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Zwölftes Kapitel.
Ankunft am Albert-See und Rückkehr nach Ibwiri.

Weitere Belästigungen durch die Eingeborenen. – Niederbrennen ihrer Dörfer. – Das Dorf Gavira's. – Wir halten die Eingeborenen in Schach. – Das Plateau von Unjoro in Sicht. – Nächtlicher Angriff der Eingeborenen. – Das Dorf Katonsa's. – Palaver mit den Eingeborenen. – Keine Nachrichten von dem Pascha. – Unser Patronenvorrath. – Erwägung unserer Lage. – Lieutenant Stairs spricht mit den Bewohnern der Insel Kasenja. – Der einzige uns übrigbleibende vernünftige Weg. – Wieder von den Eingeborenen angegriffen. – Scenerie am Ufer des Sees. – Erklimmen eines Berges. – Entdeckung reicher Getreidevorräthe. – Das fruchtbare Thal von Undussuma. – Unser Rückmarsch nach Ibwiri. – Anlage des Forts Bodo.

 

Am 12. December verließen wir ungestört und ohne irgendeine Stimme zu hören bei Tagesanbruch das Lager, und bis 9 Uhr vormittags schien im ganzen Thale kein lebendes Wesen zu sein. Unser Weg führte nach O. z. S. in Abgründe und schmale Thäler hinab, durch welche die auf der Bergkette und in den vielen Schluchten derselben entspringenden Flüsse zwischen dichtem Gebüsch, Dschungel und Röhricht dahinfließen. Vielfach sahen wir von Ueberfluß umgebene Dörfer, doch ließen wir dieselben unbelästigt in der Hoffnung, daß die Wilden einsehen möchten, daß wir eine äußerst harmlose Truppe von Männern seien, wenn wir nur zufrieden gelassen würden. Allein um 9 Uhr, als die Morgenkühle verschwunden war, hörten wir das erste Kriegsgeschrei und fanden, daß dasselbe aus einer großen Gruppe von Dörfern kam, welche eine der Undussuma-Kette vorgelagerte Hügelreihe krönten. Als die Eingeborenen sahen, daß wir den Marsch fortsetzten, ohne ihnen Beachtung zu schenken, rückten sie kühn heran und umschwärmten unsere rechte Flanke und die Nachhut.

Gegen 11 Uhr waren es zwei getrennte Horden von Eingeborenen, welche uns hartnäckig verfolgten. Die eine war von Osten gekommen, die andere hatte sich aus der Bevölkerung der im Thal gelegenen Dörfer gebildet, die wir unberührt und unbelästigt gelassen hatten.

Um Mittag hatten diese Banden sich zu zahlreichen, schreienden Massen vermehrt, aus denen einige Leute uns zuriefen: »Wir wollen euch noch vor Abend zeigen, daß wir Männer sind; jeder von euch soll heute noch sterben.«

Um die genannte Zeit nahmen wir, durch die Rast erfrischt, den Marsch durch eine grasbedeckte Wildniß wieder auf; auf beiden Seiten waren keine Dörfer zu sehen, doch verfolgte die Menge uns noch immer, unternahm von Zeit zu Zeit Scheinangriffe und belästigte uns mit frechem Geschrei und Drohungen. Einer unserer vorzüglichsten Schützen trat darauf aus der Marschlinie und verwundete zwei der Eingeborenen auf die Entfernung von 350 m, was sie eine Zeit lang zum Schweigen brachte, da sie sich offenbar wunderten, welches Geschoß in solcher Entfernung noch verwunden könne. Bald erhielten ihre Scharen neuen Zuzug und ihre Kühnheit trat wieder mehr hervor, und gleich darauf hörten wir die Nachhut schießen, vielleicht mit Erfolg. Jedenfalls wurden die Eingeborenen dadurch etwas gezügelt.

Endlich um 3½ Uhr kamen wir in Sicht der Dörfer der Bavira, deren Häuptling Gavira hieß. Dieselben lagen in einer offenen Ebene zu beiden Seiten einer tiefen und steilen Schlucht, welche ein beträchtlicher Nebenfluß des östlichen Ituri aus dem Lehmboden ausgehöhlt hat. Wir machten mit der Vorhut am östlichen Ufer halt, da die Eingeborenen, allerdings zu spät, um noch Erfolg zu haben, herangestürzt kamen, um den weitern Uebergang zu verhindern. Ich ließ sofort die Lasten ablegen und schickte von der Vorhut Plänkler über den Fluß zurück der Nachhut zu Hülfe, worauf sich ein lebhaftes Scharmützel entwickelte, bei dessen Beendigung die Eingeborenen sich in voller Flucht zurückzogen. Um sie für eine vierstündige Verfolgung zu bestrafen, kehrten wir um und steckten alle Hütten auf beiden Ufern in Brand; dann formirten wir uns wieder in Marschlinie und eilten zu einem steilen hügeligen Plateau, 60 in über der Ebene, empor, um den Eingeborenen entgegenzutreten, welche sich dort oben gesammelt hatten, um uns Widerstand zu leisten. Allein lange bevor wir den Gipfel zu erreichen vermochten, gaben sie ihre Stellung auf und ließen uns in Frieden eins der Dörfer besetzen. Da es inzwischen spät geworden war, schlugen wir das Lager auf, wobei es unsere erste Sorge war, dasselbe gegen einen nächtlichen Angriff zu sichern.

Bemerkenswerth ist, daß die Wuth der Eingeborenen bis zu dem Augenblicke, als wir die Dörfer in Brand steckten, im Zunehmen zu sein, von dem Augenblick aber, als ihre Wohnstätten von den Flammen verschlungen wurden, aufzuhören schien, woraus wir schlossen, daß das Feuer einen höchst besänftigenden Einfluß auf ihre Nerven haben muß.

Das Dorf Gavira's, wo wir in dieser Nacht schliefen, liegt 1420 m über dem Meeresspiegel. Es war ein schöner Tag zum Marschiren gewesen, die südöstliche Brise hatte die Luft erheblich abgekühlt, sonst würden wir unter der größten Hitze gelitten haben. Bei Sonnenuntergang wurde es sehr kalt und um Mitternacht betrug die Temperatur 12,4° R. Wir hatten 15 km zurückgelegt und fast alle klagten über Ermattung infolge des Marsches und der beständigen Aufregung.

Am 13. December brachen wir in östlicher Richtung etwas nach Tagesanbruch auf, um eine Strecke Weges znrückgelegt zu haben, ehe die Eingeborenen sich in die kalte, rauhe Morgenluft hinaus wagten. Das kurze Gras des Weidelandes war mit Thauperlen bedeckt und so naß, als ob es geregnet hätte. Nachdem die Nachhut unsere für die Nacht hergestellten Vertheidigungswerke zerstört hatte, damit die Eingeborenen die Einrichtung derselben nicht kennen lernten, holte uns dieselbe bald wieder ein, worauf wir den District in geschlossener Marschordnung und zu neuen Abenteuern bereit verließen. Drei Stunden lang konnten wir von friedlicher Stille umgeben weiter wandern; wir erfreuten uns am Anblick der Landschaft und hatten Zeit genug, um die Eigenthümlichkeiten der nördlich vom östlichen Ituri liegenden großen Ebene zu beobachten, die zahlreichen kegelförmigen Hügel, welche den Horizont im Norden begrenzten, zu bewundern, und zu bemerken, wie diese Kegel sich im Osten und Westen zu einer festen ununterbrochenen Linie vereinigten, wie die Oberfläche des Landes südlich von uns von einer Reihe großer Wellen gebildet wurde, deren Thäler jedes einen Fluß hatte, und wie etwa 8 km entfernt die Bergkette sich von Undussuma ostwärts nach dem Balegga-Lande, dessen Gipfel uns so wohlbekannt sind, fortsetzte, sich zu buchtartigen Curven gestaltet, in denen zahlreiche Niederlassungen Wasser und Futtergras für ihre Rinder und Feuchtigkeit für ihre Hirseäcker finden, und sich dann nordwärts wendet, bis das äußerste Ende sich gerade östlich von uns befindet. Wir bemerkten ferner, daß die von uns verfolgte Richtung uns nach etlichen Stunden zwischen die nördliche und südliche Kette auf einen Sattel bringen würde, der beide zu vereinigen scheint. Für den Augenblick war eine am Horizont auf diesem Sattel liegende Gruppe von Dörfern unser Ziel, von wo aus wir dann die weitere Richtung bestimmen konnten.

Um 9 Uhr vormittags begannen aber die Eingeborenen lebendig zu werden und Umschau zu halten. Jeder Gegenstand in der weiten Landschaft war wieder frei von Dunst und Nebel. Bald wurde unsere lange Schlangenlinie entdeckt und mit Kriegsgeschrei begrüßt, das mit so gewaltiger Lungenkraft ausgestoßen wurde, daß sich rasch Hunderte von vor Wildheit und Haß glühender feindlicher Augen auf uns richteten. Wir passirten ein Dorf nach dem andern, ohne es zu belästigen; allein das wurde uns, wie wir es schon am Tage vorher erfahren hatten, nicht zum Ruhm, sondern ungeachtet der Mittheilungen ihrer Nachbarn eher als Feigheit ausgelegt. Wir fühlten es, daß man uns den Vorwurf der Schwäche machte. Etwa 300 m von unserm Pfade stand ein Trupp von 50 Eingeborenen und beobachtete unser Thun; sie sahen, wie wir mit freundlicher Rücksicht auf ihr Eigenthum durch ihre Niederlassung marschirten und, nur mit unsern eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die Augen geradeaus schauen ließen; aber weit entfernt, dies als einen Beweis anzuerkennen, daß wir doch einige gute Eigenschaften besäßen, folgten sie der Colonne und forderten laut und gebieterisch ihre Landsleute auf, sich zu sammeln und uns zu umzingeln, eine Aufforderung, der Folge zu leisten die Eingeborenen nur allzu bereit zu sein schienen. Sobald sie sich nur stark genug glaubten, um die Offensive zu ergreifen, stürmten sie auf die Nachhut ein, worauf sofort unsere Gewehre mit gutem Erfolge antworteten.

