Stendhal
Eine Geldheirat
Stendhal

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Der Jude

Übertragen von Franz Blei

»Ich war damals ein sehr schöner Mann ...« »Sie sind es heute noch ...«

»Es ist schon ein Unterschied. Heute bin ich fünfundvierzig, damals war ich erst dreißig. Das war im Jahre 1814. Ich besaß nichts sonst als eine gute Figur und eine seltene Schönheit. Im übrigen war ich Jude, von euch Christen verachtet, ja sogar von den Juden, denn ich war lange Zeit außerordentlich arm gewesen.«

»Diese Verachtung ist das allergrößte Unrecht ...«

»Stürzen Sie sich nicht in die Kosten höflicher Redensarten. Ich bin heute abend zum Plaudern aufgelegt, und ich bin entweder schweigsam oder ich rede ehrlich. Unser Schiff hatte gute Fahrt, die Brise ist köstlich, morgen früh sind wir in Venedig ... Aber, um auf die Geschichte von der Verfluchung, von der wir sprachen, zu kommen und auf meine Reise in Frankreich: im Jahr 1814 liebte ich das Geld wie ein Toller. Es ist die einzige Leidenschaft, die ich je an mir erfahren habe.

Ich hausierte den ganzen Tag lang in den Gassen Venedigs mit einem kleinen Kasten, auf dessen Deckel ich Goldarbeiten ausgelegt hatte. Aber in einer verborgenen Schublade hatte ich Wollstrümpfe, Taschentücher und anderes englisches Gut, Konterbande natürlich. Beim Tode meines Vaters, beim Begräbnis, sagte einer meiner Onkel zu jedem von uns, wir waren unsrer drei, daß uns ein Kapital von fünf Franken bliebe. Mein guter Onkel schenkte mir einen Napoleondor dazu. In der Nacht rückte meine Mutter aus und nahm einundzwanzig Franken mit; es blieben mir nur mehr vier übrig. Ich stahl einer meiner Nachbarinnen einen Geigenkasten aus dem Rumpelkram, in den sie ihn schon gestellt hatte. Dann kaufte ich mir acht Taschentücher von roter Leinwand. Kosteten mich zehn Soldi. Ich verkaufte sie um elf Soldi. Viermal verkaufte ich am ersten Tage meinen Laden aus, an Matrosen in der Nähe des Arsenals. Der Kaufmann, erstaunt über meinen Betrieb, fragte mich, warum ich nicht ein Dutzend auf einmal kaufte, denn es war von seinem Laden bis zum Arsenal eine gute halbe Meile Wegs. Ich gestand ihm, nicht mehr als vier Franken zu besitzen, weil mich meine Mutter um einundzwanzig bestohlen habe ... Er gab mir einen gewaltigen Fußtritt, der mich aus dem Laden warf.

Nächsten morgen um acht war ich trotzdem wieder da. Ich hatte die acht Tücher vom Tag vorher bereits am Abend verkauft. Es war warm, und ich hatte unter den Prokuratien geschlafen, hatte gegessen, guten Chioswein getrunken und besaß noch fünf Soldi Handelsgewinn von gestern. So lebte ich von 1800 bis 1814. Ich stand, wie es schien, in Gottes Huld.«

Und der Jude entblößte mit zärtlicher Ehrfurcht sein Haupt.

»Der Handel gedieh so sehr, daß ich wiederholt mein Kapital an einem Tage verdoppelte. Nahm manchmal eine Gondel und verkaufte Strümpfe an die Matrosen an Bord. Aber schon fand, seit ich ein kleines Sümmchen zusammengebracht hatte, meine Mutter oder meine Schwester einen Vorwand, um sich mit mir auszusöhnen und mir das Geld wegzunehmen. Einmal führten sie mich zu einem Goldschmied, kauften Ohrringe, ein Halsband, verschwanden angeblich für einen Augenblick, kamen aber nicht wieder und ließen mich in der Klemme. Der Goldschmied verlangte fünfzig Franken; ich begann zu weinen, hatte nur vierzehn Franken bei mir; ich gab ihm den Platz an, wo ich meinen Kasten stehen hatte. Er schickte hin, und während ich meine Zeit bei dem Goldschmied verlor, hatte meine Mutter mir auch meinen Kasten gestohlen. Der Goldschmied verprügelte mich mächtig.

Als er dessen müde geworden, erklärte ich ihm, er solle mir meine vierzehn Franken lassen und mir einen kleinen Tisch mit Schubladen leihen; in dem würde ich einen doppelten Boden einbauen. Ihm zehn Soldi den Tag zu bezahlen verbürgte ich mich und hielt es auch. Schließlich vertraute mir der Mann Ohrringe bis zum Werte von zwanzig Franken an, aber er gestattete mir nur fünf Soldi Profit auf das Paar.

