Ludwig Thoma
Altaich
Ludwig Thoma

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Siebentes Kapitel

In Altaich sprechen sich seltsame Ereignisse schnell herum, und so wußte man schon ein paar Stunden nach ihrer Ankunft, daß die Hallberger Marie heimgekommen war als der fremdartigste Gast, den der Ort in diesem merkwürdigen Sommer aufgenommen hatte. Und doch war die Tochter des Schlossers Hallberger eine Einheimische, war in Altaich geboren, aufgewachsen und in die Schule gegangen, aber als Diseuse Mizzi Spera vom Chat noir in Berlin waren ihr fremde Federn gewachsen. Das zeigte sich ganz auffällig, als sie nun kam.

Ihr Kleid von schreiender Farbe war vielleicht nach der Mode gemacht, paßte aber so wenig fürs Haus wie fürs Freie.

Es trug sich salopp und war unordentlich, wie alles, was sie an sich hatte, mochte es auch neu sein und Geld genug gekostet haben.

Sie selber war ein Nachtstern eines Kabaretts, der ausgelassenen Philistern und tollenden Ladenschwengeln zu scheinen hatte, ganz und gar nicht für Luft und Sonnenlicht geschaffen.

Das Gesicht war schlaff und fettig, trotz des aufgelegten Puders; die Augen waren müde und verschleiert; ihr Gang, dem alle Geschmeidigkeit fehlte, konnte verraten, daß sie keine weiten Wege in der freien Luft gemacht hatte, sondern auf einem Podium hin und her gestelzt war. An einer Leine führte sie ein unglückliches Tier, einen kleinen Seidenpinscher, der aus buschigen Haaren heraus dumm in die Welt schaute, und der als Abzeichen seines jämmerlichen Lebenszweckes ein rotes Band um den Hals trug, das zu einer großen Masche geknüpft war.

Fifi roch wie seine Herrin nach peau d'Espagne; als er losgelassen wurde und kläffend in der fremden Welt herumsprang, lief ein Schnauz auf ihn zu. Aber sobald er das sonderbare Wesen beschnüffelt hatte, hob er ein Bein.

Ein durchdringender Schrei der Diseuse rettete Fifi, allein er durfte sicher sein, daß ihn jede Begegnung mit einem ehrlichen Altaicher Hunde dem nämlichen Attentate aussetzen mußte.

Denn in Altaich hat man nicht das rechte Verständnis für Geschöpfe, die nach peau d'Espagne riechen, und deswegen zog auch der Stationsdiener Simmerl die Nase auf, als Mizzi Spera auf Stöckelschuhen an ihm vorüberklapperte.

Wie man ihm hinterher sagte, daß das spaßige Weibsbild die Hallberger Marie gewesen sei, pfiff er durch die Zähne und drückte ein Auge zu.

Die Stütze des Chat noir schritt mißmutig dem Orte zu, der ihr, wie sich nicht leugnen ließ, bekannt, aber ganz und gar nicht vertraut war.

Es hatten schon recht unangenehme Dinge zusammentreffen müssen, um sie nach sechs Jahren zu einer Reise nach dem Neste zu zwingen.

Wäre in der Sommerzeit das Kabarett nicht eingetrocknet, hätte ihr Freund, das alte Ekel, nicht mit seiner Familie ins Bad reisen müssen, hätte er wenigstens groß gedacht und ihr genügend Geld – Putt-Putt hieß es Mizzi Spera – zurückgelassen, dann wäre sie doch nie auf die weinerliche Idee gekommen, heimzukehren.

Aber – – –

Da mußte sie nun durch den Staub schlurfen, hatte ihre Not mit dem Hunde – »Fifi! Viens donc! Ici! Du willst wohl Bimse?«

Mizzi hob drohend eine ledergeflochtene Peitsche empor, was sie wie eine Tierbändigerin ausschauen ließ, und Fifi kam.

So zog sie mit wiegenden Hüften, den Hund, der wie rollender Muff aussah, an der Leine, in Altaich ein, und stand wenige Minuten später vor ihrer überraschten, glücklichen Mutter.

