Waffen reich mit Gold und Silber verziert waren, einen überaus ernsten Eindruck. Und dieser Ernst seiner Erscheinung war es, der auf das Volk jene starke, von Schamyl wohl berechnete Wirkung hervorbrachte. Sein blasses, von dem gestutzten roten Vollbart umrahmtes Gesicht mit den stets halb geschlossenen kleinen Augen hatte in seiner Unbeweglichkeit einen starren, steinernen Ausdruck. Während er die Straße entlangritt, fühlte er wohl, daß Tausende von Augen auf ihn gerichtet waren, er selbst jedoch würdigte niemanden auch nur eines Blickes.

Auch Chadschi Murats Frauen waren mit den übrigen Hausbewohnern zusammen auf den Altan hinausgekommen, um den Einzug des Imam mit anzusehen. Nur die alte Patimat, Chadschi Murats Mutter, war in der Hütte zurückgeblieben – die langen, hageren Arme um die Knie geschlungen, saß sie dort auf dem Fußboden, während das aufgelöste graue Haar über ihre Schultern herabfiel. Mit den stechenden schwarzen Augen blinzelnd, schaute sie auf die verglimmenden Zweige im Kamin. Gleich ihrem Sohne hatte sie Schamyl stets gehaßt und wollte ihn jetzt so wenig wie früher sehen.

Auch Jussuf, der Sohn Chadschi Murats, bekam den feierlichen Einzug Schamyls nicht zu sehen. Er hörte nur in seiner finsteren, von üblen Dünsten erfüllten Grube die Freudenschüsse und den Gesang und empfand heftigen Schmerz über seine Einschließung, wie nur ein von Lebenslust und Lebenskraft strotzender Jüngling, den man der Freiheit beraubt, sie empfinden kann. Draußen war alles heller Jubel – und er saß in dem düsteren Loche und sah nur immer diese unglücklichen, schmutzigen, verhärmten Gesichter seiner Kerkergenossen, die voll Bosheit waren und zumeist einander gegenseitig haßten. Er beneidete jene Glücklichen, die in Licht, Luft und Freiheit auf ihren schmucken Rossen sich um den Gebieter tummeln, ihre Büchsen losknallen und freudig ihr »La illach il allah« rufen konnten.

Nachdem Schamyl den Ort passiert hatte, lenkte er in einen großen Hof ein, an den sich ein zweiter innerer Hof anreihte. In diesem befand sich Schamyls Serail. Zwei bewaffnete Lesghier empfingen Schamyl an dem offenen Tore des ersten Hofes, in dem sich eine große Menge Volkes versammelt hatte. Die einen waren von fernher gekommen, um über ihre Angelegenheiten mit Schamyl zu reden, andere waren einfach Bettler, und noch andere waren erschienen, um sich vor ihm als Richter zu verantworten und sein Urteil entgegenzunehmen. Als Schamyl auf den Hof geritten kam, erhoben sich alle Anwesenden und begrüßten den Imam ehrerbietig, indem sie die Hände auf die Brust legten. Einige knieten nieder und verblieben in dieser Haltung, bis Schamyl den Hof vom äußeren bis zum inneren Tore durchmessen hatte. So manches Gesicht, dessen Anblick ihm unangenehm war, und so manchen lästigen Bittsteller erkannte Schamyl unter den Wartenden, doch ritt er an allen mit demselben unbeweglich starren Gesichte vorüber, lenkte in den inneren Hof ein und stieg an der Galerie seiner Behausung, links vom Tore, ab. Nach den Anstrengungen des Kriegszuges, der zwar von Schamyl und den Seinigen als Sieg gefeiert wurde, aber doch in Wirklichkeit ein Mißerfolg war, sehnte sich Schamyl jetzt nur nach Ruhe. Abgesehen von der Einäscherung und Zerstörung zahlreicher Tschetschenzendörfer hatte dieser Zug zur Folge, daß das wankelmütige Volk in den Bergen unsicher und der Unterwerfung unter das russische Regiment zugänglich gemacht war, und Schamyl war von der Notwendigkeit von Gegenmaßregeln fest überzeugt. Jetzt aber lagen ihm diese Gedanken fern. Im Schoße der Familie, unter den Liebkosungen der schwarzäugigen, schnellfüßigen Aminet, seiner achtzehnjährigen Lieblingsgattin, wollte er sich zunächst von den überstandenen, mehr geistigen als körperlichen Strapazen erholen.

