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Sechzehntes Kapitel.
Mit dem Pascha zusammen.

(Fortsetzung.)

Befestigte Stationen in der Provinz. – Stürme in Nsabe. – Ein Nest von jungen Krokodilen. – Der Ibrahim-See. – Beutezug der Sansibariten in die Balegga-Dörfer. – Dr. Parke sucht die beiden Vermißten auf. – Wieder die Sansibariten. – Ein wirklicher Wirbelsturm. – Des Paschas Geschenke für uns. – Zusammenkunft mit den Offizieren Emin's. – Emin's Viehvorräthe. – Abfahrt des »Khedive« nach der Station Mswa. – Mabruki und sein verdienter Lohn. – Der Pascha übt sich im Gebrauch des Sextanten. – Abmarsch der eingeborenen Häuptlinge. – Ankunft der Dampfer »Khedive« und »Nyanza« mit Soldaten. – Vorbereitung für den Rückmarsch zur Aufsuchung der Nachhut. – Meine Botschaft an die Truppen. – Unsere Straße bei Badsua. – Abschiedstanz der Sansibariten. – Verschwinden der Madi-Träger. – Erster Anblick des Ruwenzori. – Frühere Umschiffer des Albert-Sees. – Hoher Zwillingskegelberg in der Nähe des östlichen Ituri-Flusses. – Hülfe für Emin gegen Kabba-Rega. – Zwei Briefe von Emin Pascha. – Wir erfahren von einem geplanten Angriffe der Häuptlinge Kadongo und Musiri. – Neue Madi-Träger. – Wir greifen Kadongo's Lager an und marschiren mit Hülfstruppen Masamboni's und Gavira's gegen das Lager Musiri's, das sich als verlassen erweist. – Phalanxtanz der Krieger Masamboni's. – Musik auf dem afrikanischen Continent. – Lager auf dem Nsera Kum-Hügel. – Geschenke von verschiedenen Häuptlingen. – Der Häuptling Musiri bittet um Frieden.

 

4. Mai. Von dem Lager bei Nsabe beträgt, wie ich höre, die Entfernung mit dem Dampfer nach Mswa 9 Stunden, von dort nach Tunguru 5 Stunden und nach Wadelai 18 Stunden. Die übrigen befestigten Stationen heißen Fabbo, östlich vom Nil, Dufilé, Ende der Schiffahrt, Chor Aju, Laboré, Muggi, Kirri, Beddén, Redjaf und drei oder vier kleine Stationen im Innern, westlich vom Nil.

Er sprach heute in hoffnungsvollerm Tone über die Aussichten bezüglich des Abmarsches von den Ufern des Albert-Sees. Die Gegend am Victoria-See schien für ihn selbst noch mehr Anziehungskraft zu besitzen, als zuerst. Es ist aber noch etwas dabei, was ich nicht zu begreifen vermag.

6. Mai. Halt in Nsabe.

Heute brach wieder ein Sturm los, der um 8 Uhr vormittags begann und aus Nordost kam. Bei den frühern Stürmen war der Wind Südost und drehte sich nach Ost. Als wir nach den steilen Plateaumauern im Osten und Westen von uns blickten, sahen wir sie in Nebel, Dunst und Regenwolken, den Vorboten der Stürme, eingehüllt. Die ganze Oberfläche des Njansa war eine Masse von Schaum, Gischt und weißen Wogen, welche bei der Annäherung an die Küste, wie wir bemerkten, durch große Wellenthäler voneinander getrennt waren, die für vom Sturm überfallene kleine Fahrzeuge sehr gefährlich sind.

7. Mai. Halt in Nsabe.

Beim Abendessen theilte der Pascha mir heute mit, daß Casati sich sehr entschieden gegen die in Aussicht genommene Route via Usongora nach Süden ausgesprochen und ihm gerathen habe, die Monbuttu-Route nach dem Kongo einzuschlagen, woraus ich schließe, daß der Pascha mit Casati über den Heimmarsch gesprochen hat. Ob er seine Ansicht bezüglich des Victoria geändert hat?

8. Mai. Halt in Nsabe.

Jeder Tag bringt Sturm und Regen mit lauten Donnerschlägen und voraufgehendem Spiel zuckender Blitze, sehr schön, aber schrecklich.

Entdeckte ein Nest junger Krokodile, 37 an der Zahl, die soeben aus den Eiern geschlüpft waren. Beiläufig bemerke ich für diejenigen, denen die Thatsache unbekannt ist, daß das Krokodil fünf Krallen an den Vorder- und nur vier an den Hinterfüßen hat. Es ist behauptet worden, das Krokodil hebe beim Verschlingen die obere Kinnlade, während es thatsächlich wie andere Thiere die untere senkt.

9., 10. Mai. Halt in Nsabe.

11. Mai. Die Lebensmittel werden knapp. Drei Mann sind gestern ausgezogen, um etwas zu suchen, und bisjetzt nicht zurückgekehrt. Hoffentlich werden wir nicht wieder demoralisirt werden.

Jephson leidet an einem Anfall von Gallenfieber.

Der Ibrahim-See oder Gita Nsige ist dem Pascha zufolge nur eine Erweiterung des Victoria-Nils, ähnlich denjenigen unterhalb Wadelai, des Albert-Sees, am Oberkongo, oder wie beim Stanley-Pool. Infolge dessen hat der See zahlreiche Kanäle, die durch Reihen kleiner Inseln und Sandbarren voneinander getrennt sind. Sowol Gordon als auch Emin sind zu Lande am linken Ufer entlang gereist.

Um 9 Uhr abends erhielt ich eine unangenehme Nachricht. Vier Mann, welche ich um 4 Uhr beim Spielen auf dem sandigen Strande des Sees bemerkt hatte, waren plötzlich auf den Gedanken gekommen, einen Raubzug gegen einige Balegga-Dörfer am Fuße des Plateaus nordnordwestlich von hier aus zu machen. Sie waren von den Eingeborenen umzingelt worden und zwei von ihnen schienen getödtet zu sein, während die beiden andern, welche entkommen sind, schwere Wunden erhalten haben.

12. Mai. Halt in Nsabe.

Ich schickte heute Morgen Dr. Parke mit 45 Gewehrträgern aus, um die beiden Vermißten aufzusuchen. Einer der beiden kam vormittags um 9 Uhr, nachdem er die Nacht in der Wildniß zugebracht hatte, ins Lager; er hatte durch einen nach ihm geschleuderten Speer eine tiefe Wunde im Rücken erhalten, die aber glücklicherweise nicht bis zu edlen Theilen reicht. Wie er mir erzählt, hätte er bei den Eingeborenen Fleisch gegen Mehl ausgetauscht, als er vor sich Gewehrschüsse hörte, wodurch bald alles alarmirt wurde. Die Eingeborenen flohen nach der einen, er nach der andern Seite, aber schon im nächsten Augenblicke sah er sich verfolgt und erhielt eine Speerwunde in den Rücken. Durch rascheres Laufen gelang es ihm, den Verfolgern zu entkommen, bis er sich in dem hohen Grase des Baches verbergen konnte, während einige Eingeborene nach ihm suchten. Dort hatte er die ganze Nacht gelegen; nachdem die Sonne aufgegangen war, hatte er den Kopf herausgesteckt, um Umschau zu halten, und als er niemand sah, sich wieder nach dem Lager aufgemacht.

