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Siebzehntes Kapitel.
Persönliches von Emin Pascha.

Alter und frühere Tage Emin Pascha's. – Gordon und das Gehalt Emin Pascha's. – Letzte Unterredung mit Gordon Pascha im Jahre 1877. – Letzte Zufuhr von Munition und Lebensmitteln an Emin. – Fünf Jahre abgesperrt. – Mackay's Bibliothek in Uganda. – Emin's Fähigkeiten und Tüchtigkeit für seine Stellung. – Seine Sprach- und sonstigen Kenntnisse; sein Fleiß. – Seine zierlichen Tagebücher. – Schukri Aga's Erzählung von Emin's Rückzug von Kirri nach Mswa. – Emin bestätigt die Erzählung. – Der Pascha und die Dinka. – Eine Löwengeschichte. – Emin's Vogelstudien.

 

Ich beabsichtige nicht, eine biographische Skizze über Emin Pascha zu schreiben, sondern will nur diejenigen Einzelheiten hier wiedergeben, die er mir selbst bei unserm täglichen Zusammensein von seinem Leben im Sudan und seiner Bekanntschaft mit seinem berühmten Chef, dem ewig beklagten Gordon, berichtet hat.

Von Geburt ist Emin Pascha Deutscher. Er gibt an, 48 Jahre alt zu sein, und muß daher im Jahre 1840 geboren sein. Ich glaube er muß noch jung gewesen sein, als er in Konstantinopel eintraf, sowie daß irgendein großer Herr ihn bei seinen Studien unterstützt hat und er durch denselben Einfluß wahrscheinlich in türkische Dienste gekommen und der ärztliche Begleiter von Ismail Hakki Pascha geworden ist. Wenn er, wie er mir selbst erzählte, mehr als 20 Jahre unter der Flagge des Halbmondes gedient hat, muß er im Jahre 1864 in den Dienst der Türkei getreten sein. Er schloß sich in Stambul der jungtürkischen oder Reformpartei an, welche ihr eigenes Organ besaß, das wegen seiner kühnen Befürwortung der Reformen dreimal von den Behörden unterdrückt wurde. Bei der letzten Unterdrückung desselben mußte Emin das Land verlassen. Nach seiner Ankunft in Aegypten im December 1875 trat er in ägyptische Dienste und wurde nach Chartum gesandt.


»Gordon ernannte mich zuerst zum Arzt mit einem monatlichen Gehalt von 25 Pfd. St., dann erhöhte er dasselbe auf 30 Pfd. St.; bei der Rückkehr von meiner Mission nach Uganda überraschte er mich mit der Erhöhung meines Gehalts auf 40 Pfd. St., doch wurde dasselbe, als ich Gouverneur dieser Provinz wurde, wie bei allen Provinzgouverneuren, 50 Pfd. St. monatlich. Wie hoch das Gehalt eines Generals ist, weiß ich nicht, indeß war ich damals nur ein ›Miraman‹, eine Art Civil-Pascha, der sein Gehalt nur so lange bekommt, wie er beschäftigt wird, dasselbe aber verliert, sobald man seiner Dienste nicht mehr bedarf. Ich hoffte zum Militär-Pascha, d. h. Divisionsgeneral, ernannt zu werden.«


»Nunmehr ernannte Gordon den deutschen Viceconsul in Chartum, ohne jegliche Befugniß von mir, zu meinem Agenten, um mein Gehalt entgegenzunehmen. Ich glaube, dasselbe ist diesem mehrere Monate ausbezahlt worden; doch ernannte Gordon schließlich diesen selben Viceconsul zum Gouverneur von Darfur, als welcher er bald darauf gestorben ist. Bei der Ordnung seines Nachlasses fand sich nach Bezahlung einiger kleiner Schulden noch eine genügende Summe vor, sodaß seiner Frau 500 Pfd. St. nach Kairo geschickt und mir als Hauptgläubiger der Betrag von 50 Pfd. St. gutgeschrieben werden konnte. Einige Monate später fiel Chartum, und das Geld, das dort etwa nach den: Tode des Viceconsuls deponirt worden war, ging natürlich verloren, sodaß ich seit acht Jahren gar kein Gehalt bekommen habe.«