Jede halbe Stunde trafen wir einen Fluß in der Sohle eines Thales und auf jeder Seite des Wassers eine breite Strecke Röhricht, wo es großer Vorsicht bedurfte, um die angriffslustigen Eingeborenen in Schach zu halten.

Jene Gruppe von Dörfern am Horizont auf dem schon erwähnten Sattel, welcher die nunmehr zusammenlaufenden Hügellinien im Norden und Süden von uns verband, trat, als wir unverdrossen nach Osten weiter wandelten, immer deutlicher hervor, und ich bekam das Gefühl, daß wir vor Ablauf einer weitern Stunde den Albert-Njansa sehen würden. Aber als ob ein großer Schatz vor uns läge oder Emin Pascha und seine Garnison sich in derselben Lage befänden, wie Gordon während der letzten Stunden vor dem Falle Chartums, und sie die belagernden Feinde wären, so wurden die Eingeborenen immer kühner und entschlossener; ihre Zahl nahm immer schneller zu, das Kriegsgeschrei ertönte unaufhörlich von jedem hervorragenden Punkte, die Gruppen vergrößerten sich zu so großen Mengen, daß wir schließlich die Ueberzeugung gewannen, daß sie im Begriffe ständen, eine besonders starke Anstrengung zu machen. Beim Umherschauen sahen wir, daß jeder höher gelegene Punkt schwarz von Menschenmassen war, während sich auf der breiten, wellenförmigen Ebene Linien von Gestalten zeigten, die wie Armeen von Ameisen die Richtung auf uns zu verfolgten.

Um 11 Uhr vormittags waren wir dem Grat des letzten Rückens nahe, welcher noch zwischen uns und dem unser Ziel bildenden Sattel lag, als wir eine kleine Armee erblickten, welche auf einem Wege herankam, der in seiner Fortsetzung bald unsern Pfad auf der andern Seite des von dem Rücken herabströmenden Flusses kreuzen mußte. Der Angriffspunkt würde, wie ich glaubte, ein Hügel oberhalb der Quelle des Flusses sein. Die Vorhut befand sich noch etwa 90 m von diesem Hügel; als dieselbe gerade vor demselben war, gab ich den Befehl, kurz nach rechts abzuschwenken, die Waaren auf dem Gipfel abzulegen und die Reihen der Colonne zu schließen.

Bei der Ankunft der ersten Leute auf dem Gipfel hatte die Spitze der in dichten Scharen heranströmenden Armee der Eingeborenen den Fuß des Hügels auf der andern Seite erreicht; ohne sich einen Augenblick zu besinnen, begannen beide Parteien zu gleicher Zeit den Kampf; indeß war das Schnellfeuer aus den Winchesterbüchsen doch zu viel für die Eingeborenen; so groß die Gewalt ihrer vereinigten Stimmen auch war, das Knallen der Gewehre machte sie taub und verwirrt, und das wilde Pfeifen des Kugelregens lähmte selbst die Tapfersten der Ihrigen. Die Vorhut stürzte vom Abhange herab ihnen entgegen, nach wenigen Secunden machten sie kehrt und rannten mit der Geschwindigkeit von Antilopen davon. Unsere Leute verfolgten sie etwa 1½ km weit, kehrten dann aber auf ein gegebenes Signal zurück; sie gehorchten diesem Befehl mit derselben Pünktlichkeit, wie Soldaten bei der Parade, was mich fast noch mehr freute als die von ihnen bewiesene Tapferkeit. Bei halbdisciplinirten Leuten liegt die größte Gefahr in Wirklichkeit in ihrer Neigung, die Verfolgung fortzusetzen ohne Rücksicht auf die Zwecke, die der Feind mit einer plötzlichen Flucht vielleicht im Auge hat. Oft ist der Rückzug nur eine Kriegslist, die namentlich in Uganda häufig zur Anwendung gebracht wird. In unserm Falle verfolgten 40 Mann 500 Eingeborene, während mindestens 1500 andere von einem Hügel zur Rechten von uns das Schlachtfeld beobachteten und eine ähnliche Zahl sich links von uns aufgestellt hatte.

Nachdem wir unsere Reihen wieder geordnet hatten, marschirten wir wie vorher in geschlossener Linie weiter, bis wir um 12½ Uhr halt machten, um uns zu stärken. Um uns herum war ein ziemlich weiter Kreis frei von den lärmenden, heulenden Eingeborenen. Unsere Mittagsrast gab ihnen Zeit, ihre Kräfte wieder zu sammeln; obwol sie durch die Vorgänge am Morgen ohne Zweifel etwas ernüchtert waren, bedrohten sie uns doch noch mit imposanten Scharen aus den Stämmen der Balegga, Bavira und Babiassi.

Nach einstündiger Rast nahmen wir unsern Marsch wieder auf. Wir fanden einen außerordentlich gut ausgetretenen Pfad, der von großem Werthe für die Colonne war, wie der rasche und elastische Schritt derselben erkennen ließ. Nach einer Viertelstunde erreichten wir den höchsten Punkt des Sattels oder eigentlich des Plateaus, als welches jener sich jetzt erwies, wo wir in der Entfernung von etwa 40 km die blaue gleichmäßige Linie eines Tafellandes erblickten, das sich bis in die Wolken erhob und von ungeheuerer Höhe zu sein schien. Beim Anblick derselben gaben die Leute ihrer Ueberraschung und Unzufriedenheit durch Murren Ausdruck; ich wußte aber, daß es Unjoro war, und daß zwischen uns und jenem großen, blauen Tafellande eine ungeheuere, tiefe Schlucht sich befand, auf deren Grunde der Albert-See lag. Vor uns schien nichts zu sein, weder Hügel noch Bergrücken oder eine sonstige Erhöhung, nur die ungeheuere dunkelblaue Masse in der Ferne; die östlichen Abhänge der nördlichen und südlichen Bergkette stürzten wie in eine Schlucht oder ein sehr tiefes Thal steil hinab. Als unsere Leute das Plateau von Unjoro in der Ferne erblickten, riefen sie ärgerlich aus: »Maschallah, dieser Njansa geht aber auch immer weiter von uns weg«; doch tröstete ich sie und sagte: »Haltet die Augen offen, Jungens, ihr könnt den Njansa jetzt jeden Augenblick zu sehen bekommen«, eine Bemerkung, die, wie so viele andere, welche sie ermuthigen sollten, mit ungläubigem Grunzen aufgenommen wurde.

Allein jeder Schritt, den wir weiter machten, bewies uns, daß wir uns einem ungewöhnlich tiefen Thal oder dem Njansa näherten; das Plateau von Unjoro stieg immer höher vor unsern Blicken empor, während die Abhänge zu beiden Seiten von uns beständig niedriger wurden, und schließlich ruhten aller Augen auf einer grauen Wolke. Was ist das? Nebel? Nein, es ist der im leichten Nebel schlummernde Njansa; dort im Nordosten hat er die Farbe des Oceans. Die Leute blickten mehrere Minuten auf den See, ehe sie zu begreifen vermochten, daß das, was sie sahen, wirklich Wasser war, und gaben dann ihrem Gefühl mit Jubelgeschrei und enthusiastischen Rufen Ausdruck.

Noch einige Minuten setzten wir unsern Marsch fort, gelangten bis an den Rand des Plateauabfalls, machten dann in der Nähe eines kleinen Dorfes, das in einer sehr exponirten Lage stand, einen kurzen Halt, um Peilungen zu nehmen, die Aneroidbarometer abzulesen und eine Weile unsere nächsten Schritte zu überlegen.

Obwol die Leute jauchzten und tanzten und sich um mich drängten, um mir Glück zu wünschen, »daß ich die Stelle so genau getroffen hätte«, überkam mich doch ein fröstelndes Gefühl, als ich daran dachte, wie wenig Aussicht vorhanden war, in einem Lande wie dieses ein Kanoe zu finden, das zum Befahren der unruhigen Gewässer des Albert-Sees geeignet war. Aengstlich untersuchte ich mit dem Glase genau die ferne Küste des Sees, doch vermochte ich weder ein Kanoe zu entdecken, noch auf der ganzen Länge der Abhänge und der ausgedehnten Ebene einen einzigen zur Herstellung eines Kanoe geeigneten Baum zu erblicken, und zum ersten mal kam mir, während noch auf aller Lippen der fromme Ausruf »Gott sei Dank« schwebte, der Gedanke, daß unser forcirter Marsch, der beständige Kampf und die Opfer an Menschenleben doch umsonst seien.

siehe Bildunterschrift

Das Südende des Albert-Njansa.

Und doch war es ebenso gut möglich, daß wir für Messingstangen und einige rothe Stoffe vielleicht ein Kanoe kaufen konnten. Es wäre zu hart, wenn die langen Märsche hierher vollständig vergeblich sein sollten.

siehe Bildunterschrift

Erster Blick auf den Albert-See.