Ich bin nie ganz sicher darüber gewesen, in welcher Weise diese Unfälle entstehen und ob die Eingeborenen oder die Sansibariten die Angreifer sind. Letztere stellen den Fall in außerordentlich glaubwürdiger Weise dar, doch sind sie in der Kunst des Lügens so geschickt, daß ich oft irregeführt werde. Es scheint mir so hoffnungslos, in diesem Falle die Wahrheit ans Licht zu bringen, daß ich ihnen meine Ansicht von der Sache in folgender Weise erkläre:

»Solange ihr Sansibariten täglich fünf oder sechs Pfund Mehl und ebenso viel Pfund Fleisch erhaltet, werdet ihr immer so träge, daß ihr nicht einmal nach dem Dampfer gehen würdet, um euch mit Rationen für die Zeit zu versorgen, während welcher er vielleicht fort ist. Der Dampfer ist schon seit mehrern Tagen abgefahren und euere Rationen gehen natürlich stark auf die Neige, denn wer vermag euch mit so viel Fleisch zu versorgen, wie ihr vergeuden könnt? Ihr habt deshalb das Lager ohne Erlaubniß verlassen, um bei den Balegga zu stehlen. Wie ich höre, wäret ihr ein ganzer Trupp; als ihr gesehen, daß das Dorf ziemlich voll von Eingeborenen war, waren die meisten von euch klüger als die übrigen und tauschten ein wenig Fleisch gegen Mehl ein, während euere kühnern Gefährten weiter gingen und Hühner zu stehlen begannen. Die Eingeborenen rächten das und schossen ihre Pfeile auf die Diebe ab, die ihrerseits mit Schüssen erwiderten, worauf eine allgemeine Flucht entstand. Einer von euch ist getödtet worden; ich habe ein Gewehr verloren und drei von euch sind verwundet worden und werden lange Zeit untauglich zur Arbeit sein. Das ist die Wahrheit in der Sache, und ich werde euch deshalb keine Arzneien geben. Heilt euere Wunden selbst, wenn ihr das könnt; ihr drei Burschen sollt, wenn ihr wieder besser werdet, mir das Gewehr bezahlen.«

13. Mai. Halt in Nsabe.

Der Doctor kehrte von der Suche nach den Vermißten zurück, ohne weiteres ausgerichtet zu haben, als zwei kleine Dörfer in Brand zu stecken und einige Schüsse auf entfernte Trupps von Eingeborenen abzugeben. Er war nicht im Stande gewesen, die Leiche des Sansibariten oder dessen Winchestergewehr wiederzuerlangen. Die Stelle, wo er gefallen, war an einer ziemlich großen Blutlache zu erkennen; wahrscheinlich hat er einige seiner Feinde verwundet.

In letzter Nacht wehte ein wirklicher Wirbelsturm. Pechschwarze Wolken sammelten sich in Südsüdost und Nordost und bereiteten uns auf eine nasse Nacht vor, nicht aber auf eine so furchtbare Gewalt des Windes, der mit solch kräftiger Wucht auf uns eindrang, daß er das Lager in Trümmer legte und die Zelte umriß. Das Getöse beim Herannahen des Sturmes glich demjenigen, welches bei einem Dammbruch oder dem Herabschießen der Gewässer eines eingestürzten Reservoirs entstehen dürfte. Der mit schrecklicher Gewalt dahergepeitschte Regen durchdrang alles. Keine Vorsichtsmaßregel, welche die frühern Erfahrungen mit dem Wetter am Njansa uns gelehrt hatte, vermochte uns vor der durchdringenden, durchschlagenden Kraft des Regens und seines feinen Gischtes zu schützen; der Wirbelsturm trieb ihn unter den Hütten und Zelten durch, den Zeltstangen entlang, durch die dichtgeschlossenen Fenster, Luftlöcher und Thüren, bis wir überschwemmt waren. Gegen eine solche Gewalt des Windes und Wassers in der stockfinstern Nacht bei dem betäubenden Getöse anzukämpfen, war eine so hoffnungslose Arbeit, daß uns weiter nichts übrigblieb, als alles schweigend und mit geschlossenen Lippen zu ertragen. Als das Tageslicht kam, zeigte sich uns ein ruhiger See, der von zerrissenen Wolken bedeckte Himmel, die von Dunstmassen umgebenen Spitzen des Plateaus, ein zertrümmertes Lager, am Boden liegende Zelte und durchweichte Einrichtungsgegenstände. Das Getöse der Brandung war so schrecklich, daß wir gern die sich überschlagenden Wogen und die sturmgepeitschte Oberfläche des Sees bei Tageslicht gesehen hätten. Hoffentlich hat der alte »Khedive« in einem sichern Hafen gelegen, sonst muß er gescheitert sein.

14. Mai. Halt in Nsabe.

Heute Nachmittag langte der Dampfer »Khedive« an und brachte einen Vorrath von Hirsekorn und einige Milchkühe mit. Der Pascha stellte sich lächelnd mit einigen für uns alle höchst willkommenen Geschenken ein. Für mich brachte er ein Paar starke Wanderschuhe mit zum Austausch gegen ein kleineres Paar Stiefel, die er bei meiner Rückkehr mit der Nachhut haben soll. Herr Jephson wurde mit einem Ober-, einem Unterhemd und ein Paar Unterbeinkleidern glücklich gemacht, während Dr. Parke, dem ein desertirter Sansibarite seine Hauptausrüstung gestohlen hat, eine blaue gestrickte Jacke, ein Unterhemd und ein Paar Unterbeinkleider erhielt. Außerdem bekam jeder von uns einen Topf Honig, einige Bananen, Orangen und Wassermelonen, Zwiebeln und Salz. Ich erhielt auch ein Pfund »Honeydew«-Taback und ein Glas mit Pickles.

Solche Geschenke, wie die Kleidungsstücke, welche unsere Offiziere von Emin Pascha bekamen, beweisen, daß er sich nicht in so außerordentlicher Noth befand, wie wir geglaubt hatten, und daß es nicht nöthig gewesen wäre, mit der Vorhut so eilig vorzudringen. Und dennoch schrieb der Pascha am 25. März 1888, 50 Tage vorher, an den Herausgeber von »Petermann's Mittheilungen« einen Brief, den er mit den Worten schloß: »Kommt Stanley nicht bald, so sind wir verloren.« Wir hatten alle unsere Bequemlichkeiten und Reservekleidungsstücke in Jambuja zurückgelassen, um zur Rettung eines Mannes zu eilen, der, wie wir meinten, nicht nur wegen mangelnder Mittel zur Vertheidigung gegen Feinde, sondern auch wegen Mangels an Kleidungsstücken sich in Noth befand. Abgesehen von dem doppelten Marsch nach dem Albert-See befürchte ich, daß wir auch zur Rettung des Majors Barttelot und der Nachhut weit zurückgehen müssen. Gott allein weiß, wo er sich befindet. Vielleicht hat er Jambuja noch nicht verlassen; in diesem Falle werden wir einen Extramarsch von etwa 2100 km zurückzulegen haben. Es ist ein fürchterlich langer Weg durch ein abschreckendes Land, und ich fürchte, ich werde viele, sehr viele gute Seelen auf diesem Marsche verlieren. Aber Gottes Wille geschehe!

Emin stellte mir heute Selim Bey, Major Auasch Effendi und andere Offiziere vor. Ich hatte ihm vor zwei oder drei Tagen angedeutet, daß er mir wichtigen Beistand leisten könnte, wenn er auf der Insel Njamsassi eine kleine Station bauen würde, wo wir die Gewißheit einer bequemen Verbindung mit seinen Leuten hätten und er einen Reservevorrath von Getreide für die Ankunft der vereinigten Expedition lagern könnte. Er hatte mir das bereitwillig versprochen, ich muß aber bekennen, daß ich mich heute einigermaßen gewundert habe, als er sich an den Major Auasch Effendi wandte und, wie mir schien, in etwas bittendem Tone sagte: »Versprechen Sie mir nun in Gegenwart von Herrn Stanley, daß Sie mir 40 Mann zum Bau dieser Station geben wollen, die Herr Stanley so sehr wünscht.« Dabei ist etwas, das ich nicht verstehe; jedenfalls sieht es meinem Ideal von einem Gouverneur, Vicekönig und Befehlshaber von Leuten nicht ähnlich, in diesem Tone zu Untergebenen zu sprechen.