»Meine letzte Unterredung mit Gordon Pascha hatte ich im Jahre 1877. Es war eine Expedition unter Führung von Oberst Prout nach Darfur und eine zweite unter Oberst Purdy zu Vermessungszwecken ausgesandt worden. Als Gordon Generalgouverneur wurde, bat er Stone Pascha in Kairo, ihm einen dieser Offiziere zu Vermessungsarbeiten in der Aequatorialprovinz zu schicken. Gessi Pascha hatte bereits den Albert-See umschifft, seine Messungen aber nur mit dem Kompaß vorgenommen. Prout Bey und Mason Bey waren beide vorzügliche Beobachter. Prout Bey traf zuerst ein; er reiste von Ladó nach Fatiko, von dort nach Mruli am Victoria-Nil, ging dann nach Magungo am Albert-Njansa und stellte durch eine Reihe von Beobachtungen die Lage dieses Punktes für alle Zeiten fest. Krankheit zwang ihn, nach meiner Station in Ladó zurückzukehren. Zur selben Zeit war Mason Bey gerade mit einem Dampfer angekommen, um den Albert-See zu vermessen, und mit demselben Schiffe erhielt ich den Befehl, nach Chartum hinabzufahren, um den Gouverneursposten in Massaua am Rothen Meer zu übernehmen. Der französische Consul daselbst hatte sich mit dem dortigen Civilgouverneur veruneinigt und gebeten, wenn ein anderer Gouverneur ernannt werde, dazu eine Persönlichkeit zu wählen, welche französisch verstände. Deshalb hatte Gordon, welcher wußte, daß ich mit der Sprache vertraut war, vermuthlich mich ausersehen. Bei der Ankunft in Chartum wurde ich sehr herzlich von Gordon aufgenommen, der darauf bestand, daß ich die Mahlzeiten mit ihm einnehmen müsse, was eine große Gunst war, weil er sonst selten jemand einlud, mit ihm zu speisen. Ich lehnte die Wohnung im Palast jedoch ab und nahm mein Frühstück bei mir zu Hause ein, doch bestand Gordon darauf, daß ich zum zweiten Frühstück und Mittagessen zu ihm käme. Er hatte Ueberfluß an Arbeit für mich, Schreiben an die ägyptischen Paschas und Beys in den verschiedenen Provinzen, Briefe an die katholische Mission in Gondokoro, sowie an den Papst, den Khedive u. s. w. in italienischer, deutscher und arabischer Sprache. Das dauerte eine Zeit lang, bis er mich eines Tages in einer Mission nach Unjoro sandte. Etwas später fuhr ich stromaufwärts und habe seitdem Gordon nicht mehr gesehen.«


»Im Juni 1882 schrieb mir Abdul Kader Pascha, daß er in einigen Monaten einen Dampfer mit Lebensmitteln und Munition an mich absenden werde. Nachdem ich neun Monate gewartet hatte, erhielt ich im März 1883 nur 15 Kisten Munition. Das ist thatsächlich die letzte Zufuhr von irgendetwas gewesen, was ich bis zu Ihrer jüngsten Ankunft im April 1888 von der Außenwelt bekommen habe. Genau fünf Jahre!«


»Während fünf Jahren bin ich in dieser Region vereinsamt geblieben. Hoffentlich aber nicht müßig. Ich wurde von den Angelegenheiten meiner Provinz in Thätigkeit gehalten, und es ist mir gelungen, an manchen Dingen Vergnügen zu finden. Dennoch hat die Isolirung von der civilisirten Welt mir das Leben ziemlich schwer gemacht. Ich würde mich des Lebens hier bis zu meinem Ende freuen, wenn ich nur regelmäßig Nachrichten erhalten könnte und eine sichere Verbindung mit der Außenwelt hätte, um alle Monate oder alle zwei oder selbst drei Monate Bücher und Zeitungen zu erhalten. Ich beneide die Missionare in Uganda, die monatlich ihr Packet Briefe, Zeitungen und Bücher bekommen. Herr Mackay hat in Uganda eine vollständige Bibliothek. Das Päckchen ›Honeydew‹-Taback, welches ich Ihnen neulich gab, erhielt ich von ihm. Ich bekam auch einige Flaschen Spirituosen, Kleidungsstücke, Schreibpapier von ihm und ebenso die wenigen Nachrichten, welche ich aus den mir hin und wieder gesandten Nummern des ›Spectator‹ und der ›Times‹ ersah. Bücher über gewisse Gegenstände, welche mich interessiren, habe ich aber nie von ihm erhalten können, ohne ihm und seinen Freunden viel zu große Mühe zu machen. Ich möchte daher gern meinen eigenen Postdienst haben, dann wäre mein Leben von dem Unbefriedigtsein befreit. Ach, diese Jahre des Schweigens! Ich vermag meine Gefühle nicht in Worte zu kleiden, könnte die Zeit aber nicht nochmals aushalten.«