Es war ein kleines Schulmädel, das mit zwei braunen Zöpfen, die kaum unter Schulterhöhe hinunterbaumelten, mit einer Stupsnase und etwas aufgeworfenen Lippen sich wenig oder nicht von andern unterschied, die mit ihr gewichtig schwätzend über den Marktplatz gingen, oder mit klappernden Schulranzen am Kirchenweg Fangemanndel spielten, die an warmen Frühlingstagen ihre Schusser an die Hauswände warfen, oder auf der Schreinerweise saßen und ernsthaft ihre Puppen pflegten. Das kleine Mädel lachte so froh wie die andern, flocht sich Kränze aus Schlüssselblumen und Schneeglöckchen, oder Ketten aus den Stengeln des Löwenzahns und zählte lustig mit:

Eins, zwei, drei,
bicke, backe, bei,
bicke, backe Pfannastiel,
hockt a Manndl auf da Mühl.

Es horchte auf, wenn man ihm sagte, daß über den Wolken der Himmelvater thronte, es sah zu Weihnachten des Christkind am Fenster vorbeihuschen und erschauerte ehrfürchtig, wenn am Karsamtagabend bei einfallender Musik der Heiland auferstand.

Es trippelte froh und glücklich in der Fronleichnamsprozession mit und war nicht stolzer auf seine gebrannten Locken als seine Gespielinnen.

Es konnte aufwachsen zu einem rechtschaffenen, nützlichen Frauenzimmer, das seine Pflichten kannte und erfüllte.

Warum wurde es nicht so wie die andern, und wurde die pikante Diseuse, die ausgelassene Philister und Ladenschwengel in Entzücken versetzte?

»Ui Kind ist a Unglück«, sagte der Allgäuer Mangold, der dazumal Geselle bei Hallberger war und recht wohl sah, wie die Marie von ihrer Mutter um so mehr verzogen wurde, je älter sie wurde.

Freilich blieb sie das einzige Kind, und für die dumme Hallbergerin war sie schöner wie andere, und vor allem zu was Besserem bestimmt.

Deswegen mochte die Schlosserin nicht, daß ihre Marie nach der Werktagsschule zur häuslichen Arbeit erzogen wurde; das feine Kind mußte zu den Englischen Fräulein nach Piebing geschickt werden, wo sie Klavier spielen und Französisch plappern lernen konnte.

Von den Schwestern nahm sie freilich nichts Schlimmes an, aber in dem Institute waren viele Mädeln; und die wenig taugten, schlossen sich der Hallberger Marie an.

Sie hatte Heimlichkeiten mit ihnen, lernte das Faulenzen und erfand Lügen, um unbeobachtet seichte Romane zu verschlingen.

Als sie mit sechzehn Jahren heimkam, taugte sie schon zu keiner Arbeit mehr, selbst wenn es die Mutter übers Herz gebracht hätte, dem Fräulein eine zuzumuten.

Die sah aber mit Genugtuung, wie apart sich die Tochter gab und wie sie mit faulen Gliedern in die Feinheit hineinwuchs.

Der Hallberger hatte wenig Gefallen daran, aber er war daheim machtlos. Seine Agath konnte einen Streit ins Endlose ausspinnen, über viele Tage weg, so lang, bis er sich verspielt gab.

Dem schwerfälligen Manne war nichts unlieber als Streit und Maulfertigkeit und nichts lieber als Ruhe nach Feierabend.

Es verdroß ihn wohl, wenn er das junge Ding unnütz herumstehen oder über Büchern hocken sah, und er fuhr Mutter und Tochter hart an.

Aber dann hielt die Alte in Gegenwart ihrer Marie Reden, die mehr verdarben, als seine Scheltworte nützen konnten, und das Ende war immer das gleiche.

Der Hallberger ging fuchsteufelswild in die Werkstatt, hämmerte drauf los und wußte, daß ihn abends der Zank daheim erwartete.

»Er ist so zornig, er kunnt a Nuß mit'm Hindre ufbiß'n« sagte der Mangold. »Aber was nutzts? D'Wiber händ mea Gewalt as Schießpulver.«

Darum schwieg der Hallberger zu vielem und half sich mit dem leeren Troste, daß es mit den Jahren besser werde.