Die vor meinen Augen liegende Scene war ganz anders, als ich erwartet hatte. Ich hatte den Victoria-Njansa und den Tanganika umschifft und den Muta-Nsige von einem ähnlichen Plateau wie dieses betrachtet; auf beiden Seen waren Kanoes zu bekommen und an dem einen wie dem andern hielt es nicht schwer, nach einigem Suchen einen Baum zu finden, der groß genug war, um ein Kanoe aus demselben auszuhöhlen. Hier sah ich aber über 30 km weit nur ganz öde Abhänge, durchsetzt mit großen Felsmassen, durchfurcht von steilen, schluchtartigen Wasserläufen, deren Ufer einen schmalen Rand elenden Gestrüppes zeigten und zwischen denen steil abfallende, lange, scharfe Grate lagen, die mit felsigen oder thonigen Gesteinstrümmern oder hohem grünen Gras bedeckt waren. Zwischen dem Fuß dieser langgestreckten Reihe von Abhängen und dem See lag eine 8-10 km breite und etwa 32 km lange Ebene, die aus der Höhe, in welcher wir uns befanden, einen sehr angenehmen Anblick gewährte. Dieselbe glich einem schön bewaldeten Parke, doch breiteten die Zweige sich allzu weit aus, als daß die Bäume die gewünschten Stämme hätten besitzen können. Sie schienen mir mehr Akazien oder Dornengesträuch und Gestrüpp zu sein, das für unsern Zweck vollständig nutzlos war.

Unsere Aneroidbarometer zeigten eine Höhe von 1524 m Die aus Mason's Karte gezeichnete Insel in der Nähe von Kavalli lag nach dem Kompaß Ostnordost und war etwa 9½ km von unserm Standpunkte entfernt. Wir zogen die Karte Mason's hervor und verglichen sie mit der Landschaft, die sich mehr als 750 m unter uns großartig und breit vor unsern Blicken ausdehnte, und mußten die große Genauigkeit seiner Aufnahme anerkennen. Nur hier und dort einige unbedeutende Inselchen und zwei oder drei kleine Einbuchtungen des Sees in die einzigartige tiefeingesenkte Ebene, welche am südlichen Ende das Wasser begrenzt, fehlten, wie wir bemerkten, auf der Karte.

Ich habe mich oft über die Beschreibung Sir Samuel Baker's von der Ausdehnung des Albert-Njansa nach Südwesten gewundert, namentlich nach der eigenthümlich kurzen Weise des Oberst Mason bei seiner Einschränkung der »Unbegrenztheit« des Sees, fühle jetzt aber mit dem Entdecker, ungeachtet der fürchterlichen Beschneidung, welche an dem See vollzogen worden ist, die vollste Sympathie. Denn die Wirkung auf uns alle hätte nicht größer sein können, wenn der See sich bis nach Chartum ausgedehnt hätte. Mag derselbe begrenzt oder unbegrenzt sein, jedenfalls ist der erste Blick auf das Wasser und das dahinterliegende Gebirge ein herrlicher und selbst erhebender. Der See hat selbst an seinem Ende noch eine große Breite, die aber, wenn man den Linien seiner gebirgigen Ufer folgt, in großartiger Weise zunimmt; die Silberfarbe seines flachen obern Endes verwandelt sich bald in das tiefe Azurblau des Oceans, der ungeheuere Gürtel des Gebirges und des blaßblauen Himmels verliert bei der beständig zunehmenden Breite seine Grenzlinien und geht am nordöstlichen Horizont in ein unbestimmtes Blau über, in welchem man vergeblich nach einer Grenze sucht.

Unser Beobachtungspunkt lag auf 1° 23' 0" nördl. Br. Die äußerste Ecke des östlichen Endes des Sees peilte auf dem Kompaß Südost, das äußerste westliche Ende Südost und Südost zu Süd. Zwischen den beiden äußersten Enden befanden sich fünf Einschnitte, von denen einer 3 km weiter nach Süden reichte, als alle übrigen Punkte, welche wir beobachtet haben.

Das Tafelland von Unjoro behielt, so weit unser Auge reichte, fast gleichmäßig seine Höhe bei; doch wurde uns schließlich der Blick durch eine große Bergmasse abgeschnitten, welche sich von der westlichen Kette loslöste. Südlich vom See und zwischen den gegenüberliegenden Höhen, dem Tafellande von Unjoro im Osten und dem Plateau im Westen, dehnte sich eine niedrige Ebene aus, welche früher, aber nicht in neuerer Zeit, von den Wassern des Sees überschwemmt gewesen sein muß, jetzt aber festes Land ist, das am untern nördlichen Ende mit dürrem Gras bewachsen, allmählich südwärts ansteigt und schließlich krüppelige Bäume, Akazien und Dornen hervorbringt, wie die direct unter uns liegende Terrasse.

Nach einer Rast von etwa 20 Minuten begannen wir den Abstieg an den Abhängen des Plateaus. Ehe noch die Nachhut und Lieutenant Stairs den Ort verlassen hatten, waren die Eingeborenen bereits in ebenso großer Zahl wie wir selbst zusammengeströmt, und bevor noch die Vorhut 150 in tief hinabgestiegen war, hatten sie schon die Nachhut derart zu belästigen begonnen, daß bald ein stetiges Feuern stattfand. Wir, die wir unten waren, sahen, wie die Eingeborenen sich plänklermäßig auf beiden Seiten ausbreiteten und in langer Linie an dem fürchterlich steilen, ermüdenden Pfade sich an die Nachhut hefteten.

Während sie ihre Pfeile abschossen und an ihre aufs Korn genommenen Opfer sich heranschlichen, schrien sie: »Ku-la-la heh lelo! – Wo wollt ihr heute Nacht schlafen? Wißt ihr nicht, daß ihr umstellt seid? Wir haben euch jetzt, wo wir euch haben wollten.«

Unsere Leute zögerten aber keinen Augenblick mit der Antwort: »Wo wir schlafen werden, da werdet ihr nicht wagen uns zu nahe zu kommen; weshalb kommt ihr nicht sofort heran, wenn ihr uns habt, wo ihr uns haben wollt?«

Trotz des lebhaften Feuerns war der Schaden nur unbedeutend, da das Terrain sich nicht für genaues Zielen eignete; auf unserer Seite war nur ein Mann durch einen Pfeilschuß verwundet worden. Nichtsdestoweniger wurde der Kampf auf beiden Seiten lebhaft und rastlos fortgesetzt. Wären wir unbeladen und frisch gewesen, dann würden sehr wenige dieser bösartigen Burschen am Leben geblieben sein, um wieder nach der Höhe hinaufzuklimmen.

Der Abstieg dauerte drei Stunden, und viertelstündlich mußten wir halt machen, um die Eingeborenen zurückzuschlagen, die uns in der Zahl von ungefähr 40 Mann bis zur Ebene hinab folgten.

800 m vom Fuße des Gebirges überschritten wir einen schwach salzhaltigen Fluß, welcher sich einen tiefen Kanal ausgegraben hatte und auf beiden Seiten von steilen Ufern und an einigen Stellen bis zur Höhe von 15 m gerade aufsteigenden Felsmauern eingefaßt war. Am Rande einer dieser steilen Mauern schlugen wir das Lager auf, das auf diese Weise auf dem einen Halbkreise uneinnehmbar wurde; die andere Hälfte sicherten wir rasch mit Gestrüpp und Material aus einem benachbarten verlassenen Dorfe. Da wir bemerkt hatten, daß die kühnen Eingeborenen in die Ebene hinabgestiegen waren, und wußten, daß sie einen nächtlichen Angriff beabsichtigten, ließ ich in einiger Entfernung vom Lager Schildwachen ausstellen, die im Grase gut verborgen waren. Eine Stunde nach Eintritt der Dunkelheit unternahmen die Eingeborenen den Angriff und waren, als sie an einem Punkte nach dem andern sich vergeblich bemühten einzudringen, höchst überrascht, als sie von einem Ende des Halbkreises bis zum andern mit Gewehrfeuer empfangen wurden.

Damit endete dieser aufregende Tag und wir suchten die wohlverdiente Ruhe.

Bei der Ablesung des Aneroidbarometers nach der Ankunft am Lagerplatze fanden wir, daß wir von unserm Beobachtungspunkte am Rande des über uns liegenden Plateaus 685 m herabgestiegen waren.

Am 14. December verließen wir den Fuß des Plateaus und marschirten quer über die Ebene, die sich 8 km weit allmählich nach dem See hinabsenkte. Während wir weiter schritten, forschten wir in dem lichten Akazienwalde sorgfältig nach, ob dort nicht ein Baum zu finden sei, der zu einem Kanoe benutzt werden könnte; jedoch fehlte es der Ebene an allem außer Akazien, Dornsträuchern, Tamarinden und Gestrüpp, ein Beweis, daß der Boden zwar reich genug war, um die mehr abgehärteten Bäume hervorzubringen, aber auch so reichlich mit scharfen Stoffen, wie Salpeter, Alkalien oder Salzen durchdrungen war, um das Wachsthum einer tropischen Vegetation zu verhindern. Wir hofften jedoch, daß es uns gelingen würde, die Eingeborenen zum Verkauf eines Kanoe zu veranlassen, oder daß, was uns wahrscheinlicher war, Emin Pascha, meiner Bitte gemäß, das Südende des Sees besucht und mit den Eingeborenen Vereinbarungen für unsern Empfang getroffen habe. War das nicht der Fall, dann hatten wir schließlich eine berechtigte Entschuldigung, uns ein Kanoe zeitweilig zu leihen.

Etwa 2½ km weiter hörten wir, daß die Eingeborenen ziemlich nahe an unserm Wege in dem armseligen Walde mit Hauen von Brennmaterial beschäftigt waren. Wir machten deshalb halt und beobachteten Schweigen, während der Dolmetscher versuchte, auf sein freundliches Anrufen eine Antwort zu erhalten. Zehn Minuten lang verhielten wir uns vollkommen still, bis die Person, die sich als ein Weib erwies, es der Mühe werth hielt zu antworten, und nun hörte ich zum ersten mal in Afrika so rohe unfläthige Schimpfworte, deren das traditionelle londoner Fischweib vermuthlich nicht fähig gewesen wäre auszustoßen. Wir waren daher gezwungen, die weitern Bemühungen zur Versöhnung dieses Mannweibes aufzugeben.