Heute hatte ich eine weitere Unterredung mit Emin Pascha, aus welcher ich die Ueberzeugung gewonnen habe, daß wir nicht nur nochmals nach dem Albert-Njansa werden marschiren, sondern auch später mindestens noch zwei Monate warten müssen, bevor er seine Leute versammeln kann. Anstatt sich während unserer Abwesenheit ans Werk zu machen und seine Leute zu sammeln und für den Marsch vorzubereiten, will er warten, bis ich mit der Nachhut zurückkehre, worauf ich dann, wie er hofft, bis nach Dufilé gehen soll, um seine Leute zu überreden, mir zu folgen. Er ist noch immer überzeugt, daß seine Truppen nicht nach Aegypten gehen wollen, aber vielleicht veranlaßt werden können, bis zum Victoria-Njansa zu marschiren.

Ich fragte ihn, ob das Gerücht wahr sei, daß er bei einem Zuge nach den westlichen rinderreichen Gebieten 13 000 Stück Vieh erobert habe.

»O nein, das ist Uebertreibung. Einem gewissen Bachit Bey ist es auf einem Raubzuge, den er während der Generalgouverneurschaft Rauf Pascha's nach Makraka unternommen hat, gelungen, 8000 Stück wegzunehmen, doch ist er wegen dieser That streng getadelt worden, weil solche Beutezüge im großen nur zur Entvölkerung eines Landes führen. Das ist die größte Zahl von Rindern, welche man auf einmal bekommen hat. Ich habe Gelegenheit gehabt, Befehl zur Ausführung von Fourragirungsexpeditionen zu geben, um Lebensmittel zu erhalten, aber 1600 Stück sind die größte Zahl gewesen, welche wir je auf einmal erreicht haben. Andere Fourragirungszüge haben uns 500, 800 und 1200 Stück gebracht.«

Gestern und heute war das Wetter sehr angenehm; die Temperatur der Luft war:

16. Mai. Lager bei Nsabe.

Der Dampfer »Khedive« ist heute nach den Stationen Mswa und Tunguru, und wahrscheinlich auch nach Wadelai abgefahren, um rasch eine Anzahl Träger zum Ersatz unserer am Hungertod in der Wildniß gestorbenen Leute herbeizuholen. Kapitän Casati und Bitu Hassan, der tunesische Apotheker, machen die Fahrt mit.

Um meine Leute in Thätigkeit zu halten, habe ich mit der Herstellung einer geraden Straße in der Richtung nach dem Dorfe Badsua begonnen. Wenn wir von hier abmarschiren, werden wir den Vortheil einer Wegabkürzung haben, gegenüber dem rund um die Insel Njamsassi und über die Stelle des alten Kavalli führenden Pfad.

Unser Dolmetscher Fetteh, welcher in dem Scharmützel bei Besse im Magen verwundet wurde, ist jetzt ganz wiederhergestellt und gewinnt rasch sein früheres Gewicht wieder.

Auch Mabruki, der Sohn Kassim's, der neulich von dem Büffel zerfleischt wurde, befindet sich in langsamer Besserung.

Der während des Fourragirens in den Dörfern von Lando durch einen Speer im Rücken Verwundete zeigt gleichfalls Zeichen rascher Wiederherstellung.

Wir wohnen jetzt in heuschoberförmigen Hütten und können uns (nach Emin Pascha) als Verwalter der Albert-Njansa-Provinz betrachten.

17. Mai. Lager bei Nsabe.

Unsere Straße in der Richtung nach dem Dorfe Badsua ist jetzt 2360 Schritt lang.

18. Mai. Lager bei Nsabe.

Unsere Jäger bestehen beim Empfang von Patronen darauf, daß dieselben auf den Erdboden niedergelegt werden; es würde Unglück entstehen, wenn die Patronen ihnen direct aus der Hand gegeben würden.

Ich habe den Pascha während der letzten zwei Tage im Gebrauch des Sextanten unterrichtet, bevor ich ihm Lektionen in der Navigation gebe. Sein einziges Vermessungsinstrument ist bisher ein prismatischer Kompaß gewesen, und da er bislang nicht im Stande war, die Misweisung zu finden, so werden seine Vermessungen sich vermuthlich nur auf magnetische Peilungen stützen.

Heute früh ließ mich der Sohn Kassim's, das Opfer der Wuth des bösartigen Büffels, an sein Lager rufen, um seine letzten Wünsche bezüglich des von ihm verdienten Gehalts aufzuschreiben. Sein Freund Maruf und sein Adoptivbruder Sungoro sollen die Erben sein. Der arme Mabruki wollte noch einen weitern Freund bedenken, doch baten die Erben ihn, »das Buch des Meisters nicht mit Namen zu füllen«. Er war so niedergeschlagen, daß ich ihm sagte, der Arzt hege große Zuversicht, daß er wieder genesen werde. »Du bist in keiner Gefahr; deine Wunden sind sehr schlimm, aber nicht tödlich, und da der Pascha während meiner Abwesenheit für dich sorgen wird, werde ich dich bei meiner Rückkehr als kräftigen Mann wiederfinden. Weshalb bist du heute so betrübt?«

»Oh, weil mir etwas sagt, daß ich die Straße nicht wieder sehen werde. Seht nur, ist mein Körper nicht wie eine Ruine?« Er bot in der That einen bejammernswerthen Anblick; das rechte Auge war fest geschlossen, zwei Rippen waren gebrochen, und die rechte Hüfte und der Zeigefinger in der furchtbarsten Weise zerrissen.

Zwei Tage vorher war der Häuptling Mbiassi von Kavalli heimgekehrt, gestern hat Mpigua, der Häuptling von Njamsassi, und sein Gefolge uns verlassen. Auch Kijankondo oder Katonsa – der Häuptling besitzt zwei Namen – hat sich auf den Weg nach seiner Heimat gemacht, die, beiläufig erwähnt, infolge eines Besuches der Räuber Kabba-Rega's in der Wildniß liegt, während die Leute Masamboni's, nachdem sie den Pascha und seine Offiziere gestern Abend mit einem Abschiedstanz unterhalten hatten, uns heute morgen Lebewohl gesagt haben.

Gestern schossen zwei unserer Jäger drei Büffel und einen Wasserbock.

Die letzten vier Tage und Nächte haben uns eine bessere Meinung von diesem afrikanischen Lande und dem Seeufer gegeben, als wir bisher gehabt hatten. Das Wetter war einigermaßen warm, doch wehte eine leichte, sanfte Seebrise, die kühlend und angenehm wirkte und gerade stark genug war, um das herabhängende Blattwerk in schwingende Bewegung zu setzen. Die Nächte waren erfrischender. An dem in glänzender Klarheit strahlenden Himmel stand der Mond hoch über dem Rande des Plateaus und verwandelte den See in eine zitternde Silberfläche; die rauschende, ruhelose Brandung des Sees rollt vor dem leichten Hauche des östlichen Windes in langsamem, schwerfälligem Takt auf den grauen Sandstrand, und die Sansibariten und Eingeborenen, welche im December noch so wüthende Feinde waren, wetteifern miteinander, gleichsam zur Feier und zu Ehren dieses friedfertigen, ruhigen Lebens, jeden Abend bis zu später Stunde im Einzel- und Chorgesang und eifrigen Tanzen.

19. Mai. Lager bei Nsabe.

Unsere Straße nach Badsua ist jetzt 5 km lang. Wir brauchen nur das Gras in gerader Richtung aufzuhacken, um einen schönen Pfad mit einer fast unmerklichen Steigung von 1 m auf 200 m zu bekommen.

20. Mai. Lager bei Nsabe.

Fingen heute Morgen in meinem Zelte zwei kleine braune Schlangen von heller Kupferfarbe.