Faulenzen ist aber eine wachsende Krankheit, die das Gemüt angreift. Marie sehnte sich immer mehr hinaus aus dem kleinen Orte, dem sie die Schuld an ihrem Unmute und ihrer Langeweile gab.

Wenn sie nicht las, träumte sie sich selber einen Roman zusammen, in dem sie als Helding eine großartige Rolle spielte. Am liebsten sah sie sich als gefeierte Bühnenkünstlerin wichtige und reiche Männer abweisen, bis sie sich endlich einem mit allen irdischen Gütern ausgestatteten Prinzen ergab. Sie konnte sich alle Einzelheiten ihrer feierlichen Rückkehr oder Durchfahrt durch Altaich ausmalen.

Wie sie mißgünstige Nachbarn durch eisige Kälte bestrafte, besser Gesinnte durch ein Lächeln beglückte, wie sie ihren Eltern reiche Geschenke gabe, dem Vater freilich mit bitteren Worten.

Das Erwachen aus den Träumen war jedesmal schmerzlich, und die Wirklichkeit erschien ihr täglich grauer.

Es fehlte nicht bloß an Prinzen, sondern an allen Verehrern. Sie spann mit der Mutter Pläne aus, wie sie doch auf einige Zeit in eine passende Umgebung kommen könne, und die Hallbergerin fand einen Weg.

Eine Verwandte in München mußte ihr den Gefallen tun, die Marie zum Besuche einzuladen, und da sie leicht eine Lüge fand, wie die Maus ein Loch, erzählte sie dem Vater, daß es für ihre Tochter ein Glück sein könne, wenn die reiche Frau Wimmer Gefallen an ihr fände.

Der Hallberger hatte von dem Vermügen der Verwandten, die er kaum dem Namen nach kannte, noch nie etwas gehört, aber er gab seine Einwilligung ohne langes Reden.

Vielleicht glaubte er, daß Marie in der Stadt und fern von der Mutter sich eher zurechtfinden werden, jedenfalls willigte er ein, und seine Tochter fuhr überglücklich nach München.

»In die weite Welt«, sagte sie, als sie in Piebing eingestiegen war.

Bei der Wimmerin fand sie zwar keine Anwartschaft auf ein künftiges Erbe, denn die Frau war selber froh um das Kostgeld, das ihr die Hallbergerin heimlich schickte, aber sie fand volle Freiheit, zu tun und zu lassen, was sie wollte.

Nach etlichen Wochen erhielt sie durch einen jungen Menschen Anschluß an einen Kreis angehender Literaten und Künstler und sah nun erst recht, wie schrecklich die Altaicher Zeit gewesen war. Jede Phrase fand ein Echo in ihrem Herzen und das jauchzende Sich-ins-Leben-Stürzen hatte sie schnell heraus.

Als die halbwüchsigen Dichter zu der Einsicht kamen, daß die Welt nicht reif genug sei, um ihre Werke zu kaufen, beschlossen sie, das Bürgertum auf andere Weise ums Geld zu bringen.

Sie gründeten ein Kabarett.

Dabei kamen sie auf den Gedanken, das Mädchen, dem sie taufrische Natürlichkeit nachrühmten, mitwirken zu lassen. Marie wurde rasch ausgebildet. Sie lernte die Kunst, mit unbefangener Miene Gedichte vorzutragen, die keck über bürgerliche Bedenken hinwegsetzten, und ein Erfahrener, der seine Zeit verstand, brachte ihr die originelle Note bei, das Verfänglichste im Tone eines Altaicher Schulmädels herzusagen. Damit errang sie gleich begeisterten Beifall der Gründer, und sie konnte freudig an ihre Mutter schreiben, daß sie an dem und dem Tage bei der feierlichen Eröffnung des Kabaretts zum ersten Male öffentlich auftreten werde.

Die alte Törin sah ihr Kind auf dem Wege zu Ruhm und Glück und redete ihrem Manne die Ohren voll von einer glänzenden Zukunft, die sie immer vorausgeahnt habe.

Diesmal widersprach der Hallberger.

Er hatte keine Ahnung davon, wie taufrisch seine Tochter geworden war, und es war ihm unleidlich, daß sie aufs Brettl wollte.

