Leo Tolstoi
Chadschi Murat
Leo Tolstoi

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel

Dieser Bericht wurde am 24. Dezember aus Tiflis abgesandt. Am Vorabend des Neujahrs 1852 überbrachte ein Feldjäger, nachdem er ein Dutzend Pferde müde gejagt und ebensoviele Postillone blutig geprügelt hatte, das Schreiben dem damaligen Kriegsminister Fürsten Tschernyschew, und am 1. Januar 1852 brachte Tschernyschew, als er sich zum Zaren Nikolaus zur Audienz begab, in seinem Portefeuille unter anderen Schriftstücken auch diesen Bericht Woronzows mit.

Tschernyschew liebte Woronzow nicht, sowohl wegen der allgemeinen Hochschätzung, deren Woronzow sich erfreute, als auch wegen seines Reichtums, sowie endlich darum, weil Woronzow ein echter Grandseigneur, er selbst aber nur ein Parvenü war – hauptsächlich jedoch, weil der Kaiser für Woronzow ein ganz besonderes Wohlwollen hegte. Mit Eifer nahm daher Tschernyschew jede Gelegenheit wahr, Woronzow beim Zaren nach Kräften anzuschwärzen. Bei seinem letzten Vortrag über die kaukasischen Angelegenheiten war es Tschernyschew gelungen, die Unzufriedenheit des Zaren mit Woronzows Maßnahmen zu erregen: infolge mangelnder Voraussicht auf seiten der Heeresleitung war nämlich, wie er zu berichten wußte, eine kleinere Kosakenabteilung von den Bergbewohnern aufgerieben worden. Jetzt hoffte er nun die Anordnungen, die Woronzow betreffs Chadschi Murats getroffen hatte, in einem schlechten Lichte erscheinen zu lassen. Er hoffte den Kaiser davon überzeugen zu können, daß Woronzow nicht richtig handelte, wenn er, in schwächlicher Nachgiebigkeit gegen die Wünsche der eingeborenen Bevölkerung und offenbar zum Nachteil der russischen Sache, Chadschi Murat im Kaukasus beließ; es sei mehr als wahrscheinlich, daß Chadschi Murat nur gekommen sei, um die Stärke der russischen Streitkräfte zu erkunden. Jedenfalls sei es besser, Chadschi Murat irgendwo im Zentrum des Reiches zu internieren und seine Person erst dann auszuspielen, wenn seine Familie von russischer Seite ausgelöst wäre und man seines Gehorsams sicher sein könnte. Dieser Plan sollte Tschernyschew jedoch nicht gelingen, und zwar lediglich aus dem Grunde, weil Nikolaus am Morgen des 1. Januar sich in ganz besonders schlechter Laune befand und aus reinem Widerspruchsgeist jeden ihm unterbreiteten Vorschlag, was er auch enthalten, und von wem er auch ausgehen mochte, unbedingt verworfen hätte. Um so weniger war er geneigt, gerade auf Tschernyschews Plan einzugehen, den er auf seinem Posten nur duldete, weil er ihn vor der Hand für unersetzlich ansah, während er ihn tatsächlich für einen großen Schurken hielt, der, wie ihm wohl bekannt war, im Dekabristenprozeß seinen Schwager Sachar Tschernyschew ins Unglück stürzte, um sich hinterher seines Vermögens zu bemächtigen. Dank der schlechten Laune des Zaren Nikolaus also durfte Chadschi Murat im Kaukasus bleiben, und sein Schicksal blieb unverändert, während es sicherlich eine andere Wendung genommen hätte, wenn Tschernyschew seinen Bericht zu einer anderen Zeit gehalten hätte.

Es war gegen halb zehn Uhr, als Tschernyschews dicker, bärtiger Kutscher in seiner himmelblauen spitzkantigen Samtmütze, im Nebel eines zwanziggradigen Frostes, auf dem Bock des eleganten kleinen Schlittens à la Nikolaus am Eingang des Winterpalais hielt und dem ihm befreundeten Kutscher des Fürsten Dolgoruki zunickte, der seinen Herrn bereits vor einer ganzen Weile hergebracht hatte und nun, die Zügel unter dem dick auswattierten Gesäß, vor der Anfahrt wartend sich die erfrorenen Hände rieb. Tschernyschew trug einen Mantel mit weichem grauem Biberkragen über der Uniform und einen Dreispitz mit Hahnenfedern auf dem Kopfe. Er schlug das Schutzleder aus Bärenfell zurück, streckte vorsichtig die erfrorenen Beine aus dem Schlitten, setzte die sporenklingenden Stiefel, die, wie er mit Stolz sich zu rühmen pflegte, noch nie in Galoschen gesteckt hatten, rüstig auf den Läufer und schritt nach der Eingangstür zu, die der Schweizer ehrerbietig vor ihm öffnete. Im Vorzimmer übergab er seinen Mantel dem auf ihn dienstfertig zueilenden alten Kammerdiener, trat vor den Spiegel und nahm vorsichtig den Hut von der gekräuselten Perücke. Als er sein Äußeres im Spiegel gemustert und mit gewohnter Handbewegung seine Frisur an Scheitel und Schläfen geglättet, sowie das Kreuz am Halse, die Achselstücke und die großen Epauletten mit dem Namenszug des Kaisers zurechtgerückt hatte, stieg er, mit den alterssteifen Beinen vorsichtig ausschreitend, die teppichbelegte steile Treppe hinan. An den in Paradeuniform vor den Türen stehenden, sich tief verneigenden Hoflakaien vorüber gelangte Tschernyschew in den Audienzsaal. Der diensttuende Flügeladjutant, der soeben erst zu dieser Würde ernannt worden war, trat ihm, über das ganze, noch nicht abgelebte, schnurrbartgezierte Antlitz strahlend, in der funkelnagelneuen, mit Epauletten und Achselstücken geschmückten Uniform ehrerbietig entgegen.

