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Goethes Chemie.

Drei Briefe an den Übersetzer.

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Eben lese ich im zehnten Buch von Goethes Aus meinem Leben: »Am meisten aber verbarg ich vor Herder meine mystisch-kabbalistische Chemie …« Ist die gedruckt? Und wo? Oder wo steht ein Bericht darüber?

Im achten Buch spricht Goethe von einer weißen jungfräulichen Erde, Kieselsaft, Liquor silicum, in Form einer animalischen Gallert. Diese reine Kieselsäure habe ich in meinen »Typen und Prototypen« (Stockholm 1898) als das Ur-Eiweiß behandelt, aus dem alles organische Leben geschaffen ist!

Stockholm, 7. April 1902.

 

Von Goethes Chemie verspreche ich mir viel! Mit seiner animalischen Gallert habe ich in Paris gearbeitet. Ich fand, daß der Quarz oder Kiesel ein primitives Albumin ist, aus dem sich organisches Leben entwickelte. Silicium-Gallert gab mit Jod Albuminreaktion, und Lehmerdehydrat gab mit Jod blaue Stärkereaktion.

Auf dieser Basis baute ich meine Lebensgeschichte der Erde auf. Ich strich die Kohlensäure, das Gift, mit der sich die Pflanzen durch die Kiemen oder Lungen (== den Blättern) ernähren sollen. Davon ausgehend schrieb ich in der französischen Zeitschrift L'Hyperchimie über das Brot der Zukunft.

Analogien: die Erdesser in Südamerika, die leicht gebacknen Lehm als Nahrungstoff benutzen, nicht als Genußmittel. Ich vereinigte 1895 in Paris Kieselgallert mit Eiweiß und schlug einem Freund vor, Hühner mit Kieselgallert zu füttern, da die Hühner bereits Sand (Quarz) fressen.

Lange Protokolle über diesen Liquor befinden sich unter meinen unveröffentlichten Manuskripten.

Berzelius war anfangs nicht abgeneigt, an Transformismus zu glauben, und zwar aus diesem Grund. Samen, der in indifferente Stoffe, Schwefelblüte, Bleihagel, Ziegelmehl usw. gesäet und mit destilliertem Wasser begossen wurde, ging auf, wuchs, blühte und trug Frucht. Die Asche enthielt alle »einfachen Stoffe«, Eisen, Schwefel, Kalium, Natrium usw., die in Erde gewachsene Pflanzen enthalten. Daraus schloß er folgerichtig, daß die Pflanzen die Fähigkeit besitzen, Wasser in Kohle, Kiesel, Eisen, Kalium usw. zu verwandeln, und daß diese Stoffe darum nicht einfach sind.

Noch heute wird »Wasserkultur« in allen botanischen Anstalten betrieben. Ich habe Dozenten und Experimentatoren gefragt, woher die vielen konstanten Stoffe in der Asche kommen. Sie antworteten: Verunreinigungen! Ist das Vernunft?

Ein Wort von der Kohlensäure als Nahrung der Pflanzen. Auf den Alpen, wo die Luft kohlensäurefrei ist, wie die Ärzte der Sanatorien behaupten, gedeihen Pflanzen besser als unten in Tälern. Woher die Kohle? Entweder vom Kiesel, transmutiert, oder vom Wasser.

Die Pflanzen haben ja differenzierte Atmungs- und Ernährungsorgane: die Wurzeln oder Därme in der Erde und die Kiemen oder Blätter in der Luft. Warum sollten sie mit den Kiemen essen, und warum Gift, die Kohlensäure?

Übrigens die einzige mir bekannte Art, Kohle aus Kohlensäure zu scheiden, ist hohe Temperatur, mehrere hundert Grad, und ein Metall wie Natrium oder Kalium. Ist da Vernunft in der Ernährung durch Kohlensäure?

Eine andere Transmutation! Auf den Alpen gibt es Pflanzen, die von Kiesel leben, da nicht eine Spur Kalk in der Nähe vorkommt. Diese Pflanzen sind beständig weiß auf den Blättern infolge des herausgesickerten Kalks. Woher der Kalk? Vom Kiesel.

Aber ebenso wie der Kiesel Kalk werden kann, kann Eiweiß Kalk werden. Die Kalkschale des Hühnereis ist verkalktes Eiweiß – Kieselgallert.

Stockholm, 18. April 1902.

 

Habe Meyers Goethebiographie ausgelesen. Recht gut; hätte aber intimer sein können, besonders über das Zusammenleben mit Christiane Vulpius; und ausführlicher über die Alchemie. Goethes Monismus in allen Naturwissenschaften beruhte auf der Alchemie, die Monismus ist, da sie die Möglichkeit der Verwandlung annimmt.

Stockholm, 9. August 1903.

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