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Sechstes Kapitel.
In Jambuja.

Landung bei den Jambuja-Dörfern. – Der »Stanley« verläßt die Aequator-Station. – Besorgnisse wegen des Majors Barttelot und des »Henry Reed«. – Glückliche Ankunft. – Instructionen für Major Barttelot und Jameson betreffs der Nachhut. – Major Barttelot's Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit Tippu-Tib's. – Eine lange Unterredung mit Major Barttelot. – Memorandum für die Offiziere der Vorhut. – Krankheit des Lieutenants Stairs. – Die letzte Nacht in Jambuja. – Uebersicht über unsere Mannschaften und Ausrüstung.

 

Wir befanden uns jetzt über 2000 km von der See. Uns gegenüber lagen die Dörfer, welche wir bei dem guten Willen der Eingeborenen zeitweilig als Depot für die in Bolobo und Leopoldville zurückgelassenen Leute und Vorräthe, 125 Mann und 600 Trägerlasten Waaren, benutzen wollten; waren die Eingeborenen nicht gutwillig bereit, uns das Vorrecht zu verkaufen, sollte es mit Gewalt genommen werden.

Bei einer Forschungstour im Jahre 1883 hatte ich versucht, die Einwohner zu versöhnen, ohne aber dauernden Erfolg damit zu haben. Jetzt hatten wir einen sehr ernsten Zweck vor uns. Vor unserm geistigen Auge standen die fernen Häfen des Nils und des Albert-Njansa, die von Leuten vertheidigt wurden, welche mit ängstlichen Blicken die Hauptrichtungen des Kompasses musterten, aus denen sie Hülfe erwarten konnten, da sie um diese Zeit durch unsere Boten von Sansibar aus bereits von unserm Kommen in Kenntniß gesetzt sein mußten; allein zwischen uns und ihnen lag noch eine breite Region, welche auf den besten vorhandenen Karten immer nur ganz weiß gelassen war. Als wir auf die schwarze Waldmauer blickten, welche die hohen Bäume dem ganzen Ufer entlang von Bolobo bis hierher bilden, nur dort unterbrochen, wo sie von majestätischen, ihre gewaltigen Wassermassen in den Hauptstrom ergießenden Flüssen zertheilt wird, da hatte wol jeder von uns seine eigenen, im tiefsten Grunde des Herzens verborgenen Gedanken. Die meinigen richteten sich, wie ich jetzt nicht mehr zu verheimlichen brauche, auf den mir als Ziel vorschwebenden Gouverneur, der inmitten seiner Garnisonen seine tapfern Soldaten tröstet und ermuthigt und mit ausgestreckter Hand nach der Richtung zeigt, aus welcher der erwartete Entsatz sicher kommen wird, wenn es Gottes Wille ist; und darüber hinaus in der Ferne sah ich in meiner Phantasie die Mahdistenhorden mit wüthendem Geschrei und dem frenetischen, gellenden Rufe »Jallah, Jallah!« vordringen, bis letzterer von einem Ende der schwankenden Linie bis zur andern sich fortpflanzte und durch die ganze Horde der hitzigen fanatischen Krieger erklang; und auf der andern Seite erblickte ich die Scharen der mit der Zeit dem Untergange geweihten Eingeborenen, und zwischen ihnen und uns das ungeheuere unbekannte Gebiet, in dem es weder Weg noch Steg gibt.

siehe Bildunterschrift

Typisches Dorf am untern Aruwimi

Die Hauptleute der verschiedenen Compagnien theilten die Munition aus und erhielten Befehl, auf ihren Schiffen Dampf bereit zu halten, damit wir die erste wichtige Bewegung zur Vorbereitung des Marsches nach dem Albert-Njansa unternehmen könnten.

Um 6 Uhr morgens am 16. Juni glitt der »Peace« von seinem Liegeplatz, bis er querab von dem »Stanley« war, dessen Offiziere ich, als wir nahe genug waren, um verstanden zu werden, aufforderte, mein Signal zu erwarten. Dann dampften wir langsam über den Fluß und versuchten, die Furcht der Eingeborenen zu beruhigen und ihre Aufregung dadurch zu besänftigen, daß wir gegenüber einer großen Schar derselben, welche auf dem steil abfallenden Ufer 15 m über uns standen und uns mit Verwunderung und Neugier betrachteten, liegen blieben. Unser Dolmetscher vermochte sich sehr gut verständlich zu machen, da die Eingeborenen am untern Aruwimi sämmtlich nur eine Sprache reden. Nachdem wir eine Stunde lang Complimente und freundliche Redensarten gewechselt hatten, veranlaßten wir sie, einige ihrer Kühnsten nach dem Rande des Flusses zu senden, während die Strömung den Dampfer infolge einer leichten Bewegung bis nahe ans Ufer führte, wo mit Bitten und Ueberredung unserer- und Abschlagen und Ablehnen andererseits eine weitere Stunde verging; doch gelang es uns dann, ihnen ein Messer für eine reichliche Menge Perlen abzukaufen! Hierdurch ermuthigt, begannen wir Unterhandlungen über die Erlaubniß, gegen Zahlung eines in Stoffen, Perlen, Draht oder Eisen bestehenden Preises einige Wochen in ihrem Dorfe wohnen zu dürfen, doch wurde dies nach nochmals einer Stunde fest und bestimmt abgelehnt.

siehe Bildunterschrift

Landung in Jambuja.

Es war jetzt 9 Uhr. Meine Kehle war trocken, die Sonne wurde heiß und ich signalisirte daher dem Dampfer »Stanley«, er solle herüberkommen und sich uns anschließen. Auf ein zweites Signal ließen beide Dampfer, als der »Stanley« nahe genug gekommen war, die Dampfpfeifen ertönen und unter dem, durch die hohen Waldmauern verstärkten, betäubenden Lärm wurden beide Schiffe ans Ufer gesteuert und die Sansibariten und Sudanesen kletterten wie Affen an dem steilen Ufergehänge empor, auf welchem, als sie oben ankamen, kein einziger Bewohner des Dorfes mehr zu sehen war.

Wir fanden, daß die Niederlassung von Jambuja aus einer Reihe von Dörfern mit kegelförmigen Hütten bestand, welche sich auf dem obern Uferrand hinzogen, von wo man einen weiten Blick auf- und abwärts auf den Aruwimi hatte. Die Compagnien marschirten nach den ihnen angewiesenen Quartieren, und es wurden auf allen aus dem Dorfe führenden Pfaden Wachen ausgestellt. Einige der Leute wurden beauftragt, Holz für Palissaden zu hauen, andere mußten Heizmaterial sammeln und noch andere Abtheilungen wurden ausgeschickt, um die Ausdehnung und Lage der Felder zu untersuchen.

Nachmittags stellten zwei Eingeborene aus einem abwärts von Jambuja gelegenen Dorfe sich mit für uns schmeichelhaftem Vertrauen bei uns ein. Dieselben waren von den Baburu-Stämmen, denen die verschiedenen Fragmente der Stämme zwischen den Stanley-Fällen und dem untern Aruwimi angehören. Sie verkauften uns einige Bananen und wurden dafür gut bezahlt und aufgefordert, mehr Lebensmittel zu bringen, unter der Versicherung, daß sie nichts zu befürchten brauchten.

Am nächsten Tage wurden Leute ausgesandt, um auf den Feldern Maniok zu sammeln, während andere mit dem Bau von Palissaden und der Herstellung eines Grabens beschäftigt wurden; weitere Arbeiter mußten einen Schanzgraben zur Aufstellung des Palissadenzauns herrichten, die Holzhauer wurden ausgeschickt, um die Vorbereitungen für das Beladen der Dampfer mit Brennholz zu treffen, damit dieselben mit den geschwächten Bemannungen auf der Rückfahrt nach dem Pool nicht in Verlegenheit kämen; überall herrschte Leben und Thätigkeit.

Im Walde wurden mehrere Eingeborene gefangen genommen, denen wir alles zeigten und eine Hand voll Glasperlen schenkten, damit sie den übrigen die Versicherung überbrächten, daß sie von uns nichts zu befürchten hätten und ihnen nichts zu Leide geschehen würde.