Wir schickten dann den Dolmetscher mit einigen Leuten nach dem am Ufer des Sees liegenden Dorfe voraus, welches einem Häuptling Namens Katonsa, manchmal auch Kaija Nkondo genannt, gehörte. Der Dolmetscher hatte den Auftrag, seine äußerste Gewandtheit aufzubieten, um das Vertrauen der Bewohner zu gewinnen, sich durch keinerlei Worte oder Drohungen abweisen zu lassen und nur thatsächlichen Feindseligkeiten zu weichen, während wir inzwischen langsam folgen und dann halt machen wollten, bis er uns nach der Niederlassung rufen würde.

Wie wir wahrnahmen, befanden sich die Dorfbewohner in völliger Unkenntniß von unserm Herannahen und unserer Nachbarschaft. Ihr erster Impuls, als sie unsere Leute sahen, war zu fliehen; als sie jedoch bemerkten, daß sie nicht verfolgt wurden, nahmen sie, mehr aus Neugier als aus Friedlichkeit, Stellung auf einem etwa einen Pfeilschuß entfernten Ameisenhügel. Als sie dann erkannten, daß unsere Leute freundlich, höflich und vollständig harmlos waren, gestatteten sie das Herannahen der Karavane und ließen sich durch die fortwährend wiederholten innigen Freundschaftsversicherungen beim Anblick eines Weißen sogar dazu bewegen, näher zu treten. Etwa 40 Eingeborene faßten Muth und kamen so nahe heran, daß wir bequem miteinander sprechen konnten, und nun folgten Rede und Gegenrede, wobei die eine Partei bei ihrem Leben, bei der Liebe zu ihrem Halse und dem Himmel über uns schwor, daß sie nichts Böses beabsichtige oder bezwecke, sondern nur Freundschaft und guten Willen suche, wofür sie die entsprechenden Geschenke geben würde, während von der andern Seite behauptet wurde, daß wenn auch ihr Zögern falsch gedeutet und ihnen vielleicht als Furcht ausgelegt werden könne, sie doch schon oft Leuten begegnet seien, die Warasura hießen und mit Gewehren wie die unserigen bewaffnet seien, welche die Feinde sofort tödten. Vielleicht seien wir doch Warasura oder deren Freunde, denn wir hätten auch Gewehre, und in diesem Falle seien sie jeden Augenblick zum Kampf bereit, sobald sie die Ueberzeugung gewännen, daß wir Warasura oder deren Bundesgenossen seien.

»Warasura! Warasura! Was sind das für Leute? Wir haben den Namen noch nie gehört. Woher kommen sie?« Das und ähnliche Fragen stellten wir drei Stunden lang in der heißen Sonne. Unser Schmeicheln und gewinnendes Lächeln schien endlich seine Wirkung zu thun, als sie plötzlich wieder ärgerlich wurden und in der schroffen, schnarrenden Sprache der Wanjoro, welche schrecklich für die Ohren klingt, ihren Argwohn äußerten. Unsere Bemühungen endeten mit einem vollständigen Miserfolg. Ohne es zu wissen hatten wir ihren Verdacht dadurch erregt, daß wir zu freundlich von Unjoro und seinem König Kabba-Rega gesprochen, der, wie wir später erfuhren, ihr Todfeind war. Sie wollten unsere Freundschaft nicht annehmen, keine Blutsbrüderschaft schließen und lehnten sogar jedes Geschenk ab, doch wollten sie uns Trinkwasser geben und uns auch den Weg am See entlang zeigen.

»Ihr sucht einen weißen Mann, sagt ihr. Wie wir hören, ist einer (Casati) bei Kabba-Rega. Vor vielen, vielen Jahren kam ein weißer Mann (Mason Bey) vom Norden her in einem Rauchboote, aber er ging wieder fort, das war als wir noch Kinder waren. Seitdem ist kein seltsames Boot auf unsern Wassern gewesen. Wir hören, daß merkwürdige Leute in Buswa (Mswa) sein sollen, aber das ist weit von hier. Dort nach Norden dem See entlang geht euer Weg. Alle bösen Männer kommen von dort. Wir haben auch nie gehört, daß je gute Leute vom Ituri hierher gekommen sind. Die Warasura kommen manchmal von dort.«

Sie ließen sich herbei, uns den längs des Ufers führenden Pfad zu zeigen, und traten dann zur Seite, nachdem sie uns noch, nicht gerade in unfreundlichem Tone, gerathen hatten, uns in Acht zu nehmen; dagegen wollten sie nicht einen einzigen Gegenstand zu ihrem Gebrauche von uns annehmen. Verwundert über ihr außerordentliches Benehmen und ohne einen einzigen berechtigten Grund zum Streit mit ihnen zu haben, setzten wir nachdenklich und in sehr unangenehmer Stimmung den Weg fort.

Als ich darüber nachgrübelte, wie die Hoffnungsfreudigkeit, welche uns bisher beseelte, so seltsam ein plötzliches Ende gefunden hatte, kam mir der Gedanke, daß sich wol niemals einem Reisenden im wilden Afrika eine entmuthigendere Aussicht gezeigt habe, als sich uns hier so plötzlich enthüllt hatte. Von dem Augenblicke an, als wir am 21. Januar 1887 England verlassen hatten, bis zu diesem 14. December war keinem von uns die Idee gekommen, daß unsere Pläne so nahe am Ziel, wie wir es waren, noch vollständig vereitelt werden könnten. Bei alledem war jedoch ein Trost: es gab von jetzt ab keine Ungewißheit mehr. Wir hatten gehofft, hier Nachrichten vom Pascha anzutreffen; nach unserer Ansicht mußte der Gouverneur einer Provinz, der zwei Dampfer, Rettungsboote, Kanoes und Tausende von Leuten besaß, an einem so kleinen See wie der Albert-Njansa, den man in zwei Tagen von einem Ende bis zum andern umfahren konnte, überall bekannt sein. Entweder konnte oder wollte er Wadelai nicht verlassen oder er wußte noch nichts von unserm Kommen. Emin Pascha schrieb im November 1887 an seinen Freund Dr. Felkin: »Es ist alles in gutem Gang: in den besten Beziehungen mit den Häuptlingen und den Leuten; werde mich binnen kurzem nach Kibiro am Ostufer des Albert-Sees begeben. Habe, um nach Stanley Umschau zu halten, eine Recognoscirungsabtheilung ausgeschickt, welche noch nicht zurückgekehrt ist. Erwarte Stanley ungefähr am 15. December (1887).« Wir trafen am 14. December ein.

Als wir durch äußerste Schwäche gezwungen waren, unser Stahlboot in Ipoto zurückzulassen, hofften wir, daß eins von dreien der Fall sein werde: entweder, daß der Pascha, der durch mich von unserm Kommen in Kenntniß gesetzt war, die Eingeborenen auf unser Erscheinen vorbereitet hätte, oder daß wir ein Kanoe kaufen, oder daß wir selbst ein solches anfertigen könnten. Allein der Pascha hatte das südliche Ende des Sees nie besucht und ebenso wenig war ein Kanoe zu bekommen oder ein Baum zu finden, aus dem ein solches herzustellen war.

Seitdem wir in das Grasland gekommen waren, hatten wir 5 Kisten mit Patronen verbraucht, sodaß wir noch 47 Kisten besaßen, außer denen, die unter Aufsicht von Kapitän Nelson und Dr. Parke in Ipoto zurückgeblieben waren. Wadelai war zu Lande 25 Tagemärsche, zu Wasser nur vier Tagereisen entfernt. Wenn wir zu Lande nordwärts marschirten, war es sehr wahrscheinlich, daß wir, falls die Eingeborenen dort ähnlich waren wie im Süden, bei den Kämpfen noch weitere 25 Kisten Munition verbrauchen würden, um nach Wadelai zu kommen. Bei der Ankunft bei Emin Pascha würden wir dann noch 22 übrig haben, und wenn wir ihm nur 12 Kisten ließen, selbst nur 10 behalten für unsere Rückkehr auf einer Route, aus welcher wir beim Hinmarsch 30 Kisten verfeuert hatten. Für uns würden 10 Kisten ein ebenso ungenügender Vorrath sein, wie für Emin Pascha 12 Kisten. So überlegte ich mir im Geiste unsere Lage, als wir am Ufer des Albert-Sees nach Norden wanderten; in der Hoffnung jedoch, bei der Insel Kasenja, wohin wir unsere Schritte lenkten, vielleicht zur Erwerbung eines Kanoe im Stande zu sein, beschloß ich vorläufig weiter nichts zu thun, als ein paar Tage nach einem Fahrzeug irgendwelcher Art zu suchen, und erst wenn dies keinen Erfolg haben sollte, die Frage offen mit meinen Gefährten zu erörtern.

Bei unserer Mittagsrast, einige Kilometer nördlich von Katonsa's Dorf, erklang zum ersten mal das Signal zum Rückzuge, was die Offiziere unangenehm überraschte und betrübte.

»Ah, meine Herren«, sagte ich, »sehen Sie nicht so trübe aus, Sie machen meinen eigenen Kummer nur um so größer. Lassen Sie uns den Thatsachen offen ins Auge schauen. Wenn die Insel Kasenja uns kein Kanoe zu liefern vermag, müssen wir unsere Schritte zurücklenken; das läßt sich nicht ändern. Wir wollen den heutigen und morgenden Tag dem Nachsuchen widmen, stehen dann aber dem Verhungern von Angesicht zu Angesicht gegenüber, wenn wir uns noch länger in dieser öden Ebene aufhalten. Auf der unfruchtbaren Terrasse am See gibt es keine Anpflanzungen, die wir nicht eher finden als auf dem Plateau. Unsere Haupthoffnung beruhte auf Emin Pascha. Ich hatte geglaubt, daß er mit seinen Dampfern diesem Ende des Sees einen kurzen Besuch abstatten könnte und den Eingeborenen sagen würde, daß er von Westen kommende Freunde erwarte. Was aus ihm geworden ist und weshalb er nicht hierher hat kommen können, wissen wir nicht. Die Bewohner von Katonsa haben uns aber gesagt, daß sie, seitdem Mason Bey hier war, nie wieder einen Dampfer oder einen Weißen gesehen haben; sie haben auch gehört, daß Casati sich in Unjoro befindet. Ohne Boot ist ein Marsch von einem Monat nöthig, um Emin auszufinden.

