Ludwig Thoma
Altaich
Ludwig Thoma

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Dreizehntes Kapitel

»Es ist mir grad recht, daß unser Konrad mit dem Michel fort ist«, sagte Frau Margaret, als sie mit ihrem Manne im Gartenhause Kaffee trank. »Denn ich muß dir's endlich sagen, so geht's nicht weiter. Ihr schleicht um die Sach' herum, wie die Katz' um den heißen Brei, und ihn drückt was, und dich drückt was. Und warum? Weil ihr nicht offen miteinander redet, über was geredt sein muß.«

»Ich weiß schon, was du meinst ...«

»Freilich weißt du's, und der Michel weiß 's auch. Was soll werden? Er ist kein Bub, der in die Vakanz heimgekommen ist, und Gast sein, wo man daheim ist, das tut einem weh. Aber wie kann's anders gelten, und wie soll er bleiben? Darüber müßt ihr ins Reine kommen, er, und du erst recht, Martin. Denn dich kenn' ich. Du hast am ersten Tag geglaubt, daß von Rechts wegen der Michel hergehört, und du nicht mehr. Red' net! Ich seh' dir's an. Aber es is net wahr, denn er hat's aufgegeben und hint'lassen, und du hast's übernommen und rechtschaffen geführt. Die Wehleidigkeit hinterdrein hat keinen Wert, und du sollst net mit ihm umgehen, wie mit an g'schürft'n Ei. Offen reden, das muß jetzt sein ...«

»Was soll ich denn sagen, Margret? Wenn ich anfang', könnt' er meinen, er wird uns zu viel ...«

»Sag' ihm schnurg'rad, daß er dableiben muß. Was soll er denn sonst tun? Daß er nimmer zum Wallubischießen und zum Herumboxen taugt, sieht ma doch. Wenn er auch die größt'n Fäustling dabei hat. Das alte Leb'n kann er nimmer führ'n und in der Welt drauß'n was Neu's anfang'n, dazu is er zu alt und zu müd' ...«

»Daß er dableib'n muaß, sagst du?«

»Was denn? Oder hast du geglaubt ... ? Geh! Ich könnt' doch dir net so weh tun, und ihm gönn' ich 's Ausrast'n. Er hat sich lang g'nug 'rumtrieb'n. Aber einen Sinn muß die Sach' hab'n, und wie und was muß er wiss'n. Sonst kann ihm net wohl sein ...«

Martin streckte ihr die Hand über den Tisch entgegen.

»Wie mich das freut, Margret, daß du so red'st. Freilich hat's mich druckt, wenn ich mir's so vorgestellt hat', daß er wieder gehen müßt', und dann g'wiß zum letztenmal ...«

»Oh ihr Mannsbilder! Sagt ma immer von de Weiber, aber ihr seid tausendmal zimperlicher und könnt herumgehen mit euern Kümmernissen. Nur ja net reden und frischweg die Sach' anfass'n ...«

»Recht hast. Wie alleweil, Margret. Und weißt was, das best' is, wenn du mit dem Michel red'st ...«

»Nein ...«

»Schau, dann sieht er gleich ...«

»Nein. Das mußt schon du tun, denn es g'hört sich. Wenn ich red', schaut's so aus, als hätt' ich die Genehmigung hergeb'n. Das paßt sich net für mich und net für dich ...«

»Ja ... ja ... na red' schon ich ...«

»Sagst ihm: Michel schau, du mußt dei G'wißheit hamm. Fortlass'n tu' ich dich net, sagst, und wo willst auch in dei'm Alter hingehen? Und, sagst, du kannst mir an die Hand geh'n; es gibt allerhand z' tun, wo man Leut' braucht, auf die man sich verlass'n kann ...«

»M ... hm ... ja ... das werd' ich ihm sagen ...«

»Heut' noch, Martin.«

»Heut'? Aber es soll sich halt von selber geb'n. Meinst net?«

»Bei euch zwei gibt sich so was net von selber. Wenn ihr zwei beinand' hockt, verschluckt jeder das Beste, was er sag'n möcht.«

»Wenn ich nur wüßt' ...«

»Fang nur an, Martin, hernach gibt ein Wort das andre.«

Und dann ging es doch von selber.