1805 hatte ich ein Kapital von tausend Franken. Da bedachte ich unser Gebot, das uns die Ehe vorschreibt, und wollte diese Pflicht erfüllen. Zu meinem Unglück verliebte ich mich in ein Mädchen unseres Stammes, namens Stella. Zwei Brüder hatte sie, einen Furier in der französischen Armee, der andre Kassendiener beim Zahlmeister. Alle drei bewohnten gemeinsam ein Zimmer im Erdgeschoß nach San Paolo zu, und die Brüder setzten das Mädchen oft nachts auf die Gasse. Da traf ich sie eines Abends weinend und hielt das hübsche Mädchen für eine Dirne. Ich bot ihr an, ihr für zehn Soldi Chioswein zu bezahlen. Da weinte sie noch stärker. Ich nannte sie eine Gans und ging.

Aber sie war mir so hübsch vorgekommen! Tags darauf zur selben Stunde, so gegen zehn Uhr abends, nach Schluß meines Geschäftes am Markusplatz, ging ich wieder dort vorbei, wo ich sie abends zuvor getroffen hatte. Sie war nicht da. Drei Tage später hatte ich mehr Glück. Ich redete lange in sie hinein, aber sie stieß mich mit Abscheu von sich weg.

Wahrscheinlich hat sie mich schon mit meinem Schmuckkasten gesehen, dachte ich, und möchte gern von meinen Kolliers was geschenkt haben, aber daraus, mein Kind, wird nichts. Ich zwang mich also, die Gasse zu meiden. Aber gegen meinen Willen und fast ohne es mir zu gestehen, begann ich das Weintrinken zu lassen und legte jeden Tag das dadurch ersparte Geld beiseite. Ja, ich war noch viel verrückter, – ich steckte dieses ersparte Geld nicht in mein Geschäft! Und damals, mein lieber Herr, verdreifachte sich mein Vermögen in jeder Woche!

Mit zwölf zusammengesparten Franken, so viel kostete mein gewöhnlichstes Goldkettchen, ging ich öfter durch Stellas Gasse. Und traf sie endlich. Sie wies meine galanten Vorschläge entrüstet ab. Aber ich war der hübscheste Bursche in Venedig. Während unserer Unterhaltung sagte ich ihr, daß ich seit drei Monaten keinen Wein trinke, um das Geld zu sparen, das eine meiner Halsketten koste und ihr eine schenken zu können. Sie sagte nichts darauf, aber fragte mich um Rat wegen eines Unglücks, das ihr seit unserer ersten Begegnung passiert war.

Ihre Brüder hatten die Goldstücke, die sie sich verschaffen konnten, gefeilt und beschnitten. Dafür war der Furier ins Gefängnis gesteckt worden, und der andere, der Kassendiener bei dem Pagatore, wollte, aus Angst, Verdacht zu wecken, nicht einen Schritt zugunsten seines Bruders tun. Stella bat mich nicht, nach der Zitadelle zu gehn, und ich selber sprach das Wort nicht aus, aber ich bat sie, mich am nächsten Abend zu erwarten.«

»Sie kommen«, sagte ich, »recht weit ab von der Verfluchung, deren Opfer Sie in Frankreich geworden sind.«

»Sie haben recht«, sagte der Jude, »aber wenn ich nicht in wenigen Worten die Geschichte meiner Heirat zu Ende erzählen darf, ganz kurz, so schweig ich lieber. Ich weiß nicht, weshalb ich gerade heute so gern von Stella spreche. Also es gelang mir mit nicht geringer Mühe, den Bruder Furier entwischen zu lassen. Die Brüder versprachen mir die Hand ihrer Schwester und ließen ihren Vater kommen, einen armen Juden in Innsbruck. Ich hatte ein Zimmer gemietet und glücklicherweise voraus bezahlt; auch ein paar Möbel konnte ich hineinstellen. Mein Schwiegervater lief zu allen seinen Verwandten in Venedig und kündigte ihnen an, daß er seine Tochter verheirate ... Endlich, aber nach einem Jahre Sorgen und Arbeit, ging er, am Vorabend der Hochzeit, durch, mit mehr als sechshundert Franken, die er bei seinen Verwandten als unsere Mitgift aufgebracht hatte. Er, seine Tochter und ich, wir waren nach Murano gefahren, und da verschwand er. In der Zwischenzeit stahlen meine Schwäger alle Möbel aus meinem Zimmer, die unglücklicherweise noch nicht einmal ganz bezahlt waren.

Mein Kredit war ruiniert. Meine Schwäger, seit einem Jahr immer in meiner Gesellschaft gesehen, waren zu meinen Lieferanten gelaufen und hatten ihnen vorgelogen, ich wäre in Chiazza, wo ich glänzende Geschäfte mache und von dort aus habe ich sie beauftragt, Waren zu fassen ... mit einem Wort, es war ihnen mit allerlei Schwindeleien gelungen, für mehr als zweihundert Franken zu stehlen. Ich sah, daß ich mich aus Venedig retten mußte. Stella brachte ich als Kindermädchen bei dem Goldschmied unter, für den ich hausierte.