Am 19. Juni war genügend Brennholz gehauen, sodaß der »Stanley« für sechs Tage Fahrt versehen war und die Reise nach der Aequator-Station antreten konnte. Ich stellte für den Kapitän einen Check über 50 Pfd. St. aus, sowie einen zweiten für den Maschinisten über einen ähnlichen Betrag auf Ransom, Bouverie u. Co. und gab die Scheine in Gegenwart der beiden Herren an Jameson mit der Weisung, daß dieselben, falls jene ungefähr um Mitte August Jambuja sicher erreichten, ihnen bei der Rückkehr vom Stanley-Pool ausgehändigt werden könnten. Ein werthvolles Schmuckstück sandte ich an Lieutenant Liebrechts als Zeichen meiner großen Hochachtung für ihn. Am nächsten Morgen ging der »Stanley« mit meinen Briefen an das Entsatz-Comité ab.

Der »Peace« wurde noch zurückgehalten, um seinen Gefährten, den »Henry Reed«, zu begleiten, den wir nach den Instructionen, die Major Barttelot erhalten hatte, jetzt stündlich erwarteten, da derselbe am 19. bei uns hätte eintreffen müssen.

In einem wilden Lande wie dieses, wo man auf allen Seiten im Walde Kannibalen und Tausende von Sklavenräubern so nahe an den Stanley-Fällen hat, ist man natürlich leicht geneigt, ernstliche Ereignisse zu befürchten, wenn die gehegten Erwartungen sich nicht prompt und pünktlich erfüllen. Barttelot hatte die Mündung des Aruwimi als Befehlshaber des »Henry Reed« am 11. passirt, um Tippu-Tib und seine Leute nach einer Niederlassung zu befördern, von welcher ein englischer Commandant und die Garnison über Hals und Kopf vertrieben worden waren. Allerdings war der arabische Häuptling sehr zuversichtlich in seinem Benehmen und sehr ernsthaft in der Versicherung gewesen, daß er sich neun Tage nach der Ankunft in seiner Niederlassung entsprechend unserer Vereinbarung mit 600 Trägern in Jambuja einstellen werde, und ich hatte ungern glauben wollen, daß er für dieses Ausbleiben des Majors in irgendeiner Weise verantwortlich sei. Allein der Major hätte die Stanley-Fälle am 13. erreichen, am Abend des 14. wieder an der Mündung des Aruwimi und am 16. in Jambuja sein müssen, d. h. wenn er die Eigenschaft besaß, die Befehle buchstäblich auszuführen und sich durch nichts zu einer Verzögerung verleiten zu lassen. Wir hatten jetzt den 21. Die Offiziere waren überzeugt, daß weiter nichts eingetreten sei, als die durch die Verhältnisse des Lebens in Afrika bedingte natürliche Verzögerung; allein stündlich wanderte ich an den Uferrand, um mit meinem Glase den Fluß hinab zu blicken.

Am 22. Juni war meine Unruhe so groß geworden, daß ich Lieutenant Stairs den schriftlichen Befehl gab, mit 50 unserer besten Leute und dem Maximgeschütz am Morgen des 23. auf dem Dampfer »Peace« stromabwärts zu fahren und den »Henry Reed« aufzusuchen, sowie, wenn er nichts weiter höre, nach den Stanley-Fällen zu dampfen. Nach der Ankunft bei dieser Niederlassung sollte er, sobald das Schiff vom Landungsplatze zu sehen wäre und seine freundschaftlichen Signale nicht beantwortet würden, sofort alles zum Angriff vorbereiten, den Dampfer zurückerobern und, wenn ihm dies nicht gelänge, rasch mit der Meldung zu mir kommen.

Um 5 Uhr nachmittags erhoben die Sansibariten das mir höchst willkommene Geschrei: »Schiff in Sicht!« Barttelot war wohlbehalten und es war kein Unfall eingetreten; Tippu-Tib hatte den Dampfer nicht erobert, die Sudanesen hatten sich nicht gegen den Major empört, die Eingeborenen nicht das schlafende Lager in der Nacht überfallen, der Dampfer war nicht auf einen treibenden Baumstamm gerathen und gesunken oder gestrandet, und das Boot, für welches wir der Mission moralisch verantwortlich waren, befand sich in ebenso guter Ordnung und ebensolchem Zustande, wie bei der Abfahrt vom Stanley-Pool. Allein das Leben in Afrika ist zu aufreibend, als daß man das Opfer solcher Sorgen werden möchte.

Der Major war einfach durch verschiedene Zufälligkeiten – Kampf mit den Eingeborenen, Palaver mit Tippu-Tib und seinen Leuten u. s. w. – aufgehalten worden.

Zwei Tage später waren die Dampfer »Peace« und »Henry Reed« mit Heizmaterial beladen und wurden stromabwärts nach Hause geschickt, und wir hatten damit das letzte Band, welches uns mit der Civilisation verknüpfte, auf viele Monate hinaus zerschnitten.

An diesem Tage richtete ich an Major Barttelot folgendes Instructionsschreiben, von dem ich Herrn J. S. Jameson, dem Nächstcommandirenden, eine Abschrift übergab:

24. Juni 1887.

Herrn Major Barttelot.

Geehrter Herr! Als Aeltestem der auf der Expedition zum Entsatze Emin Pascha's mich begleitenden Offiziere fällt das Commando dieses wichtigen Postens selbstverständlich Ihnen zu. Es ist auch im Interesse der Expedition, daß Sie diesen Befehl übernehmen, und zwar aus dem Grunde, weil Ihre Sudanesen-Compagnie, welche nur aus Soldaten besteht und sich mehr für den Garnisondienst eignet als die Sansibariten, hier besser verwerthet werden kann als auf dem Marsche.

Der Dampfer »Stanley« ist am 22. d. M. von Jambuja nach dem Stanley-Pool abgefahren. Wenn ihm kein Unfall zustößt, müßte er am 1. Juli in Leopoldville sein. In zwei weitern Tagen wird er mit etwa 500 Lasten unserer Waaren, die wir unter der Aufsicht des Herrn J. R. Troup zurückgelassen haben, beladen sein. Dieser Herr wird sich auf dem Dampfer einschiffen, der, wie ich annehme, am 4. Juli seine Bergfahrt antreten und am 9. in Bolobo eintreffen wird. Wenn das Heizmaterial fertig ist, werden die l25 Mann, die sich unter Führung der Herren Ward und Bonny jetzt in Bolobo befinden, sich einschiffen, worauf der Dampfer die Reise fortsetzt. Er wird am 19. Juli in Bangala sein und am 31. Juli hier ankommen. Selbstverständlich kann der niedrige Wasserstand des Flusses in jenem Monat den Dampfer vielleicht einige Tage aufhalten, indessen können Sie, da ich großes Vertrauen zu seinem Kapitän habe, ihn mit Sicherheit vor dem 10. August erwarten. Der Dampfer wurde durch das Auflaufen auf einen treibenden Baumstamm einige Tage aufgehalten und traf am 14. August ein.

Die Nichtankunft dieser Waaren und Leute ist es, welche mich zwingt, Sie zum Befehlshaber dieses Postens zu ernennen. Da ich aber binnen kurzem das Eintreffen einer großen Verstärkung von Leuten Die 600 Träger Tippu-Tib's. erwarte, welche die Zahl der Vorhut, die unter allen Umständen zur Rettung Emin Pascha's vordringen muß, erheblich übersteigt, so hoffe ich, daß Sie nach der Abfahrt des »Stanley« auf seiner endgültigen Rückkehr nach dem Stanley-Pool im August nicht länger als wenige Tage aufgehalten werden.

Inzwischen kommt es Ihnen zu, bis zur Ankunft unserer Leute und Waaren in dem Commando über dieses befestigte Lager sehr aufmerksam und vorsichtig zu sein. Obwol letzteres eine günstige Lage besitzt und von Natur fest ist, würde ein tapferer Feind doch keine schwierige Aufgabe darin finden, es zu erobern, wenn der Befehlshaber es an Disciplin, Kraft und Energie mangeln läßt. Ich bin deshalb überzeugt, daß ich eine gute Wahl getroffen habe, als ich Sie beauftragte, unsere Interessen während unserer Abwesenheit hier zu schützen.