Als Michel heim kam, erzählte er, wie ihn das gefreut hätte, etliche Bauernhäuser so wiederzufinden, wie er sie in der Erinnerung gehabt habe. Ganz unverändert, und sogar einen Birnbaum hätte er wiedererkannt, auf den er mehr wie einmal heimlich gestiegen sei. Das Kleinste freue ihn, und er könne sich's kaum mehr vorstellen, wie er das Heimweh ausgehalten habe ...

»Warum du nie mehr g'schrieb'n hast? Das hab' ich dich schon oft frag'n woll'n«, sagte Martin.

»Jo ... g'schrieb'n. I hab' kein Grund g'habt, g'wiß net. Amal übersieht ma's, und nachher kommt harte Zeit, und ma will net, und es kommt bessere Zeit, und ma kann net, und auf amal is 's so lang' her, daß ma g'schrieb'n hat, und da find't ma kein Anfang mehr ...«

»Mir hamm allaweil g'wart' und an dich denkt ...«

»Net öfter, wie ich daher denkt hab'. Amal, da war ich in den Darling Downs, und das ist der beste Platz für d' Schaf, und der Mac Lachlan hat drei oder vier Paddoks g'habt mit Platz für acht- oder zehntausend Schaf, und sei Schwester, sie hat Ruth g'heiß'n, die war a richtig's Frauenzimmer, nimmer jung oder so, aber dös g'hört net daher. Und da war i a paar Monat beim Mac Lachlan, weil er mi halt'n hat wollen und die Ruth auch, und i war gern dort, und wenn's in der Woch' oanazwanzgmal Schaffleisch geb'n hat, war's mir gleich, aber dös g'hört net daher. Und da is Weihnacht'n g'wes'n, aber net Winter, wie bei uns, sondern verdammt heiß, und ma war froh um an jed'n Schatt'n, und da hat der Mac Lachlan mit mir g'redt wegen der Ruth, weil sei Frau tot war, und Kinder hat er net g'habt, und da sagt er, es wär' ihm ein Ding, wenn ich die Ruth heirat'n möcht, und ihr wär's auch recht und so. Aber da is mir eing'falln, wie's daheim is, wenn überall Schnee liegt und der Christbaum anzündt is, und da hab' i g'wußt, daß i net bleib'n kann, und hab's ihm g'sagt, warum. Der Mac Lachlan hat mich net verstand'n und hat g'meint, wenn ich gute Zeit hab', denk i nimmer dran und so. Aber i hab' net können . . .«

»Und jetzt weiß ich erst recht«, sagte Martin, »daß d' nimmer fortdarfst, und daß d' dableib'n mußt.«

»Ja ... dableib'n. I hab' zwoa Meinunga ...«

»I hab' bloß eine, und mir müssen das tun, was der Mutter und dem Vater recht wär'. Was tät'n die sag'n, wenn i di nochmals geh'n lasset?«

»Aber schau, i kann net da sitz'n ...«

»Mithelf'n kannst. Da find't sich leicht was; und wie lang' dauert's dann geh' ich in Austrag, und nachher schau'n wir den Jungen zu ...«

Michel rieb sich mit dem Handrücken die Stirne, aber Martin war jetzt lebhaft und beredt.

»Du mußt dir die Sach' net lang' überleg'n. Es geht, und i bin froh, daß's geht. I wär' net da, wenn du net gangen wärst.«

»Du bist verheiratet und hast Kinder, schau ...«

»D' Margret war die erst', die g'sagt hat, daß du nimmer weg darfst, und sie hat g'sehn, daß mir die G'schicht' im Kopf 'rumgangen is und dir auch, und sie hat g'sagt, ich müßt' mit dir red'n ...«

»Wenn ein Frauenzimmer schon amal gescheit is«, sagte Michel, »hernach is s' aber g'wiß g'scheiter wie mir.«

Er gab dem Bruder die Hand, und dann war's abgemacht, und wie es das gescheite Frauenzimmer vorausgesehen hatte, wurden die zwei nun gesprächig, wie Leute, die was vom Herzen weg haben.