Er schnitt alle Widerrede kurz ab und erklärte, daß Marie heim müsse.

Jetzt wurde die Hallbergerin emsig.

Sie sorgte dafür, daß herzbewegende Briefe aus München kamen; auch die Wimmerin mußte schrecklich klagen über die Zerstörung so schöner Aussichten, und in der Wohnstube des Schlossermeisters gab es keine Ruhe mehr. Das setzte dem Hallberger so zu, daß er in drei Teufels Namen nachgab. D' Wiber händ mea G'walt as Schießpulver.

Am Ehrentage saß die Mutter als unscheinbare Altaicher Spätzin mitten unter den bunten Vögeln, die sich bei der Eröffnung des Kabaretts zusammenfanden.

Ihre Marie trat auf und sah gar so hübsch aus, und die Leute waren wie närrisch vor Begeisterung. Was die liebliche Person vortrug, verstand die Hallbergerin nicht. Es war vorbei, ehe sie jede Einzelheit an Putz und Flitter gemustert hatte.

Aber die Leute lachten und klatschten und warfen der Marie Blumen zu.

Ein feiner Herr mit langen Haaren unterhielt sich herablassend mit der Mutter über das große Talent ihrer Tochter und schenkte ihr gleich einen Veilchenstrauß.

Und wie das Mädel selber redete!

Wo sie nur bloß die Gabe her hatte?

Den andern Tag fuhr die Schlosserin heim, voll Freude über den Erfolg und über die Möglichkeit, allen hämischen Altaichern das Glück ihrer Tochter unter die Nase reiben zu können. Sie sparte auch daheim nicht mit begeisterten Berichten. Der Hallberger hämmerte so grimmig in seiner Werkstatt und faßte jedes Eisenstück so zornig an, als wär's seine Alte, und er dachte bei sich, ob es nicht gut gewesen wäre, wenn er zuweilen im Hause eine harte Hand gezeigt hätte.

»Nui prügelt is wie nui verheiret«, sagte der Mangold, »und bei den Kindern is kui Streich verloare, as der danebe fallt.«

Marie machte ihren Weg, der für Talente von München nach Berlin führt.

Sie erhielt einen Ruf ins Chat noir und errang hier erst recht durch taufrische Natürlichkeit unbestrittete Erfolge.

Und nunmehr stand sie als Mizzi Spera vor ihrer überraschten Mutter, die durch so viel Vornehmheit beinahe befangen wurde.

»Ja, so was! Daß du auf oamal kummst und hast gar nix g'schrieb'n!«

Marie sagte, daß sie in künstlerischen Angelegenheiten nach München habe reisen müssen, und da habe es ihr gerade gepaßt, sich wieder einmal daheim umzuschauen ...

»Dös is aber g'scheidt! Und der Vater werd schaug'n. Wart', i hol'n glei aus der Werkstatt ...«

»Pressiert nich. Ich glaube, er ist immer noch eingeschnappt, weil ich zur Bühne gegangen bin und dann wollen doch wir uns erst mal aussprechen ...«

»Na, die Sprach! Wer di hört, glaubt seiner Lebtag net, daß du a hiesige bist.«

»Bin ich auch nicht.«

»Ich mein', hier geboren! Jessas na! Dös schöne Kleid! Und de Schucherln! Madel, wer hätt' si dös amal denkt!«

Die Hallbergerin kriegte es aber erst mit dem Wundern, wie der Koffer kam. Spitzenhöschen und Seidenstrümpfe und Hemden, so dünn wie feines Papire, und andere Dinge, die noch keine Schlossermeisterin gesehen hatte. Da kriegte man einen Begriff, wie nobel das Madel geworden war. Und was es obendrein erzählte von seinen Triumpfen, und von Baronen und Grafen, mit denen es umging wie mit seinesgleichen.