Doch noch war er weit davon entfernt, die Geliebte in seine Arme schließen zu können. Er konnte es sich wohl denken, daß sie dort hinter dem Zaune, der quer durch den innern Hof lief und die Wohnung der Frauen von den Räumen für die Männer trennte, seiner erwartungsvoll harrte, ja er war davon überzeugt, daß sie jetzt, im Augenblick, da er aus dem Sattel stieg, mit den anderen Frauen durch eine Spalte im Zaun nach ihm Ausschau hielt. Aber er konnte doch nicht so ohne weiteres zu ihr hineingehen und sich auf dem schwellenden Pfühl an ihrer Seite zur Ruhe legen. Er mußte zunächst, so wenig Lust er auch dazu verspürte, sein Nachmittagsgebet verrichten, das er schon als religiöser Führer und Berater seines Volkes nicht unterlassen durfte, und das als geistige Speise ihm so notwendig geworden war wie das tägliche Brot. So erledigte er denn die Waschungen wie das Gebet und ging dann an den Empfang aller jener, die ihn zu sprechen wünschten.

Zunächst erschien vor ihm sein Lehrer und Schwiegervater Dschemal Eddin, ein hochgewachsener, stattlicher Greis mit schneeweißem Barte und frischem rotem Gesichte. Er verrichtete sein Gebet, fragte Schamyl, wie sein Kriegszug verlaufen wäre, und berichtete ihm, was während seiner Abwesenheit in den Bergen sich ereignet hatte.

Allerhand Nachrichten bekam da Schamyl zu hören: von Morden, die auf Grund der Blutrache begangen worden waren, von Viehdiebstählen, von Vergehen gegen die Vorschriften des »Tarikat«,Religiöse Lehre der Muriden die den Genuß des Tabaks und des Weines verboten, und zuletzt teilte Dschemal Eddin dem Imam auch mit, daß Chadschi Murat heimlich Leute gesandt habe, die seine Familie zu den Russen bringen sollten. Sein Anschlag sei jedoch entdeckt worden, und man habe Chadschi Murats Familie hier am Orte untergebracht, wo sie unter strenger Bewachung seines Urteils harre. Im anstoßenden Gastzimmer seien die ältesten aus den Nachbargauen versammelt, um über diese Dinge zu beraten. Dschemal Eddin riet dem Imam, sie noch heute zu entlassen, da sie bereits drei Tage auf ihn gewartet hätten.

Schamyls älteste Gattin, die spitznasige, schwarze, häßliche Saider, für die der Imam nur wenig übrig hatte, trat ein und trug ihm das Mittagsmahl auf. Nachdem er dieses verzehrt, begab er sich nach dem Beratungszimmer.

Sechs Greise mit weißem, grauem oder rotem Vollbart erhoben sich bei Schamyls Eintritt von ihren Sitzen. Es war der hohe Rat, der Schamyl zur Seite stand. Sie trugen alle neue Kleider und den Riemen mit dem Dolche über Beschmet und Tscherkeska. Auf dem Kopfe saß die Lammfellmütze, mit dem TurbanDen Turban trägt, wer eine Pilgerfahrt nach Mekka oder einer andern heiligen Stätte gemacht hat oder ohne diesen. Schamyl überragte sie alle um Haupteslänge. Seinem Beispiel folgend, hoben sie alle die Arme mit den gegen einander gekehrten Handflächen empor, schlossen die Augen und beteten, worauf sie mit den Händen sich über das Gesicht fuhren und am unteren Bartende beide Hände vereinigten. Hierauf setzten sich alle rings um Schamyl herum, der auf erhöhtem Pfühl mitten unter ihnen saß, und machten sich an die Beratung der zu entscheidenden Angelegenheit.