Ich habe bereits Emin's Alter und Person beschrieben; gewisse Eigenschaften seines Charakters werden durch die vorstehende Unterredung gekennzeichnet, jedoch würde man den Mann kaum im vollen Umfange seiner Natur verstehen, wenn ich hier aufhörte. Seine Fähigkeiten, Tüchtigkeit und Brauchbarkeit für die eigenthümliche Stellung, in welche er versetzt war, ergeben sich aus der Art und Weise, wie er es möglich machte, seine Truppen zu bekleiden. Unter den uns aufgenöthigten Geschenken befanden sich Stücke von Baumwollenstoff, den seine Leute selbst gewebt hatten, grob, aber fest, sowie Pantoffeln und Schuhe von seinen eigenen Schuhmachern. Das Aussehen seiner Dampfer und Boote nach der langen Dienstzeit, die Herstellung des für die Maschinen geeigneten Oels, einer Mischung aus Sesamöl und Talg, die ausgezeichneten sanitären Einrichtungen, die Sauberkeit und Ordnung der unter seinem Befehl stehenden Stationen, die regelmäßig ohne Widerspruch erfolgende Zahlung des Getreidetributs seitens seiner Negerunterthanen zweimal im Jahre, alles das dient dazu, um seinen eigenartigen Charakter zu kennzeichnen und zu beweisen, daß er Talente besitzt, wie man sie bei denen, die Afrika zu ihrem Arbeitsfelde erwählen, nur selten findet. Bei dem Bemühen, ihn zu beurtheilen, lasse ich im Geiste Hunderte von Offizieren vorüberziehen, welche am Nil und Kongo gedient haben, aber ich kenne nur wenige, welche ihm in einer seiner werthvollen Eigenschaften gleichkommen würden. Abgesehen von seinen sprachlichen Kenntnissen ist er Naturforscher, etwas Botaniker, und was ihn als Arzt anbetrifft, so glaube ich wol, daß 20-30 Jahre eines abenteuerlichen Lebens, wie er es geführt hat, ihm seltene Gelegenheiten geboten haben, um in diesem Beruf klug und geschickt zu werden. Die von ihm gebrauchten Worte gehen, wie man aus dem Vorstehenden ersieht, über das hinaus, was zu einem allgemeinen Gespräch erforderlich ist, und ließen mich auch seine Gewandtheit im Englischen erkennen, das bei seiner sonoren Stimme und gemessenen Sprechweise ungeachtet des fremden Accents sehr angenehm klang. Ich fand ihn über die Fragen der in Zeitungen und Zeitschriften behandelten Politik sehr gut unterrichtet, gleichviel von welchem Lande wir sprachen. Sein Benehmen ist sehr höflich und entgegenkommend, vielleicht etwas zu ceremoniös für Centralafrika, aber höchst geziemend für einen Gouverneur und gerade so, wie man es von einem Beamten in solcher Stellung, der sich seiner schweren Verantwortlichkeit bewußt ist, erwarten kann.