Fürst Wassilij Dolgoruki, der Gehilfe des Kriegsministers, begrüßte diesen mit einem gelangweilten Ausdruck in dem geistlosen Gesichte, dessen Backenbart, Schnurrbart und Schläfenhaar genau nach dem Vorbild des Kaisers zugeschnitten war.

»L'Empereur!« wandte sich Tschernyschew an den Flügeladjutanten, während er einen fragenden Blick nach der Tür des Kabinetts warf.

»Sa Majesté vient de rentrer,« sagte der Flügeladjutant, offenbar mit Wohlgefallen dem Klange seiner eigenen Stimme lauschend. Mit weichem Schritt, so gleichmäßig hinschwebend, daß aus einem auf seinen Kopf gestellten vollen Glase Wasser nicht ein Tropfen verschüttet worden wäre, trat er, in seinem ganzen Wesen die Hochachtung vor dem Raume ausdrückend, den er zu betreten im Begriff stand, auf die Kabinettür zu, öffnete sie lautlos und verschwand hinter ihr.

Dolgoruki hatte inzwischen sein Portefeuille geöffnet und in den darin befindlichen Schriftstücken geblättert.

Tschernyschew ging mit düsterer Miene im Zimmer auf und ab, streckte seine Beine und faßte in Gedanken noch einmal alles zusammen, was er dem Kaiser vortragen wollte. Er ging gerade an der Tür des Kabinetts vorbei, als diese sich wieder öffnete und der Flügeladjutant, noch strahlender und ehrerbietiger als vorher, aus ihr heraustrat. Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete er dem Minister und seinem Gehilfen, daß sie eintreten möchten.

Das Winterpalais war nach dem Brande längst wieder restauriert, doch Zar Nikolaus bewohnte immer noch ausschließlich die Etage. Das Kabinett, in dem er die Minister und sonstigen zum Vortrag befohlenen hohen Würdenträger empfing, war ein sehr hoher Raum mit vier großen Fenstern. Ein großes Porträt Kaiser Alexanders I. hing an der Hauptwand. Zwischen den Fenstern befanden sich zwei Pulte, an den Wänden einige Stühle. In der Mitte des Zimmers stand ein mächtiger Schreibtisch, davor der Sessel des Kaisers und daneben ein paar Stühle für die zum Vortrag Befohlenen.

Zar Nikolaus saß in einem schwarzen Uniformrocke mit dünnen Achselschnüren, ohne Epauletten am Tische, streckte die breite, prall eingezwängte Brust über dem starken Embonpoint weit vor und sah die Eintretenden mit seinem leblosen Blicke starr an. Das lange weiße Gesicht mit der mächtigen, vorspringenden Stirn, die über dem glatt angekämmten Schläfenhaar hoch aufstieg und sich unter der an die Haarreste geschickt angepaßten Perücke in einer Glatze fortsetzte, erschien heute ganz besonders kalt und unbeweglich. Seine auch sonst stets trüb blickenden Augen schauten heute noch trüber drein, und die unter dem spitz nach oben gedrehten Schnurrbart hervortretenden welken, alten Lippen, die durch den hohen Kragen festgehaltenen frischrasierten, feisten Wangen mit den übriggelassenen Backenbartstreifen und das in den Kragen eingezwängte Kinn verliehen seinem Gesichte den Ausdruck der Unzufriedenheit, ja sogar des Zornes. Seine schlechte Stimmung hatte in starker Übermüdung ihren Grund. Die Ursache der Übermüdung aber war, daß er am Abend vorher an einer Redute teilgenommen hatte, wo er sich, wie gewöhnlich, in seinem adlergeschmückten Chevaliergardehelm unter das Publikum gemischt hatte, das einerseits nach ihm hindrängte, andererseits vor seiner riesigen, selbstbewußten Gestalt scheu zur Seite auswich. Er war da wieder jener Maske begegnet, die schon bei der letzten Redute durch ihre elegante Figur und ihre wohlklingende Stimme seine greisenhafte Sinnlichkeit erregt hatte, dann aber, nachdem sie versprochen, auch den nächsten Ball wieder zu besuchen, ihm plötzlich entschlüpft war. Gestern nun war sie wieder an ihn herangetreten, und da hatte er sie nicht mehr losgelassen. Er hatte sie nach der eigens für diesen Zweck bereitgehaltenen Loge geführt, in der er mit ihr allein verweilen konnte. Schweigend war er bis zur Tür der Loge gelangt und sah sich nach dem Logenschließer um, der jedoch unsichtbar blieb. Stirnrunzelnd wartete er einen Augenblick, stieß dann selbst die Tür der Loge auf und ließ seiner Dame den Vortritt.