Die Ihnen jetzt anvertrauten Interessen sind von allergrößter Bedeutung für diese Expedition. Die Leute, welche Sie unter Ihren Befehlen haben werden, machen mehr als ein volles Drittel der Expedition aus, die Güter, die hierher gebracht werden, sind das für den Marsch durch die Regionen jenseit der Seen nöthige Geld; außerdem wird ein ungeheuerer Vorrath von Munition und Proviant da sein, die von gleicher Wichtigkeit für uns sind. Der Verlust dieser Mannschaften und Waaren würde sicherer Ruin für uns sein und die Vorhut dann ihrerseits selbst um Entsatz bitten müssen. Ich hoffe daher, daß Sie in voller Berücksichtigung dieses Umstandes keine Mühe scheuen werden, um die Ordnung und Disciplin in Ihrem Lager aufrecht zu erhalten, Ihre Vertheidigungswerke zu vervollständigen und sie in solchem Zustande zu halten, daß kein Feind, wie tapfer er auch sein mag, Erfolg über dieselben erringen kann. Zu diesem Zwecke würde ich Ihnen empfehlen, einen künstlichen Graben von 6 Fuß Breite und 3 Fuß Tiefe herzustellen, welcher von dem natürlichen Graben an, in dem sich die Quelle befindet, um die Palissaden herum führt. Die Anlage einer Plattform, ähnlich wie diejenige auf der Südseite, in der Nähe des östlichen sowie des westlichen Thores würde für die Stärke des Lagers von Vortheil sein. Denn vergessen Sie nicht, es sind nicht nur die Eingeborenen, die Sie vielleicht angreifen wollen, sondern möglicherweise werden auch die Araber und ihre Begleiter aus dem einen oder andern Grunde Streit mit Ihnen suchen und einen Angriff auf Ihr Lager unternehmen.

Unser Curs wird von hier nahezu astronomisch genau Ost oder nach dem Kompaß Ost zu Süd sein. Vielleicht werden die Pfade zu Zeiten nicht genau in dieser Richtung führen, doch ist die südwestliche Ecke des Albert-Sees in der Nähe von oder bei Kavalli unser Bestimmungsort. Bei unserer Ankunft daselbst werden wir in der Umgegend ein festes Lager aufschlagen, unser Boot zu Wasser bringen und nach Kibiro in Unjoro steuern, um von Signor Casati, falls derselbe sich dort befindet, Nachrichten über die Lage Emin Pascha's zu erhalten. Ist letzterer am Leben und in der Nachbarschaft des Sees, dann werden wir uns mit ihm in Verbindung setzen; unser späteres Verfahren muß sich nach dem richten, was wir über die Absichten Emin Pascha's erfahren. Wir können annehmen, daß wir nicht länger als 14 Tage bei ihm bleiben, bis über unsere Rückkehr nach dem Lager auf der von uns bereits zurückgelegten Straße entschieden worden ist.

Wir werden uns bemühen, durch Zeichnen von Bäumen und Anschneiden von jungen Stämmen am Wege genügende Spuren der Route zu hinterlassen, welche wir eingeschlagen haben. Bei allen Kreuzungspunkten, wo Pfade sich schneiden, werden wir den Boden auflockern und auf den nicht von uns benutzten Pfaden einen einige Zoll tiefen Graben herstellen, sowie auch die Bäume bezeichnen, wenn dies möglich ist.

Vielleicht werden Sie, wenn Tippu-Tib die volle Zahl der versprochenen erwachsenen Leute, nämlich 600 Mann, welche Lasten zu tragen vermögen, geschickt hat und der »Stanley« mit den in Bolobo von mir zurückgelassenen 125 Leuten wohlbehalten eingetroffen ist, sich stark genug fühlen, um die Colonne mit allen von dem Dampfer überbrachten und den von mir in Jambuja zurückgelassenen Waaren längs des von mir eingeschlagenen Weges in Bewegung zu setzen. In diesem höchst wünschenswerthen Falle werden Sie genau meiner Route folgen und werden wir in nicht zu langer Zeit sicherlich zusammentreffen. Ohne Zweifel werden Sie unsere Bomas unberührt und noch stehend finden; Sie sollten Ihre Märsche daher so einzurichten suchen, daß Sie jene unterwegs benutzen können. Bessere Führer als diese Bomas würden auf unserer Route nicht zu erlangen sein. Wenn Sie während eines zweitägigen Marsches keine solche finden, können Sie überzeugt sein, daß Sie sich nicht auf unserer Route befinden.

Vielleicht hat Tippu-Tib auch nur einige Leute geschickt, aber nicht genug, sodaß Sie die Waaren mit Ihrer eigenen Truppe tragen müssen. In diesem Falle muß es natürlich Ihnen überlassen bleiben, welche Waaren Sie entbehren können, um im Stande zu sein, den Marsch anzutreten. Zu diesem Zwecke würden Sie Ihre Liste aufmerksam durchzusehen haben.

1. Munition, namentlich schußfertige, höchst wichtig.
2. Perlen, Messingdraht, Kauris und Stoffe kommen in zweiter Linie.
3. Privatgepäck.
4. Pulver und Zündhütchen.
5. Europäischer Proviant.
6. Messingstangen, wie sie am Kongo gebraucht werden.
7. Lebensmittel (Reis, Bohnen, Erbsen, Hirse, Zwieback).

Sie müssen daher, nachdem Sie für Taue, Säcke, Werkzeuge, wie Schaufeln (vergessen Sie auch nie eine Axt oder ein Haumesser) gesorgt haben, überlegen, wie viele Lasten mit Proviant Sie unter Ihre Leute vertheilen können, sodaß sie zu marschiren im Stande sind, und ob nicht die Hälfte der Messingstangen in Kisten ebenfalls entbehrt werden und zurückbleiben kann. Sollten Sie dennoch nicht marschiren können, dann würde es besser sein, zweimal täglich zwei Märsche von etwa 10 km zu machen, als allzuviel Gegenstände fortzuwerfen, falls Sie es vorziehen sollten zu marschiren, anstatt auf unsere Ankunft zu warten.

Bei der endgültigen Abfahrt des »Stanley« von Jambuja wollen Sie es nicht unterlassen, an Herrn William Mackinnon unter der Adresse von Gray, Dawes u. Co., 13, Austin Friars, London, einen Bericht zu senden über das, was während meiner Abwesenheit und nachdem ich den Marsch nach Osten angetreten habe, vorgefallen ist; ob Sie von mir überhaupt gehört haben, ob Sie Nachrichten von mir zu erhalten hoffen und was Sie zu thun beabsichtigen. Sie wollen ihm auch eine genaue Abschrift dieses Befehls senden, damit das Entsatz-Comité selbst beurtheilen kann, ob Sie angemessen gehandelt haben oder zu handeln beabsichtigen.

Gegenwärtig wird Ihre Garnison aus 80 Gewehrträgern und 40-50 Ueberzähligen bestehen. Der »Stanley« wird Ihnen binnen wenigen Wochen weitere 50 Gewehrträger und 75 Ueberzählige unter den Befehlen der Herren Troup, Ward und Bonny überbringen.

Ich bestimme Herrn J. S. Jameson für jetzt zu Ihrem Kameraden; außerdem werden die Herren Troup, Ward und Bonny unter Ihren Befehlen stehen. Bei den gewöhnlichen Vertheidigungsarbeiten und der Führung der Leute im Lager und auf dem Marsche gibt es nur einen Chef, und das sind Sie; sollte aber ein sehr wichtiger Schritt in Aussicht genommen werden, dann bitte ich Sie, auch den Rath des Herrn Jameson zu hören; und wenn die Herren Troup und Ward hier sind, dann bitte ich, auch sie ins Vertrauen zu ziehen und sie frei ihre Meinungen aussprechen zu lassen.

Ich glaube ganz klar über alles geschrieben zu haben, was mir nothwendig dünkt. Ihre Behandlung der Eingeborenen sollte, wie ich meine, gänzlich von deren Benehmen gegen Sie abhängen. Lassen Sie sie in Frieden nach den benachbarten Dörfern zurückkehren, und wenn Sie durch Mäßigung, gelegentliche kleine Geschenke von Messingstangen u. s. w. auf irgendeine Weise einen freundschaftlichen Verkehr beschleunigen können, dann würde ich Ihnen empfehlen, dies zu thun. Verlieren Sie keine Gelegenheit, jegliche Art von Information über die Eingeborenen, die Lage der verschiedenen Dörfer in Ihrer Nachbarschaft u. s. w. einzuziehen.

Ich habe die Ehre zu sein Ihr ergebener
Henry M. Stanley,
Befehlshaber der Expedition.