Fleißige Arbeit scheint für ihn ein wichtiges Lebensbedürfniß zu sein. Er ist ein Muster anstrengender, geduldiger Arbeit. Kaum war das Lager aufgeschlagen, so machte er sich schon daran, nach methodischer Weise in der Einrichtung Ordnung herzustellen. Sein Tisch und Stuhl haben ihren bestimmten Platz, auf dem Tische befinden sich die Tagebücher, auf einem passenden Postament die Aneroidbarometer, im Schatten sind die Thermometer und Psychrometer in gehöriger Weise aufgestellt, sodaß die Luft sie ordentlich bestreichen kann. Die Tagebücher sind Wunder von Zierlichkeit und ohne Kleckse, die Schrift ist mikroskopisch klein, als ob er einen Preis für Accuratesse, Sparsamkeit, Zierlichkeit und Treue erzielen wollte. Thatsächlich zeichnen die meisten Deutschen meiner Bekanntschaft sich durch die Masse ihrer Beobachtungen und ihre überaus schöne Schrift aus, während englisch sprechende Reisende, die ich kannte, Notizbücher besaßen, die für sie allerdings ganz brauchbar sein mochten, sonst aber nicht gut geführt, voll von Klecksen und im Vergleich zu jenen schlecht geschrieben waren und demjenigen, welcher die Herausgabe zu besorgen hat, unendliche Schwierigkeiten machten.


Nachstehendes wird einige der Schwierigkeiten illustriren, mit denen er in den fünf Jahren, die er vom Hauptquartier in Chartum abgeschnitten war, zu kämpfen hatte.

Schukri Aga, der Commandant der Station Mswa, der mir am Abend des 19. Mai einen Besuch abstattete, erzählte, daß vor etwa Jahresfrist 190 Soldaten vom ersten Bataillon von der Station Redjaf nach Kirri, wo der Pascha residirte, aufgebrochen seien, um ihn zu verhaften und als Gefangenen bei sich zu behalten. Es war nämlich von Dr. Junker in Kairo ein Brief eingetroffen, welcher die Nachricht von der Absendung einer Expedition zu ihrer Befreiung enthielt, und dies hatte in den Gemüthern der Soldaten des ersten Bataillons die verworrene Meinung hervorgerufen, daß ihr Gouverneur in jener Richtung zu fliehen und sie ihrem Schicksale zu überlassen beabsichtige. In der Ueberzeugung, daß ihre Sicherheit in der Anwesenheit des Civilgouverneurs unter ihnen liege, waren sie auf den Gedanken gekommen, ihn gefangen zu nehmen und mit sich nach Redjaf zu bringen, der nördlichsten Station, wo das genannte Bataillon in Garnison stand. »Denn«, sagten sie, »wir kennen nur einen Weg, und der führt den Nil hinab über Chartum.« Die Correspondenz, welche diese Leute mit Chartum unterhielten, läßt mich bezweifeln, ob dies der wahre Grund war. Man vergleiche das Schreiben Omar Sali's an den Chalifen von Chartum. Als der Pascha von den Offizieren des zweiten Bataillons plötzlich von diesem Plane in Kenntniß gesetzt wurde, rief er: »Gut, wenn sie mich tödten wollen, ich fürchte mich nicht vor dem Tode; laßt sie nur kommen, ich werde sie erwarten.« Das wollten die Offiziere des zweiten Bataillons in Kirri aber nicht zugeben; sie flehten ihn an, zu fliehen, ehe die Unzufriedenen kämen, und setzten ihm auseinander, daß »die gewaltsame Gefangennahme und die Haft des Gouverneurs einer jeglichen Regierung ein Ende machen müsse und die vollständige Vernichtung jeder Disciplin sein werde«. Längere Zeit weigerte er sich fortzugehen, aber schließlich gab er ihren Bitten doch nach und floh nach Mswa. Bald nach seiner Abreise traf das Detachement des ersten Bataillons ein, umzingelte die Station und stellte die peremtorische Forderung, der Gouverneur solle herauskommen und sich ihnen ergeben. Auf die Antwort, daß der Gouverneur bereits südwärts nach Muggi und Wadelai abgereist sei, drangen die Empörer gegen die Station vor, ergriffen den Kommandanten und die Unterbeamten, prügelten sie mit Peitschenhieben weidlich durch und nahmen die meisten als Gefangene mit, worauf sie nach Redjaf zurückkehrten.