Andern Tags frühmorgens gab ich nach erledigten Geschäften Stella zwanzig Franken. Sechs behielt ich nur für mich und ergriff die Flucht. Nie war ich ruinierter gewesen und galt obendrein für einen Dieb. In meiner Verzweiflung hatte ich den glücklichen Gedanken, von Padua aus den von meinen Schwägern bestohlenen Venetianer Kaufleuten die Wahrheit zu schreiben. Am nächsten Tag wußte ich, daß ein Haftbefehl gegen mich erlassen war. Die Gendarmerie des Königreichs Italien ließ nicht mit sich spaßen.

Ein berühmter Paduaner Advokat war blind geworden und brauchte einen Diener, der ihn führte, aber sein Unglück hatte ihn so boshaft gemacht, daß er jeden Monat den Diener wechselte. ›Ich wette, der wird mich nicht wegjagen,‹ sagte ich mir, trat in seinen Dienst und erzählte ihm am nächsten Tage, als er sich, da kein Besuch kam, langweilte, meine ganze Geschichte. ›Wenn Sie mich nicht retten‹, sagte ich ihm, ›so wird man mich in diesen Tagen festnehmen.‹ ›Mir meinen Diener arretieren? Das werde ich zu verhindern wissen,‹ sagte mein Blinder.

Kurz und gut, ich gewann mir seine Gunst. Er ging früh zu Bett und er erlaubte mir nach einiger Zeit, daß ich ein bißchen hausierte in den Cafés von Padua, so zwischen acht Uhr abends, wo er schlafen ging, bis zwei Uhr des Nachts, wo die reichen Leute das Café verlassen.

Ich kratzte in achtzehn Monaten zweihundert Franken zusammen und verlangte meinen Abschied. Daß ich in seinem Testament mit einem beträchtlichen Kapital bedacht sei, nie aber seinen Dienst verlassen dürfe, war seine Antwort. ›Wenn es so ist‹, dachte ich mir, › weshalb hast du mich dann hausieren lassen?‹ Ich rückte aus. Zahlte meine Gläubiger in Venedig aus und heiratete Stella. Ich brachte ihr den Hausierhandel bei – jetzt versteht sie sich besser darauf als ich.«

»Wie, Madonna Filippo ist Ihre Frau?«

»Ist meine Frau, und jetzt kommt endlich die Geschichte meiner Reisen und dann die Verfluchung.

Ich besaß mehr als hundert Louis Kapital. Ich will die Geschichte meiner neuerlichen Aussöhnung mit meiner Mutter nicht erzählen und wie sie mich wieder bestahl und dann mich von meiner Schwester bestehlen ließ. Ich verließ Venedig, da ich sah, daß ich, solange ich dort blieb, das hereingelegte Opfer meiner Familie bleiben würde. Ich ließ mich in Zara nieder, wo ich Wunder verrichtete.

Ein kroatischer Hauptmann, dem ich eine Partie Monturen für seine Kompanie geliefert hatte, sagte eines Tags zu mir: ›Filippo, wollt Ihr Geld verdienen? Wir gehen zusammen nach Frankreich. Merkt Euch das eine: ich bin, aber man darfs nicht wissen, ein Freund des Baron Bradal, unseres Regimentskommandeurs. Ihr werdet viel verdienen, aber das Geschäft ist nur Vorwand; der Oberst, mit dem ich angeblich entzweit bin, hat mir alle Lieferungen für das Regiment übertragen. Ich brauche einen intelligenten Menschen, und Ihr seid mein Mann.‹ So sagte der Hauptmann. Was wollen Sie, lieber Herr, ich machte mir nichts mehr aus meiner Frau.«

»Was,« sagte ich, »die arme Stella, der Sie so treu waren?«

»Tatsache ist, daß ich nur mehr das Geld liebte, und wie ich es liebte, weiß Gott!«

Die Zuhörer mußten lachen, so viel wahre Leidenschaft lag in dem Ausruf des Juden.

»Ich wurde also Marketender und verließ Zara. Am achtundvierzigsten Tag unseres Marsches erreichten wir den Simplon. Aus den fünfhundert Franken, die ich aus Zara mitgenommen hatte, waren bereits fünfzehnhundert geworden und ich war zudem Besitzer eines hübschen Planwagens und zweier Zugpferde. Am Simplon begann mein Jammer. Ich verlor fast mein Leben, verbrachte mehr als zweiundzwanzig Nächte unter freiem Himmel in der Kälte.«