Der Major zog sich zurück, um das Schreiben durchzulesen, und bat dann Herrn Jameson, einige Abschriften davon anzufertigen.

Gegen 2 Uhr kam der Major zurück und ersuchte mich um eine Unterredung. Er sagte, er wünsche über Tippu-Tib mit mir zu sprechen.

»Ich möchte gern noch etwas mehr über diesen Araber wissen. Als ich vor einigen Tagen bei den Fällen aufgehalten wurde, beliebte es Ihnen, Lieutenant Stairs ziemlich energische Befehle zu ertheilen. Es fällt mir auf, daß Sie bezüglich jenes Arabers außerordentlich argwöhnisch sind, und deshalb begreife ich nicht recht, weshalb wir mit einem solchen Manne überhaupt etwas zu thun haben wollen.«

»Gut, ich will gern darüber oder über irgendeinen andern Gegenstand offen mit Ihnen reden«, erwiderte ich.

»Ich muß bekennen, daß ich drei Tage, bevor Ihr Dampfer den Fluß herauffahrend in Sicht kam, sehr besorgt um Sie gewesen bin. Sie befehligten einen Dampfer, der andern Leuten gehörte, denen gegenüber wir uns verpflichtet hatten, das Schiff innerhalb einer gewissen Zeit zurückzuliefern. Als Begleitung hatten Sie eine Truppe von 40 Sudanesen. Das Schiff war gut ausgerüstet und vollständig in Ordnung. Wir kannten die Zeit, welche Sie hätten gebrauchen müssen, vorausgesetzt daß kein Unfall eintrat, und wußten, daß Sie den bestimmten Befehl hatten, abzufahren, sobald die von unserm Freunde Ngaljema versprochene Kuh am Bord war, oder flußabwärts zu dampfen, wenn dieselbe nicht innerhalb einer Stunde käme. Falls sich kein Unfall ereignet hatte und Sie den Befehlen nachgekommen waren, hätten Sie am Abend des 16. oder spätestens am 17. hier sein müssen. Sie trafen aber erst am 22. um 5 Uhr nachmittags ein.

»Wir haben hier keine Telegraphen oder Posten. Da wir keine Nachrichten von Ihnen erhalten konnten, und als ein Tag nach dem andern verstrich, entstanden aus meiner Sorge um Sie Zweifel, ob nicht irgendetwas Unerklärliches passirt sei. Waren Sie auf einen treibenden Baumstamm gestoßen, auf Grund gerathen, wie es dem ›Stanley‹ und dem ›Royal‹ ergangen war und es fast allen Dampfern passirt? Waren Sie nachts von Eingeborenen angegriffen worden, wie Deane auf dem › A. I. A.‹ in Bunga? Hatten Ihre Sudanesen sich empört, wie sie es schon in Lukungu gedroht hatten? Waren Sie erschossen worden, wie einst sämmtliche weißen Offiziere eines sudanesischen Regiments im Sudan? Wurden Sie mit Gewalt zurückgehalten, weil Tippu-Tib sich von den jungen arabischen Feuerfressern an den Fällen hatte überreden lassen? Hatten Sie mit den jungen Leuten, den beiden Selim, Streit bekommen, wie Stairs und Jephson unterhalb der Stanley-Fälle? Wenn alles das nicht, was war dann geschehen? Konnte ich, konnte sonst jemand etwas anderes annehmen?«

»Ich mußte aber –«

»Einerlei, mein lieber Major, sprechen wir nicht mehr davon. Suchen Sie sich nicht zu vertheidigen. Ich erwähne diese Dinge nicht, um Ihnen Vorwürfe zu machen, sondern um Ihnen auf Ihre Frage Antwort zu geben. Ende gut, Alles gut.

»Nun was Tippu-Tib betrifft. Ich würde mit Tippu-Tib nichts zu thun haben, wäre nicht die Nothwendigkeit in Ihrem Interesse wie in dem meinigen vorhanden. Er beansprucht dieses Territorium als sein Gebiet. Wir befinden uns hier als seine Freunde. Angenommen, wir hätten kein Abkommen mit ihm getroffen, wie lange würde es uns gestattet sein, unsere Vorbereitungen für den Marsch nach dem Albert-See zu treffen, oder wie lange würde man uns erlauben hier zu bleiben, bis wir die Frage zu beantworten hätten, was wir auf seinem Gebiet wollten? Durfte ich Sie allein hier lassen, während ich weiß, wessen die Leute fähig sind? Mit 80 Büchsen gegen wahrscheinlich 3000 und vielleicht 5000 Gewehre? Ja, Herr Major, es überrascht mich, daß Sie, der Sie die Stanley-Fälle und einige hundert Araber gesehen haben, diese Frage stellen.

»Sie haben Tippu-Tib und fast hundert seiner Leute von Sansibar her begleitet! Sie haben gesehen, welche kindliche Freude ihnen ihre Waffen, die Winchestergewehre und werthvollen Doppelflinten machten! Sie kennen die Geschichte von dem Kampfe Deane's bei den Stanley-Fällen! Sie wissen, daß Tippu-Tib rachsüchtig ist und daß seine heißblütigen Neffen den Kampf dem Frieden vorziehen würden. Sie wissen, daß er den Krieg gegen den Kongostaat beabsichtigte und daß ich mit meiner Expedition einen Theil seines Gebiets passiren muß. Wie können Sie nun, der Sie zum Range eines Majors emporgestiegen sind, solche Fragen stellen und das Warum und Weshalb bezweifeln von Dingen, die so klar wie der Tag sind?

»Unser Transportdampfer ›Madura‹ lag im Hafen von Sansibar. Der Eigenthümer dieses Districts, wie er sich nennt, brütete, sich beleidigt fühlend und auf Rache sinnend, über Plänen gegen alle Weißen am Kongo. Würde es klug von mir gewesen sein, diesen Mann in solchem Zustande zu lassen? Daß er sich zum Kriege gegen den Staat vorbereitete, erregte mich nicht sehr, aber daß er ihn beabsichtigte, während ich in einer humanen Mission durch sein Gebiet und dessen Nachbarschaft passiren mußte, war von Bedeutung. Deshalb war ich an diesem Zusammenflicken eines Friedens zwischen dem Kongostaate und König Leopold mit dem Araber ebenso sehr interessirt wie Se. Majestät selbst und noch mehr.

»Ich glaube, Sie werden mich zunächst fragen, was das mit Ihren persönlichen Interessen zu thun hat. Haben Sie mir nicht immer wieder gesagt, daß es Ihr sehnlichster Wunsch ist, uns zu begleiten, und daß Sie es weit vorziehen würden, zu marschiren, anstatt hier zu warten? Und ist es – nach Ihrem Instructionsschreiben – nicht ausgemacht, daß Sie, wenn Tippu-Tib nicht mit 600 Trägern erscheint, lieber doppelte oder dreifache Märsche machen, als in Jambuja bleiben sollen?

»Sehen Sie diese Bleistiftnotizen an – nein, Sie können dieselben behalten, wenn Sie wollen. Die Notizen zeigen, was Sie mit Ihren eigenen Leuten leisten und was Sie thun können, wenn Tippu-Tib wirklich seinem Contracte buchstäblich nachkommt.

»Nun, ich habe meine Instructionen namentlich wegen der ungestümen Antwort begründet, die Sie mir in Bolobo gegeben haben: ›Bei Gott! ich werde keinen Tag in Jambuja bleiben, wenn ich meine Colonne beisammen habe!‹

»Sehen Sie hier! Das Schreiben besagt: ›Vielleicht hat Tippu-Tib auch nur einige Leute gesandt, aber nicht genug; alsdann haben Sie nach Ihrem eigenen Ermessen zu handeln; entäußern Sie sich des Proviants Nr. 7, wie Reis, Bohnen, Erbsen, Hirse, Zwieback.‹ Sehen Sie zu, wie viele Säcke mit Proviant Sie Ihren Leuten aufbürden können; sie werden denselben rasch genug verzehren, das garantire ich Ihnen.