Sie machten Pläne, wo Michel wohnen sollte, denn im Haus war's doch zu eng, und was Eigenes haben, war besser; auch hatte der Schreiner Harlander ein Zuhäusel, das leer stand und für billiges Geld zu mieten war. In der Mühle war gleich Beschäftigung für Michel zu finden. Getreide abnehmen und Mehl ausliefern und das Lager in Ordnung halten. Dazu gehörte nicht viel Schreiben und Rechnen, aber Ehrlichkeit.

Die Aussicht, daß er arbeiten und nicht unnütz herumhocken werde, stimmte Michel froh, und er malte sich mit dem Bruder eine tätige, schöne Zukunft aus.

Wie Margaret dazu kam, erfuhr sie, daß nun alles in Ordnung sei. Man hätte es ihr nicht zu sagen brauchen, denn wie Michel übers ganze Gesicht lachte und ihr beinahe die Hand zerquetschte, wußte sie's gleich.

»Und denk' dir grad«, erzählte Martin nach einer Weile, »in Australien drüben hätt' der Michel ein nettes Mädel heiraten können, und hätt' eine Farm kriegt mit zehntausend Schaf ...«

»Zwischen acht- und zehntausend«, verbesserte Michel. »Amal waren's mehr, amal weniger. Aber nettes Mädel kann ma net sag'n. Die Ruth war schon hoch in die Dreißiger und ziemlich mager und boanig ...«

»Schau! Schau!« dachte Frau Margaret. »So sind die Mannsbilder. Es kann ihnen noch so schlecht gehen, heiklig wären s' doch . . .«

Der Hallberger hämmerte an einer Riesenstange herum, als ein breiter Schatten über den Boden der Werkstatt fiel und Michel unter der offenen Türe stand.

»Je ... der Michel ...«

»Grüß Gott, Karl. I hab' amal herschauen woll'n zu dir.«

»So is recht; geh' no eina ...«

Die zwei begrüßten sich, und Xaver, der hinten an einem Schraubstock stand, stellte sachverständig und bewundernd fest, daß der Bruder vom Ertlmüller, von dem er schon allerhand gehört hatte, weitaus die größeren Pratzen hatte, wie der Meister, und daß er überhaupts, wie er so dastand, schon ein teufliches Mannsbild war.

»Dei Haus is no grad' so, wie's war, Karl ...«

»Hab' nix umbaut; bloß der Lad'n hat um a Fensta mehra, aber sunst is 's beim alt'n blieb'n ... hätt' aa koan Wert net g'habt . . . no ja ... und wie g'fallt's nacha dir dahoam?«

Ein behagliches Lachen ging über Michels Gesicht. »Gut, Karl. So gut, daß ich meiner Lebtag nimmer furtgeh' ...«

»Ja, was sagst da? Dös is amal recht. Werst auf de alten Tag do wieder an Altaicher.«

»I hab' a bissel lang' braucht dazu ...«

»Spat is besser, wie gar net. Aba woaßt was? Auf dös nauf trink ma 'r a Maß, bal's dir recht is, im Blenninger Keller.«

Der Hallberger band sich die Schürze los.

»Gern«, sagte Michel. »Aber i hab' dei Frau no net g'sehg'n, und a Tochter hast auch?«

Über den braven Schlossermeister kam eine Verlegenheit, die er nicht recht verbergen konnte.

Er warf einen raschen Blick auf den Gesellen, der unbekümmert drauflos feilte.

Den Lehrbuben ertappte er dabei, wie er neugierig über eine Kiste wegblinzelte.

»Was suachst denn du da?« fragte er ihn barsch.

»A Ding ... a ... Schraub'nmuatta ...«

»Net so lang suacha, gel! Sunst hülf i dir. Kohl'n san aa wieder koa herob'n ... muaßt du umanandsteh' und faulenz'n?«

Er schloff in seinen Janker und holte eine verrußte Mütze vom Nagel herunter.

»Kumm!« sagte er zu Michel und ging voran zur Türe hinaus. Der Seppl schaute ihnen nach.

»Hast'n g'hört?« fragte er Xaver.

»Nix hab' i g'hört, und Saubuab'n, de gar so vui hör'n un aufpass'n, nimmt ma bei de Ohrwaschl, bei de windig'n ...«

Zwischen Lehrbub und Gesellen kommt es nie zu netter Vertraulichkeit.

