Ludwig Thoma
Der Jagerloisl
Ludwig Thoma

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Dunkle Schatten legten sich über die Almwiesen und hüllten tausendfaches Leben in Schlaf; wo noch die letzten Sonnenstrahlen hohe Baumgipfel in Licht tauchten, zwitscherten etliche Singvögel. Bald verstummten auch sie. Da und dort trat Wild aus, sicherte und begann zu äsen.

Überm Kamm tönte das Geläute von Kuhglocken herauf; das Vieh war ausgetrieben und weidete ruhig, da es nicht mehr von den Fliegen geplagt wurde.

Loisl ging der Hütte zu. Ein Licht grüßte ihn wie freundliche Einladung.

War 's Herdfeuer, und wartete Resei auf ihn?

Ein altes Almerlied fiel ihm ein, und er summte die Strophen für sich hin.

›Mir sitzen ins hi vor die Tür,
Schau, wia schön grasen de Küah!
Die Senndrin, de sitzt si neben mein,
Was kann denn noch fröhlicher sein?
Und sie singt mar a Liadl voll Freud,
Daß 's an Hall übers G'wänd außi keit,
Wo der Guguck schö schreit.

›Jetzt geh ma ge eini ins Bett,
Ganz freundli hat d' Sennerin g'redt...‹

»Ja... oder was! Gar so freundli hat s' net g'redt, wia s' bloß g'moant hat, i kunnt was moana. Passet si net... A Schneid hat dös Madel, und an Ernst beim G'spaß...«

›Auf da Alm is ganz andest, mei Bua,
Kannst d' Hosen aufhänga mit Ruah...‹

»I moan allaweil, de wer i ang'halten müassen... hö!...«

Eine Kuh rumpelte erschrocken von ihm weg und galoppierte mit scheppernder Glocke auf die Hütte zu.

Und dann stand er auch schon vor der Türe und klopfte an.

»Bist as du?«

»Ja... mach no auf, Resei!«

Sie öffnete und grüßte ihn freundlich, sagte aber: »'s is eigentli koa Zeit mehr.«

»Ja mei, i muaß draußd bleib'n, solang Schußliacht is.«

»Mir is weg'n der Wab'n, daß mir de koa G'red hermacht.«

»Waar ja net aus, bal der nächste Verwandte nimmer zuawi geh derfat.«

Sie lachte.

»Is s'scho soviel näher wor'n in oan Tag? Aber du werst Hunger hamm.«

»Jetzt hast amal was G'scheits g'sagt, Deanei.«

»Na' koch i dir an Schmarr'n.«

»Ganz richtig, schenier di no grad net!«

Sie rührte flink Mehl und Wasser an, warf einen Brocken Schmalz in eine Pfanne und stellte sie ans Feuer, in das sie dürres Holz legte.

Er setzte sich neben sie auf den Herd und sah ihr zu. »›Und schlagt mir sechs Oar in a Schmalz...‹« rezitierte er.

»Da werst di brenna; mit die Oar is nix.«

»Braucht's net, aber vielleicht kennst du dös Liadl?«

»I kenn's scho...«

»Na woaßt aa, wia's weitergeht? ›Daß i stark wer zum Falz...‹«

»Du redtst di 'a ganz leicht.«

»I net, aber 's Liadl.«

Sie schaute ihn an. Aus seinem gebräunten Gesicht blickten ihr gutmütige, lustige Augen entgegen, ein Lachen saß ihm in den Mundwinkeln; er konnte einem Mädel schon sehr gefallen.

Sie stocherte eifriger in der Pfanne herum und wurde rot; aber vielleicht war's nur der Widerschein vom Feuer.

»So... jetza«, sagte sie und stellte die Pfanne auf den Tisch, nachdem sie ein Holzbrett untergelegt hatte. »Laß dir's schmecken.«

Er folgte ihr gerne und löffelte den Schmarren ohne Hast, aber mit gründlicher Sorgfalt heraus.