»Außer dem Rückmarsch gibt es nur einen Weg, der mir möglich erscheint, und der ist, daß wir irgendein Dorf am Ufer des Sees erobern, dort ein befestigtes Lager errichten und das Weitere abwarten, damit vielleicht Nachricht von uns nach Unjoro zu Kabba-Rega oder nach Wadelai gelangt und Casati, Emin oder der König von Unjoro möglicherweise neugierig werden und Leute schicken, um zu erfahren, wer wir sind. Dann kommt aber die Lebensmittelfrage. Diese Uferbewohner bebauen kein Land, sondern fangen Fische und bereiten Salz, um es an die Leute auf dem Plateau gegen Getreide zu verkaufen. Wir würden fourragiren und täglich an jenem schrecklichen Bergabhange hinauf- und hinabklettern müssen. Eine Woche würden die Eingeborenen auf dem Plateau vielleicht den Fourragirabtheilungen Widerstand leisten, dann würden sie es aber aufgeben, nach entferntem Gegenden auswandern und ein verödetes Land in unserm Besitz lassen. Sie müssen mir zugeben, daß dies ein höchst unkluger und thörichter Plan für uns sein würde.

»Wäre unser Boot hier oder könnten wir auf irgendeine Weise ein Kanoe bekommen, dann würde unsere Lage folgendermaßen sein: Wir könnten das Fahrzeug zu Wasser bringen und mit 20 Personen bemannen, sie mit Lebensmitteln auf zehn oder zwölf Tage ausrüsten und dem Offizier und der Besatzung ›Glückliche Fahrt‹ wünschen, während wir wieder nach dem Plateau hinaufsteigen, in der Nähe des Randes desselben eine gute Stellung besetzen, sie rasch uneinnehmbar machen, im Norden, Süden und Westen eines Ueberfluß an Getreide und Vieh bietenden Landes fourragiren und durch Schildwachen den See beobachten und nach Feuer- oder Rauchsignalen ausschauen lassen. Bei der Ankunft des Dampfers könnten 100 mit Gewehren bewaffnete Leute zum See hinabsteigen, wobei sie möglicherweise erfahren würden, daß Emin Pascha sich in Sicherheit befindet oder vielleicht durch Ukedi und Usoga sich nach Sansibar begeben hat. Dies ist sogar wahrscheinlich, da die letzten Nachrichten, welche ich vom Auswärtigen Amt erhalten habe, meldeten, daß er einen solchen Schritt in Erwägung ziehe. Da wir ohne Kanoe und Boot sind, habe ich aber das Gefühl, daß wir, obwol zu Wasser nur vier Tage von Wadelai entfernt, mit dem Suchen nach Auskunftsmitteln nur werthvolle Zeit vergeuden, während der gesunde Menschenverstand uns gebietet, uns in den Wald zu begeben, einen geeigneten Ort, wie Ibwiri, aufzusuchen, um dort unsere überflüssigen Vorräthe, Kranken und Genesenden von Ugarrowwa und Ipoto zu lassen, und dann nur mit dem Boot und ein paar Dutzend Kisten Munition hierher zurückzukehren. Bei der unerklärlichen Abwesenheit Emin's und dem Fehlen jeglicher Nachrichten von ihm würde es unklug sein, mit dem Tragen von zu viel überflüssiger Munition unsere Kräfte zu vergeuden, während der Pascha seine Provinz vielleicht schon verlassen hat.«

Im Laufe des Nachmittags marschirten wir dem See entlang, bis die Insel Kasenja von unserm Lagerplatze 127° auf dem Kompaß peilte und noch ungefähr 1½ km entfernt war. Unser Beobachtungspunkt auf der Höhe des Plateaus peilte 289°.

Nachdem wir schon zu früher Stunde halt gemacht hatten, stellten wir aus Buschwerk einen Zaun her. Auch den Nachmittag verbrachten wir mit einer eingehenden Erörterung unserer Lage unter der neuen Beleuchtung, welche sie durch die entschiedene Ablehnung unserer Freundschaft von seiten Katonsa's und seiner Begleiter erhalten hatte.

Am Morgen des 15. December schickte ich Lieutenant Stairs und 40 Mann hin, um mit den Bewohnern der Insel Kasenja, welche etwa 750 m vom Lande liegt, zu sprechen. Da der See dort sehr flach ist, konnte ein Kanoe mit zwei Fischern, welche Lieutenant Stairs angerufen hatte, sich dem Lande nur bis auf mehrere hundert Meter nähern, und der Schlamm war so unergründlich tief, daß niemand es wagen durfte, ihn zu betreten. Dem Uferrande entlang gedeiht ein Ambatschwald, der sich als schmaler Kranz um das südliche Ende des Sees herum fortsetzt, sodaß es aus der Ferne aussieht, als stände dort eine lange Reihe von Fischerpfählen oder hohen Palissaden. Die Fischer zeigten, da man an der Stelle, wo sie sich befanden, kaum den Ton der Stimme hören konnte, nach einem etwas weiter seeabwärts gelegenen Punkte, wo sie dem Ufer näher kommen könnten und auch ihr Landungsplatz sei. Der Morgen verging uns mit Warten auf Lieutenant Stairs, der in dem Schlamm und Sumpf große Schwierigkeiten hatte. Nachmittags schickte ich Jephson nach dem uns von den Eingeborenen bezeichneten Landungsplatze, einer niedrigen, oben bewaldeten Anhöhe, bei der aber für die Arbeiten der Fischer genügende Wassertiefe war. Auf das Anrufen kamen ein Fischer und seine Frau bis auf gute Bogenschußweite ans Ufer heran und ließen sich herbei, mit unsern Leuten zu reden. Sie sagten: »Ja, wir erinnern uns, daß vor langer Zeit ein Rauchboot hierher gekommen ist. Es war ein weißer Mann (Oberst Mason) in demselben und er sprach sehr freundlich. Er schoß ein Flußpferd und gab es uns zum Essen. Die Knochen davon liegen in der Nähe, wo ihr steht, sodaß ihr euch überzeugen könnt. Es gibt keine großen Kanoes auf diesem See oder irgendwo in der Nähe, denn die größten können mit Sicherheit nur zwei oder drei Personen aufnehmen, mehr nicht. Wir kaufen unsere Kanoes von den Wanjoro auf der andern Seite für Fische und Salz. Ob wir für euch einen Brief nach Unjoro bringen wollen? (Lachend) Nein. Daran können wir nicht denken, das ist eine Aufgabe für einen großen Mann, und wir sind arme Leute, nicht besser als Sklaven. Ob wir ein Kanoe verkaufen wollen? Ein kleines Kanoe wie dieses kann euch nirgends hintragen, es eignet sich nur zum Fischen nahe am Ufer in flachem Wasser wie hier. Auf welchem Weg seid ihr hergekommen? Vom Ituri her? Ach, das beweist, daß ihr böse Männer seid. Wer hat je gehört, daß gute Leute aus jener Richtung kamen? Wenn ihr nicht böse Leute wäret, würdet ihr ein großes Boot mitgebracht und Flußpferde wie der andere weiße Mann geschossen haben. Geht euern Weg, – dorthin liegt euer Pfad. Aber wenn ihr dahin geht, werdet ihr Leute treffen, die ebenso schlimm sind wie ihr und deren Werk es ist, die Menschen zu tödten. In der Nähe des Sees und auf dieser ganzen Ebene gibt es keine Lebensmittel. Fischer wie wir brauchen keine Hacken. Seht euch rundum, ihr werdet kein Feld finden. Ihr werdet nach den Bergen zurückgehen müssen, wo Nahrung für euch ist; hier ist nichts. Unsere Arbeit ist, daß wir Salz machen und Fische fangen, die wir den Leuten oben bringen und gegen Getreide und Bohnen austauschen. Diese Insel ist Kasenja und gehört Kavalli, und der nächste Ort ist Njamsassi. Geht weiter. Weshalb geht ihr nicht und versucht euer Glück anderswo? Der erste weiße Mann blieb eine Nacht auf diesem Wasser in seinem Boot und setzte am andern Morgen seinen Weg fort. Seitdem haben wir weder ihn noch einen andern wieder gesehen.«

Geht! Das Unvermeidliche umgab uns, damit das Gesetz sich erfülle, daß man das Erstrebenswerthe nur mit Mühe und Geduld erreichen kann. Wohin wir blicken mochten, überall war uns das Vordringen verschlossen, ausgenommen unter Kämpfen, Tödten, Zerstören, Vernichten und Vernichtetwerden. Für Unjoro hatten wir kein Geld und keine passenden Waaren, die Districte Kabba-Rega's kamen daher nicht in Frage; der Marsch nach Wadelai war nur eine nutzlose Vergeudung von Munition, deren Mangel uns wahrscheinlich an der Rückkehr verhindert und in dieselbe Hülflosigkeit versetzt haben würde, in welcher Emin Pascha sich befinden sollte. Richteten wir unsere Blicke auf den See, so wurden wir daran erinnert, daß wir Zweifüßler waren, die etwas Schwimmkraft Besitzendes brauchen, das sie über das Wasser zu tragen vermag. Alle Wege mit Ausnahme desjenigen, auf dem wir gekommen, waren uns verschlossen und unsere Lebensmittel inzwischen erschöpft.