Auf der Straße sagte Hallberger, nachdem er sich nochmal geräuspert hatte:

»Mei Frau ... de siehgst schon an andersmal, und ... ah ... mei Tochta ... de bleibt net lang da, und wenn'st as net siehgst, is aa'r a so.«

Michel merkte, daß er eine wunde Stelle berührt hatte, und nichts hätte ihn vermocht, noch eine Frage zu stellen, die dem alten Kameraden weh tun konnte. Er blieb stehen und suchte in seinen Taschen umständlich nach dem Tabakbeutel und fand ihn lange nicht, und dann klopfte er seine Pfeife leer, obwohl sie kaum halb ausgeraucht war, und stopfte sie wieder, denn das gab ihm Zeit, sich auf was anderes zu besinnen.

»Wie geht's eigentli an Blenninger?« fragte er.

»Guat. Wia's eahm allaweil ganga is, plagt und kümmert hat den seiner Lebtag nix.«

»I kann mi no gut erinnern, wie er als Bua war. Staad und faul, und wenn mir g'spielt hamm, hat er net mittun mög'n. ›Es is mir z' fad‹, hat er allaweil g'sagt.«

»So is er blieb'n. D' Lebhaftigkeit mag er heut' no net.«

Sie kamen im Sommerkeller an, der noch beinahe leer war.

Nur zwei Leute saßen neben der Schenke; der Martl und der Hansgirgl, die es erfahren hatten, daß frisch angezapft war. Hallberger und Michel setzten sich unter eine mächtige Linde, und als ihnen die Kellnerin zwei überschäumende Krüge gebracht hatte, stießen sie miteinander an.

»So ... so ... also jetzt bleibst bei uns? I glaab, es hätt' dir nix Bessers einfall'n kinna.«

»I bin froh über dös, Karl, daß i richtig dableib'n ko. Denn i hätt' eigentli net g'wußt, wo i sunst was find'n hätt' soll'n.«

Und Michel erzählte, wie er wohl vom ersten Tag an den Gedanken und den Wunsch gehabt, aber wie er sich's doch kaum gehofft habe.

Wie dann der Martin so brüderlich gewesen sei und ihm obendrein zu leichtem Verdienst geholfen habe, so daß er seinen Leuten nicht auf der Suppenschüssel hocken müsse.

Der Hallberger hörte ihm zu, und da fiel ihm ein, was er zuerst vom Staudacher als dumme Meinung gehört hatte, und dann auf einem Umwege durch den ganzen Markt wieder als fest verbürgtes Gerücht zu ihm gedrungen war, daß der Michel Oßwald sich in fernen Weltteilen als Sklavenhändler viel Geld zusammengerafft habe und als steinreicher Mann heimgekehrt sei.

Da saß der schreckhafte Mensch vor ihm und freute sich auf Arbeit und Wochenlohn.

»Der da drent«, sagte Martl, »dös is der Bruada vom Ertlmülla, der wo jetzt auf oamal hoam kemma is.«

»Vo dem hört man allerhand«, antwortete Hansgirgl. »A Gschlaf'nhandler soll er g'wen sei.«

»Ja, und a Kist'n g'häuft voller Goldstückl hat a mitbracht, und an eiserne Lanz'n hat a dabei g'habt auf da Roas, daß eahm koana übers Geld kimmt ...«

Hansgirgl schaute tiefsinnig vor sich hin.

»Was 's all's gibt auf dera Welt!« sagte er.

Der Martl aber kam ins Erzählen.