21. Mai. Lager bei Nsabe.

Der Pascha kann den Sextanten jetzt sehr gut ablesen und hat auch bezüglich der Aufsuchung des Indexfehlers Fortschritte gemacht; obwol er an Kurzsichtigkeit leidet, ist er bei dieser Arbeit sehr gewandt und von der Absicht durchdrungen, die Kunst des Beobachtens mit dem Instrument zu erlernen. Um Mittag nahmen wir zur Uebung eine Meridianhöhe. Er maß auf die Entfernung von 2413 m die Höhe mit 70° 54' 44" bei 1,5 m Augenhöhe. Indexfehler – 3' 15".

22. Mai. Lager bei Nsabe.

Um 9 Uhr vormittags erschienen die Dampfer »Khedive« und »Nyanza«, letzterer mit einem Leichter im Schlepptau, und brachten 80 Soldaten nebst dem Major und Adjutanten des zweiten Bataillons, sowie 130 Träger vom Stamme der Madi mit. Wir erhielten Geschenke an Raki (eine Korbflasche mit 10 Gallonen einer Art russischen Wutki aus der Brennerei des Paschas), Granatäpfeln, Orangen, Wassermelonen und Zwiebeln, sowie 6 Schafe, 4 Ziegen und ein Paar starke Esel, je einen für mich und für Dr. Parke. Der Dampfer »Nyanza« ist etwa 18 m lang und 3,7 m breit. Ich beabsichtige übermorgen den Albert-See zu verlassen, um den Marsch zur Aufsuchung der Nachhut der Expedition anzutreten.

Bei dem Pascha lasse ich Herrn Mounteney Jephson, drei sudanesische Soldaten und Binsa, den Diener Dr. Junker's, sowie den unglücklichen Mabruki zurück; ferner bleiben von dem hierher transportirten Gepäck außer den bereits abgelieferten 31 Kisten Remingtonpatronen, 2 Kisten Winchesterpatronen, 1 Kiste Messingstangen, eine Lampe und eine eiserne Lothstange, sowie mein Stahlboot »Advance« mit der Ausrüstung zurück.

siehe Bildunterschrift

Die Dampfer »Khedive« und »Nyanza« auf dem Albert-See.

Dem Wunsche Emin Pascha's entsprechend habe ich eine Botschaft aufgesetzt, die Herr Jephson den Truppen vorlesen wird. Sie lautet folgendermaßen:

Soldaten! Nach einem schweren Marsche von vielen Monaten habe ich endlich den Njansa erreicht. Ich komme auf den ausdrücklichen Befehl des Khedive Tewfik, um euch von hier fortzuführen und euch den Weg zu zeigen. Denn ihr müßt wissen, daß der Fluß el Abiad geschlossen ist, daß Chartum sich in den Händen der Anhänger des Mohammed Achmet befindet, daß der Pascha Gordon und alle seine Leute getödtet, alle Dampfer und Boote zwischen Berber und Bahr-el-Ghasal erobert worden sind, und daß die euch am nächsten liegende ägyptische Station Wadi Halfa, unterhalb Dongola, ist. Biermal haben der Khedive und ihre Freunde den Versuch gemacht, euch zu retten. Zuerst wurde Gordon Pascha nach Chartum gesandt, um euch alle heimzubringen. Nach zehnmonatlichem harten Kampfe wurde Chartum erobert und Gordon Pascha mit seinen Leuten getödtet. Dann versuchten die englischen Soldaten unter Lord Wolseley, Gordon Pascha aus seinen Schwierigkeiten zu befreien. Sie kamen vier Tage zu spät und fanden, daß Gordon todt und Chartum verloren war. Darauf wurde Dr. Lenz, ein großer Reisender, vom Kongo aus ausgeschickt, um zu ermitteln, wie euch geholfen werden könnte. Aber Lenz vermochte nicht Leute genug zu finden, die mit ihm gehen wollten, und mußte deshalb nach Hause zurückkehren. Von dem Bruder Dr. Junker's wurde auch ein Dr. Fischer ausgeschickt, indeß waren zu viele Feinde in seinem Wege und er mußte ebenfalls heimkehren. Ich sage euch alles dies, um euch zu beweisen, daß ihr kein Recht habt, zu denken, man habe euch in Aegypten vergessen. Nein, der Khedive und sein Vezier Nubar Pascha haben während der ganzen Zeit an euch gedacht. Sie haben auf dem Wege über Uganda gehört, wie tapfer ihr euern Posten behauptet und wie treu ihr euere Pflichten als Soldaten erfüllt habt. Deshalb haben sie mich geschickt, um euch dies zu sagen, um euch mitzutheilen, daß man sich euerer sehr wohl erinnert, und daß euere Belohnung auf euch wartet, daß ihr mir aber nach Aegypten folgen müßt, um euer Gehalt und euere Belohnung zu bekommen. Zugleich sagt der Khedive euch durch mich, daß wenn ihr meint, daß der Weg zu weit sei, oder wenn ihr euch vor dem Marsche fürchtet, ihr hier bleiben könnt, in diesem Falle aber nicht länger mehr seine Soldaten seid; daß euere Löhnung sofort aufhört und wenn euch in Zukunft irgendeine Schwierigkeit zustoßen sollte, ihr nicht ihm, sondern euch selbst die Schuld davon beimessen müßt. Solltet ihr euch entschließen nach Aegypten zu gehen, so soll ich euch den Weg nach Sansibar zeigen, euch an Bord eines Dampfers bringen und nach Suez, und von dort nach Kairo schaffen; ihr werdet euere Löhnung erhalten, bis ihr dort ankommt. Alle euch zutheil gewordenen Beförderungen sollen euch gesichert und alle euch versprochenen Belohnungen voll ausbezahlt werden.

Ich schicke euch einen meiner Offiziere, Herrn Jephson, und gebe ihm meinen Säbel mit, damit er diese meine Botschaft euch vorliest. Ich kehre zurück, um meine Leute und Waaren zu sammeln und nach dem Njansa zu bringen, und werde nach einigen Monaten wieder hier sein, um zu hören, was ihr zu sagen habt. Sagt ihr, laßt uns nach Aegypten gehen, dann werde ich euch einen sichern Weg zeigen; sagt ihr, wir wollen dies Land nicht verlassen, so werde ich euch Lebewohl sagen und mit meinen eigenen Leuten nach Aegypten zurückkehren.

Möge Gott euch in seine Obhut nehmen.

Euer guter Freund
Stanley.

23. Mai. Halt.

Die Sansibariten unterhielten den Pascha und seine Offiziere heute Abend mit einem Abschiedstanz. Obwol sie die Gefahren und Strapazen des vor ihnen liegenden Marsches, den wir morgen antreten werden, sehr gut kennen, sind doch bei keinem von ihnen Symptome von Besorgniß vorhanden; es ist aber sicher, daß einige von ihnen den Pascha morgen zum letzten male sehen.

24. Mai. Marsch nach dem Dorfe Badsua, 16 km, die wir in 4 Stunden zurücklegten.

Emin Pascha marschirte heute Morgen bei Tagesanbruch mit einer Compagnie auf unserer neuen Straße und machte ungefähr 3 km vom See halt. Nachdem wir den Madi-Trägern ihren Platz in der Colonne angewiesen hatten, verließ die Vorhut um 6¼ Uhr morgens das Lager und schlug den Weg nach Westen ein. Eine halbe Stunde später trafen wir die Sudanesen des Paschas, die an der einen Seite der Straße in Front aufgestellt waren und uns salutirten, als wir vorüberzogen, während der Pascha uns seinen innigsten Dank aussprach und uns Lebewohl sagte.