»Il y a quelqu'un,« sagte die Dame und blieb stehen.

Die Loge war in der Tat besetzt: auf dem kleinen Samtdiwan saßen dicht nebeneinander ein Ulanenoffizier und eine hübsche, junge, blondlockige Frau im Domino, ohne Maske. Beim Anblick der in ihrer ganzen Größe vor ihr stehenden, grimmig Furcht einflößenden Gestalt des Zaren steckte die blonde Frau rasch die Maske vor das Gesicht, während der Ulanenoffizier, ganz starr vor Entsetzen, den Kaiser mit offenem Munde ansah und das Aufstehen vergaß.

So sehr auch Nikolaus gewöhnt war, das Gefühl der Angst und des Entsetzens in den Menschen zu erregen, so bereitete ihm diese Wirkung seiner Persönlichkeit doch stets von neuem ein besonderes Vergnügen, und er liebte es zuweilen, im Gegensatz zu dieser Wirkung seiner Person, die Erschreckten durch um so freundlichere Worte in Erstaunen zu setzen. Auch diesmal gefiel er sich darin, diesen Kontrast hervorzurufen.

»Nun, lieber Freund, du bist jünger als ich,« sagte er zu dem vor Schreck erstarrten Offizier, »du kannst mir einen Platz für ein Weilchen abtreten.«

Der Offizier sprang auf und verließ, abwechselnd errötend und erbleichend, mit einem tiefen Bückling hinter seiner Maske her, die Loge, während Nikolaus mit seiner Dame allein blieb.

Die Maske war, wie sich herausstellte, ein auffallend hübsches, unschuldiges junges Mädchen von zwanzig Jahren, die Tochter einer schwedischen Gouvernante. Sie erzählte dem Zaren, daß sie sich schon als kleines Mädchen in sein Bild verliebt, ihn stets vergöttert und sich vorgenommen habe, um jeden Preis seine Aufmerksamkeit zu erregen. Nun, da sie dieses Ziel erreicht, erklärte sie, keine weiteren Wünsche zu hegen. Das Mädchen wurde nach dem Ort gebracht, der für derartige Zusammenkünfte des Kaisers mit weiblichen Personen bestimmt war, und die hier angeknüpfte Liaison hat ihn wohl über ein Jahr in ihren Fesseln gehalten.

Als er in dieser Nacht in sein Schlafzimmer zurückgekehrt war und sich auf seinem schmalen, harten Feldbett ausgestreckt hatte, konnte er unter dem Soldatenmantel, der ihm als Bettdecke diente, und den er selbst für mindestens so berühmt hielt wie den berühmten Hut Napoleons, lange Zeit keinen Schlaf finden. Er stellte sich bald das halb scheue, halb und halb verzückte Gesichtchen dieses jungen Mädchens, bald die üppigen Schultern seiner ständigen Geliebten, der Nelidowa, vor und verglich beide miteinander. Der Gedanke, daß die Ausschweifungen eines verheirateten Mannes aller Sittlichkeit ins Gesicht schlugen, lag ihm himmelweit fern, und er wäre im höchsten Maße erstaunt gewesen, wenn ihm jemand deshalb ein Wort des Tadels gesagt hätte. Obschon er nun fest davon überzeugt war, daß niemand an seiner Handlungsweise etwas aussetzen konnte, hatte er doch einen etwas bitteren Nachgeschmack davon, und um diesen loszuwerden, bediente er sich eines Mittels, das ihn stets ganz außerordentlich beruhigte: er begann darüber nachzudenken, was für ein großer Mann er doch im Grunde genommen sei.

Obwohl er erst sehr spät eingeschlafen war, stand er doch bereits in der achten Stunde auf, machte seine gewohnte Toilette, rieb den großen, feisten Körper mit Eis ab und verrichtete seine Morgengebete in der von Kindheit auf gewohnten Zusammenstellung: zuerst das Gebet an die Mutter Gottes, dann das Glaubensbekenntnis und hierauf das Vaterunser – ohne sich im übrigen bei den Worten, die seine Lippen murmelten, auch nur das Geringste zu denken. Nachdem er sich so für den Tag vorbereitet hatte, verließ er durch den kleinen Ausgang das Palais und begab sich nach dem Newaquai, um seinen gewohnten Morgenspaziergang zu machen.