»Sie mußten biwakieren?«

»Ich verdiente täglich fünfzig bis sechzig Franken, aber jede Nacht riskierte ich mein Leben in der eisigen Kälte. Endlich hatte die Armee das entsetzliche Gebirge hinter sich. Wir rückten in Lausanne ein, wo ich mich mit Monsieur Perrin zusammentat. Ein braver Mann, war das ein braver Mann! Er war Branntweinhändler. Ich kann in sechs Sprachen verkaufen, er verstand sich auf den Einkauf. Ein ganz vortrefflicher Mann war das! Nur war er etwas zu heftig. Wollte ein Kosak seine Zeche nicht bezahlen und war der allein in der Kantine, da schlug ihn Herr Perrin blutig. ›Aber Herr Perrin, lieber Freund,‹ sagte ich zu ihm, ›wir verdienen hundert Franken im Tag, was macht es schon, daß ein Betrunkener uns um zwei, drei Franken prellt?‹ – ›Ich halt' es einfach nicht aus,‹ gab er zur Antwort, ›ich kann die Kosaken einmal nicht leiden.‹ – ›Dann werden sie sich rächen und uns umbringen. Wann läuft übrigens unsere Geschäftsverbindung ab, Herr Perrin, lieber Freund?‹

Die französischen Marketender trauten sich gar nicht mehr ins Lager, denn man bezahlte sie nicht. Wir aber machten glänzende Geschäfte. Bei unserer Ankunft in Lyon hatten wir 14000 Franken in unsrer Kasse. In Lyon trieb ich aus Mitleid für die armen französischen Kaufleute Schmuggel. Sie hatten sehr viel Tabak vor dem Tore Saint-Clair lagern; sie kamen und baten mich, ihn in die Stadt zu bringen; ich sagte ihnen, sich zweimal vierundzwanzig Stunden zu gedulden, bis der Oberst, mein Freund, den Dienst habe. Dann packte ich fünf Tage hintereinander meinen Planwagen mit Tabak voll. Am Tor schimpften die französischen Beamten, trauten sich aber nicht, mich zu arretieren. Am fünften Tag bekam ich von einem, der betrunken war, Prügel; ich hieb auf mein Pferd ein und wollte weiterfahren; aber als die andern Beamten mich prügeln sahen, verhafteten sie mich. Ich war blutüberströmt und verlangte, vor den Wachhabenden geführt zu werden. Der war von unserm Regiment, wollte mich aber nicht kennen und schickte mich ins Gefängnis. Man wird meinen Wagen ausplündern, sagte ich mir, und die armen Händler sind die Opfer. Auf dem Weg in den Prison gab ich meiner Eskorte zwei Taler, damit sie mich vor den Oberst führe. Der Oberst beschimpfte mich vor den Soldaten und drohte mir, mich aufknüpfen zu lassen.

Aber sobald wir allein waren, sagte er: ›Nur den Mut nicht verloren. Morgen leg ich einen andern Kapitän auf Wache nach der Porte Saint-Clair, und statt eines Wagens kannst du zwei mitnehmen.‹ Aber ich hatte keine Lust, und gab ihm zweihundert Zechinen als sein Anteil. ›Was,‹ sagte er, ›für ein solches Lumpengeld machst du dir solche Mühe?‹ – ›Man muß doch mit den armen Kaufleuten Erbarmen haben‹, antwortete ich.

Meine und Herrn Perrins Geschäfte gingen herrlich bis Dijon. Aber hier verloren wir in einer Nacht mehr als 12000 Franken. Der Tagesverkauf war glänzend gewesen; es war große Parade, wir die einzigen Marketender; die Bareinnahme betrug um tausend Franken. Um Mitternacht, alles schlief schon, wollte so ein verfluchter Kroate weggehen ohne Bezahlung. Freund Perrin springt auf ihn, der allein war, los und prügelt ihn blutig. ›Herr Perrin, du bist toll,‹ sag' ich, ›der Mann hat für sechs Franken getrunken, das stimmt, aber wenn er die Kraft hat, zu schreien, kommen wir in Unannehmlichkeiten.‹ Herr Perrin hatte den Kroaten schon halbtot vor die Tür geworfen, wo er nach kurzer Weile, da er nur betäubt war, zu brüllen begann, daß ihn die Soldaten des nächsten Biwaks hörten und ihm zu Hilfe kamen. Als sie ihn blutig sahen, schlugen sie die Tür unserer Kantine ein, wobei Perrin, der sich zur Wehr setzen wollte, acht Säbelhiebe abbekam.

Ich sagte zu den Soldaten: ›Ich bin unschuldig, er ist an allem schuld; bringt mich vor den Oberst des kroatischen Regimentes.‹ – ›Jawohl, deinetwegen werden wir den Oberst wecken,‹ sagte ein Soldat. Ich konnte nichts tun, unsere unglückliche Butike wurde alsbald von ein paar Tausend Soldaten gestürmt. Die Offiziere, die draußen standen, konnten nicht eindringen, Ruhe herzustellen. Herrn Perrin glaubte ich für tot; ich war in einem jämmerlichen Zustand. Man plünderte bei uns für mehr als 12000 Franken Wein und Branntwein.

Gegen Morgen gelang es mir, zu entkommen, und da gab mir mein Oberst vier Mann, Herrn Perrin zu befreien, falls er noch am Leben war. Ich fand ihn in einem Wachzimmer und brachte ihn zu einem Feldscher. ›Wir müssen uns trennen, Herr Perrin, mein Freund,‹ sagte ich zu ihm, ›du bringst mir sonst noch den Tod.‹ Er machte mir arge Vorwürfe, daß ich ihn verlassen und alle Schuld auf ihn geschoben hätte, aber es war dies nach meiner Meinung das einzige Mittel, der Plünderung Einhalt zu tun.