Über die Verbrechen, die zur Aburteilung gelangten, wurde nach den Vorschriften des »Schariat«Lehre des Koran. entschieden: zwei Diebe wurden zum Abschlagen der Hände, ein Mörder zum Tode verurteilt; drei Angeklagte wurden freigesprochen. Hierauf gelangte der Hauptpunkt der Tagesordnung zur Verhandlung: wie am besten der Übergang der Tschetschenzen zu den Russen verhindert werden könne. Dschemal Eddin hatte, um diesem Übel zu steuern, eine Kundgebung entworfen, die also lautete:

»Ich wünsche euch, daß ihr in ewigem Frieden leben möget mit Gott dem Allmächtigen. Ich höre, daß die Russen euch umschmeicheln und zur Unterwerfung auffordern. Glaubet ihnen nicht und unterwerft euch nicht, sondern duldet. Wenn euch dafür in diesem Leben kein Lohn zuteil wird, dann werdet ihr im Jenseits belohnt werden. Bedenket, wie sie es früher machten, als sie euch die Waffen abnahmen. Wenn euch damals, im Jahre 1840, Gott nicht erleuchtet hätte, würdet ihr jetzt alle in russischen Soldatenkitteln stecken, und eure Frauen würden keine Pumphosen mehr tragen und würden entehrt sein. Beurteilet die Zukunft nach der Vergangenheit. Es ist besser, in Feindschaft mit den Russen zu sterben, als mit den Ungläubigen zusammen zu leben. Harret aus, und ich werde mit dem Koran und dem Säbel zu euch kommen und euch gegen die Russen führen. Für jetzt befehle ich euch, jede Absicht, ja jeden leisesten Gedanken einer Unterwerfung unter die Russen aus eurer Seele zu verbannen.«

Schamyl billigte diese Bekanntmachung, unterschrieb sie und beschloß, sie überall im Volke zu verbreiten.

Hierauf kam die Angelegenheit Chadschi Murats zur Verhandlung, die für Schamyl ganz besonders wichtig war. Er wußte sehr wohl – wenn er es auch nicht offen zugab – daß die Schlappe, die er jetzt in der Tschetschna erlitten, ihn nicht betroffen hätte, wenn Chadschi Murat mit seiner Gewandtheit, Kühnheit und Tapferkeit ihm zur Seite gestanden hätte. Es wäre nur vorteilhaft für ihn gewesen, wenn er sich mit Chadschi Murat versöhnt und ihn wieder seiner Sache dienstbar gemacht hätte. Für den Fall aber, daß dies ausgeschlossen war, durfte er nicht zulassen, daß jener sich auf die Seite der Russen stellte, und daher war es unbedingt notwendig, ihn auf die eine oder andere Weise aus dem Wege zu schaffen. Dies konnte entweder so geschehen, daß ein sicherer Mann nach Tiflis entsandt wurde, der ihn dort tötete, oder daß man ihn herüberlockte und ihm hier den Garaus machte. Das sicherste Mittel, ihn zur Rückkehr zu bewegen, war, ihm die Befreiung seiner Familie in Aussicht zu stellen, insbesondere den Loskauf seines Sohnes, den Chadschi Murat, wie Schamyl wohl bekannt war, über alles liebte. Dieses Sohnes also mußte man sich bedienen, um den Vater in die Gewalt zu bekommen. Als die Ratgeber über diese Fragen verhandelten, schloß Schamyl die Augen und schwieg.

Die Ratgeber wußten, was dies zu bedeuten hatte: daß er jetzt auf die Stimme des Propheten lauschte, die ihm eingab, was er zu tun habe.

Nachdem wohl fünf Minuten lang feierliches Schweigen geherrscht hatte, öffnete Schamyl die Augen, kniff sie noch enger als sonst zusammen und sprach:

»Führet mir den Sohn Chadschi Murats vor.«

»Er ist hier«, sagte Dschemal Eddin.

In der Tat wartete Jussuf, der Sohn Chadschi Murats, mager, blaß, in Lumpen gekleidet und nach dem dumpfen Kerkerloch riechend, aber immer noch schön an Antlitz und Gestalt, mit den blitzenden schwarzen Augen, die auch seine Großmutter Patimat besaß, am Tore des äußeren Hofes, ob man ihn nicht bald rufen würde.