Auf dem Quai war ihm ein junger Hörer der Rechtsschule, in Uniform und Hut, begegnet – ein Mensch von der gleichen Riesengestalt wie er selbst. Als Zar Nikolaus die Uniform des Instituts erblickte, die er wegen der unter den Schülern herrschenden freien Gesinnung gar nicht leiden mochte, runzelte er unzufrieden die Stirn. Aber die stattliche Erscheinung des Rechtsschülers, seine stramme Haltung und das streng vorschriftsmäßige Vorstrecken des Ellbogens beim Honneur besänftigten seine Unzufriedenheit ein wenig.

»Wie heißt du?« fragte er den jungen Riesen.

»Polossatow, Ew. Majestät.«

»Bist ein strammer Bursche.«

Der Schüler stand mit der Hand am Hute da, ohne sich zu rühren. Der Kaiser trat auf ihn zu.

»Willst du Offizier werden?«

»Zu Befehl – nein, Ew. Majestät.«

»Tölpel!« sagte Nikolaus und wandte sich ab. Während er weiterging, sprach er das erste beste Wort, das ihm auf die Lippen kam, laut vor sich hin. »Kopperwein, Kopperwein«, wiederholte er mehrmals – es war der Name des Mädchens, das er gestern kennen gelernt hatte. »Zu dumm, zu dumm,« sagte er dann, ohne weiter über den Sinn der Worte, die er mechanisch hervorstieß, weiter nachzudenken. »Ja, was wäre Rußland ohne mich!« fuhr er in seinem Selbstgespräch fort, als er fühlte, daß in seiner Seele wieder jenes unzufriedene Empfinden aufstieg. »Ja, was wäre Rußland, was wäre Europa ohne mich!« und er gedachte seines Schwagers, des Königs von Preußen, und seiner Schwäche und Beschränktheit und schüttelte den Kopf.

Als er nach dem Palais zurückkehrte, sah er an der Saltykowauffahrt den Wagen der Großfürstin Helena Pawlowna mit dem Lakaien in der roten Livree auf dem Bock.

Helena Pawlowna war für ihn die Verkörperung jener hohlköpfigen, überflüssigen Leute, die nicht nur über Wissenschaft und Dichtkunst, sondern auch über die Kunst des Regierens grübelten und sannen und sich einbildeten, sich selbst besser regieren zu können, als er, Nikolaus, sie regierte. Er wußte, daß diese Leute, so sehr er sich auch bemühte, sie unterzuducken, doch immer und immer wieder an die Oberfläche emportauchten. Er gedachte seines jüngst verstorbenen Bruders Michail Pawlowitsch, und ein Gefühl des Unwillens und der Niedergeschlagenheit überkam ihn. Er machte ein finsteres Gesicht und begann wieder, das erste beste Wort vor sich hinzuflüstern. Er hörte erst auf zu flüstern, als er das Palais längst betreten hatte. In seinem Schlafgemach glättete er vor dem Spiegel Backenbart, Scheitel und Schläfenhaar, drehte seine Schnurrbartspitzen nach und begab sich darauf in das Kabinett, in dem er die Vorträge der Minister entgegenzunehmen pflegte.

Der Kriegsminister wurde zuerst von ihm empfangen. Tschernyschew sah sogleich am Gesichte und vor allem an den Augen des Zaren, daß dieser heute ganz besonders mißlaunig war. Er wußte von den gestrigen Erlebnissen des Kaisers und erriet daher auch sogleich den Grund der schlechten Stimmung. Der Kaiser begrüßte Tschernyschew kühl, forderte ihn auf, sich zu setzen, und richtete seine leblosen Augen auf ihn. Die erste Angelegenheit, die Tschernyschew vorbrachte, war eine umfangreiche Unterschlagung, die von einigen Intendanturbeamten begangen worden war; dann kam eine Dislozierung der an der preußischen Grenze liegenden Truppenteile zur Sprache, worauf noch eine Anzahl von nachträglichen Neujahrsgratifikationen für solche Leute, die in der ersten Liste übergangen worden waren, zur Genehmigung gelangte. Die nächste Sache war der Bericht Woronzows über die Ankunft Chadschi Murats in Tiflis, und zu allerletzt kam dann noch die unangenehme Affäre eines Studenten der medizinischen Akademie zur Sprache, der ein Attentat auf einen Professor verübt hatte.

Schweigend, mit zusammengepreßten Lippen, die große weiße Hand mit dem einen Goldreif am Ringfinger über die vor ihm liegenden Papierblätter hinführend, hörte Nikolaus den Bericht über die spitzbübischen Intendanturbeamten an, ohne auch nur einen Blick von der Stirn und dem Scheitel Tschernyschews zu verwenden.