Am Ende der neuen Straße brachen 21 von den Madi-Trägern aus der Linie aus und verschwanden rasch nach Norden, worauf ich 14 Mann zum Pascha zurücksandte, um ihm Meldung zu machen, während wir den Weg in der Richtung auf Badsua fortsetzten. Ungefähr 1½ km vor dem Dorfe entstand nochmals eine allgemeine eilige Flucht und es desertirten auf einmal 89 von den Madi-Leuten, nicht ohne der Nachhut einen Schauer von Pfeilen zuzusenden. Der Doctor, in der Meinung, daß dies das Vorspiel zu einem Angriffe auf seine kleine Truppe sein sollte, feuerte sein Gewehr ab und streckte einen Madi todt zu Boden, was die Flucht der übrigen Deserteure noch beschleunigte. Die uns von den 130 Madi gebliebenen 19 Mann wurden dann in Sicherheit gebracht.

Ich schickte darauf noch eine zweite Botschaft an den Pascha, um ihm die Vorfälle auf dem Marsche mitzutheilen.

Als wir etwa 8 km von dem Lager bei Nsabe entfernt waren und ich, nach Südosten blickend, über die Ereignisse des letzten Monats nachdachte, lenkte ein Bursche meinen Blick auf eine seltsam geformte Wolke, welche von ganz wundervoller silberartiger Farbe war und die Verhältnisse und das Aussehen eines mit Schnee bedeckten ungeheuern Berges hatte. Die Umrisse desselben abwärts verfolgend, wurde ich von der tiefen blauschwarzen Farbe des Fußes überrascht und dachte im stillen, ob die Wolke wol der Vorbote eines neuen Wirbelsturmes sei; allein als ich sah, daß sie bis zur Oeffnung zwischen dem östlichen und dem westlichen Plateau hinabreichte, gewann ich die Ueberzeugung, daß ich nicht auf das bloße Bild eines großen Berges, sondern auf einen soliden, wirklichen Gipfel schaute, dessen Spitze mit Schnee bedeckt war. Ich ließ daher halt machen, um ihn genau mit dem Feldstecher zu untersuchen, und nahm dann die Kompaßpeilung des Mittelpunktes und fand, daß dieselbe 215° (misweisend) betrug. Nunmehr dämmerte mir der Gedanke, daß der Berg der Ruwenzori sein müsse, welcher nach der Aussage zweier Sklaven Kavallis mit einem weißen Metall oder einer Substanz bedeckt sein sollte, die sie für Felsen hielten.

Der große Berg blieb zwei Stunden deutlich in Sicht, wurde dann aber, als wir näher an Badsua am Fuße des Plateaus herankamen, durch die hohe Felsmauer des letztem dem Blicke verdeckt.

Bei meiner zweiten Botschaft theilte ich dem Pascha diese Entdeckung mit. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich es seltsam, daß Baker, Gessi, Mason oder Emin Pascha den Berg nicht längst entdeckt haben.

Gessi Pascha hat den Albert-See zuerst umschifft, ist dem westlichen Ufer entlang nach Süden gedampft und hat die Fahrt um das südliche Ende des Sees herum an der Ostküste fortgesetzt.

Der nächste Besucher des Sees war Mason Bey, der 1877 der Route Gessi's folgte, um die Lage einiger Punkte durch astronomische Beobachtungen festzustellen, was seinem Vorgänger nicht möglich gewesen war.

Elf Jahre später dampft Emin Pascha nach Süden, um nach Nachrichten von weißen Leuten zu forschen, die am Südende des Sees sein sollten.

Wenn man von der Ebene des Njansa einen ziemlich guten Blick auf den schneebedeckten Berg erhalten kann, so mußte man vom See aus eine noch viel bessere Ansicht haben, und es ist daher wunderbar, daß keiner der Herren ihn gesehen hat, während Baker sogar, »an einem wundervoll klaren Tage« seine Augen nach der Richtung des Berges wendend, nur einen unbegrenzten See erblickt hat.

Die Herren Jephson und Parke berichten, daß sie bei der Beförderung des Bootes von Kavalli nach dem See Schnee auf einem Berge gesehen haben, und der letztere Offizier fragte mich bei seiner Rückkehr, indem er auf die kleine Kette von Unja-Kavalli zeigte, ob es möglich sei, daß man auf solchen kleinen Bergen Schnee fände, da ihr höchster Pic nicht mehr als 1675 in über dem Meeresspiegel sein könne. Ich erwiderte verneinend, doch behauptete der Doctor ebenso bestimmt, daß er Schnee gesehen hätte. Ich erklärte ihm dann, daß es in den Regionen des Aequators einer gewissen Höhe von gegen 4600 m bedürfe, um Regen zu dauerndem Schnee gefrieren zu lassen, daß Hagel oder Schneefall infolge eines kalten Luftstromes auch in den Tropen selbst in geringen Höhen möglich, eine solche Kälte aber nur vorübergehend sei und die Wärme der tropischen Gewässer und des tropischen Bodens die Hagelkörner und den Schnee in wenigen Augenblicken wieder verschwinden ließen. Als wir im Lager bei Bundi auf dem Rücken des Plateaus standen und den vollen Anblick des Unja-Kavalli und anderer Berge hatten, war nirgends eine Höhe von mehr als 1830 m über dem Meere zu sehen.

In Berücksichtigung obiger Thatsachen ist es klar, daß es eines besondern Zustandes der Atmosphäre bedarf, um jemand in den Stand zu setzen, einen Berg auf die Entfernung von etwa 110 km, worauf ich sie schätze, zu sehen. Bei gewöhnlicher klarer Luft kann man nähere Gegenstände und vielleicht auch solche in 15, 20 oder 30 km Entfernung erkennen, allein in einer so feuchten Gegend wie hier strömt an klaren Tagen aus dem erhitzten Erdboden eine solche Menge von Dunst aus, daß derselbe sich bei einer Entfernung von 50 km zu einem dicken Nebel verdichtet, den kein menschliches Auge durchdringen kann. Zu gewissen Zeiten klären aber die Luftströmungen den Nebel auf und enthüllen dem Blicke Gegenstände, die wir zu unserer Verwunderung vorher noch nicht gesehen hatten. Als ich beispielsweise im vorhergehenden December auf der Rückkehr vom Njansa nach Fort Bodo von einem tafelförmigen Hügel in der Nähe des östlichen Ituri die Kompaßpeilung eines Berges mit einem hohen Doppelpic nahm, notirte ich mir bereits, daß wir die Felsenmasse des Zwillingsgipfels gesehen hätten, und zeigte Herrn Jephson dieselbe; seitdem habe ich den Gipfel seltsamerweise nie wiedergesehen, obwol ich zweimal durch dieselbe Gegend gekommen bin.

Nachmittags passirte Kavalli unser Lager mit 400 Mann, um Emin Pascha bei einem von ihm beabsichtigten Zuge gegen Kabba-Rega Beistand zu leisten. Vielleicht werden Katonsa und Mpigua von Njamsassi Emin mit einer gleichen Anzahl zu Hülfe kommen.

Heute erhielt ich die beiden folgenden Briefe vom Pascha.

Lager bei Nsabe, 25. Mai 1888, 5 Uhr früh.

Geehrter Herr!

Ich brauche Ihnen wol nicht zu sagen, welches Bedauern ich gefühlt habe, als ich von dem Ihnen durch die Desertion unserer Madi-Leute widerfahrenen Misgeschick vernahm. Ich habe sofort verschiedene Trupps zur Aufsuchung derselben ausgesandt, muß aber leider sagen, daß unsere Bemühungen bis Mittag nicht von Erfolg gewesen sind, obwol Schukri Aga, der mit seiner Abtheilung sich gestern nach Kahanama begeben hat, noch nicht zurückgekehrt ist.

Durch einen reinen Zufall geschah es, daß beim Eintreffen Dr. Parke's gerade ein Boot von der Station Mswa eingetroffen war, welches mir die Nachricht von der Ankunft von 120 Trägern von Dufilé daselbst überbrachte. Ich sandte sofort den Dampfer »Khedive« ab, um sie hierher zu holen, und erwarte denselben noch heute Abend zurück, worauf ich nach der Ankunft des Schiffes sofort den ganzen Trupp in Begleitung einer Abtheilung meiner Leute abschicken werde.