»Das Schreiben fährt fort: ›Sollten Sie dennoch nicht marschiren können, dann würde es besser sein, zweimal täglich zwei Märsche von etwa 10 km zu machen‹, d. h. einen Marsch von 10 km zu machen, dann zurückzukehren und ein zweites Quantum zu holen und darauf wieder vorwärts zu gehen. Das that ich auch am Kongo, als ich mit 68 Mann 33 doppelte Märsche machte, um 2000 Lasten und 5 ungeheuere Wagen eine Strecke von 85 km Weges zu befördern, eine Wagenstraße anzulegen, Brücken zu bauen u. s. w. Jene Bleistiftnotizen in Ihrer Hand theilen Ihnen mit, wie viele Kilometer Sie auf diese Weise in sechs Monaten zurücklegen können.

»Darin geht aber mein Pact mit Tippu-Tib Sie persönlich an. Hält Tippu-Tib seinen Contract getreulich, dann können Sie einen oder zwei Tage nach der Ankunft des ›Stanley‹ mit den Herren Ward, Troup und Bonny nebst Ihren Leuten von Jambuja aufbrechen und uns vielleicht einholen, andernfalls würden wir auf der Rückkehr vom Albert-See nach wenig Tagen zusammentreffen.

»Was zu thun würden Sie nun persönlich vorziehen? Hin und her von Lager zu Lager zwei oder vielleicht dreimal zu marschiren oder Tippu-Tib mit 600 Trägern, welche Ihren 200 Leuten helfen, bei sich zu haben und raschen Schrittes auf unserer Spur direct nach dem Albert-Njansa vorzudringen?«

»Oh, darüber kann kein Zweifel sein. Ich würde vorziehen, direct durchzumarschiren und zu versuchen, Sie wieder einzuholen. Natürlich.«

»Gut, fangen Sie nun an zu begreifen, weshalb ich milde, gut und freigebig gegen Tippu-Tib gewesen bin? Weshalb ich ihm und seinen Leuten freie Fahrt und Beköstigung von Sansibar nach den Stanley-Fällen bewilligt habe? Weshalb ich Zicke und Lamm mit ihm getheilt habe?«

»Vollständig.«

»Noch nicht ganz, fürchte ich, Major, denn sonst würden Sie nicht Zweifel in mich gesetzt haben. Es ist noch ein weiterer ernsthafter Grund vorhanden.

»Angenommen z. B., ich hätte Tippu-Tib nicht hierher gebracht, und die Araber an den Stanley-Fällen seien wegen der Deane'schen Affaire nicht erbost gegen die Weißen oder hätten Furcht, Sie anzugreifen. Sie brauchten nur Freundschaft mit Ihnen zu heucheln, Ihnen Ziegen und Lebensmittel zu verkaufen und dann Ihren Sansibariten zu sagen, jene Niederlassung, wo sie Reis und Fische im Ueberfluß hätten, sei nur 6 oder 7 Tagemärsche entfernt, um innerhalb weniger Tage drei Viertel Ihrer Leute zur Desertion zu veranlassen, während Sie ganz ruhig auf das Eintreffen des Contingents von Bolobo warten; und die übrigen Burschen würden, kaum hier eingetroffen, von der Desertion ihrer Kameraden nach den Stanley-Fällen hören und entweder alle aus einmal oder zu Zweien, Dreien, Sechsen und Zehnen dem Beispiel folgen, bis Sie vollständig Schiffbruch gelitten haben. Ist nicht die Besorgniß vor Desertionen einer der Gründe, weshalb ich die Kongo-Route wählte? Jetzt, wo ich Tippu-Tib zum Freunde und mir verpflichtet habe, ist der Möglichkeit einer Desertion im großen ein Ende gemacht.

»Halten Sie sich diese Gründe gut vor Augen, mein lieber Major. Und trotz alledem kann Ihre Colonne vernichtet werden, wenn Sie nicht sehr vorsichtig sind. Seien Sie mild und geduldig gegen Ihre Leute, denn sie sind störrisch wie junge Fohlen. Und doch bin ich mit diesen oder ähnlichen Leuten quer durch ganz Afrika gezogen, habe den Lauf des Kongo bis zum Meere verfolgt und den Kongostaat gegründet.«

»Nun sagen Sie mir, glauben Sie, daß Tippu-Tib seinen Contract halten und seine 600 Leute mitbringen wird?« fragte der Major.

»Das müßten Sie so gut wissen wie ich selbst. Was hat er Ihnen gesagt, ehe Sie ihn verließen?«

»Er sagte, er würde in 9 Tagen hier sein, wie er Ihnen schon in Bangala erklärt habe. Inschallah!« entgegnete der Major, den Araber nachahmend.

»Wenn Tippu-Tib in 9 Tagen hier ist, wird es das größte Wunder sein, das ich kenne.«

»Weshalb?« fragte der Major, etwas erstaunt aufblickend.

»Weil 600 Träger eine große Zahl ausmachen. Er wird in 15 und selbst in 20 Tagen nicht hier sein. Bei diesem Manne müssen wir vernünftig sein. Er ist kein Europäer, der gelernt hat, dem Versprechen aufs strengste treu zu bleiben. Inschallah! sagte er? Also morgen – Inschallah bedeutet den Tag darauf – oder in 5 oder 10 Tagen. Was macht es für Sie aber aus, wenn er innerhalb 20 Tagen nicht kommt? Der ›Stanley‹ wird nicht vor dem 10. oder vielleicht erst Mitte August hier sein, das sind etwa 7 Wochen – 42 Tage – von heute. Er hat also reichlich Zeit. Weshalb wollen Sie, während Sie auf den Dampfer warten, auf 600 Mann, die nichts thun in Ihrem Lager, aufpassen? Müßige Leute sinnen auf Unheil. Warten Sie geduldig auf ihn, bis der ›Stanley‹ eintrifft, und wenn er dann noch nicht da ist, kommt er überhaupt nicht.«

»Es wird aber, wenn er überhaupt nicht erscheint, für uns ein schweres Stück Arbeit sein, mit 200 Mann 5-600 Lasten Tag für Tag hin und her, vorwärts und rückwärts zu schleppen!«

»Unzweifelhaft ist das eine keineswegs leichte Aufgabe, mein lieber Major. Allein was würden Sie vorziehen: hier zu bleiben und auf unsere Rückkehr vom Albert-See zu warten, oder, in Anspruch genommen von der Arbeit, nach und nach weiter vorwärts zu dringen und jeden Tag etwas zu gewinnen?«

»O mein Gott! Ich glaube, monatelang hier zu bleiben wäre verteufelt viel schlimmer.«

»Genau dasselbe, was ich glaube, und deshalb habe ich diese Berechnungen für Sie aufgestellt. Ich versichere Ihnen, lieber Major, wenn ich überzeugt wäre, daß Sie den Weg zum Albert-See finden könnten, würde ich lieber diese Ihre Arbeit selbst thun und Sie zum Befehlshaber der Vorhut ernennen, als in Sorge um Sie sein.«

»Aber sagen Sie mir, Herr Stanley, wie lange glauben Sie, daß es dauern wird, bis wir zusammentreffen?«

»Das weiß nur Gott. Niemand kann mir sagen, was vor uns liegt und wie weit ins Land hinein der Wald sich ausdehnt, ob es Straßen gibt und welcher Art die Eingeborenen sind, Kannibalen, unverbesserliche Wilde, Zwerge oder Gorillas. Ich habe nicht die geringste Idee davon. Ich wollte, ich hätte sie, und würde eine hübsche Summe nur für diese Kenntniß zahlen. Aber die Berechnungen aus dem Stück Papier, welches Sie in der Hand halten und das Ihnen sagt, wie lange ich zu dem Marsche nach dem Albert-Njansa gebrauche, sind auf folgender Thatsache basirt. In den Jahren 1874 und 1875 marschirte ich 1150 km in 103 Tagen. Die Entfernung von hier nach dem Albert-Njansa beträgt etwa 610 km, in gerader Linie; nun, in 1874/75 marschirte ich 610 km von Bagamoyo nach Winjata in Ituru in 64, und 610 km vom Uhimba-See nach Udjidji in 54 Tagen. Dies waren allerdings alles offene Länder mit erträglich guten Straßen, während diese Gegend absolut unbekannt ist. Ist hier alles Wald? Dann wird es eine fürchterliche Arbeit werden. Wie weit reicht der Wald ins Land hinein? Zweihundert, dreihundert, vierhundert Kilometer? Darauf fehlt uns die Antwort. Nehmen wir an, daß wir die Reise nach dem Albert-See in drei Monaten machen können, daß ich 14 Tage Aufenthalt habe und in drei Monaten von da ab zurück sein werde. Ich denke, Sie werden mir, wenn Tippu-Tib nicht bei Ihnen ist, in der letzten Hälfte des October oder im November entgegenkommen. Aber das steht alles auf jenem Papier.