Nun setzte mir aber Herr Perrin so lange zu, daß wir uns zum andern Male zusammentaten. Wir bezahlten ein paar Soldaten dafür, daß sie unsere Kneipe bewachten. In zwei Monaten hatten wir jeder 12000 Franken verdient. Unglücklicherweise tötete Herr Perrin im Duell einen unserer Wachsoldaten. ›Du bringst mir noch den Tod‹, sagte ich ihm und verließ diesen armen Herrn Perrin. Ein anderes Mal erzähl ich, wie er ums Leben kam.

Ich ging zurück nach Lyon, wo ich sehr billig, ich kenne mich aus in jedem Handel, Uhren und Diamanten kaufte. Es ist so. Setzen Sie mich mit fünfzig Franken in irgendein Land, ich verdreifache nach drei Monaten mein Kapital und habe auch noch gelebt.

Ich versteckte meine Diamanten in einem geheimen Fach, das ich mir in meinem Wagen anbringen ließ. Das Regiment war nach Valenoe und Avignon abmarschiert, und ich folgte ihm nach dreitägigem Aufenthalt in Lyon.

So komm ich also eines Tages in Valence gegen acht Uhr abends an. Es war dunkel und regnete. Ich klopfe an eine Herberge, keine Antwort. Ich klopfe stärker und bekomme Antwort, hier wäre kein Quartier für einen Kosaken. Ich klopf nochmals, und man wirft vom zweiten Stockwerk Steine auf mich. Es ist klar, sagte ich mir, ich werde diese Nacht in der verfluchten Stadt sterben. Wo der Platzkommandant war, wußte ich nicht und kein Mensch wollte es mir sagen, keiner mich hinführen. Der Kommandant wird im Bett liegen, sagte ich mir, und mich nicht vorlassen wollen.

Lieber als sterben, wollte ich etwas von meiner Ware opfern; gab also einer Schildwache ein Glas Schnaps; es war ein Ungar. Wie er mich ungrisch reden hört, bekommt er Mitleid und heißt mich warten, bis er abgelöst würde. Ich kam um vor Kälte. Endlich kam die Ablösung. Ich gab dem Korporal Schnaps und schließlich der ganzen Wachmannschaft, und da führte mich der Sergeant zum Kommandanten.

Ein Ehrenmann, der Kommandant, ein Ehrenmann! Ich kannte ihn nicht, aber er ließ mich gleich vor. Erklärte ihm, daß mir aus Haß gegen den King kein Wirt für Geld ein Nachtlager geben wolle. ›So? Dann sollen sie es Euch umsonst geben‹, sagte der vortreffliche Mann, gab mir einen guten Quartierzettel für zwei Nächte zusamt vier Mann für meine Begleitung. Ich kehrte also zu der Herberge auf dem großen Platz zurück, wo man Steine auf mich geworfen hatte und schlug an die Tür. Ich rief auf französisch, das ich sehr gut spreche, ich hätte vier Mann bei mir, und öffnete man mir nicht, würde ich das Tor einschlagen. Keine Antwort. Da holten wir uns einen großen Pflock und machten uns dran, das Tor einzustoßen. Mit dieser Arbeit waren wir zur Hälfte fertig, als die Tür heftig aufriß, ein großer Kerl dastand, von sechs Fuß Höhe, einen Säbel in der einen, ein Kerzenlicht in der andern Hand. Da wird es eine Schlägerei geben, und inzwischen plündert man mir meinen Karren, dachte ich. Trotzdem ich einen Frei-Quartierzettel hatte, rief ich: ›Ich zahle Ihnen, wenn Sie wollen, im voraus.‹ – ›Was, du bist's, Philipp?‹ rief der Mensch, schmiß seinen Säbel hin und fiel mir um den Hals. ›Kennst du denn Bonnard nicht mehr, den Korporal vom 20. Regiment?‹ Ich umarmte den Mann und schickte die Soldaten fort. Bonnard hatte sechs Monate bei meinem Vater in Vicenza gewohnt. ›Ich geb dir mein Bett‹, sagte er. ›Ich sterbe vor Hunger,‹ antworte ich, ›seit drei Stunden laufe ich in Valence herum.‹ ›Ich wecke meine Magd und gleich wirst du was zum Essen haben.‹ Ich ging mit Bonnard in den Keller, wo er unter einer Sandschicht ein paar vortreffliche Flaschen hervorzog. Während wir tranken und auf das Essen warteten, erschien ein großes schönes Mädchen von etwa achtzehn Jahren.