Gestatten Sie mir, der erste zu sein, welcher Ihnen zu Ihrer ganz herrlichen Entdeckung eines schneebedeckten Berges gratulirt. Wir wollen sie als eine glückversprechende weitere Anweisung für den Marsch nach dem Victoria Er war offenbar von dem Vorschlage bezüglich des Victoria-Sees entzückt. auffassen. Ich rathe Ihnen, heute oder morgen einen Abstecher von Ihrem Wege zu machen, nur um sich diesen Riesen zu betrachten.

In der Erwartung, heute Morgen ein paar Worte von Ihnen zu erhalten, wage ich es, Ihnen meine besten Wünsche für die Zukunft auszusprechen. Ich werde mich mit Stolz und Freude der wenigen Tage erinnern, welche es mir gestattet war mit Ihnen zu verleben.

Betrachten Sie mich, geehrter Herr, als Ihren ganz ergebenen
Dr. M. Emin.

 

Lager bei Nsabe, 26. Mai 1888, 2½ Uhr nachts.

Geehrter Herr!

Ihr sehr willkommenes und höchst interessantes Schreiben von gestern ist mir von Ihren Leuten eingehändigt worden. Der Dampfer ist gerade in diesem Augenblick angekommen, hat aber nur 82 Träger mitgebracht, da die übrigen auf dem Wege von Tunguru nach Mswa davongelaufen sind. Ich schicke Ihnen daher diese wenigen Leute in Begleitung von 25 Soldaten und einem Offizier, in der Hoffnung, daß sie von einigem Nutzen für Sie sein werden. Die Waffen derselben habe ich gesammelt und dem Offizier übergeben, von dem Sie dieselben gefälligst entgegennehmen wollen. Gestern Abend hörten wir, daß Ihre Deserteure sich bis nach Magungo durchgearbeitet haben, wo sie den Leuten erzählen, ich hätte sie geschickt.

Die zehn Mann, welche Sie mir sreundlichst gesandt haben, begleiten die Träger, sowie Kavalli und seine Leute. Gestern nahm ich in Katonsa's Lager einen von Ravidongo Ravidongo ist einer der hervorragendsten Generale Kabba-Rega's. gesandten Spion gefangen und sagte demselben, er thäte besser sich zu entfernen, welchen Rath er auch befolgte. Ich habe Kavalli mit den Gründen bekannt gemacht, weshalb ich mich gerade jetzt mit Ravidongo nicht einlassen möchte, und ihn gebeten, zu Ihnen zurückzukehren. Er war sofort bereit dazu, bekam einige Geschenke und bricht jetzt mit dem Boten auf. Er bittet mich ferner Sie zu ersuchen. Sie möchten einige Leute abschicken, um seinen Bruder Kadongo gefangen zu nehmen, der, wie er sagt, bei den Wawitu irgendwo in der Nähe seines Wohnsitzes sich aufhält.

Ich werde mein Aeußerstes versuchen, um einen Blick auf den neuen Schneeberg zu gewinnen, sowol von hier als auch von einigen andern Punkten aus, die ich zu besuchen beabsichtige. Es ist wundervoll zu denken, daß, wohin Sie auch kommen mögen, Sie mit Ihren Entdeckungen stets Ihre Vorgänger überholen.

Und da dies nun wahrscheinlich, wenigstens für einige Zeit, das letzte Wort ist, welches ich an Sie richten kann, so lassen Sie mich Ihnen nochmals danken für die hochherzigen Anstrengungen, die Sie für uns gemacht haben und machen werden. Lassen Sie mich Ihnen nochmals für die Freundlichkeit und Nachsicht danken, welche Sie mir bei unsern Beziehungen zueinander gezeigt haben. Wenn ich keine ausreichenden Worte finden kann, um auszudrücken, was mich in diesem Augenblicke bewegt, so werden Sie das entschuldigen; ich habe zu lange in Afrika gelebt, um nicht etwas von einem Neger geworden zu sein.

Gott behüte Sie auf Ihrem Marsche und segne Ihr Werk!

Ihr ganz ergebener
Dr. Emin.

25. und 26. Mai. Halt in Badsua.

Der Pascha hat den Gedanken an einen Zug gegen Unjoro aufgegeben und seine Verbündeten, die viel zu rächen haben, rasch in ihre Heimat entlassen.

Nachmittags kamen Balegga von dem Dorfe auf dem Bundi-Hügel herab und theilten uns heimlich mit, daß Kadongo und Musiri, letzterer ein kriegerischer, mächtiger Häuptling, ihre Truppen vereinigt hätten und uns auf der Straße zwischen den Orten Gavira's und Masamboni's anzugreifen beabsichtigten. Wir haben keinem von beiden Ursache zum Streite gegeben, es sei denn, daß unsere Freundschaft mit ihren Rivalen für einen genügenden und gerechten Grund angesehen werden sollte. Ich habe nur 111 Gewehre und für jedes derselben 10 Patronen, um das 200 km entfernte Fort Bodo zu erreichen; sollte ein entschlossener Angriff im offenen Lande auf uns gemacht werden, so würden wir also schon nach einem Feuer von wenigen Augenblicken hülflos sein. Ich werde daher meine Zuflucht zu andern Mitteln nehmen müssen. Thomas Carlyle hat behauptet, es sei die höchste Weisheit, zu wissen und zu glauben, daß das ernste durch die Nothwendigkeit uns anbefohlene Vorgehen das klügste, beste und einzig angemessene sei. Ich werde Kadongo zuerst angreifen und dann direct gegen Musiri marschiren, und wir werden unsere verlorenen Schüsse im Nothfalle gut anwenden. Vielleicht wird diese kühne Bewegung das Bündniß über den Haufen werfen.

Der Pascha hat energisch gehandelt. Um Mittag sind 82 frische Träger mit einer starken Wache eingetroffen und drei Soldaten haben den besondern Befehl erhalten, mich zu begleiten. Bei der Uebergabe der Träger an uns wurde jedem Sansibariten ein Madi zur Bewachung zugetheilt.

Nachmittags um 3½ Uhr begannen wir, während die Sonne uns glühendheiß ins Gesicht schien, den steilen Aufstieg an dem schrecklichen Abhange des Plateaus, und um 6½ Uhr, eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, erreichten wir die Höhe am Lager von Bundi.

Nachdem wir das Lager mit starken Wachen umstellt hatten, wählte ich aus unsern besten Leuten eine Truppe von 40 Büchsenschützen aus und bereitete sie vor, unter der Leitung von zwei Sansibaritenführern einen nächtlichen Ueberfall und Angriff auf Kadongo's Lager zu unternehmen. Einige unserer eingeborenen Freiwilligen erklärten sich bereit, ihnen das Dorf zu zeigen, welches jener auf dem Hügel bewohnt.

Um 1 Uhr nachts brach das Detachement auf.

27. Mai. Die gegen Kadongo ausgesandte Abtheilung kehrte, nachdem sie ihre Mission erfolgreich beendet hatte, um 8 Uhr morgens zurück, doch war Kadongo selbst entkommen mit dem Rufe, er sei der Freund »Bula Matari's«. Unsere Leute hatten keine Rinder oder Ziegen erobert, da der Ort nur zeitweilig von der Truppe Kadongo's besetzt worden war.

Wir nahmen dann unsere Lasten wieder auf und setzten den Marsch in der Richtung nach dem Dorfe Gavira's fort. Kaum waren wir aufgebrochen, als wir eine große Truppe von Eingeborenen gegen uns herankommen sahen, der ein Mann mit einer karmoisinrothen Fahne voraufschritt, die man aus der Entfernung sehr gut für die Flagge Sansibars oder Aegyptens halten konnte. Da wir nicht wußten, was für Leute das seien, machten wir halt, bis wir nach einigen Augenblicken den Bruder Masamboni's, Katto, erkannten, der von seinem Häuptling abgesandt worden war, um uns zu begrüßen und Näheres über unsere Bewegungen zu erfahren. Wir bewunderten die Geschicklichkeit, mit der diese Leute es uns nachzumachen gelernt hatten, denn wenn wir nicht durch die Flagge stutzig geworden wären, hätten wir unsere Freunde möglicherweise für die Vorhut der Krieger Musiri's halten und sie verletzen können.