»Das ist jedoch alles Nebensache; jedenfalls muß alles durchgeführt werden. Wir werden vordringen, die Bäume zeichnen und unsere Route durch den Wald für Sie markiren. Wir werden alle Vortheile benutzen; jeder Pfad, der ostwärts führt, wird mir recht sein, und ich werde mich hindurchbohren und auf den Ebenen oder Weideländereien herauskommen. Und wo wir zu gehen im Stande sind, können Sie auch gehen; können Sie es nicht, dann werden Sie auf irgendeine Weise von uns hören. Sind Sie jetzt befriedigt?«

»Vollständig«, erwiderte er. »Ich habe alles hier« (seine Stirn berührend) »und dies Papier und das Schreiben werden mich immer an alles erinnern. Es ist nur noch eins, worüber ich sprechen möchte; es bezieht sich auf etwas, was Sie in London zu mir sagten.«

»So? Was habe ich denn Merkwürdiges gesagt?« fragte ich.

»Nun« (hier zögerte er ein wenig), »erinnern Sie sich daran, als Herr – vom Indischen Amte mich Ihnen vorstellte? Die von Ihnen gebrauchten Worte klangen seltsam, als ob jemand Sie vor mir gewarnt hätte.«

»Mein lieber Barttelot, ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich mich nicht erinnere, jemals den Namen Barttelot gehört zu haben, ehe Sie kamen. Aber das interessirt mich. Was könnte ich vielleicht Seltsames gesagt haben, daß es so fest in Ihrem Gedächtniß haftet?«

»Ich erinnere mich des Umstandes sehr genau. Es war so«, fuhr er fort, »Sie sagten etwas von ›Langmuth‹, und das erinnerte mich daran, daß ich das Wort schon früher gehört hatte, als General – mir Vorwürfe machte, als ich während des sudanesischen Feldzuges in der Wüste einen aufrührerischen Somali züchtigte. Als die Somali sich gegen mich wandten, war ich allein; schließlich, als es kein anderes Mittel mehr gab, um sie wieder ganz in meine Gewalt zu bekommen, sprang ich auf den Rädelsführer los und schoß ihn mit der Pistole nieder, worauf die Somali sofort ruhig wie die Lämmer wurden. Ich dachte, General –, der mir nicht besonders wohl will, hätte Ihnen die Geschichte erzählt.«

»In der That, ich habe die Geschichte noch nie gehört und begreife nicht, wie General – mich hätte warnen können, da er nicht wissen konnte, daß Sie sich zu unserer Mitgliedschaft zu melden beabsichtigten. Ihre eigenen Züge waren es, die mir das Wort ›Langmuth‹ eingaben. Ihr Freund stellte Sie mir als einen ausgezeichneten Offizier voll Muth und Tapferkeit vor, worauf ich sagte, diese Eigenschaften seien charakteristisch bei englischen Offizieren, doch möchte ich lieber von einer andern hören, die für einen besondern Dienst in Afrika von gleichem Werthe sei, und das sei Langmuth. Sie werden mich hoffentlich jetzt entschuldigen, daß ich große Entschlossenheit und etwas wie Kampflust in Ihren Zügen las. Nun, ein kampflustiger Mann mag, wie Sie wissen, zu Zeiten sehr brauchbar sein; bei einer Expedition, welche wie diese innerhalb einer Atmosphäre von Reizbarkeit arbeiten muß, ist er aber nicht ganz so nützlich, wie ein Mann, der nicht nur weiß, wie und wann er kämpfen muß, sondern auch wie er Langmuth zu üben hat. Denn es gibt hier tausend Ursachen, welche Reizbarkeit und Reibungen zwischen ihm und seinen Kameraden, seinen Leuten und den Eingeborenen und oft zwischen sich und seinem eigenen Innern hervorrufen können. Oft ist die Nahrung schlecht, manchmal ist gar keine vorhanden, die Lebensweise ist eine höchst elende, man hat keine Reizmittel, nur unaufhörliche Arbeit und Ermüdung, ungeheuere Unbequemlichkeit, erschlaffte Muskeln, an Ohnmacht grenzende Erschöpfung und, das Schlimmste von allen, fürchterlich schmerzhafte Fieber, welche einen veranlassen, den Tag zu verfluchen, an dem man zuerst an Afrika gedacht hat. Ein streitsüchtiger Mann ist von Natur aus misgestimmt, und wenn er seine Instincte nicht zügeln und seine Impulse nicht beherrschen kann, befindet er sich jede Minute seines Lebens in heißem Wasser und stößt bei jedem Pulsschlage seines Herzens auf Schwierigkeiten. Um im Stande zu sein, Langmuth zu üben und alle bittern Gefühle aufs strengste zu unterdrücken, muß der Gedanke an Pflicht und Stellung ihn daran hindern, sich seinen Leidenschaften hinzugeben. O, das ist eine Eigenschaft, welche den Muth nicht verringert, aber das Vergeuden der natürlichen Kraft verhütet. Aber ich will Ihnen keine Predigt halten, Sie verstehen, wie ich es meine.

»Und nun zum Schluß noch ein Wort über Tippu-Tib. Sehen Sie dort das Maximgeschütz mit seiner drohenden Mündung; ich betrachte Tippu-Tib ungefähr wie jenes. Es ist eine vorzügliche Vertheidigungswaffe; es kann einen Hagel von Geschossen entsenden, aber auch unbrauchbar werden, wenn der Mechanismus durch Rost oder Mangel an gutem Oel in Unordnung geräth. In diesem Falle verlassen wir uns auf unsere Remington- und Winchester-Repetirgewehre. Wenn Tippu-Tib gewillt ist, uns zu helfen, wird er ein höchst werthvoller Bundesgenosse sein, denn ein Fehlschlag wird dann unmöglich und wir werden unsere Aufgabe bewunderungswürdig lösen. Ist er aber nicht zur Hülfe geneigt, dann müssen wir thun, was wir mit unsern eigenen Leuten ausrichten können, und der gute Wille entschuldigt eine Menge Irrthümer.

»Erinnern Sie sich, daß Tippu-Tib im Jahre 1876 seinen Contract mit mir brach, nach Njangwe zurückkehrte und mich allein ließ? Nun, trotz seines Hohnes setzte ich mit etwa 130 meiner eigenen Leute den Weg am Kongo hinab fort. Sie sagten, Sie hätten in Lamu den österreichischen Reisenden Dr. Lenz getroffen, dem es nicht gelungen war, Emin Pascha zu erreichen. Weshalb hat er keinen Erfolg gehabt? Weil er sich allein auf Tippu-Tib verließ und keine eigene Reservetruppe hatte, auf die er zurückgreifen konnte. Sie haben mehr als 200 Träger und 50 Soldaten, außer den Dienern und Ihren tüchtigen Kameraden. Bei der Arbeit am Kongo hatte er ein Contingent von Eingeborenen zu meiner Unterstützung versprochen; nur wenige kamen und diese desertirten wieder; allein ich hatte eine Reserve von 68 treuen Leuten, und das sind diejenigen, welche den Kongostaat gegründet haben. Sie erinnern sich wol an mein Schreiben an die ›Times‹, in welchem ich sagte: ›Wir verlangen von Tippu-Tib nicht, daß er uns bei der Auffindung Emin Pascha's unterstützt; wir wollen, daß er Munition trägt und auf dem Rückwege Elfenbein mitbringt, das mit zur Deckung der Kosten der Mission dienen kann.‹ Alsdann, um Ihnen noch einen Beweis davon zu geben, wie ich über Tippu-Tib denke, vergessen Sie nicht, daß ich Lieutenant Stairs vor einigen Tagen die schriftliche Ordre gegeben habe, bei dem ersten Anzeichen von Verrätherei seine Niederlassung mit der Schnellfeuerkanone zu bombardiren. Sie haben das Schreiben gelesen und sollten wissen, daß man einem zuverlässigen Freund nicht den Fehdehandschuh ins Gesicht wirft.