»Na, so was! Aber jetzt müaß ma do zum Vater in d' Werkstatt nunter, sunst verdriaßt's 'n gar z'stark. es is a so oft nummer zum Aushalt'n damit. Allaweil schimpft er, allweil fangt er auf a neu's o, wia ma sei Kind aus 'n Haus lass'n ko, anstatt daß ma's zu der Arbet aufziagt. I derf red'n, was i mag, oder wenn i eahm de Zeitunga gib, de du g'schickt hast, es hilft nix. Und Redensart'n hat er; ma moant, ma hört denselbigen grob'n Mangold red'n, der amal bei uns war. Er gang am liabern nimmer ins Wirtshaus, sagt er, weil 'n d' Leut nach dir frag'n. Und dahoam fangt er selm o. Neuli is er vor deiner Fotografie g'stand'n, woaßts scho, de wos d' als Firmling drauf bist, und auf oamal hat er si fuchsteufelswild umdraht und hat mir de gröbst'n Nama geb'n ... i möcht's gar net sag'n, was für oa ... Aber jetzt mach, mir müass'n nunter ...«

Es gab viel Aufsehen in der Werkstatt, als Mizzi Spera hinter der Hallbergerin eintrat.

Der Alte stand am Amboß und schlug auf ein glühendes Stück Eisen los, daß die Funken sprühten.

Xaver war am Feuer, und der Lehrbub trat den Blasbalg.

»Vater«, sagte die Hallbergerin, »da is an Überraschung. Kennst a s' net?«

Sie deutete auf Marie, die näher kam.

Dem Alten stieg eine dunkle Röte ins Gesicht.

»Du?« fragte er.

Dann legte er den Hammer weg und steckte das Eisen in einen Wasserkübel.

Er wollte noch etwas sagen, aber da fiel ihm ein, daß sie Zuschauer hatten.

Er band sich den Lederschurz los.

»Geht's in d'Wohnung nauf! I kimm nach.«

Seine Augen blickten nicht freundlich. Hätte er noch das Stück Eisen in der Hand gehabt, dann wäre es dem vornehmen Hündchen Fifi schlecht gegangen.

Es schien beleidigt zu sein durch den Geruch von Ruß und Eisenstaub und kläffte den ordinären Schlosser wütend an.

Marie rief ihn mit Kommandostimme zu sich. Sie gab sich recht herrisch, um auf den sauberen Gesellen, der sie unbekümmert ansah, einen stattlichen Eindruck zu machen. Dann verließ sie mit der Mutter die Werkstatt.

Hallberger räusperte sich etliche Male, denn der Kehlkopf war ihn trocken geworden, und schaffte dem Xaver allerhand an. Dann ging er.

Der Lehrbub schaute ihm nach und wollte ein Gespräch haben.

»Ah Herrschaft! Was is denn dös für oane g'wen?« fragte er und verzog das verrußte Gesicht zum Lachen.

Aber Xaver litt keine Vertraulichkeit.

»Dös geht die wenig o«, sagte er barsch. »Tua dei Arwat, Saubua nixiger!«

Und während er in einer Kiste herumkramte, um sich eine passende Schraubenmutter zu suchen, brummte er vor sich hin: »Dös waar amal des richtige G'schoß ...«

In der Wohnstube traf Hallberger nur die Alte.

»Wos is 'n de ander?« fragte er barsch.

»In ihran Zimma halt; sie werd sie umziagn.«

»So? In ihr'n Zimma? Hängt a Spiegel drin?«

»Du fragst aba g'spassi ...«

»I moan g'rad, daß sie si neischaug'n ko, und vielleicht a Bild damit vergleicht von da Kinderzeit ...«

»Geh! Was hast denn?«

»M-hm. Du siechst freili nix ...«

»Was soll i denn sehg'n? Daß s' a saubers Madel wor'n is?«

»Sauber? De kimmt dir sauber vor? Wia s' in der Werkstatt drin g'stand'n is, war's net anderst, als wenn s' aus an Zigeunawag'n rausg'stieg'n waar. So herg'laff'n, so ... ah! I hab' g'moant, i muaß mi vaschliaff'n ...«

»Jetzt du!«

»Is anderst? Freili, du hast koane Aug'n für dös! Sunst waar's net so weit kemma ...«

»Was is kemma? Is dös an Unglück, daß s' a Künsterlin worn is? Und hast as net selber schon g'les'n, wia s' g'lobt werd in de Zeitunga?«

»Laß mi met dem in Ruah! Gel? I hab' Aug'n im Kopf und i woaß, was i siech ...«

»Du werst as kaam bessa versteh also wia de Zeitunga!«

»Waar s' dahoam blieb'n; brav, lusti, fleißi, hätt' s' g'heiret, hätt' s' Kinda, da braucht nix in der Zeitung steh'. Auf dös Lob kunnt'n mir verzicht'n, aber glückli waar'n ma alle mitanand und ...«

»Bst! Schrei net a so! Sie kimmt.«

Marie trat ein und ging auf den Vater zu, um ihm die Hand zu reichen.