Bei der am Abend abgehaltenen Berathung beschlossen wir, den einzigen uns gelassenen vernünftigen Weg einzuschlagen, nämlich nach Ibwiri, 18 Tagemärsche von hier, zurückzukehren, dort ein starkes befestigtes Lager zu bauen, dann eine starke Abtheilnug nach Ipoto zu senden, um das Boot, die Waaren, Offiziere und Genesenden nach dem befestigten Lager zu holen, darauf 50 Büchsenschützen unter dem Befehl von drei oder vier Offizieren zurückzulassen und schleunig nach der Niederlassung Ugarrowwa's zu gehen, die Genesenden von dort nach Ibwiri zu schicken, später den Marsch zur Aufsuchung des Majors und der Nachhut fortzusetzen, ehe er und sie scheiterten oder in die Wildniß hineinmarschirten, aus der wir mit genauer Noth entkommen waren, und schließlich, wenn wir alle vereinigt waren, mit dem Boote nach diesem Platze zurückzukehren, um die Mission gründlich durchzuführen, wenn wir im Rücken keine uns verwirrenden oder schwächenden Sorgen mehr hatten.

Am folgenden Tage, 16. December, hielt ein heftiger Regenguß uns bis 9 Uhr vormittags im Lager. Der tiefliegende harte Boden saugte das Wasser nur langsam auf, sodaß wir während der ersten Stunde stellenweise bis zum Knie im Wasser gingen. Dann kamen wir auf eine leicht gewellte Ebene, wo das Gras nur 7-8 cm hoch war und vielfach vereinzelte Gruppen von Gebüsch und niedrigen Bäumen standen, sodaß die ganze Scenerie Aehnlichkeit mit einem Zierpark hatte. An dem Pfade angelangt, welcher den Landungsplatz bei Kasenja mit dem Bergpaß verbindet, auf welchem wir herabgekommen waren, überschritten wir ihn und hielten uns parallel mit dem Ufer des Sees etwa 2-3 km von demselben entfernt. Hier zeigte sich das Wild in Rudeln, und da wir an Lebensmitteln außerordentlichen Mangel litten, machten wir uns zur Jagd bereit, um unsern Fleischvorrath zu ergänzen. Nach einiger Zeit fiel mir ein männliches Kudu zur Beute, während der Jäger Saat Tato ein Hartebeest schoß. 3 km jenseit des Landungsplatzes von Kasenja lagerten wir uns.

Unser Zweck bei diesem Halt war, die Unterthanen Katonsa's zu täuschen, die, wie wir überzeugt waren, uns sicherlich folgen würden, um zu sehen, ob wir weiter marschirt seien; denn da sie sich so unfreundlich gegen uns benommen hatten, mußten sie natürlich Furcht oder wenigstens Sorge wegen uns haben. Nachts beabsichtigten wir, wieder umzukehren und dem Pfade bis zum Fuße des Bergpasses zu folgen, um bei Tagesanbruch den steilen, steinigen Aufstieg zu beginnen und oben auf dem Gipfel zu sein, bevor die Eingeborenen des Tafellandes in Bewegung kamen, da ein Kampf zwischen uns, die wir so schwer beladen waren, und jenen entschlossenen Leuten möglichst vermieden werden mußte.

Nachmittags um 3 Uhr, als wir gerade mit der Vertheilung des Wildes unter die hungerigen Leute beschäftigt waren, hörten wir das Geheul der Eingeborenen und fiel auf unsern Lagerplatz ein halbes Dutzend Pfeile. Nichts kennzeichnet die blinde Dummheit und außerordentliche Unbesonnenheit der Wilden so sehr wie dieser Fall, wo ein halbes Dutzend von ihnen in der Wildniß eine wohlorganisirte Truppe von 170 Mann angriff, von denen zwei ihnen in jeglichem Kampfe überlegen gewesen wären. Selbstverständlich machten sie, nachdem sie ihr Geheul ausgestoßen und ihre Pfeile abgeschossen hatten, sofort wieder kehrt und flohen. Vielleicht wußten sie, daß sie sich auf ihre Schnelligkeit verlassen konnten, da sie unsere ihnen nachfolgenden Leute in unglaublich kurzer Zeit weit hinter sich zurückließen. Die zehn Wilden, welche uns hier besuchten, waren anscheinend dieselben, welche es sich am Tage vorher so sehr hatten angelegen sein lassen, festzustellen, ob wir den Weg verloren hätten.

Auf meinen Jagdzügen, die ich während des Tages vom Halteplatze weit am Ufer des Sees entlang machte, stieß ich auf ungeheuere Haufen von Knochen geschlachteten Wildes, das den verschiedensten Arten angehört zu haben schien, vom Elefanten und Flußpferd bis zur kleinsten Buschantilope. Wahrscheinlich war das Wild von den Eingeborenen des Districts umstellt und mit Hülfe des Feuers innerhalb eines Kreises von ungefähr 300 in Durchmesser haufenweise abgeschlachtet worden.

Der Jäger Saat Tato, welcher einen Büffel angeschossen hatte, wurde an der Verfolgung des Thieres verhindert durch das Erscheinen eines ausgewachsenen Löwen, der seinerseits die Jagd fortsetzte.

Das Ufer des Sees nimmt, in dem Maße als es sich nach Nordosten wendet, erheblich an Schönheit zu. Nahe am Rande des Sees sah ich mehr als zwanzig prächtige Lagerplätze mit abfallendem festen weißen Sandstrand, über welchen die Wellen unaufhörlich hinwegrollten. Den Hintergrund bildeten grüne Baumgruppen, die inselartig auf dem schönsten grünen Rasen standen, während in der Nähe zahlreiches Wild der verschiedensten Art sich aufhielt. Nach allen Richtungen hin ruhte das Auge aus einer Landschaft von eigenthümlicher Großartigkeit und Schönheit.

Um 5½ Uhr nachmittags sammelten wir uns wieder und stellten uns in aller Stille für den Marsch nach dem Fuß des Berges auf. Wir hatten drei Kranke bei uns, von denen zwei von den Folgen der traurigen Zeit in dem großen Walde sich noch immer nicht wieder erholt hatten, und der dritte an einem schweren Fieber litt, das er sich bei dem Regen der letzten Nacht zugezogen hatte.

Gegen 9 Uhr abends stießen wir unerwartet aus ein Dorf, was uns einigermaßen verwirrte, jedoch gestattete der wie eine düstere Wolke sich über uns erhebende ungeheuere Berg nicht, wieder umzukehren, obwol wir es, da es außerordentlich dunkel war, sonst wol gethan hätten. Mit todesähnlichem Schweigen passirten wir durch das schlafende Dorf und folgten dem aus demselben herausführenden Pfade, der jedoch bald in eine unbedeutende Spur auslief und sich endlich ganz verlor. Die Augen beständig auf die über uns bis zum gestirnten Himmel ansteigenden dunkeln Schatten gerichtet, setzten wir den Marsch noch eine Stunde fort, bis schließlich die ermüdete Menschennatur, sich durch die Verdrießlichkeit der Vorhut verrathend, Halt und Rast verlangte. Wo wir standen, warfen wir uns ins Gras nieder und waren bald, unbekümmert um alle Schwierigkeiten, in festen Schlaf versunken.

Bei Tagesanbruch erhoben wir uns, vom Thau vollständig durchnäßt, aber wenig erfrischt, aus dem tiefen Schlummer und entdeckten, als wir an der Mauer des in vier Terrassen von je etwa 180 in Höhe aufsteigenden Tafellandes emporblickten, daß wir uns noch ungefähr 3 km von dem Fuße des Passes entfernt befanden. Wir eilten daher vorwärts und hatten bald das untere Ende des Aufstieges erreicht. Nach dem Aneroidbarometer waren wir dort 45 m über dem Spiegel des Sees, der 732 m über dem Meeresniveau liegt, und 762 m unter dem höchsten Punkt des Sattels oder des eingesunkenen Rückens zwischen der nördlichen und der südlichen Kette, deren östliches Ende vor uns aufstieg.

Während die Träger mit den letzten Bissen Fleisch von der gestern unter sie vertheilten Jagdbeute ihre Fasten unterbrachen, schickte ich 30 ausgesuchte Leute ab, um das obere Ende des Aufstieges zu besetzen und diesen Posten zu behaupten, solange die beladene Karavane aufwärts kletterte.

Nach halbstündiger Rast begannen wir, mit inbrünstigem »Bismillah« auf den Lippen, den vom Regen ausgewaschenen felsigen Abhang hinaufzusteigen. Nach dem ermüdenden Nachtmarsch, der infolge des Thaues eingetretenen Erkältung, dem Sprühregen und der Morgenkühle befanden wir uns nicht in der allerbesten Verfassung, um eine Höhe von 760 m zu erklimmen, zumal, um das Unbehagen noch zu steigern, die im Osten stehende Sonne uns gerade auf den Rücken schien, während die Felsen uns die Hitze ins Gesicht zurückwarfen. Einer der Kranken verließ uns im Delirium, ein anderer, welcher an heftigem Gallenfieber litt, wollte durchaus nicht mehr weiter. Als wir etwa die halbe Höhe erreicht hatten, bemerkten wir tief unter uns in der Ebene zwölf Leute Katonsa's, welche dem Pfade entlang stürzten und die Expedition eifrig verfolgten in der Absicht, etwaige Nachzügler zu erreichen. Vermuthlich trafen sie unsere Kranken, und die Leichtigkeit, mit der im Delirium befindliche und unbewaffnete Leute ihren Speeren zum Opfer fielen, dürften in ihnen den Wunsch anregen, noch weitere Versuche zu machen; aber Lieutenant Stairs war Befehlshaber der Nachhut, und dieser dürfte wol mit den Eingeborenen abzurechnen wissen, wenn sie sich bis auf Schußweite nähern sollten.