»I woaß net, wia de G'schicht aufkemma is, ob 'n 's G'richt überschrieb'n hat, oda ob er sei frühers G'schäft beim Bürgermoasta o'geb'n hat müass'n, obwohl daß wieder oa sag'n, dös hätt' er g'wiß net to, weil er strafmaßi waar durch dös, aber wiss'n tuat ma's g'nau, und d' Leut' sag'n, daß's da koan Zweifi überhaupts net gibt. Da Lenzbauer is neiling extra vo Riadering eina g'fahr'n in d' Ertlmühl, g'rad daß a den Gschlaf'nhandler siecht, hat er g'sagt, weil dös eppas Seltsams is, sagt a, und er hätt'n gern g'fragt, hat er g'sagt, wia's bei der Handelschaft zuageht, daß ma d' Leut' vakafft als wia's Vieh, und was man da für Preis' löst und a so, aba, sagt a, traust di halt do net, daß d'n pfeigrad fragst, aber amal werd si scho a G'leg'nheit geb'n ...«

»A Gschlaf'nhandler«, sagte Hansgirgl. »Saggera! Dös waar was für mi g'wen!«

»Was sagst d'?«

»Für mi waar dös was g'wen. In frühere Jahr. Da hätt' mi oana glei hamm kinna zu dem G'schäft.«

»Ja freili ...«

»Bal a da's sag'. Was moanst denn, wia so oana lebt, mei Liaba!«

»Bei de Wild'n?«

»Da hätt' i nix danach g'fragt. Bei de Wild'n gibt's aa sauberne Madel. Dös derfst glaab'n. I hon amal z' Minga drin bein Oktobafest so a Negerbandi beinand g'sehg'n ... Da san etla dabei g'wen.«

»Sauberne?«

»Ja. Feste Brocka, mei Liaba! G'rad daß s' net extri g'haxt war'n, aber sunst hat si nix g'feit.«

»Ah?«

»Und so a Gschlaf'nhandler, laß da sag'n, der tuat si leicht. Vorgestern is da Staudacher in Sassau drent g'wen. Der hat ma all's g'nau vazählt.«

»Woher woaß 's denn nacha der?«

»Aus an Büachi, wo all's beschrieb'n is. Freunderl, so a Gschlaf'nhandler hat a schön's Leb'n! Da ko'st da nix denga ...«

»Geh'?«

»Siehgst, da is zum Beispiel a Dorf, wia bei ins, bloß daß Schwarze drin san. Jetzt kimmt da Gschlaf'nhandler mit seina Kumpanie und stellt Post'n auf, daß vo de Schwarz'n koana außa ko. Vastehst? Nacha geht's los. D' Mannsbilda wer'n außa zarrt und de oa Seit'n aufg'stellt. Auf de ander Seit'n kemman d' Weibsbilda. Jetza kimmt da Gschlaf'nhandler und schaugt si 's o. De, wo eahm g'fall'n, de g'hör'n eahm. Da werd überhaupts nix g'red't ...«

»Grad' nehma', sagst d'?«

»Freili. Weil er da Kommandant is, da hat er sei Recht auf dös.«

»Herrschaft! Da muaß 's wild zuageh'!«

»Schö geht's zua. Was moanst denn, bal de Weibaleut' aufg'stellt san in Reih und Glied, und koan Schwindel gibt's net, weil s' nix o'hamm, und bal dir oani g'fallt, deut'st drauf hi. Is scho abanniert.«

»Da mög'st du dabei sei?«

»Jetza nimmer a so. Aber früherszeit'n waar dös a Post'n g'wen für mi.«

»Da bin i scho liaba dahoam g'wen.«

»Ah, was hat ma denn gar so Schö's g'habt? Bal s' oan am Kammafensta dawischt hamm, hamm s' oan über d' Loata oba g'schmiss'n oda mit an buachan Prügel übern Kopf übri g'haut ... ., und mit de Weibaleut' hast de längst' Zeit dischkrier'n müass'n und schö tua. I hätt' halt paßt für an Gschlaf'nhandler ...«

Hansgirgl trank und wischte sich mit der Hand den nassen Schnurrbart ab. Dann versank er in Schweigen und ließ seine liederliche Phantasie in ferne Länder schweifen.

Derweil war es dämmerig geworden, und die Altaicher Bürger kamen zum Abendtrunke. Sie setzten sich unweit von Hallberger und Michel an etlichen Tischen zusammen und unterhielten sich geheimnisvoll mit geflüsterten Worten und bedeutsamen Blicken.

Die zwei achteten nicht darauf, denn der Hallberger Karl schüttete vor seinem alten Kameraden sein Herz aus, freilich nicht in langen Sätzen, oft nur mit halben Worten und unwilligen Gebärden, aber doch so gründlich, daß Michel sah, wie sich auch in einem stillen Winkel Geschehen und Werden zu einem unklaren Knäuel verwirren konnten.