Nikolaus war fest davon überzeugt, daß alle Welt in Rußland stehle. Er wußte, daß er diese Intendanturbeamten bestrafen mußte, und er hatte bereits bei sich entschieden, daß sie alle miteinander als gemeine Soldaten in irgendein Regiment einzustellen seien, aber er wußte auch, daß dies ihre Nachfolger durchaus nicht davon abhalten würde, gleichfalls zu stehlen. Es war eben einmal die Eigenart der Beamten, zu stehlen, wie es seine Pflicht war, sie dafür zu bestrafen, und so sehr er dessen auch schon überdrüssig war, so erfüllte er doch diese seine Pflicht mit ruhigem Gewissen.

»Es gibt eben bei uns in Rußland nur einen einzigen ehrlichen Menschen,« sagte er.

Tschernyschew verstand sogleich, daß er mit diesem einzigen ehrlichen Menschen sich selbst meinte, und lächelte beifällig.

»So ist's, Ew. Kaiserliche Majestät,« sagte er.

»Gib her, ich will meine Resolution daneben schreiben,« sprach Nikolaus, nahm das Aktenstück und legte es links neben sich auf den Tisch.

Hierauf hielt Tschernyschew über die Gratifikationen und die Verlegung der Truppen Vortrag.

Nikolaus sah die Liste der vom Minister für die Gratifikationen vorgeschlagenen Personen durch, strich einige Namen darin und verfügte dann kurz und resolut die Verlegung zweier Divisionen an die preußische Grenze. Er konnte es dem Könige von Preußen nicht verzeihen, daß er nach dem Jahre 48 seinem Lande eine Konstitution verliehen hatte, und hielt es trotz aller Freundschaftsversicherungen, die er in seinen Briefen an diesen seinen Schwager zum Ausdruck brachte, doch für geraten, auf jeden Fall an der preußischen Grenze die nötige Truppenzahl beisammen zu haben. Diese Truppen konnten unter Umständen auch Verwendung finden, falls etwa in Preußen ein Volksaufruhr – Nikolaus witterte überall den Aufruhr – stattfinden sollte, seine Krieger würden dann den Thron des Schwagers ebenso beschützt haben, wie sie seinerzeit den österreichischen Kaiser gegen Ungarn beschützt hatten. Auch waren diese verstärkten Truppenkontingente wohl vonnöten, um seinen verwandtschaftlichen Ratschlägen beim Könige von Preußen größeres Gewicht zu verleihen.

»Ja, wie stände es wohl jetzt um Rußland, wenn ich nicht wäre!« dachte er wiederum.

»Nun, was gibt es noch weiter?« sagte er dann.

»Aus dem Kaukasus ist ein Kurier angekommen,« begann Tschernyschew und erstattete seinen Bericht darüber, was Woronzow über Chadschi Murat und seinen Übertritt zu den Russen gemeldet hatte.

»Sieh da!« sprach Nikolaus, »das ist ja ein ganz hübscher Anfang.«

»Der Kriegsplan, den Ew. Majestät entworfen haben, beginnt seine Früchte zu zeitigen,« sagte Tschernyschew.

Dieses Lob seiner strategischen Fähigkeiten war Nikolaus ganz besonders angenehm, obschon er im Grunde seiner Seele fühlte, daß sie gar nicht vorhanden waren. Aber er legte nun einmal Wert darauf, auch als großer Stratege zu gelten, und wollte das ihm gespendete Lob recht ausgiebig genießen.

»Wie denkst du eigentlich über meinen Plan?« fragte er den Minister.

»Ich denke, daß der Kaukasus längst unterworfen wäre, wenn man den Plan Ew. Majestät, allmählich, wenn auch langsam, vorzudringen, indem man die Wälder niederschlägt und dem Feinde die Möglichkeit der Verproviantierung benimmt, schon früher zur Ausführung gebracht hätte. Daß Chadschi Murat sich ergeben hat, führe ich nur darauf zurück. Er ist zu der Einsicht gelangt, daß er sich nicht länger halten kann.«

»Ganz richtig,« sagte Nikolaus.