»Verzähl mir a weng was, Resei.«

»I woaß net gar a so viel...«

»Von deine Leut, daß i d' Verwandtschaft a bissel kenn.«

»Ja mei, mir san grad unserner drei; d' Muatta, mei Bruada und i. Da Vater is scho lang g'storb'n.«

»Und jetzt hat d' Muatta 's Anwesen?«

»Bis da Sepp heiret. Er möcht scho lang, aber d' Muatta übergibt net gern. Is ja aa letz, a fremd's Weibets regiern sehg'n...«

»Des sell braucht freili beißen; wia groß is enker Sach?«

»An achtz'g Tagwerk, ziemli a Holz dabei. Küah fuattern mir zwanzgi.«

»Höllsaggera! Da san mir Fretter dagegen mit inserne vier Stuck.«

»Bloß du und dei Muatta?«

»Ja...«

»Na is leicht groß gnua. Hilfst d' mit bei der Arwat?«

»A weng; recht viel Zeit hab' i net.«

»De tat i mir halt nehma; dei Muatta muaß do aa scho bei die Jahr sei, und so a Trumm Mannsbild wia du...«

»I hab' halt mein Jagddeanst...«

»Ah, dös hoaßt do nix neb'n der richtigen Arwat.«

»Jetz is recht. Is d' Jagerei nix richtigs?«

»De is zum Vagnüag'n da...«

»Für mein Herrn vielleicht, aba net für mi...«

»Was brauchst du an Herrn, und kunntst dei eigner sei?«

»Jetzt siech i guat, du hast as a weng gegen d' Jaga; is mir scho heut in da Fruah sö fürkemma. Aber G'spaß beiseit', glaabst du vielleicht, i geh' grad so spazier'n mit 'n Schiaßprügel?«

»Is 's recht viel anderst?«

»Aba scho ganz anderst. Dös derfst mir glaab'n, i plag mi scho bessa wia'r a Bauernsohn oder a Knecht. Der Schnapper da mit der Heuarwat, der geht bloß a so drein bei mir, und bal s' vorbei is, was tean denn de andern? Tabak rach'n und d'Ohrwaschel rühr'n, daß s' eahna net ei'schlafen. Oder is dös was, dös bissel Dungert fahr'n und im Winter d' Holzarwat? Geh', hör mir auf! I bin 's ganze Jahr draußd bei an jed'n Weda und steh' jed'n Tag vor der Sunn auf. De Bauern achezen scho, wann s' im Summa vierzehn Tag hinteranand schö is, und bet'n um an Reg'n, daß s' in Gotts Nam' wieder amal ausschlaf'n kinna. I hab' koa Dahoambleib'n beim Regen. Und bis i oamal in a Wirtshaus kimm, san de andern dreiß'gmal drin g'wen. Des moants allaweils, dös is so a Sunntagsgaudi und braucht nix, als wia r' an Schneidhacken am Hut hamm und a Bix am Buckel. Mei Liabi, d' Jagerei braucht an Fleiß und an Verstand und an richtigen Menschen, auf den a Verlaß is. Mir schaugt mei Jagdherr net nach, ob ich mei Sach richtig mach, mir muaß dös mei G'wissen o'schaffen...«

Sie sah lächelnd, wie er in Eifer kam, und hörte ihm gerne zu. »Jetz iß no wieder!« sagte sie, »sinscht werd dir da Schmarr'n kalt.«

»Is ja wahr; ma kennt's, daß du von Lenggrias bist, wo s' d' Jaga net mögen.«

»I hab' no koan kenna g'lernt. Aba de Bauern, de bei ins viel außi gengan, hört ma net gar so loben.«

»Is aa nix; dahoam versamen s' d' Arwat, und draußen san s' für nix.«

»Jetzt sagst as selm.«

»Ja, Madel, dös is was anders; i red von der richtigen Jagerei, net von Umanandschiaß'n und Schind'n und Umbringa, was Haar und Federn hat.«

»Aba wenn's d' dei Sach dahoam hast... Waar's net do schöner?«

»Da hätt' mir d'Arwat nia g'langt. Was waar's nacha g'wen? Umanandflankeln?«

»Auf de Weis' bist du z'letzt gar zweg'n da Plag Jaga wor'n?«

»G'schiecha hab' i s' net, und dazua ganga bin i, weil i aufg'wachsen bin dabei.«

»Aft muaß i gar no mei Meinung umändern?«

»Werd Zeit sei, daß d' amal lernst, was d' Jagerei is...«

»Is recht. Aber heunt nimma; heunt geh'n i ins Bett... und du muaßt di jetzt auf'n Weg macha.«

»Muaß i?«

»I moan do scho.«

»I legat mi aufs Heu...«

»Na... na... mei Liaba! Fang mit dem net o!«

»Bal 's aber so weit is auf mei Hütt'n...«

»Is de schönste Nacht.«

»Geh', Resei! Muaß i no a Stund weit laffa?«

»Hast du mir net verzählt, wia gern du di plagst?«

»Bei'n Tag...«

»Laß guat sei... dös is umasunst.«

Sie sagte es so ernst, daß er sein Bitten aufgab und nach Büchse und Rucksack langte.