»Es is aa dahoam net all's schö«, hatte der Hallberger gesagt. »Oft hab' i mir scho denkt, wia guat's g'wen waar, wennst mir selbigsmal net aus'n Bach außazog'n hätt'st ... Waar mir allerhand derspart blieb'n ... wisset i allerhand net, was ma net gern woaß ... na ... na! Brauchst d' nix sag'n ... dös is amal a so. 's Leb'n is g'spassi, mei liaba Michl, und oft geht's dumm und geht verdraht, und kunnt do all's so oafach und richtig geh'. Wenn überall Verstand dabei waar. Aber a so! Ja! 's Leb'n ko g'spassig sei!«

Und dann erzählte er, wie leer ihm das Haus geworden war, und wie unnütz das Leben, die Arbeit, alles. »Für wen plag i mi? Und für was? Rein für gar nix, umadum gar nix. Da bild't si da Mensch ei, wenn ma sei Sach macht und rechtschaffen is, nacha ko si nix fehl'n. Moant ma. Jawohl! Ah was! Nix is ...«

Da hätte wohl niemand Trost gewußt, und der Michel wußte schon gar keinen. Er streckte nur öfter die Hand über den Tisch.

»... No ... No ... Karl ... schau! Am End' is besser, du denkst net drüber nach.«

»Net nachdenk'n? Dös Kunststück wenn mir oana lernt, dem gib i viel. Mitt'n in der Arbet falls's oan ei, und der Hammer schlagt immer auf. Siehgst, von der Alt'n hat sie's. 's Lüag'n is dös schlechtest auf da Welt. Mit dem fangt all's o, all's, was dreckig is. Und de Alt' lüagt und blinzelt net mit de Aug'n dabei. Ko die o'schaug'n, als wenn s' nomal d'Wahrheit saget, und lüagt mit jed'n Wort. Jetzt woaß i 's freili. Aba es hat a Zeit geb'n, da hab' i 's net g'wußt und hätt's aa net glaabt. D' Leut' sag'n, i war z' guat, oder z' dumm, wern s' moana. Du werst as scho no hör'n, wennst länger da bist. Hast as vielleicht scho g'hört ...«

»Koa Wort davo hab' i g'hört, Karl. Schau, sonst hätt' i heut wohl net d' Red' drauf bracht ...«

»No ja ... na werd's net lang hergeh', und es verzählt dir oana de G'schicht vom dumma Hallberger. In Altaich is jeder g'scheit für mi; jeder hätt's besser g'macht und anderst. Koana hätt' si 's g'fall'n lass'n. Aber i war z' guat. Und is do net wahr, Michl. Derfst ma 's glaab'n. Ma schlagt nix nei, ma schlagt nix raus bei an Kind ... is all's net wahr. Dös steckt drin, z' tiafst, wo's d' net hi'kimmst und wannst no so viel Steck'n abschlagst. Es steckt im Bluat. De Alt' lüagt, und vo dem kummt 's ...«

»Bst, Karl! Es sitz'n Leut' hinter uns ...«

»Und spitz'n d' Ohr'n, moanst. Ja ... ja ... sie hamm s' lang gnua, aba sie hör'n nix Neu's. Ah was! de wissen's scho lang und wissen all's besser wia'r i ... Zahl'n ma und genga ma, wenn's dir recht is.«

Sie brachen auf, und alle Blicke folgten ihnen oder folgten dem Seeräuber und Sklavenhändler Michel.

Es dunkelte schon, als sie auf den Marktplatz kamen, und von der Wetterseite her schoben sich schwere Wolken über das Vilstal.

Hallberger blieb stehen.