Der Alte vergrub die seinige in der Joppentasche und schaute der Tochter ins Gesicht.

Ernst und forschend.

Es war, als suchte er etwas, und er schien es nicht zu finden, denn seine Züge verrieten eine tiefe Trauer.

Seine Stimme klang rauh, als er fragte:

»Was verschafft uns eigentli die hohe Ehr'?«

Mizzi Spera war schokiert über diese Behandlung. Glaubte man, einen Kabarettstern in diesem Neste schlecht behandeln zu dürfen? Nee! Nich in die la mäng!

Sie zog die Achseln hoch und sagte:

»Ich wollte euch besuchen, aber wenn ich hier nich angenehm bin . . .«

»Geh, Madel, was hast denn? Geh, Vater, sei do net a so ... !«

Die Hallbergerin beschwichtigte nach beiden Seiten hin.

»Sie hat halt wieder amal nach uns schaug'n woll'n«, sagte sie.

»Ah so? Wia's mir geht? Dank der Nachfrag', ausgezeichnet. Wia's halt an Vater geht, der a solchene Freud dalebt am oanzig'n Kind. Kunnt ma gar net besser geh' ...«

Der Alte stellte sich ans Fenster und trommelte an die Scheiben. Mizzi Spera, der die Mutter begütigend zuwinkte, setzte sich schmollend aufs Kanapee und gab sich mit Fifi ab.

»Viens donc ici! Mach schön!«

Sie beherrschte mit großer Sicherheit die Situation.

»Erzähl' do an Vater, was der Graf neuling zu dir g'sagt hat!« bat die Hallbergerin.

»Was für 'n Graf? Fifi! Is mein Hundchen artig?«

»No derselbige, wo dir an Bukett g'schickt hat ...«

»Mir haben schon viele Grafen Buketts geschickt ...«

Hallberger drehte sich um und schaute das begehrenswerte Geschöpf an, das einmal als harmloses Kind in dieser Stube gespielt hatte.

Ein dummes Weibsbild mit ausgebranntem Herzen hockte dort und kam sich in dieser kleinen Welt recht bedeutend vor. Und nun holte es aus einer Ledertasche Puderbüchse und Spiegel und fuhr sich mit einer Quaste über Nase und Wangen und beschaute sein Bild.

Der Alte gab sich einen Ruck und ging zur Türe.

»I geh ins Wirtshaus. Brauchst ma nix herricht'n zum Ess'n ... i kimm net hoam«, sagte er und schlug die Türe hinter sich zu.

»So is er die ganze Zeit«, seufzte die Schlosserin. »Ma ko mit eahm überhaupts nimma dischkrier'n.«

»Laß ihn doch. Ich kann gerne wieder gehen, wenn ich hier nich angenehm bin ...«

»Was red'st denn, Madel? I sag' dir ja, er is überhaupts a so. De ganz Zeit her; net erst weil du da bist. I glaab, daß eahm gewisse Leut was ei'red'n. I kenn s' scho, de sell'n, dena da Neid koa Ruah laßt, und vo dem G'red stammt si sei schlechter Humor her ...«

»In Gegenwart von Damen läßt man sich aber nich in der Weise gehen. Finde ich wenigstens ...«

»Ärger di net, Madel. Er moant's net a so ...«

»Ich bin den Ton nich gewöhnt«, sagte Mizzi Spera und steckte Puderbüchse, Spiegel und Quaste in die Tasche zurück.

Sie sah dabei so vornehm und abweisend mit halbgeschlossenen Augen um sich, daß ihre Mutter sie aufrichtig bewundern mußte.


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