Ich behielt einige von ihnen zu unserer Begleitung zurück und befahl Katto, rasch zu seinem Bruder Masamboni zurückzukehren und ihm im geheimen mitzutheilen, daß ich Musiri, da er uns auf dem Wege zu überfallen beabsichtige, übermorgen bei Tagesanbruch angreifen wolle, und daß ich von ihm (Masamboni) als meinem Verbündeten erwarte, daß er im Laufe des nächsten Tages mir so viel Krieger bringen werde, wie er könne. Katto erklärte dies für möglich, obwol die Zeit wegen der zurückzulegenden Entfernung nur kurz sei. Wir befanden uns zur Zeit 9½ km von dem Dorfe Gavira's entfernt; von dort bis zu dem Wohnsitze Masamboni's waren es 21 km, zurück zu Gavira nochmals 21 km, und außerdem war auch einiger Aufenthalt nöthig, um eine dem Range Masamboni's entsprechende Anzahl von Kriegern zu sammeln und Proviant auf einige Tage für dieselben vorzubereiten.

Gegen Mittag trafen wir im Dorfe Gavira's ein, wo ich dem Häuptling vorschlug, sich unserm Angriffe anzuschließen, was er bereitwillig versprach.

28. Mai. Halt. Wir haben reiche Vorräthe an Lebensmitteln für unsere Truppe erhalten, die jetzt 111 Sansibariten, 3 Weiße, 6 Köche und Burschen, 101 Madi und 3 Soldaten des Paschas, insgesammt 224 Köpfe zählt, außer einigen Dutzend Eingeborener, welche uns freiwillig folgen.

Eine Stunde nach Sonnenuntergang traf Masamboni persönlich mit ungefähr 1000 mit Bogen und Speer bewaffneten Kriegern ein. Seine Truppen lagerten sich auf den Kartoffelfeldern zwischen den Districten Gavira's und Musiri's.

29. Mai. Um 3 Uhr morgens brachen wir auf einer nach Nordwesten führenden, hell vom Monde beschienenen Straße nach Usiri auf. Etwa 100 der kühnsten Leute von Masamboni's Truppe marschirten unserer Colonne voran; die übrigen schlossen sich uns an, und der Stamm Gavira's, durch etwa 500 Mann vertreten, bildete den Schluß. Es herrschte, wie es sich für unser Unternehmen geziemte, das tiefste Schweigen.

Um 6 Uhr morgens erreichten wir die äußern Theile von Usiri, und wenige Augenblicke später, nachdem jeder Anführer seine Instructionen erhalten hatte, nach welchen Dr. Parke als Führer von 60 Büchsenschützen das Centrum bilden, Katto mit den Kriegern seines Bruders den linken und Mpinga (Gavira) mit ihren Leuten den rechten Flügel einnehmen sollten, drang die Angriffscolonne rasch vor.

Das Resultat war über alle maßen lächerlich. Mpinga's Wahuma-Hirten hatten den Wahuma-Hirten Musiri's Kenntnis; von unsern Plänen gegeben, und die Wahuma Masamboni's waren ebenso mittheilsam gegen ihre Landsleute bei den Feinden gewesen. Infolge dessen hatten die Hirten ihre Heerden auf andern Straßen von Usiri fortgetrieben; die eine Hälfte war in Gavira's, die andere in Masamboni's Dorfe gerade an demselben Morgen eingetroffen, als die Angriffscolonne sich über das Gebiet von Usiri ausbreitete, wo der Häuptling Musiri, nachdem er von dem Unglück Kadongo's und der gegen ihn heranrückenden mächtigen Armee gehört, vorsichtig dafür gesorgt hatte, daß keine der unter seiner Herrschaft stehenden zarten Seelen verletzt werde. Das Land war vollständig geräumt von Leuten, Rinder- und Schafheerden und Hühnern, dagegen waren die Lager gehäuft voll von Getreide und die Felder zeigten reiche Ernten von Kartoffeln, Bohnen, jungem Mais, Gemüse und Taback. Im geheimen freue ich mich über die unblutige Beendigung der Affaire. Mein Zweck ist erreicht: wir haben unsern überaus knappen Vorrath von Munition gespart und die Straße ist von weitern Schwierigkeiten frei. Masamboui und Gavira sind, wie ich glaube, ebenfalls froh, obwol sie sich ärgerlich ausgesprochen haben.

In einer Hütte fanden wir den Lauf und das Schloß eines Percussions-Karabiners. Derselbe trug das Merkzeichen »John Clive III. 530.« und rührt von einem Besuche Kabba-Rega's her, dessen Leute vor etwa einem Jahre durch Musiri eine schwere Niederlage erlitten haben.

Nachmittags vereinigten sich die Krieger Masamboni's, 1000 an der Zahl, um den unblutigen Sieg über Musiri mit einem Phalanxtanze zu feiern. In Afrika besteht der Tanz meist aus roher Possenreißerei, närrischen Gesten, Umherspringen und Körperverdrehungen, zu denen eine oder mehrere Trommeln den Takt schlagen. Der Tanz ist immer von vielem Lärm und lautem Gelächter begleitet und dient dazu, die Barbaren zu amusiren, in derselben Weise, wie das derwischartige Umherwirbeln und Pirouettiren civilisirte Leute erfreut. Oft treten aus den im Halbkreis stehenden Dorfbewohnern zwei Mann vor und singen beim Schall der Trommel oder eines Hornes und unter allgemeinem Händeklatschen ein Duett, oder es trägt einer, in phantastischer Weise mit Hahnenfedern, Reihen klappernder Calabassen, kleinen runden Schellen und größern Mengen von Menschen-, Affen-, und Krokodilzähnen, dem afrikanischen Geschmeide, geschmückt, einen Sologesang vor; allein es gehört immer ein Chor dazu, je stärker, desto besser, und ich muß bekennen, daß es mir stets Vergnügen gemacht hat, wenn Männer, Frauen und Kinder mit ihren Stimmen den Schall der Trommeln übertönen und die umherstehende Menge schwatzt und murmelt, namentlich wenn die Ausführenden Wanjamwesi waren, die bei weitem die besten Sänger auf dem afrikanischen Continent sind. Die Sansibariten, Zulu, Waiau, Wasagara, Waseguhha und Wangindo ähneln sich in Bezug auf Methode und Ausführung sehr, haben aber alle ihre eigenen unbedeutendern Tänze und Gesänge, die sich erheblich unterscheiden, jedoch entweder entsetzlich melancholisch oder albern und barbarisch sind. Die Wasoga, Waganda, Wakerewe und Wasongora um den Victoria-See sind mehr traurige, rohe Barden, die mit ihrem Gesang etwas an das orientalische Gewimmer eines Mustafa, Hussein oder Hassan erinnern, der unter dem Gitter einer verstockten Fatima oder einer hartherzigen Roxana jammert. Außer bei den Wanjamwesi habe ich keine Musik gehört oder einen Tanz gesehen, der eine englische Zuhörerschaft amusirt haben würde, die an die Plantagentänze gewisser londoner Schauhallen gewöhnt ist, bis auf den heutigen Tag, als die Bandussuma unter der Führung von Masamboni's Bruder Katto die hervorragendsten Krieger zum Phalanxtanze führten. Während fast ein Dutzend große und kleine Trommeln von ebenso vielen geschickten Musikanten in bewunderungswürdigem Takt geschlagen wurden und einen so starken Schall hervorbrachten, daß er meilenweit zu hören gewesen sein muß, stellten Katto und sein Vetter Kalenge, mit prächtigen weißen Hahnenfederbüschen geschmückt, 33 Linien von je 33 Mann auf und zwar so genau wie möglich in der Form eines vollkommenen, soliden, geschlossenen Vierecks. Die meisten der Krieger hatten nur einen Speer, doch besaßen einige auch zwei außer den Schilden und Köchern, welche um den Hals am Rücken herabhingen.