»Geh' ma hint rum; i geh' mit dir über d' Ertlmühl. Hoam mag i jetzt net.«

»Is recht, Karl ...«

»An Ekel hab' i, wann i bei da Haustür nei geh' ...«

»Schau, wer woaß? Vielleicht werd no all's besser ...«

»Besser wer'n? Na, Michl, dös is nimmer mögli, net amal, wenn der Will'n dazua da waar. De Alt' lüagt, und de Jung hat's von ihr. I denk' oft über dös nach, derfst ma 's glaab'n, und i woaß: was hin is, is hin ...«

Sie gingen schweigend zum Orte hinaus und hätten nun sehen können, wie sich die dunkle Wolkenwand immer höher schob und hinterm Sassauer Wald schon von Blitzen zerissen wurde. Aber Michel achtete nicht darauf in seinem Mitleid mit dem armen Manne, der neben ihm herging und zuweilen undeutlich vor sich hinmurmelte. Bei einer Bank blieb Hallberger stehen.

»Hock' ma'r uns a weng her! I hab' Jahr und Jahr net g'red't über dös und hab's in mi neig'fress'n. Jetzt tuat's ma schier wohl, daß i amal all's sag', und zu dir is guat g'sagt. Bei an andern bracht i s' net z'samm, weil i mir allaweil denk', der laßt di red'n und hat no sei Untahaltung von dein Lamentier'n. Aber bei dir is anderst, und du glaabst ma's aa, was i sag' ...«

»Freili glaub' i dir's ...«

»Ja ... Michl ... gel? Hätt'st dir aa net denkt, daß d' heut' no so an Dischkurs z' hörn kriagst? Derf di net vadriaß'n, woaßt. I wollt, i kunnt dir was Schöners verzähl'n ...«

»Siehgst, jetz hab' i dreiviertel Leb'n hinter meiner, und wann i d' Rechnung mach', kimmt a Nuller raus. Es is für nix g'wen. Für gar nix ...«

»Karl, so kunnt i aa denk'n ...«

»Du? Weil's d' ledi bist und in da Welt umanandkugelt bist? Weil's d' koa Hauswes'n hast? O mei Mensch, dös hoaßt gar nix. A Famili hamm, all's drauf setz'n, und nacha ... verlier'n, verschmeiß'n ... so hundsdumm kaputt geh' sehg'n ... ah was! Genga ma! I begleit di hoam, und nacha geh' i zum Schlaf'n. Schlaf'n-arbet'n-arbet'n-schlaf'n ... Amal werd's sho gar wer'n, und jetzt laß ma 's guat sei ... es hat koan Wert net, drüber red'n ... Aber es war halt heut' so a Tag. 's erstmal, daß mir beinand' war'n nach der langa Zeit. Da is mir all's eig'falln. 's jung sei', dös lustige jung sei', und 's Glaab'n und 's Hoff'n ... und dös ander.«

Sie gingen wieder schweigend nebeneinander her und beeilten sich auch nicht, als ein heftiger Wind auffrischte und schwere Regentropfen fielen.

An der Brücke nahm Hallberger Abschied.

»Also Michl, guat Nacht! Und nix für unguat weg'n der Jammerei! ... Paß auf, no was. Gel? Wenn dir oana so was vorred't, wia 's er g'macht hätt statt meiner, glaab' s eahm net. Mit 'n Schlag'n is nix g'richt' ... Ma schlagt nix raus aus an Kind, wann's amal tiaf sitzt ... Guat Nacht!«

Michel ging langsam und nachdenklich heim.

Es gab Stunden, in denen er dachte, daß alles sich besser und schöner gestaltet hätte, wenn er nicht in die Welt hinausgegangen wäre.

Aber da konnte nun einer auch daheim die Rechnung so bitter abschließen; dreiviertel Leben vorbei, und war für nichts.

Der Hallberger ging mißmutig weiter.

Die Aussprache hatte ihn doch nicht erleichtert.

»Für was eigentli?« sagte er vor sich hin. »Dös Red'n hat aa koan Wert; nix hat an Wert. Is all's a Schmarr'n . . .«

Da fiel ihn mit wütendem Bellen ein kleiner Hund an. Er kannte das giftige Gekläff.

Und er kannte auch die Stimme: »Fifi! Viens donc!«

»De? Um de Zeit und da herunt'n?«

Hastig schritt er darauf zu. »Heda!«

»Jessas! Der Vata ... !«

Hallberger sah, wie ein Mann die Böschung hinuntersprang durchs Gebüsch, daß die Zweige krachten.

Dann war's still, und er stand vor seiner Tochter, dem Fräulein Mizzi Spera vom Chat noir.


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