»Vielleicht bin i recht dumm«, sagte er.

»Bist no nia g'scheiter g'wen.«

»Guat, i geh. Aber oan G'fallen verlang i...«

»Bal 's sei ko...«

»Leicht. Hock di mit mir a weng vor d' Hütt'n außi...«

»Aber schau, d' Wab'n...«

»Hast d' selm g'sagt, daß 's so schö is...«

»A Viertelstund, aber net länger.«

Sie saßen nebeneinander auf der Bank, und unwillkürlich fanden sich ihre Hände, als sie in die Nacht hinaushorchten.

»Wia waar's denn, Resei, wann mir oans singet'n mitanand?«

»Wenn uns de Alt hört...«

»Na' wacht s' schö auf...«

»No ja... nacha... bring i de Zither außa.«

Sie holte sie, und er spielte.

»Steig i auf die hohe Alm, wo's viele Gamsein geit,
Da han i mit mein Stutzen a saggerische Schneid,
Ja, auf da hohen Alm,
Wohl auf da höchsten Schneid,
Bei meina Sennderin
Han i mei Freid.«

»Siehgst as, Resei, dös muaß wahr sei, daß ma bei der Sennerin bleiben derf. In an jeden G'sangl geht's auf dös naus.«

»Bleib no; Sennderin is d' Wab'n...«

Sie lachten, und dann sang sie ein paar Lieder, die er nicht kannte, aber beim Jodler tat er mit, immer lauter und schneidiger.

»Jetzt is Schluß«, sagte Resei; »der Hoamgart hat si lang gnua außizog'n...«

»Oans no! Kennst dös: Über de Alma?«

»Ja, dös kenn i, fang no o!«

Er setzte kräftig ein:

»Über de Alma, über de Alma...
Wann'st vorbei gehst, nacha schreist ma,
Und wann du glaub'n tuast, daß i schlaf,
Na wirfst a Stoandl aufi auf mei Dach.

Und 's Dirndl hat g'schlafen,
Hat dös Stoandl überhört,
Und wia sie munter is wor'n,
Da hat sie bitterli g'röhrt.

Es hat scho oans g'schlag'n, es hat scho zwoa g'schlag'n,
Es schlagt scho drei und vieri,
Sollt i hoamgeh, sollt i ädableib'n?
Pfüat di Good, mei Liabi!«

»Jetz geh aba!«

»I geh scho, und kemma tua'r i aa wieda.«

»Kimm no, mi g'freut's...«

»G'freut's di aufrichti, Resei?«

Er hatte sie an beiden Händen gefaßt und schaute ihr in die Augen; in denen las er eine Erlaubnis; er nahm sie herzhaft beim Kopf und busselte sie ab.

»Du!«

»No a paar!«

»Aber jetzt guat Nacht...«

»Hab i koan Nama?«

»Loisl!«

»Du liabs Madel, pfüad di Good... 's letzte zum Abschied.

Sie sträubte sich nicht.

Als er ging, war ihm so lustig zumut, als könnte er fliegen; er pfiff und sang vor sich hin und reckte die Arme auseinander in Freude und Kraftgefühl.

Nach einer Weile blieb er stehen und schaute zurück.

In der Hütte war noch ein Licht, jetzt erlosch es.

Guat Nacht, Resei!

Der Mond stand hoch über den Bergen.

»Ja, du g'schwollkopfeter Kerl, du liaber, was sagst d' jetzt da?«

Hatte er nicht auf ihn heruntergesehen vor etlichen Tagen, selbigesmal auf dem See?

Ein paar Worte von damals fielen ihm ein.

Daß er keinen Schatz habe und auch keinen möchte von da herum.

O du Schafhammel!

Und der dicke, gelbkopfete Kürbis da droben hatte es mit angehört. Aber jetzt?

»Hast ma wieda zuag'schaugt und dein G'spaß g'habt, du Spitzbua, du alter!«

    »Lustig is schon,
    Voraus in Summa,
    Meine lustigste Zeit
    Geht in Alma uma.
Der oa links und der ander rechts,
Der oa fragt s', und der ander möcht s',
Der oa schickt ihr an Gruaß,
Der ander hat s' scho beim Fuaß...
    Hujuhu hui! Juhu!«

Ja, Loisl, jung sein ist was Schönes und was G'spaßiges auch.


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