›Ah, du bist aufgestanden,‹ rief Bonnard, ›um so besser. Das ist nämlich meine Schwester, Freund Philipp, du mußt sie heiraten, du bist ein hübscher Bursch und ich gebe ihr sechshundert Franken Mitgift.‹ ›Ich bin verheiratet‹, sagte ich. ›Du verheiratet? Das glaub dir, wer mag. Und wo ist sie denn, deine Frau?‹ ›In Zara, wo sie Hausierhandel treibt.‹ ›Dann laß sie zum Teufel gehn mit ihrem Kram. Laß dich in Frankreich nieder, und da heiratest du meine Schwester, weit und breit das schönste Mädchen.‹

Katharine war wirklich sehr hübsch. Sie schaute mich mit großen Augen an. ›Der Herr ist Offizier?‹ fragte sie, von einem schönen Pelz getäuscht, den ich mir anläßlich der Parade in Dijon gekauft hatte. ›Nein, Fräulein, ich bin Marketender im Hauptquartier und habe zweihundert Louis bei mir, ich kann wohl sagen, es gibt nicht viele Offiziere, die das sagen können.‹ Ich besaß mehr als sechshundert Louis, aber man muß vorsichtig sein.

Kurz, was soll ich Ihnen sagen? Bonnard ließ mich nicht fort. Er mietete mir eine kleine Kantine neben der Wachtstube am Stadttor, wo ich an unsere Soldaten verkaufte. Und obwohl ich nicht mehr im Gefolge der Armee war, verdiente ich an manchen Tagen meine acht bis zehn Franken. Und Bonnard immer wieder: ›Du heiratest meine Schwester.‹ So allmählich hatte Katharine sich angewöhnt, mich in meiner Kantine aufzusuchen; oft blieb sie drei, vier Stunden bei mir. Und ich verliebte mich schließlich ganz närrisch in sie und sie noch weit mehr in mich, aber Gott gab uns die Gnade, daß wir brav blieben. ›Wie denn kann ich dich heiraten‹, sagte ich ihr, ›ich bin doch verheiratet.‹ ›Hast du deiner Frau in Zara nicht alle deine Waren gelassen? Da hat sie doch ihr Auskommen, und du bleibst bei uns. Tu dich zusammen mit meinem Bruder oder führe dein Geschäft allein weiter, es geht gut und es wird noch besser gehen.‹

Ich muß Ihnen sagen, daß ich in Valence Bankgeschäfte machte, indem ich gute Wechselbriefe auf Lyon von den Besitzern, die Bonnard kannte, akzeptiert, kaufte. Bloß mit dem Bankgeschäft verdiente ich zuweilen hundert bis hundertzwanzig Franken in der Woche.

So blieb ich also in Valence bis in den Herbst. Was sollte ich anfangen? Ich starb danach, Katharine zu heiraten, und hatte ihr aus Lyon ein Kleid und einen Hut kommen lassen. Wenn wir mit dem Bruder als Dritten spazierten, schaute alles auf Katharine; sie war wirklich das schönste Mädchen, das ich in meinem Leben gesehen habe. ›Wenn du mich wegen deiner Frau nicht heiraten willst, dann bleibe ich bei dir als Magd, nur verlaß mich nie.‹ So sagte sie oft.

Des Morgens ging sie vor mir in die Kantine, um mir das frühe Aufstehen und das Aufmachen zu ersparen. Wie gesagt, ganz verrückt verliebt war ich in sie und sie nicht weniger in mich. Aber in der einen Hinsicht hatten wir nichts miteinander. Wir waren keusch.

Im Spätherbst des Jahres 1814 verließen die Verbündeten Valence.

Da sagte ich zu Bonnard: ›Die Wirte der Stadt können mich ganz gut umbringen; sie wissen, daß ich hier Geld verdient habe.‹ ›Geh, wenn du willst,‹ sagte Bonnard aufseufzend, ›wir halten niemanden, aber wenn du bei uns bleiben und meine Schwester heiraten willst, so gebe ich ihr mein halbes Vermögen, und wenn dir einer was will, so laß mich nur machen.‹

Dreimal verschob ich den Tag meiner Abreise. Endlich mußte es sein; die letzten Truppen der Nachhut waren schon in Lyon. Wir weinten alle drei die letzte Nacht durch. Katharine, ich und der Bruder. Was soll ich Ihnen sagen? Ich verscherzte mein Glück damit, daß ich nicht bei der Familie blieb. Aber Gott wollte nicht mein Glück.

Am 7. November 1814 brach ich auf. Nie werde ich den Tag vergessen. Ich konnte meinen Wagen nicht selber fahren, mußte mir einen Kutscher halbwegs bis Vienne nehmen.