»Sie müssen wissen«, fuhr Schukri Aga fort, »daß das erste Bataillon die nördlichen Stationen bewacht, daß jeder Soldat desselben gegen den Rückzug ist und jegliche Andeutung, den Wachtposten in Redjaf zu verlassen, nur ihren Unwillen hervorruft. Sie haben während der ganzen langen Zeit auf die Nachricht gewartet, daß ein Dampfer in Ladó eintreffen werde, und hängen noch fest an dem Glauben, daß der Pascha in Chartum sie eines Tages holen lassen werde. Was Emin Pascha ihnen in gegentheiligem Sinne sagt, ruft nur den äußersten Unglauben hervor. Nun Sie aber auf dem entgegengesetzten Wege gekommen sind und da mehrere von uns, die wir 1875 mit Linant Bey gewesen sind, Sie in Uganda gesehen haben und noch viel mehr Sie dem Namen nach kennen, werden sie höchst wahrscheinlich die Ueberzeugung gewonnen haben, daß der Nil nicht die einzige Straße nach Aegypten ist und daß Sie, der sie aufgefunden hat, sie auch aus dem Lande führen werden. Sie werden Ihre Offiziere, werden Ihre Sudanesen sehen ehrerbietig Ihre Botschaft anhören und mit Freuden gehorchen. Das ist meine Ansicht, obwol nur Gott weiß, wie die Stimmung augenblicklich beim ersten Bataillon ist, da noch nicht genug Zeit verflossen ist, daß wir von ihm schon hätten hören können.«


Als ich Emin Pascha am nächsten Tage das von Schukri Aga Gehörte wiedererzählte, sagte er:

»Schukri Aga ist ein sehr intelligenter und tapferer Offizier, der zu seinem Range befördert worden ist wegen seiner ausgezeichneten Dienste gegen Keremallah, einen der Generale des Mahdi, als derselbe mit einigen tausend Leuten hierher kam, um uns aufzufordern, uns der Regierung des Mohammed Achmet zu unterwerfen.

»Was er Ihnen erzählt hat, ist vollständig wahr, nur hat er zu erwähnen vergessen, daß bei den 190 Soldaten des ersten Bataillons sich auch 900 bewaffnete Neger befanden. Später habe ich erfahren, daß sie mich nach Gondokoro zu bringen und dort gefangen zu halten beabsichtigten, bis die Garnisonen der südlichen Stationen, Wadelai, Tunguru und Mswa, sich gesammelt hätten, um dann gemeinsam am rechten Flußufer nach Chartum zu marschiren. Beim Eintreffen in der Nähe von Chartum wollten sie, auf die Nachricht, daß die Stadt wirklich gefallen sei, sich jeder in seine Heimat zerstreuen und den Leuten aus Kairo und mir es überlassen, weiter für uns zu sorgen.« Da der Pascha dies wußte, scheint er mir doch sehr unklug gehandelt zu haben, als er sich unter diese Rebellen wagte, ohne sich vorher darüber zu vergewissern, welche Wirkung seine Gegenwart auf sie ausüben würde.


Nachstehend einige naturhistorische und ethnographische Thatsachen, die er mir erzählt hat.

Der Wald von Msongua wird von einer großen Art von Schimpansen unsicher gemacht, die im Sommer oft zur Nachtzeit die Pflanzungen der Station Mswa besuchen, um Früchte zu stehlen.

Er bemerkte, daß man an den Ufern des Albert-Sees niemals Papagaien sehe. In Unjoro trifft man sie bis 2° nördl. Br., dagegen scheinen die Seeanwohner nicht zu verstehen, was gemeint ist, wenn man von Papagaien spricht.

Unsere Leute fingen ein Paar sehr junge Zebra-Ichneumons und brachten sie dem Pascha. Derselbe nahm sie an und befahl sie mit Milch zu füttern. Er erklärte, das Ichneumon sei, obwol es sehr zahm werde und äußerst drollig sei, doch schädlich.

Das neugierige kleine Thier zerbricht die Instrumente, spritzt die Tinte umher und beschmutzt und beschmiert Papiere und Bücher. An Eiern läßt es besonders seine Zerstörungswuth aus; findet es ein Ei mit ungewöhnlich harter Schale, so hebt es dasselbe mit den Vorderfüßen und läßt es so lange fallen, bis es zerbrochen ist.