Die Phalanx stand mit auf der Erde ruhenden Sperren still, bis auf ein mit den Trommeln gegebenes Zeichen Katto mit tiefer Stimme einen wilden Triumphgesang oder ein Lied begann und bei einem besonders hohen Ton den Speer erhob; sofort stieg ein Wald von Speeren über den Köpfen auf, in mächtigem Chor antworteten die Stimmen, die Phalanx bewegte sich vorwärts, und obwol ich mich etwa 45 m entfernt befand, erdröhnte der Erdboden rund um mich her, wie bei einem Erdbeben. Die Männer stampften alle mit Gewalt auf den Boden und machten nur ganz kurze, 15 cm lange Schritte. In dieser Weise bewegte die Phalanx sich langsam, aber unwiderstehlich vorwärts; die Stimmen hoben und senkten sich in rauschenden Schallwellen, die Sperre stiegen in die Höhe und sanken wieder herab und die zahllosen blanken eisernen Spitzen blitzten, wenn sie nach dem Takt des dumpfen, aufregenden Geräusches der Trommeln empor und wieder abwärts stiegen. Die Stimmen und das Getöse der Trommeln hielten sich genau im Takt, das Heben und Senken der beständig in wirbelnder Bewegung gehaltenen Speerspitzen erfolgte gleichzeitig und unter gleichmäßigen Körperbewegungen, und der harte, feste Boden widerhallte zitternd von dem Getöse, als das enorme Gewicht von 70 Tonnen Menschenfleisch mit regelmäßigem stampfenden Schritt zugleich die Erde berührte. Entsprechend diesen Bewegungen hoben und senkten sich die tausend Köpfe, sich aufrichtend bei den kraftvollen, wuchtigen Schallwellen, herabsinkend bei dem gedämpften, klagenden Murmeln der Menge. Als sie, um der zunehmenden Wucht der Stimmen die größte Wirkung zu geben, das Gesicht in die Höhe gerichtet und den Kopf zurückgebeugt, ihr Geschrei ausstießen, das unauslöschliche Wuth, Haß und vernichtenden Krieg andeuten sollte, schien jede Seele von der Leidenschaft der todbringenden Schlacht ergriffen zu sein, die Augen der Zuschauer erglänzten und die Menge erhob drohend die geballten Fäuste, als ob ihr Inneres von den kriegerischen Tönen erbebte. Und als die Krieger die Köpfe senkten und zur Erde beugten, schien man den Todeskampf, den Jammer und das Elend des Krieges zu fühlen, an die Thränen und das Wehklagen der Witwen, das Weinen der vaterlosen Waisen, an zerstörte Heimstätten und vernichtete Ländereien zu denken. Als aber die noch immer stetig näher kommende Masse die Köpfe wieder zurückwarf, die starrenden Spitzen blitzten und zusammenschlugen, und die bunten Federn schwankten und rauschten, da erscholl ein lauter trotziger Ruf und ein solch kraftvolles Jubelgeschrei, daß man nur die glorreichen Siegesfahnen sah und die Pulsschläge stolzen Triumphes fühlte.

Als die große festgeschlossene Masse der Eingeborenen mit wildem Gesange bis nahe an meinen Sessel herangerückt war, senkte die Front ihre blitzenden eisernen Speere zu einer geraden Linie; dreimal senkten und hoben sie dieselben zum Gruße, worauf die Krieger, die Speere wie zum Fortschleudern ergreifend, die Schäfte schüttelnd und ein schrilles Kriegsgeschrei ausstoßend, sich einer nach dem andern in Laufschritt setzten. Immer mehr wuchs die Aufregung, bis das Viereck sich in drei rundherum wirbelnde Kreise verwandelt hatte und Fürst Katto nach dreimaligem Umlauf um den freien Platz sich in der Mitte aufstellte, worauf die in der Runde herumjagenden Reihen sich knäuelförmig um ihn zusammenrollten, sodaß ein großer geschlossener Kreis entstand. Nach Beendigung dieses Manövers wurde wieder das Viereck formirt und das Ganze in zwei Hälften getheilt, von denen die eine nach dem einen, die andere nach dem andern Ende des Platzes sich zurückzog. Noch immer den wilden Gesang fortsetzend, drangen sie gegeneinander vor, passirten ohne die geringste Verwirrung zwischeneinander durch und nahmen die entgegengesetzte Stellung ein, worauf unter fürchterlichen Gesten nochmals ein rasches Umkreisen des Platzes stattfand, bis das Auge von den herumwirbelnden Gestalten völlig verwirrt war. Dann suchten alle lachend und scherzend ihre Hütten auf, ganz unbekümmert darum, welches Bild sie durch ihre Evolutionen und Gesänge in mir und den übrigen heraufbeschworen hatten. Es war jedenfalls eins der schönsten und aufregendsten Schauspiele, welche ich in Afrika gesehen habe.

30. Mai. Dreistündiger Marsch nach dem Nsera Kum-Hügel in Undussuma.

Wir marschirten in Masamboni's Gebiet nach unserm alten Lager bei Tschongo, welchen Namen die Sansibariten dem Nsera Kum-Hügel gegeben haben, und erhielten reichliche Beweise, daß Masamboni an dem Verfahren der Wahuma-Hirten aufs innigste betheiligt war, da wir frische und bedeutende Spuren vieler großer Rinderheerden fanden. Gleich darauf sahen wir die schönen Heerden, die in völliger Unkenntniß irgendeiner Gefahr auf den prächtigen Weiden ruhig grasten, und unsere Sansibariten forderten laut die Erlaubniß, sie mitzunehmen. Einen Augenblick nur herrschte tiefes Schweigen, dann antwortete Masamboni auf die Frage, wie Musiri's Heerden auf sein Gebiet kämen, offen, sie gehörten den Wahuma, die im December, als er im Streite mit uns lag, aus seinem Territorium geflohen und jetzt, um derselben Gefahr in Usiri aus dem Wege zu gehen, nach ihren frühern Ländereien zurückgekehrt seien. Ich hatte nicht den Muth, sie zu stören, und gab deshalb den Befehl, den Marsch fortzusetzen.

31. Mai. Halt. Masamboni machte uns ein Geschenk von drei Rindern und versorgte unsere Leute mit zweitägigen vollen Rationen Mehl, sowie einer großen Menge Kartoffeln und Bananen. Eine erhebliche Zahl kleiner Häuptlinge aus den benachbarten Distrikten stattete uns Besuche ab und jeder brachte uns eine Beisteuer an Ziegen, Hühnern und Hirsemehl ins Lager. Auch Urumangua, Buessa und Gunda haben Freundschaftsverträge mit uns abgeschlossen. Die Dörfer dieser Häuptlinge bilden den aufs beste gedeihenden und außerordentlich cultivirten District, welcher uns an einem Decembermorgen des vorigen Jahres durch seinen Ueberfluß so sehr überrascht hatte.

Gegen Abend erhielt ich von Musiri die Mittheilung, daß er, nachdem das ganze Land Frieden mit mir geschlossen habe, ebenfalls von mir als Freund betrachtet zu werden wünsche; wenn ich das nächste mal ins Land zurückkehre, würde er sich mit passenden Geschenken für uns versehen haben.

Da ich morgen den Marsch nach Fort Bodo und Jambuja fortzusetzen gedenke, will ich hier einfügen, was ich über den Pascha von ihm selbst erfahren und gesammelt habe.



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