Auf der zweiten Terrasse fanden wir einen kleinen Fluß, der uns, da die Quarzfelsen und Gneisblöcke eine geradezu versengende Hitze ausstrahlten, mit seinem kühlen Wasser sehr erfrischte. Daß die Colonne fürchterlich litt, war aus der Weise zu erkennen, wie sie bruchstückweise über die Abhänge und die terrassirten Flächen wankte, sowie an den Schweißtropfen, die in Strömen an den nackten Körpern der Leute herabflossen. Eine große Erleichterung war es für uns, daß unsere Scharfschützen den Kamm des Hügels besetzt hielten, da sonst einige wenige Speerwerfer die keuchenden, nach Luft schnappenden, ermatteten Leute hätten decimiren können.

Auf der dritten Terrasse, wo wir kurze Zeit Rast machten, hatten wir einen Blick bis tief hinab zur Nachhut, welche noch nicht die Höhe der ersten Terrasse erreicht hatte, und bemerkten, daß die zwölf Eingeborenen uns in der Entfernung von etwa 500 m noch immer folgten und einer von ihnen sich über einen Gegenstand beugte. Wie ich später von dem Befehlshaber der Nachhut erfuhr, war das unser zweiter Kranker gewesen; alle Eingeborenen hatten ihm ihre Speere in den Leib gebohrt.

siehe Bildunterschrift

Kornspeicher der Babusesse.

Da ich ihre Absichten errieth und beschlossen hatte, ihre Feindseligkeiten zu bestrafen, postirte ich den Jäger Saat Tato und vier andere geübte Schützen hinter einige große Felsen, zwischen denen sie einen Durchblick hatten, selbst aber nicht gesehen werden konnten.

In 2¾ Stunden hatten wir die Höhe des Plateaus erreicht und standen neben der Vorhut, welche uns insofern ausgezeichnete Dienste geleistet, als sie den Feind entfernt gehalten hatte; als dann die Nachhut ungefähr auf der Höhe angekommen war, hörten wir den scharfen Knall der Gewehre der im Hinterhalt liegenden Männer, welche die Ermordung ihrer beiden Kameraden rächten. Einer der Eingeborenen war todt, ein zweiter wurde blutend fortgetragen und die übrigen wilden Aasgeier hatten die Flucht ergriffen.

Während einer kurzen Pause zum Athemschöpfen schickte ich die Vorhut aus, um das nächstgelegene Dorf auszuforschen, welches der Tauschmarkt für die Bewohner des Plateaus und die Eingeborenen vom See zu sein schien, und bald darauf verbreitete sich bei der Colonne die Nachricht von einer reichen Entdeckung. Unsere Leute hatten einen großen Vorrath von Getreide und Bohnen gefunden, genügend, daß jeder Mann unbeschränkte Rationen für fünf Tage erhalten konnte.

Um 1 Uhr nachmittags setzten wir den Marsch fort, nachdem ich den bestimmten Befehl gegeben hatte, geschlossene Marschordnung zu bewahren, um Unfälle und unnöthigen Verlust an Menschenleben zu vermeiden. Von der Front der Colonne begaben sich die Eingeborenen, die sich während der Zeit des Halts in großen Scharen gesammelt hatten, nun nach den Flanken und der Nachhut. Ein großer Trupp verbarg sich in dem hohen Grase, das wir nach ihrer Meinung passiren mußten, doch schwenkten wir vorher auf eine breite Fläche mit kurzem Graswuchs ab. Als sie durch diese Bewegung ihren Plan vereitelt sahen, tauchten sie aus ihrem Versteck hervor und suchten andere Mittel, um ihrem wahnsinnigen Haß Genüge zu thun.

Beim Ueberschreiten einer tiefen Schlucht in der Nähe der Erhebung, welche schon einmal Zeugin eines erregten Kampfes gewesen war, kamen das Centrum und die Nachhut in dem rohrartigen Gras in Verwirrung und setzten in drei oder vier getrennten Abtheilungen hinüber, wobei unser dritter Kranker entweder absichtlich zurückblieb oder sich, weil es ihm an Kraft zum Weiterschleppen fehlte, ins Gras legte. Gewiß ist, daß er auf dieser Seite nicht aus der Schlucht herausgekommen ist. Gerade als wir mit der Vorhut halt gemacht hatten, um die Colonne wieder zu ordnen, hörten wir ein furchtbares Triumphgeschrei und sahen eine Schar von 400 frohlockenden Eingeborenen, die bethört von ihrer rasenden Wuth und unbekümmert um die Nachhut an dem Abhange herabstürzten. Ohne Zweifel hatten sie das Triumphgeheul ausgestoßen, als sie das Schicksal des Kranken besiegelt hatten. Wir hatten jetzt drei Mann verloren! Den Ansturm hatten die Eingeborenen in der Hoffnung unternommen, noch ein weiteres Opfer zu erlangen, und in der That schien ihnen die Nachhut, belastet mit den Waaren und in Anspruch genommen von ihrem Dienst, rasch ein solches zu versprechen. In diesem Augenblick verließ aber ein geübter Schütze die Vorhut und stellte sich etwa 300 m von der Marschlinie und noch etwas näher an den Eingeborenen auf, die frohlockend und jauchzend gegen die ermüdete Nachhut heranstürmten. Sein erster Schuß streckte einen Eingeborenen zu Boden, sein zweiter zerschmetterte einem andern den Arm und drang ihm in die Seite. Einen Augenblick herrschte Stille, dann verließ die Vorhut schleunigst ihre Stellung, um der Nachhut zu helfen, die sofort von ihren Verfolgern befreit war.

Nach einstündigem Marsche von dem Schauplatz dieses Vorfalls schlugen wir, mit schmerzenden Füßen und ermatteter als bei allen frühern Gelegenheiten, für die Nacht das Lager auf einer tafelförmigen Anhöhe auf, von der man einen weiten Blick über die reiche Ebene hatte.

Im Laufe des Nachmittags dachte ich über die eigenthümliche Thatsache nach, daß die Wilden, die eine so starke Furcht vor dem Tode besitzen, ihn doch so häufig suchen. Man sollte meinen, daß die Verluste, von denen ihre Versuche am 10., 11., 12. und 13. December begleitet waren, solche Leute davon abhalten würden, Fremde zu reizen, welche sich als durchaus im Stande erwiesen hatten, ihre Vertheidigung zu übernehmen. Einmal waren wir fast überzeugt gewesen, daß Feuer ihnen lehre, vorsichtig zu sein, auch hatten wir geglaubt, daß wenn wir uns ruhig in unserer Marschlinie hielten, ihr Kriegsgeschrei und ihre Manöver nicht beachteten und nur handelnd eingriffen, falls sie zum Angriff heranstürmten, dies genügen würde, um ihnen das Verständniß für die Regeln unsers Verhaltens beizubringen. Dies war nun der fünfte Tag unserer Langmuth. Wir verloren Leute, und im Hinblick auf unser noch unvollendetes ungeheueres Werk war es für uns schlimm, auch nur noch einen Mann zu verlieren. Wir mußten noch zweimal durch den Wald dringen, mußten uns nach Ipoto begeben, um das Boot nach dem Njansa zu tragen, mußten die Ufer des Sees bis nach Wadelai und im Nothfalle bis nach Dufilé absuchen, um Nachrichten von Emin zu erhalten, mußten dann wieder Major Barttelot und seiner Nachhut, welche, ermüdet von ihrer überwältigenden Aufgabe, um diese Zeit vermuthlich schon ängstlich nach Hülfe ausschauten, Beistand leisten, und dann wieder durch das Gebiet dieser Stämme des Graslandes marschiren, um jedesmal infolge ihrer unvergleichlichen Unverschämtheit und Kühnheit solch fatale Verluste zu erleiden. Ich beschloß daher, am nächsten Tage zu versuchen, was thatkräftigere Operationen für eine Wirkung ausüben würden, da es möglich war, daß sie nach einer scharfen, strengen Lection und dem Verlust ihres Viehes vielleicht in Erwägung ziehen würden, ob Krieg ebenso nutzbringend für sie sei wie Frieden.

Demgemäß rief ich am nächsten Morgen vor Tagesanbruch Freiwillige auf, worauf sich rasch 80 Mann meldeten, die folgende kurze Instruction erhielten:

»Ihr seht, Jungens, daß diese Eingeborenen stets unter Anwendung derselben List kämpfen; sie haben scharfe Augen und lange Beine. Bei solcher Arbeit wie heute sind wir Weißen von gar keinem Nutzen. Uns allen schmerzen die Füße, wir sind ermattet und können in diesem Lande nicht rasch laufen. Deshalb sollt ihr heute mit euern eigenen Anführern hinausziehen. Geht hin und verjagt diese Burschen, die gestern eure Kranken getödtet haben. Geht in ihre Dörfer hinein und nehmt jede Kuh, jedes Schaf und jede Ziege, die ihr finden könnt, aber haltet euch nicht mit dem Anzünden der Hütten auf. Ihr müßt sehr geschwind laufen und sie aus jedem Rohrdickicht und von jedem Hügel verjagen. Bringt mir auch Gefangene mit, damit ich einige von ihren eigenen Leuten habe, um sie mit meinen Worten zu ihren Gefährten zurückzuschicken.«

Inzwischen benutzten wir den Halt, um unsere persönlichen Angelegenheiten zu erledigen. Unsere Schuhe und Kleidungsstücke bedurften der Reparatur, und stundenlang saßen wir und beschäftigten uns mit Schustern und Schneidern.

Um 5 Uhr nachmittags kehrte die Freiwilligenabtheilung zurück und brachte eine ansehnliche Rinderheerde mit mehrern Kälbern mit. Sechs Stiere wurden sofort geschlachtet und compagnienweise unter die Leute vertheilt, die vor Wonne fast närrisch wurden.