Der Pascha weiß viel von den Dinka zu erzählen. Die Heerdenbesitzer bei den Dinka haben 300-1500 Stück Vieh, schlachten dasselbe aber selten des Fleisches wegen, sondern halten es einzig und allein wegen der Milch und des Blutes. Letzteres wird mit Sesamöl vermischt und als Delicatesse verzehrt. Beim Tode eines Heerdenbesitzers ladet der nächste Verwandte seine Freunde ein und schlachtet vielleicht zwei Rinder für das Festmahl bei der Bestattung, sonst hört man kaum, daß ein Dinka das Vieh des Fleisches wegen geschlachtet hätte. Stirbt ein Stück Vieh eines natürlichen Todes, so verlangt der Appetit nach Fleisch, daß es verzehrt wird, ein Beweis, daß nicht das Gewissen den Dinka verhindert, seinen Magen mit Fleisch zu füllen, sondern, da die Rinder seinen Reichthum bilden, nur seine übertriebene Sparsamkeit.

Die Dinka bezeugen den Tigerschlangen und allen übrigen Arten von Schlangen große Ehrfurcht. Als einer der sudanesischen Offiziere eine Schlange getödtet hatte, mußte er zur Strafe vier schöne Ziegen hergeben. Sie betrachten die Schlangen sogar als Hausthiere und halten sie in ihren Hütten, wobei den Thieren aber alle Freiheit gelassen wird, sodaß sie hinauskriechen und auf Beute gehen können, worauf sie zurückkehren, um zu ruhen und zu schlafen. Sie waschen die Tigerschlangen mit Milch und reiben sie mit Butter ein. Man hört in fast jeder Hütte in dem Dachwerk kleinere Schlangen rascheln, die dort der Jagd auf Ratten, Mäuse u. s. w. nachgehen.

Auf der Ostseite des Nils fand er einen Stamm, welcher eine außerordentliche Vorliebe für Löwen hatte und dessen Mitglieder sich lieber von einem Löwen tödten ließen, als daß sie sich des Todes eines solchen schuldig machten. Diese Leute hatten einmal eine Grube angelegt, um Büffel und ähnliches Wild zu fangen, doch war unglücklicherweise ein Löwe das erste Opfer derselben. Als die Sudanesen dies entdeckten, wollten sie das Thier tödten, der Häuptling verbot dies jedoch und bat, man möge ihm den Löwen schenken, wozu die Sudanesen gern bereit waren. Während sie neugierig zusahen, was der Häuptling mit dem Thiere machen werde, schnitt dieser einen langen, kräftigen Pfahl ab und stellte ihn schräg auf den Boden der Grube, worauf der Löwe sofort an demselben emporklomm und ins Dickicht sprang, um sich der wiedergewonnenen Freiheit zu erfreuen. Zu erwähnen ist noch, daß das edle Thier keinen Versuch machte, jemand zu verletzen, und sich wahrscheinlich viel zu sehr davor fürchtete. Man könnte eine ebenso niedliche Geschichte, wie von Androkles und dem Löwen daraus machen, wenn wir nicht in einem so wahrhaften und prosaischen Zeitalter lebten.

siehe Bildunterschrift

Ein Phalanxtanz von Masamboni's Kriegern.

Das »Vogelstudium«, erklärte mir der grauhaarige Lieutenant aus Kairo, sei das Entzücken des Paschas. In der That scheint er in allem, was Vögel oder vierfüßige Thiere angeht, ein ebenso großes Vergnügen zu finden, wie an seinen Militär- und Civilpflichten, obwol ich nicht bemerkt habe, daß er die letztern vernachlässigt hätte, während das ehrfurchtsvolle, soldatische Benehmen seiner Leute in seiner Gegenwart zeigt, daß ihnen die Disciplin gut eingeprägt worden ist.


Aus der vorstehenden Wiedergabe einiger von mir aufgezeichneten Unterredungen geht hervor, daß der Pascha ein wechselvolles Leben geführt hat, das ruhigen, in der Heimat bleibenden Leuten viel werthvollen und anregenden Lesestoff bieten würde. Hoffentlich wird er sich eines Tages bereit finden, ihnen in Buchform einige der überraschenden Ereignisse seines Lebens in Asien und Afrika vorzulegen und ihnen in seiner eigenen angenehmen Weise die interessantesten Beobachtungen zu wiederholen, die er während seines langen Aufenthalts in einer neuen und wilden Natur gemacht hat.



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