»Nun, mein lieber Major, seien Sie nicht thöricht. Ich weiß, Sie sind verstimmt darüber, daß Sie uns nicht mit der Vorhut begleiten sollen. Sie glauben, Sie werden einige Kudo verlieren. Aber keineswegs. Schon seit König David's Zeiten erhalten diejenigen, welche beim Gepäck bleiben, dieselben Ehren wie die, welche in den Krieg ziehen. Außerdem liebe ich das Wort ›Kudo‹ nicht. Der ›Kudo‹-Impuls ist wie der Puff einer Flasche Brauselimonade; er ist gut für eine Siegesmedaille, verfließt aber in Afrika schon nach einem Monat. Er ist wie eine feucht gewordene Rakete. Denken Sie lieber an den Ausspruch Tennyson's:

Wie oft war nicht in Großbritanniens Geschichte
Der Pfad der Pflicht zugleich der Weg zum Ruhme.

»Da, geben Sie mir die Hand darauf, lieber Major. Für uns gilt das Wort ›Gerade aus vorwärts‹, für Sie ›Geduld und Langmuth‹. Jetzt muß ich aber meinen Thee trinken, ich bin vom Sprechen ganz trocken geworden.«

Am 25. Juni war der Palissadenzaun um das ganze Lager fertig und der Graben ging seiner Vollendung entgegen. Barttelot beaufsichtigte die Arbeiter auf der einen, Jephson, in Hemdärmeln, auf der andern Seite. Nelson vertheilte den europäischen Proviant zu gleichen Theilen, der Arzt baute fröhlich lachend und so eifrig, als ob er mit einer chirurgischen Operation beschäftigt wäre, ein Thor und führte die Zimmermannsarbeit so vorzüglich aus, daß ich abends in mein Tagebuch schrieb: »Er ist sicherlich einer der Besten, die es gibt.« Jameson war eifrig mit der Abschrift des Instructionsschreibens beschäftigt; Stairs lag an einem heftigen Gallenfieber erkrankt im Bette.

Ein sudanesischer Soldat hatte sich, so unschuldig wie ein Lamm, welches vor der Höhle des Fuchses grast, gegen den Befehl aus dem Lager entfernt, um in einem benachbarten Dorfe zu plündern, und dabei einen Speerstich in den Unterleib erhalten. Das ist der zweite Todesfall, welcher durch das Plündern herbeigeführt wird; es wird nicht der letzte sein. Wir stellen einen Sudanesen als Wache aus; ein Freund kommt daher, wechselt ein paar Worte mit ihm und geht ohne alle Ahnung irgendeiner Gefahr weiter. Wenn er nicht erschlagen wird, kehrt er mit einer schweren Wunde am Körper und den Vorzeichen des Todes im Gesicht zurück. Der Sansibarite wird beim Hauen von Holz oder Sammeln von Maniok beschäftigt; er stellt einen Augenblick die Arbeit ein, entschuldigt sich, daß er sich einen Augenblick entfernen müsse – ein Gedanke blitzt durch sein leeres Gehirn, und unter dem Impuls desselben eilt er fort, um demnächst als vermißt gemeldet zu werden.

Am 26. Juni setzte ich die folgende Instruction für die Offiziere der Vorhut auf:

Ich beabsichtige, übermorgen, am 28. Juni 1887, den Marsch anzutreten.

Die zurückzulegende Entfernung beträgt etwa 610 km in der Luftlinie oder ungefähr 880 km für den Fall, daß wir nicht einen Pfad finden, welcher mehr als gewöhnliche Windungen besitzt.

Wenn wir täglich etwa 16 km zurücklegen, müßten wir im Stande sein, den Albert-See innerhalb zwei Monaten zu erreichen.

Im Jahre 1871 legte meine Expedition zur Aufsuchung Livingstone's 580 km in 54 Tagen = etwa 10½ km täglich zurück.

Im Jahre 1874 machte meine Expedition quer durch Afrika 580 km, von Bagamoyo nach Winjata, in 64 Tagen = etwa 9 km täglich.

In 1874/75 erreichte dieselbe Expedition von Bagamoyo den Victoria-See, eine Entfernung von 1150 km, in 103 Tagen = 11 km täglich.

Im Jahre 1876 marschirte dieselbe Expedition vom Uhimba-See nach Udjidji, 575 km, in 59 Tagen = 10 km täglich.

Wenn wir also die Entfernung bis Kavalli, etwa 880 km, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von täglich ungefähr 10 km zurücklegen, müßten wir den Albert-See gegen den letzten September erreichen.

Einen Begriff von dem Charakter von mehr als der Hälfte des zu durchziehenden Gebietes bekommen Sie durch einen Blick auf unsere Umgebung. Es wird mit Busch und Wald bedecktes Land sein, in welchem ein mehr oder weniger gewundener Eingeborenenpfad die verschiedenen Ansiedelungen der dort lebenden Stämme miteinander verbindet.

Hin und wieder wird unser Pfad von andern gekreuzt werden, welche die Stämme nördlich von unserer Route mit denen im Süden verbinden.

Die Eingeborenen werden mit Schild, Speeren und Messer oder mit Bogen und Pfeil bewaffnet sein.

Da ich einen raschen Marsch durch das Land zu machen beabsichtige, werden wir die Eingeborenen sehr überraschen. Sie können sich nicht verbinden oder uns mit einer größern Macht entgegentreten, weil sie keine Zeit dazu haben. Die Feindseligkeiten, welche wir zu bestehen haben mögen, werden das Ergebniß eines plötzlichen Dranges und zwar desjenigen des Aergers sein. Die Offiziere müssen daher derartige Angriffe prompt zurückweisen und zu jeder Zeit darauf achten, daß die Kammern ihrer Winchestergewehre geladen und die Träger derselben in ihrer Nähe sind. Seitengewehre sollten unter keinen Umständen abgelegt werden.

Die Marschordnung wird folgende sein:

Bei Tagesanbruch ertönt wie gewöhnlich die Reveille,

zuerst durch den der ersten Compagnie zugetheilten sudanesischen Trompeter; zweitens durch den Hornisten der zweiten Compagnie des Hauptmanns Stairs;

drittens durch den Trompeter der dritten Compagnie des Hauptmanns Nelson;

viertens durch den Trompeter der vierten Compagnie des Hauptmanns Jephson.

Die Offiziere werden in der Frühe Kaffee und Zwieback zu sich nehmen und darauf achten, daß ihre Leute sich ebenfalls für den Marsch stärken.

Der Marsch beginnt um 6 Uhr morgens und wird von einer Truppe von Pionieren geführt, welche mit Büchsen, Haumessern und Aexten ausgerüstet sind und die unter meinem Befehl stehende Vorhut bilden.

Nach einer Viertelstunde folgt die Haupttruppe, die von demjenigen Offizier geführt wird, welcher an der Reihe ist. Seine Pflicht besteht besonders darin, daß er darauf achtet, daß die durch Zeichnen der Bäume oder auf andere Weise markirte Route verfolgt wird.

Diese Colonne besteht aus sämmtlichen Trägern, den Kranken und allen Gesunden, die nicht zur Nachhut commandirt sind. Der größere Theil der drei Compagnien gehört zu dieser Colonne. Dicht hinter derselben und sich ihr anschließend befindet sich der Offizier, an dem die Reihe ist, die Ordnung hinter der Hauptcolonne aufrecht zu erhalten.

Die Nachhut besteht aus 30 Mann unter einem Offizier, welcher für den Tag zum Schutz der Colonne vor Angriffen im Rücken bestimmt ist. Diese Leute sind mit nichts weiter als ihrer Privatausrüstung belastet. Die Nachhut darf keinen Mann von der Expedition vorüberlassen. Alle Nachzügler müssen unter allen Umständen weiter getrieben werden, da jeder Zurückbleibende unwiederbringlich verloren ist.

An der Spitze der Hauptcolonne befinden sich die Zelte des Hauptquartiers und das Privatgepäck unmittelbar hinter dem befehligenden Offizier. Letzterer hat auch auf Trompetensignale zu achten, um sie an die hinter ihm marschirenden Truppen weiter zu befördern und Signale von der Front entgegenzunehmen, um sie weiter zu schicken.

Die Vorhut wird den von ihr verfolgten Pfad bezeichnen, die hinderlichen Schlinggewächse wegkappen und bei der Ankunft am Lagerplatze sofort mit dem Bau der Boma oder Seriba beginnen. Sobald die einzelnen Compagnien eintreffen, haben dieselben bei diesem wichtigen Vertheidigungswerke Hülfe zu leisten. Kein Lager ist als fertig zu betrachten, solange es nicht mit Buschwerk oder Bäumen eingezäunt ist. Diejenigen, welche bei dieser Arbeit nicht beschäftigt werden, haben die Zelte aufzurichten.

siehe Bildunterschrift

Plan unserer Lager im Walde.