Der Plan, nur allmählich, unter Ausrodung der Wälder und Abschneidung der Zufuhr, in das Gebiet des Feindes einzudringen, stammte tatsächlich von den Generalen Jermolow und Weljaminow, und er stand zum Kriegsplane des Zaren in schroffem Gegensatz, der vielmehr darauf abzielte, Schamyls Residenz durch einen großen Coup in russische Gewalt zu bringen und dieses Räubernest zu zerstören. Nach diesem Plane des Zaren war auch die im Jahre 1845 ausgerüstete Expedition gegen Dargo unternommen worden, die so viele Menschenleben gekostet hatte. Gleichwohl schrieb Zar Nikolaus auch jenen andern Plan, das Land in langsamem Vordringen, unter allmählicher Niederlegung der Wälder und Aushungerung der Bevölkerung, zu erobern, sich selbst zu. Man hätte meinen sollen, daß, wenn er diese letztere Art des Vorgehens zu der seinigen machte, er unbedingt wünschen mußte, sein lebhaftes Eintreten für die auf einem ganz entgegengesetzten Gedanken beruhende Expedition von 1845 vergessen zu machen. Er legte hierauf jedoch nicht den geringsten Wert, sondern war auf beide Pläne, die nach seiner Meinung ihn persönlich zum Urheber hatten, in gleicher Weise stolz, obschon sie beide miteinander in schroffem Widerspruch standen. Die beständige offenkundige, den Tatsachen ins Gesicht schlagende, grobe Schmeichelei, deren sich seine Umgebung ihm gegenüber befleißigte, hatte ihn so weit gebracht, daß er die Widersprüche in seinem Handeln nicht mehr sah, daß er nicht merkte, wie seine Worte und Taten aller Logik und alles gesunden Menschenverstandes spotteten, und fest davon überzeugt war, daß alle seine Anordnungen, so unvernünftig, ungerecht und unlogisch sie auch sein mochten, einzig dadurch, daß sie von ihm ausgingen, vernünftig, gerecht und logisch wurden.

Das trat auch jetzt wieder bei seiner Entscheidung in Sachen jenes Studenten der medizinisch-chirurgischen Akademie zutage, über dessen Affäre ihm Tschernyschew nach seinem Bericht über die kaukasischen Angelegenheiten Vortrag hielt.

Der Tatbestand war folgender: Der junge Mann war bereits zweimal im Examen durchgefallen, und als nun der Examinator ihn zum drittenmal durchfallen ließ, ergriff der krankhaft nervös veranlagte Prüfling, in der Meinung, daß er ungerecht behandelt werde, ein auf dem Tische liegendes Federmesser und brachte damit in einem Anfall von Raserei dem Professor einige unbedeutende Wunden bei.

»Wie heißt der Bursche?« fragte Nikolaus.

»Brzozowski, Ew. Majestät.«

»Ein Pole, wie?«

»Er ist polnischer Abstammung und Katholik,« antwortete Tschernyschew.

Nikolaus runzelte die Stirn. Er hatte den Polen schweres Unrecht zugefügt, und um dieses Unrecht zu rechtfertigen, mußte er sich die Überzeugung erhalten, daß alle Polen Schurken seien. Und er hielt sie in der Tat dafür und haßte sie: er haßte sie in dem Maße, wie er ihnen unrecht getan hatte.

»Warte ein Weilchen,« sagte er, schloß die Augen und senkte den Kopf.

Tschernyschew kannte diese Gewohnheit des Zaren, sich, wenn es galt, irgendeine wichtige Angelegenheit zu entscheiden, für einige Augenblicke zu konzentrieren, als wenn eine Erleuchtung über ihn käme und eine innere Stimme ihm sagte, was er zu tun habe. Die so zustande gekommene Entscheidung sollte gleichsam von selbst erwachsen und über jeden Zweifel erhaben scheinen. Auch diesmal sann er in solcher Selbstversunkenheit über eine Entscheidung nach, die seinem durch das Verhalten dieses Studenten neubelebten Hasse gegen das Polentum Befriedigung gewährte, und die innere Stimme fand denn auch eine Lösung, die diese Zwecke erfüllte. Er nahm den schriftlichen Bericht des Ministers über die Angelegenheit des Studenten zur Hand und machte dazu in seiner unnatürlich großen Schrift die nachfolgende Marginalbemerkung:

»Er verdient die Todesstrafe. Doch gibt es bei uns, Gott sei Dank, keine Todesstrafe. Und es ist nicht mein Wille, sie einzuführen. Er soll zwölfmal an tausend Mann vorübergeführt werden. Nikolaus.«

Nikolaus wußte, daß zwölftausend Spießrutenhiebe einen qualvollen, sicheren Tod bedeuteten, ja daß schon die Verhängung einer solchen Strafe geradezu eine wollüstige Grausamkeit dokumentierte, da bereits fünftausend Hiebe genügten, um den stärksten Mann zu töten. Aber es bereitete ihm eben einen besonderen Genuß, unerbittlich grausam zu sein und sich dabei sagen zu können, daß es »bei uns keine Todesstrafe gebe«.

Nachdem er seine Resolution betreffs des Studenten hingeschrieben hatte, schob er das Schriftstück wieder dem Minister hin.

»Da – lies,« sagte der Zar.

Tschernyschew las die Randbemerkung und nickte zum Zeichen seines ehrerbietigen Erstaunens über die Weisheit der gefällten Entscheidung mit dem Kopfe.

»Ja – und alle Studenten sollen auf den Platz geführt werden und der Exekution beiwohnen,« fügte Nikolaus hinzu und dachte dabei im stillen: »Es kann ihnen nicht schaden – ich will diesen revolutionären Geist mit der Wurzel ausrotten.«

»Zu Befehl,« sagte Tschernyschew, schwieg dann ein Weilchen und kam nochmals auf seinen Bericht über die kaukasischen Vorgänge zurück.