Zwei Tage nach meiner Abreise, ich spanne in Vienne gerade mein Pferd ein, wer kommt zur Herberge? Katharine, und fiel mir sogleich um den Hals. Sie war in dem Gasthof bekannt und angeblich gekommen, um eine Tante in Vienne zu besuchen. ›Ich will deine Magd sein,‹ wiederholte sie immer wieder unter Tränen, ›aber wenn du mich nicht magst, dann werfe ich mich in die Rhone.‹

Das ganze Wirtshaus versammelte sich um uns. Die sonst immer so zurückhaltend war und mir vor Leuten nie ein Wort sagte, redete und weinte hemmungslos und küßte mich vor aller Welt. Ich brachte sie rasch auf meinen Karren und wir fuhren ab. Eine viertel Meile außerhalb der Stadt hielt ich. ›Wir müssen uns hier Lebewohl sagen‹, sprach ich. Sie sagte kein Wort mehr, preßte meinen Kopf in ihre Hände und war ganz aufgelöst in Schluchzen und Krämpfen. Ich bekam Angst. Ich sah, sie würde sich in den Fluß stürzen, wenn ich sie zurückschickte. ›Aber ich bin doch verheiratet,‹ wiederholte ich ihr immer wieder, ›verheiratet vor Gott und den Menschen.‹ ›Ich weiß, ich will deine Magd sein.‹

Wohl an die zehnmal hielt ich zwischen Vienne und Lyon meinen Wagen an; sie konnte mich nicht verlassen. Komme ich mit ihr über die Rhonebrücke, sagte ich mir, so ist es ein Zeichen von Gottes Willen.

Um die Wahrheit zu sagen, ich merkte es gar nicht, daß wir die Brücke bei Guillotiere passierten und nach Lyon kamen. Im Gasthof hielt man uns für Mann und Frau und gab uns nur ein Zimmer.

In Lyon machte sich eine zu große Zahl von Wirten Konkurrenz, und ich nahm darum wieder den Handel mit Uhren und Edelsteinen auf. Zehn Franken verdiente ich damit im Tage, und Katharine hielt so gut Wirtschaft, daß wir nicht mehr als vier verbrauchten. Ich nahm eine Wohnung, die wir uns hübsch einrichteten. Ich besaß damals 18000 Franken, die mir im Bankgeschäft 1500 bis 1800 einbrachten. Ich war nie reicher gewesen als in den achtzehn Monaten, die ich mit Katharine zusammen lebte. Ich war so reich, daß ich mir einen kleinen Luxuswagen kaufen konnte, in dem wir jeden Sonntag Ausflüge in die Umgebung machten.

Da besuchte mich eines Tages ein Jude aus meiner Bekanntschaft, bat mich, den Wagen einzuspannen, und ihn so zwei Meilen die Stadt hinauszufahren. Da sagte er mir dann: ›Philippo, du hast ein Weib und einen Sohn, sie sind unglücklich.‹ Und gab mir einen Brief von meiner Frau, worauf er verschwand. Ich kehrte allein nach Lyon zurück.

Diese zwei Meilen dünkten mich eine Ewigkeit. Der Brief meiner Frau war voller Vorwürfe, die mich aber weit weniger berührten, als der Gedanke, meinen Sohn verlassen zu haben. Ich sah aus dem Brief, daß meine Geschäfte in Zara recht gut gingen. Aber daß ich meinen Sohn verlassen hatte, der Gedanke tötete mich.

Kein Wort konnte ich an dem Abend sprechen, und Katharine merkte es. Aber sie hatte ein so gutes zartfühlendes Herz. Drei Wochen vergingen, ohne daß sie mich nach dem Grund meines Kummers gefragt hätte. Und ich sagte ihn ihr erst, als sie mich fragte. ›Ich habe einen Sohn.‹ ›Das ahnte ich,‹ sagte sie, ›wir wollen abreisen, ich will in Zara deine Magd sein.‹ ›Unmöglich, meine Frau weiß alles, lies den Brief.‹ Katharine wurde tiefrot über die Schmähungen, die meine Frau in dem Brief über sie schrieb, und über den verächtlichen Ton, in dem sie von ihr sprach, ohne sie zu kennen. Ich küßte sie, tröstete sie so gut ich vermochte. Aber was wollen Sie, lieber Herr, was soll ich Ihnen sagen; die drei Monate, die ich seit dem unseligen Brief noch in Lyon verbrachte, waren eine Hölle; denn ich konnte zu keinem Entschluß kommen.

Eines Nachts sagte ich mir: Wenn ich auf der Stelle abreiste? Katharine lag tief schlafend an meiner Seite. Und sowie ich einmal diesen Gedanken gefaßt hatte, fühlte ich es wie Balsam in meiner Seele. Das muß eine Erleuchtung Gottes sein, dachte ich. Aber wie ich Katharine anblickte, mußte ich mir sagen: Es ist ein Wahnsinn. Du darfst das nicht tun.

Darauf verließ mich sofort Gottes Gnade; ich fiel in meinen bitteren Gram zurück. Ohne zu wissen, was ich tat, zog ich mich leise an, immer die Augen auf Katharine gerichtet.

Meine ganze Kasse war im Bett versteckt; in der Kommode ein Betrag von 500 Franken für eine andern Tags zu leistende Zahlung. Diesen Betrag nahm ich zu mir, ging die Treppe hinunter und in die Remise, wo mein Planwagen stand. Ich lieh mir ein Pferd und fuhr ab.