Jussuf teilte die feindseligen Gefühle nicht, die sein Vater gegen Schamyl hegte. Er kannte nicht die ganze Vergangenheit, oder, wenn er sie auch kannte, so hatte er sie doch nicht selbst durchlebt und begriff daher nicht, weshalb sein Vater von solchem Haß gegen Schamyl erfüllt war. Er hatte nur den einen Wunsch: das leichte, lustige Leben, das er als Sohn des Nahib in Chunsach geführt hatte, wieder aufnehmen zu können, und darum schien es ihm ganz überflüssig, diese Feindschaft gegen Schamyl zu nähren. Im Gegensatz zum Vater, ja ihm zum Trotz, war er von Begeisterung für Schamyl erfüllt und teilte die Verehrung für ihn, welche die Bergbewohner allgemein für den Imam hegten. Mit einem ganz besonderen Gefühl bebender Ehrfurcht trat er jetzt in das Zimmer, in dem die Ratgeber saßen, blieb an der Tür stehen und begegnete, als er aufsah, dem grimmen Blicke, den Schamyl aus den halbgeschlossenen Augen auf ihn richtete. Er stand eine Weile da, trat dann auf Schamyl zu und küßte seine große weiße Hand mit den langen Fingern.

»Du bist der Sohn Chadschi Murats?«

»Ich bin es, Imam.«

»Du weißt, was dein Vater getan hat?«

»Ich weiß es, Imam, und ich bedaure es.«

»Kannst du schreiben?«

»Ich sollte ein Mullah werden und wurde unterrichtet.«

»Dann schreib deinem Vater, daß, wenn er bis zum Beiram zu mir zurückkehrt, ich ihm verzeihe und alles beim alten bleiben soll, wenn er mir dagegen trotzt und bei den Russen bleibt« – Schamyls Züge nahmen einen drohenden Ausdruck an – »ich deine Großmutter, deine Mutter und all die andern auf die Dörfer verteilen, dir aber den Kopf abschlagen lasse.«

Nicht ein Muskel zuckte in Jussufs Gesichte, er neigte nur den Kopf zum Zeichen, daß er Schamyls Worte verstanden habe.

»Schreib ihm dies und gib den Brief meinem Boten«, sagte Schamyl und sah dann Jussuf lange schweigend an.

»Oder schreib ihm, daß ich dich begnadigt habe und dich nicht töten, sondern dir nur die Augen ausstechen lassen werde, wie ich es mit allen Verrätern mache. Nun geh.«

Jussuf erschien in Schamyls Gegenwart vollkommen ruhig, als er jedoch das Beratungszimmer verlassen hatte, stürzte er sich auf den Mann, der ihn führte, zog dessen Dolch aus der Scheide und wollte sich damit töten, doch fiel ihm jener in den Arm, und er ward gefesselt und wieder nach dem Kerker zurückgebracht.

Als es dunkel geworden und das Nachtgebet verrichtet war, zog Schamyl seinen besten weißen Pelz an, begab sich hinter den Zaun nach jenem Teile des Hofes, in dem seine Frauen wohnten, und trat in Aminets Zimmer. Doch Aminet war nicht anwesend, sie weilte bei den älteren Frauen. Da trat Schamyl, der nicht wollte, daß man ihn bemerke, hinter die Zimmertür und erwartete sie da. Aminet aber war böse auf Schamyl, weil er Saider mit einem Stück Seidenstoffes beschenkt hatte, während sie leer ausgegangen war. Sie hatte wohl gemerkt, wie er herübergekommen und in ihr Zimmer eingetreten war, doch ging sie absichtlich nicht zu ihm und ließ ihn warten. Lange stand sie in der Tür von Saiders Zimmer und blickte still lächelnd nach der weißen Gestalt des Imams, der unruhig bald aus ihrem Zimmer herauskam, bald wieder eintrat. Nachdem Schamyl eine ganze Weile vergeblich gewartet hatte, begab er sich, als bereits die Zeit zum Nachtgebet herangerückt war, nach seinen Gemächern zurück.


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