»Was befehlen also Ew. Majestät an den Fürsten Woronzow zu schreiben?«

»Er soll sich streng an mein System halten – soll ihre Wohnstätten zerstören, soll der Tschetschna die Verproviantierung unmöglich machen und sie immer wieder durch Überfälle beunruhigen,« sagte Nikolaus.

»Und was soll betreffs Chadschi Murats geschehen?« fragte Tschernyschew.

»Nun, Woronzow schreibt doch, daß er sich im Kaukasus seiner Person bedienen will.«

»Ist das nicht zu gewagt?« versetzte Tschernyschew, indem er dem Blicke des Kaisers auszuweichen suchte. »Ich fürchte, daß der Statthalter zu vertrauensselig ist.«

»Und was meinst du denn?« fragte Nikolaus, der Tschernyschews Absicht, den Vorschlag Woronzows in ungünstigem Lichte darzustellen, sehr wohl durchschaute.

»Ich meine, daß es entschieden ungefährlicher ist, ihn nach Rußland zu senden.«

»So – das meinst du!« sagte Nikolaus spöttisch. »Ich aber meine das nicht, sondern gebe Woronzow recht. Schreib' ihm in diesem Sinne.«

»Zu Befehl,« sagte Tschernyschew, stand auf und verneigte sich zum Abschied.

Auch Dolgoruki, der während der ganzen Audienz nur als Antwort auf eine Frage des Zaren ein paar Worte über die Truppenverschiebungen an der Westgrenze geäußert hatte, verabschiedete sich vom Kaiser.

Nach Tschernyschew kam der Generalgouverneur der Westprovinzen, Bibikow, zum Wort. Er berichtete über die Maßnahmen, die er gegen die aufrührerischen, der Bekehrung zum orthodoxen Glauben widerstrebenden Bauern angewandt hatte, und der Kaiser billigte diese Maßnahmen und befahl ihm, alle diejenigen, die den Gehorsam verweigerten, vor ein Kriegsgericht zu stellen. Das hieß nichts mehr und nichts weniger, als sie zum Spießrutenlaufen verurteilen. Einen Zeitungsredakteur, der in seinem Blatte, den Tatsachen gemäß, berichtet hatte, daß auf Befehl des Kaisers einige Tausend Staatsbauern in Apanagebauern umgeschrieben worden seien, befahl er, als gemeinen Soldaten in ein Regiment zu stecken.

»Wenn ich die Bauern habe umschreiben lassen, so geschah es darum, weil ich diese Maßregel für notwendig hielt«, sagte der Zar. »Jedenfalls gestatte ich nicht, daß jemand darüber räsonniert.«

Bibikow begriff sehr wohl die ganze Grausamkeit der Anordnung, daß die zur unierten Kirche gehörenden Bauern, falls sie nicht zur russischen Kirche übertraten, vor ein Kriegsgericht kommen sollten. Er begriff auch, welche Ungerechtigkeit darin lag, daß jene Staatsbauern – die einzige Kategorie von freien Bauern, die es zu jener Zeit in Rußland gab – nun plötzlich in Apanagebauern, das heißt in Leibeigene der kaiserlichen Familie, umgewandelt werden sollten. Er durfte es jedoch nicht wagen, gegen diese Anordnungen einen Einwand zu erheben. Dem Kaiser zu widersprechen, hieß für ihn nichts anderes, als sich der glänzenden Position berauben, die er durch so viele Jahre innegehabt und weidlich ausgenützt hat. Er verneigte daher gehorsam seinen dunklen graumelierten Kopf, zum Zeichen, daß er bereit sei, die kaiserlichen Befehle, die ebenso grausam wie unvernünftig und eigennützig waren, zur Ausführung zu bringen.

Als Bibikow entlassen war, streckte Nikolaus im Bewußtsein seiner redlich erfüllten Pflicht behaglich seine Glieder, sah auf die Uhr und erhob sich, um sich in den Empfangssaal zu begeben. Er legte seine Uniform mit den Epauletten, den Orden und dem großen Band um und trat in den Saal hinaus, in dem bereits über hundert Menschen, Herren in Uniform und Damen in kostbaren ausgeschnittenen Kleidern, sich in festbestimmter Ordnung aufgestellt hatten, um zitternd und zagend das Erscheinen des Gewaltigen zu erwarten.

Mit leblosem Blick, die Brust weit vorstreckend und den eingeschnürten feisten Leib nach Möglichkeit einziehend, trat er zu den seiner Harrenden hinaus. Er fühlte, daß aller Augen mit dem Ausdruck sklavischer Demut auf ihn gerichtet waren, und nahm eine noch feierlichere Miene an. Da und dort fiel ihm ein bekanntes Gesicht auf, er suchte sich zu erinnern, wen er vor sich habe, blieb stehen, sprach auf russisch oder französisch ein paar Worte und hörte mit einem kalten Ausdruck der leblosen Augen die Erwiderung des Angesprochenen an.