Die Boma muß rund und mit zwei durch mindestens 5 m Buschwerk gut markirten Thoren versehen sein.

Der Durchmesser des Lagers muß etwa 80 m betragen. Zelte und Gepäck werden in der Mitte untergebracht und von den Hütten umgeben, welche in einem innern Kreise von etwa 65 m Durchmesser aufgebaut werden.

Obiges bezieht sich nur auf das Verfahren beim Durchmarsche durch ein gefährliches Land, wo keine weitern als die durch etwaige plötzliche Angriffe der Eingeborenen bedingten natürlichen Schwierigkeiten vorhanden sind.

Selbstverständlich wird die Vorhut die Neigungen des zu durchwandernden Landes ausfindig zu machen suchen. Sind die bevorstehenden Hindernisse bedeutend und drohen sie mehr als ein plötzlicher oder vorübergehender Angriff zu werden, so erhält die Hauptcolonne Nachricht über die Sachlage.

Wo es thunlich ist, werden wir das Lager in Dörfern aufschlagen, welche die Eingeborenen verlassen haben, um Lebensmittel zu besorgen, doch müssen die Dörfer sofort in Vertheidigungszustand gesetzt werden. Die Offiziere dürfen nicht vergessen, daß es in der Natur ihrer schwarzen Soldaten, der Sudanesen, Somali und Sansibariten, liegt, gedankenlos und gleichgültig zu sein und sich in der unvorsichtigsten Weise im Lande zu zerstreuen. Sie können meiner Versicherung glauben, daß auf diese Weise mehr Leben verloren gehen als im offenen Kriege. Nach meiner Ansicht liegt daher das Leben der Leute in den Händen der Offiziere, und jeder von ihnen, der in seiner Energie und der strengsten Beobachtung der Befehle nicht nachläßt, bis alles für die Nacht sicher gemacht und in Ordnung gebracht ist, wird für mich die werthvollste Hülfe bei dieser Expedition sein. Bei der Ankunft an dem in Aussicht genommenen Halteplatze für die Nacht soll der Offizier, wenn es ein Dorf ist, sein Augenmerk zunächst auf die Unterbringung der Leute richten und dabei solche Quartiere belegen, welche den von der vorher angekommenen Compagnie besetzten und von der nach ihm eintreffenden zu besetzenden entsprechen, dann sich an die Arbeit machen und alle außerhalb des bestimmten Kreises liegenden Hütten zerstören und alle Theile derselben, sowie das in der Nachbarschaft befindliche Material benutzen, um seine Quartiere gegen einen nächtlichen Angriff mit Feuer oder Speer zu sichern. Die Offiziere erhalten durch das Verfahren der Vorhut einen Wink, wann und wie die Sache gemacht werden muß, sie dürfen aber nicht unterlassen, diesen Wink auch zu benutzen, und müssen sich nicht jede einzelne Kleinigkeit sagen lassen. Der Offizier muß sich als Vater seiner Compagnie betrachten und stets handeln, wie es einem weisen Führer ziemt.

In allen solchen Dorflagern hat Lieutenant Stairs darauf zu achten, daß die nächtlichen Wachen, die von den einzelnen Compagnien je nach Bedürfniß gestellt werden, an die leichter zugänglichen Stellen postirt werden.

Während der ersten Woche werden wir keine sehr langen Märsche zu machen versuchen, damit die Leute und wir selbst uns allmählich einüben; nachdem wir den vierten Theil des Weges zurückgelegt haben, sollen die Tagemärsche wesentlich verlängert werden, und ich erwarte, daß wir, nachdem wir die Hälfte der Reise hinter uns haben, im Stande sein werden, großartige Fortschritte zu machen.

Weitere Mittheilungen werden je nach Bedürfniß folgen.

Jambuja, 26. Juni 1887.

Henry M. Stanley,
Befehlshaber der Expedition.

Ich schließe dieses Kapitel mit einigen Bemerkungen aus meinem Tagebuche, die ich am letzten Abend vor dem Abmarsche niederschrieb:

Jambuja, 27. Juni. Unsere Leute verlangten heute einen Rasttag, weil derselbe verschoben worden war, bis die Dampfer expedirt und das Lager zum Schutz der Garnison befestigt worden sei. Außerdem waren noch eine Menge Dinge zu erledigen. Da mehrere Leute nach der Abfahrt von Bolobo erkrankt waren, mußten die Schwachen ausgesucht werden, und da die vier für den Marsch auserwählten Compagnien in möglichst vorzüglichem Zustande sein sollten, so mußten dieselben reorganisirt werden. Die Werkzeuge unserer Pioniere mußten gezählt werden. Von 100 Haumessern waren nur noch 26, von 100 Aexten 22, von 100 Hacken 61 und von 100 Schaufeln 67 vorhanden; alle übrigen waren gestohlen und an die Eingeborenen verkauft oder fortgeworfen worden. Es ist eine unangenehme Arbeit, auf solch rücksichtsloses Volk Acht geben zu sollen.

Morgen früh werden, mit Gottes Hülfe, 389 Personen den Marsch ins absolut Ungewisse hinein antreten. Von einem Eingeborenen habe ich die Namen der Stämme oder deren einzelnen Abtheilungen gehört; von ihrer Stärke und ihren Eigenschaften weiß ich aber nichts.

Gestern schlossen wir Blutsbrüderschaft mit einem der Häuptlinge von Jambuja. Da der Major Befehlshaber dieses Postens ist, unterwarf er sich tapfer dieser Ceremonie, die hier besonders ekelhaft war. Auf das fließende Blut wurde eine Prise schmutziges Salz gestreut, das aufgeleckt werden mußte. Der Häuptling führte seine Rolle durch, als ob es ihm Vergnügen mache, der Major schauderte aber, als er aufblickend die cynischen Gesichter seiner Freunde sah.

»Um den Frieden zu sichern.«

»Allerdings«, erwiderte der Major und brachte seinen Geschmack zum Opfer.

Diese Waldbewohner haben es noch nicht vermocht, mir große Achtung abzugewinnen. Sie sind feige und zugleich hinterlistig; sie lügen häufiger als die Bewohner des offenen Landes. Ich glaube ihren Behauptungen und Betheuerungen nicht. Indeß hoffe ich, daß sich dies nach besserer Bekanntschaft ändern wird. Der Häuptling erhielt ein reiches Geschenk von dem Major, der als Gegengabe ein 14 Tage altes Hühnchen und einen mit Federn besetzten Hut aus Rohrgeflecht bekam. Die mehrfach versprochene Ziege und zehn Hühner sind noch immer nicht eingetroffen, obwol das Blut eines sudanesischen Soldaten vergossen worden ist und wir keine Rache dafür genommen haben. Entweder fehlt es uns zu sehr an Muth, oder der Verlust eines Mannes ist uns gleichgültig, daß ein kräftiger Soldat, der so viel werth ist wie zwanzig von diesen Eingeborenen, ungerächt erschlagen werden kann. Und nicht nur das, wir bitten die Eingeborenen sogar, oft zu uns zu kommen und uns zu besuchen, da sie Fische und Ziegen, Geflügel, Eier und sonstige Dinge haben, die wir gern kaufen würden. Das wird vielleicht noch einige Wochen dauern.

Heute Abend regnet es, der morgige Marsch wird ein unbequemer sein. Stairs ist so krank, daß er sich nicht bewegen kann, und doch wünscht er dringend, uns zu begleiten. Es ist ziemlich übereilt, einen Mann in seinem Zustande tragen zu wollen; allein wenn der Tod eintreten soll, kommt er im Dickicht so leicht wie im Lager. Dr. Parke hat mir große Unruhe bereitet, weil er sagt, die Krankheit sei Darmentzündung, während ich sie mehr für Gallenfieber halte. Wir werden ihn in eine Hängematte packen und wollen auf einen günstigen Verlauf hoffen.

Die Vorhut wird sich folgendermaßen zusammensetzen:

Tabelle

Das Contingent in Bolobo, welches zu der Garnison von Jambuja zu stoßen hat, zählt:



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