»Das«, sagte der Jäger »Three O'clock« (Saat Tato), »ist das richtige Karavanenleben auf diesem Continent. Den einen Tag haben wir ein Festmahl und am nächsten knurrt der Magen. Niemals sind zwei Tage sich gleich. Die Leute werden jetzt Fleisch essen, bis sie blind sind, und im nächsten Monat Gott danken, wenn sie nur Waldbohnen erhalten.« Saat Tato hatte ebenso wie ich erkannt, daß das Leben in Afrika aus einer Reihe von Leiden mancherlei Art mit kurzen vergnügten Zwischenzeiten besteht.

Auf diesem Hochlande war die Kälte sehr groß. Seitdem wir das Grasland betreten hatten, wurden wir jeden Tag durch das rauhe Wetter und den Abendnebel ins Innere unserer Hütten getrieben, und mit klappernden Zähnen und fröstelnd erwarteten wir in der starken Morgenkühle das Anbrechen des jungen Tages. An diesem Morgen betrug die Temperatur 12° R. Die Leute waren infolge der Forderungen und Erpressungen der Manjema fast nackt und hatten gern von den ledernen Kleidungsstücken der Eingeborenen und den Rindenstoffen der Waldbewohner Gebrauch gemacht. Nachdem wir die außerordentliche Kälte kennen gelernt hatten, welche auf diesen offenen Weideländern herrscht, wunderten wir uns nicht mehr darüber, daß die Eingeborenen sich ungern vor 9 Uhr ins Freie wagten; es wäre offenbar sehr klug gewesen, wenn wir ihrem Beispiele gefolgt wären, hätte unsere Aufgabe dies nur erlaubt.

siehe Bildunterschrift

Dorf der Baviri; Europäer schustern und schneidern.

Am 19. December marschirten wir quer über die wellenförmige Ebene in der Richtung nach den Dörfern Masamboni's. Als wir in die Nähe von Gavira's Dorf kamen, wurden wir von einer Gruppe Eingeborener angerufen, welche uns zuschrieen: »Das Land liegt euch jetzt zu Füßen, man wird euch nicht mehr belästigen, aber es würde uns sehr angenehm sein, wenn ihr den Häuptling von Undussuma tödtetet, der zu uns geschickt hat, um euch zurückzutreiben.«

Als wir mittags uns gegenüber den Balegga-Hügeln befanden, bemerkten wir zwei Abtheilungen von je 40 Mann, welche uns folgten; schließlich riefen sie uns an und drückten den Wunsch aus, »uns ins Gesicht zu sehen«. Als sie unserer Aufforderung, ohne Waffen zu uns heranzukommen, keine Folge leisteten, befahlen wir ihnen streng, sich zu entfernen, da wir sonst annehmen müßten, daß sie böse Absichten im Schilde führten. Ganz gehorsam entfernten sie sich darauf.

Nachmittags kamen wir zu den Dörfern der Eingeborenen, welche uns am 12. December so hartnäckig verfolgt hatten. Die Leute hatten sich an den Hügeln vertheilt und schrien wüthend, worauf wir, trotz des Hagels von Schimpfworten, welche die Balegga ausstießen, die Höhe von unserer rasch vorgeschickten Vorhut säubern ließen.

Am 20. December führte der Marsch durch das reiche Thal von Undussuma, dessen Dörfer wir am 10. und 11. in Brand gesteckt hatten. Dasselbe sah bereits wieder wie früher stark bevölkert und aufs beste gedeihend aus, da die Hütten sämmtlich neu aufgebaut waren; allein es herrschte eine Todtenstille. Die Bewohner saßen sämmtlich auf den Bergen und blickten auf uns herab, während wir vorbeimarschirten. Da wir nicht herausgefordert oder belästigt wurden, passirten wir in geschlossener Ordnung mit vollständig lautlosen Schritten hindurch. Wäre es nicht möglich, daß die Kinder Masamboni's, wenn sie das Verfahren des einen Tages mit dem des andern, das Damals mit dem Jetzt vergleichen, das Anerbieten der Freundschaft annehmen, das wir ihnen bei der Rückkehr machen werden? Wir hatten das Gefühl, daß wir das nächste mal, wenn wir in dieses Land kämen, höflich, wenn nicht gar gastfrei aufgenommen werden würden. Auf diese Weise durchzogen wir, im Angesicht von Hunderten der Krieger, unbelästigt das wieder in seinem alten Zustand befindliche Thal. Die Hirse war jetzt reif zur Ernte, und wenn wir die Eingeborenen erst nach Westen hin verlassen hatten, standen ihnen wieder glückliche Zeiten in Aussicht.

Am nächsten Tage erreichten wir das Land der Abunguma und lagerten uns am rechten Ufer des östlichen Ituri, nachdem wir denselben in einer Furt überschritten hatten.

Der 22. December war Rasttag, da sowol Lieutenant Stairs wie ich an Fieber und wehen Füßen darniederlagen; am 23. marschirten wir nach dem Haupt-Ituri, wo wir fanden, daß die Babusesse ihre sämmtlichen Kanoes entfernt hatten. Wir marschirten daher dem Ufer entlang, bis zu einer Stelle, wo der Fluß Inseln hatte. Um 2 Uhr nachmittags am 24. December hatten wir von dem linken Ufer nach einer in der Mitte des Flusses liegenden Insel eine sehr nette und starke Hängebrücke hergestellt, die allerdings immer nur von zwei Mann gleichzeitig beschritten werden konnte. Uledi, der Bootsmann des »Advance«, schwamm alsdann mit einer Truppe von 13 ausgesuchten Leuten, die Gewehre über der Schulter, von der Insel nach dem rechten Ufer hinüber, wo die wackern 14 Burschen die Ufer auf- und abwärts nach Kanoes durchsuchten, allein vergeblich. Inzwischen war ein schrecklicher Hagelsturm eingetreten; die Schloßen prasselten in beträchtlicher Größe auf die Zelte hernieder, die Leute erstarrten fast und jeder fühlte sich elend vor Kälte. Die Temperatur war plötzlich von 19° auf 9° R. gesunken. Nachdem der Hagelschauer eine Viertelstunde gedauert hatte, schien die Sonne wieder auf unsern mit Schloßen bedeckten Lagerplatz herab.

siehe Bildunterschrift

Großer Felsen bei Indetongo.

Am Weihnachtsmorgen schickte ich bei Tagesanbruch Herrn Jephson und den Häuptling Raschid über den Fluß mit dem Auftrage, aus Bananenstämmen ein Floß herzustellen. Es wurde Mittag, bevor dasselbe vollendet war, doch marschirte die Colonne inzwischen über die Hängebrücke nach der Insel, von wo die Ueberfahrt mit dem Floß begann, das auf jeder Fahrt 4 Mann nebst ihren Lasten aufnehmen konnte. Nach einer Stunde waren 40 Mann mit ihren Bürden vermittelst dieser Bananenstämme hinübergeschafft. Da wir nunmehr größeres Vertrauen zu dem Fahrzeug bekommen hatten, belasteten wir dasselbe jetzt mit 6 Mann und ihren Lasten, sodaß um 4 Uhr nachmittags die zweite Compagnie am andern Ufer war. Alsdann machte die erste Compagnie sich daran, das Vieh von der linken Seite nach der Insel zu schaffen, und, nachdem auch die Nachhut die Hängebrücke passirt hatte, zerstörte »Three O'clock« dieselbe wieder mit wenigen Schlägen seines Haumessers.

Gegen Mittag des 26. December befand sich die ganze Expedition am andern Ufer des Haupt-Ituri, wo wir sechs Kälber schlachteten, um den Leuten eine Weihnachtsfleischration zu geben. Am nächsten Tage starb einer unserer Anführer an einer Lungenentzündung, welche er infolge einer Erkältung sich zugezogen hatte, als er nach dem Aufstieg von der Ebene am See schweißtriefend oben auf dem Sattel des Plateaus stillgestanden hatte. Am 29. December hatten wir Indesura erreicht, von wo wir nach dem aus drei Hütten bestehenden Weiler bei Ijugu marschirten; am 1. Januar 1888 lagerten wir bei Indetongo, und am folgenden Tage kamen wir im Walde an einem riesenhaften Granitblock vorüber, welcher von den Waldbewohnern während ihrer mörderischen Kämpfe manchmal als Zufluchtsort benutzt wird.

siehe Bildunterschrift

Ansicht vom Fort Bodo.

Am 6. Januar passirten wir Indemwani und kamen an die Stelle, wo der Sansibarite Mscharascha von einem Baumstamm gefallen war und das Genick gebrochen hatte. Die rothen Ameisen, die Gassenkehrer des Waldes, hatten die Kopfhaut verzehrt und den Schädel rein ausgefressen, sodaß derselbe einem großen Straußenei glich. Der Oberkörper war noch vorhanden, dagegen waren die untern Gliedmaßen ebenfalls rein aufgezehrt. Am nächsten Tage erreichten wir Ibwiri und kamen nach dem Dorfe Borjo's, aber unsere angenehmen Hoffnungen, das Dorf zu einem behaglichen Aufenthalt für uns zu machen, wurden leider zerstört: die Bewohner hatten selbst Feuer an ihre hübschen Wohnstätten gelegt. Zum Glück für uns hatten sie die Vorsicht gebraucht, die schönsten Breter vorher zu entfernen und eine Menge derselben im Gebüsch aufzustapeln. Die großen Maisvorräthe waren hastig nach provisorischen Hütten in den Schlupfwinkeln des undurchdringlichen Dickichts entfernt worden, doch machten wir uns sofort an die Arbeit, sowol das Getreide als auch die Breter wieder zu sammeln, und noch ehe es Abend wurde, hatten wir bereits begonnen mit dem Bau des zukünftigen Fort Bodo, des »Friedensfort«.



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