Nachdem der Zar die Glückwünsche zum neuen Jahre empfangen, begab er sich in die Kirche. Wie die Menschen da drinnen im Empfangssaal, so hieß nun auch Gott ihn durch seine Diener willkommen, und er nahm die ihm von den Würdenträgern der Kirche entgegengebrachten Huldigungen, obgleich er sie schon bis zum Überdrusse oft vernommen hatte, mit Genugtuung entgegen. Alles das mußte so sein, weil von ihm das Heil und Glück der ganzen Welt abhing, und wenn die Sache ihn auch ein wenig angriff, so wollte er doch der Welt seine guten Dienste nicht vorenthalten.

Als nach Beendigung des Hauptgottesdienstes der prächtig angezogene, glattgescheitelte Diakon das Zarenlied »Viel Jahre lang« anstimmte und der Sängerchor mit seinen herrlichen Stimmen melodisch einfiel, ließ Nikolaus seinen Blick durch das Gotteshaus schweifen und bemerkte an einem der Fenster die Nelidowa mit ihren prächtigen Schultern. Er verglich sie noch einmal mit dem jungen Mädchen von gestern, und der Vergleich fiel nicht zugunsten der kleinen Schwärmerin aus.

Nach dem Gottesdienste begab sich Nikolaus zur Kaiserin und brachte, mit seinen Kindern und seiner Gemahlin scherzend, einige Minuten im Familienkreise zu. Dann ging er durch die Eremitage zum Hausminister Wolkonskij und wies ihn unter anderem an, aus seiner Privatschatulle der Mutter des jungen Mädchens von gestern eine Jahrespension zu zahlen. Von dort aus unternahm er seinen gewohnten Spaziergang.

Das Diner wurde an jenem Tage im Pompejanischen Saale eingenommen; außer den jüngeren Söhnen des Zaren und des Großfürsten Michail waren der Baron Lieven, Graf Rzewuski, Dolgoruki, der preußische Gesandte und der Flügeladjutant des Königs von Preußen zur Tafel geladen.

Während die Gäste die Ankunft des Kaiserpaares erwarteten, hatten Baron Lieven und der preußische Gesandte miteinander ein interessantes Gespräch über die letzten alarmierenden Nachrichten, die aus Polen eingegangen waren.

»La Pologne et le Caucase sont les deux cancers de la Russie,« sagte Lieven. »Il nous faut 100 000 hommes à peu près dans chacun de ces deux pays

Der Gesandte stellte sich höchst verwundert über diese Mitteilung.

»Vous dites, la Pologne . . .« sagte er.

»Oui, oui, c'était un coup de maître de Metternich de nous en avoir laissé l'embarras . . .«

In diesem Augenblick trat die Kaiserin mit dem wackelnden Kopfe und dem erstarrten Lächeln im Gesichte ein, und gleich nach ihr kam auch Nikolaus.

Bei Tisch erzählte Nikolaus von der Waffenstreckung Chadschi Murats. Er fügte hinzu, daß der Krieg im Kaukasus nun wohl bald infolge seines Befehls, die Bergbewohner durch Niederschlagen des Waldes und Errichtung eines Festungsgürtels zurückzudrängen, ein Ende nehmen werde.

Der Gesandte warf dem Flügeladjutanten einen Blick zu, noch an diesem Morgen hatten sie miteinander über die unglückliche Schwäche des Zaren, sich für einen großen Strategen zu halten, gesprochen. Jetzt erging sich der Gesandte in lauten Lobeserhebungen über den Kriegsplan des Zaren, der wieder einmal seine glänzende strategische Begabung ins rechte Licht gesetzt habe.

Nach dem Diner begab sich Nikolaus ins Ballett, wo ein ganzes Hundert nackter, nur mit Trikots bekleideter Frauen an ihm vorübermarschierte. Eine der Ballettdamen gefiel ihm ganz besonders, und er ließ den deutschen Ballettmeister in seine Loge kommen, dankte ihm für den Genuß, den er ihm bereitet, und ließ ihm einen Brillantring als Geschenk überreichen.

Als am nächsten Tage Tschernyschew wieder zum Vortrag erschien, schärfte Nikolaus ihm nochmals ganz besonders ein, er solle Woronzow dahin instruieren, daß er jetzt, nachdem Chadschi Murat zu den Russen übergegangen, mit verstärktem Nachdruck die Tschetschna beunruhigen und sie durch einen Kordon einschließen solle.

Tschernyschew schrieb in diesem Sinne an Woronzow, und der zweite Kurier begab sich, wieder ein Dutzend Pferde zu schanden fahrend und ebenso viele Postillone blutig prügelnd, mit seinem Bescheid nach Tiflis zurück.


 << zurück weiter >>