Jeden Augenblick wandte ich mich um; Katharine wird mir nachlaufen, dachte ich immer, und wenn ich sie sehe, dann bin ich verloren.

Um von dieser Angst etwas befreit zu sein, nahm ich zwei Meilen hinter Lyon die Post. In meiner Verwirrung machte ich mit einem Fuhrmann ab, daß er meinen Wagen nach Chambéry fahre; denn ich brauchte ihn doch offensichtlich nicht; was mich dazu veranlaßte, dessen erinnere ich mich nicht mehr. In Chambéry eingetroffen, fühlte ich die ganze Bitternis meines Verlustes. Ich ging zu einem Notar und ließ ihn eine Schenkungsurkunde all meiner Habe in Lyon zu Gunsten von Frau Katharine Bonnard, meiner Gattin, ausfertigen. Ich dachte an ihre Ehre und an unsere Nachbarn.

Der Notar war bezahlt, ich hatte meine Urkunde, fand aber nicht Kraft, an Katharine zu schreiben. Ich ging also wieder zu dem Notar zurück, der in meinem Namen an Katharine schrieb; einer seiner Schreiber ging mit mir zur Post und gab Brief und Akt vor meinen Augen auf. In einer schmutzigen Kneipe ließ ich auch noch an Bonnard einen Brief nach Valence schreiben. Darin benachrichtigte man ihn in meinem Namen von der Schenkung, die sich auf mindest 14000 Franken belief, weiter noch, daß seine Schwester in Lyon schlimm erkrankt sei und ihn erwarte. Ich habe nie mehr von den Geschwistern etwas gehört.

Meinen Wagen fand ich am Fuß des Mont-Cenis. Ich kann mich nicht erinnern, weshalb ich so an dem Wagen hing, der, wie Sie gleich sehen werden, die unmittelbare Ursache meines Unglücks wurde.

Der wahre Grund meines Unglücks war ohne Zweifel ein furchtbarer Fluch, den Katharine mir nachgeworfen. Lebhaft und leidenschaftlich, wie sie war, jung, zwanzig Jahre zählte sie damals, schön und unschuldig; denn außer für mich, dem sie dienen und den sie ehren wollte als ihren Gatten, hatte sie nie eine Schwäche gehabt; es fand wahrscheinlich ihre Stimme Gehör bei Gott, und sie bat ihn, mich streng zu strafen.

Ich kaufte mir einen Paß und ein Pferd. Wie ich auf den Gedanken kam, daß ich mich am Fuß des Mont-Cenis vor einer Grenze befand, das weiß ich nicht. Mir kam der Einfall, mit meinen fünfhundert Franken ein bißchen Schmuggel zu treiben. Ich kaufte Uhren, die ich in meines Wagens Geheimfach tat. Stolz fuhr ich am Zollhaus vorbei, wo man mir anzuhalten zurief. Ich hatte in meinem Leben so viel Konterbande getrieben, daß ich sicher und unbesorgt ins Zollhaus trat. Die Zollbeamten machten sich sofort über meinen Wagen her. Wahrscheinlich hatte mich der Uhrmacher verraten: man nahm mir alle meine Uhren ab, außerdem mußte ich hundert Taler Strafe zahlen; ich gab ihnen fünfzig Franken, wofür sie mich gehen ließen. Ich besaß noch hundert Franken.

Das Unglück rüttelte mich auf. An einem Tag, in einem Augenblick von fünfhundert auf hundert Franken gebracht sein, wie geht das zu. Ich könnte ja, sagte ich mir, Pferd und Wagen verkaufen, aber bis nach Zara ist ein weiter Weg.

So quälten mich noch diese düstern Gedanken, als mich ein schreiend laufender Zollwächter einholte. ›Du mußt mir noch zwanzig Franken geben, du jüdischer Hund, die andern droben haben mich begaunert; ich hab' nur fünf Franken bekommen statt zehn, und hab' dir außerdem noch nachlaufen müssen.‹ Es war fast Nacht, der Mensch war betrunken und beschimpfte mich. Ich werd' doch mein bißchen Geld nicht noch mehr vermindern, dachte ich.

Der Zollsoldat packte mich am Kragen. Der Böse versuchte mich. Ich gab dem Menschen einen Messerstich und warf ihn den Bergbach hinunter, gut fünfzehn bis zwanzig Fuß tiefer als die Straße. Es war das erste Verbrechen meines Lebens. Ich bin verloren, sagte ich mir.

In der Nähe von Suze hörte ich Lärm hinter mir. Ich gab meinem Pferd die Peitsche und es ging durch. Konnte es nicht mehr halten. Der Wagen schlug um, und ich brach mir das Bein. Katharine hat mich verflucht, sagte ich mir, der Himmel ist gerecht. Man wird mich als den Mörder erkennen und in zwei Monaten werde ich gehängt werden.

Nichts von all dem ist eingetroffen.«


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