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Neuntes Kapitel.
Das Rendezvous

Der November war herangekommen und seit einer Woche regnete es.

Sonne und Berge waren verschwunden und selbst das Gelände hatte sich verschleiert; nichts war geblieben, als Wind und Regen, Regen und Wind.

Effies kurzer Unterricht nahm nur ein paar Stunden der nassen, stürmischen Tage in Anspruch. Abgesehen von Pächtern, die hin und wieder nach Drumgool kamen, um Mr. French zu sprechen, ließ sich kein Besuch blicken, und das langgezogene »Huh, huh!« des durch des Teufels Schlüsselloch heulenden Windes, das Klappern der gegen den Sturm ankämpfenden Fenster und das Plätschern der sich in überfüllte Wassertonnen entleerenden Dachrinnen begannen Miß Grimshaw auf die Nerven zu fallen.

Sogar Mr. Giveen würde jetzt eine Zerstreuung gewesen sein, aber der lebte mit seinem Vetter in offener Fehde und lechzte mit der ganzen Bitterkeit seiner kleinlichen Natur danach, ihm Schaden zufügen zu können.

Giveen war augenblicklich nicht Frenchs einziger Feind; auch die Liga der Irischen Patrioten hatte Stellung gegen ihn genommen, weil er Bauernhöfe nach dem Elfmonatssystem verpachtet und Land als Weide vergeben hatte, in den Augen der Patrioten zwei schwere Vergehen.

»Es ist an der Zeit, mit den großen Weideplätzen ein Ende zu machen und das Volk auf das Land zu verpflanzen,« sagten die Patrioten – als wenn das Volk eine Saatkartoffel wäre. »Ihr müßt keine Bauernstelle mit elfmonatlichem Kontrakt pachten,« fuhr dieser Areopag von Räubern und kurzsichtigen Politikern fort. »Denn,« setzten sie hinzu, »wenn Ihr es tut, werden wir Euer Vieh mit Knütteln von Eurem Land herunterjagen und an Euch selber alle schmutzigen kleinlichen Gewalttätigkeiten ausüben, die das schwarze Herz eines niederträchtigen Irländers ersinnen kann. Bei Gott!« – Und es war keine leere Drohung.

Der Wille der Patrioten ist in Westirland Gesetz. Der König regiert dort nicht im mindesten.

»Kommen Sie herunter,« rief French eines Morgens. Er stand in der Halle und hatte oben an der Treppe einen Zipfel von Miß Grimshaws Kleid flattern sehen. »Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen, was Sie noch nie erblickt haben. Kommen Sie hierher.«

Er führte sie in ein kleines Zimmer, wo er Pächter und Bauern zu empfangen pflegte, und dort auf einem Stuhl saß ein alter Mann, dessen Gesicht so durchfurcht war wie ein gepflügter Acker. Sein verwitterter alter Hut lag auf dem Fußboden und in seiner Hand hielt er zwei Kuhschwänze; da saß er, fast blind, die Schwänze in den Händen hin und her drehend – ein Bild des Alters, des Elends und der Armut.

»Stehen Sie nicht auf, Ryan,« sagte French. »Bleiben Sie auf Ihrem Stuhl sitzen und erzählen Sie dieser jungen Dame, was Sie dort in der Hand halten.«

»Das sind die Schwänze von meinen Kühen,« plärrte der alte Mann wie ein Kind, das seine Aufgabe hersagt. »Meine schönen Kuhschwänze, die die Schurken mit 'nem Messer abgeschnitten haben – der Teufel hole sie! – wie ich in meinem Bett lag, als der Morgen graute. ›Horch,‹ sag' ich zu meine Frau, ›was fehlt den Tieren und warum brüllen sie so?‹ ›Steh auf und sieh nach,‹ sagt sie. Und da steh' ich auf und zieh' mir Rock und Hose an und geh' nach draußen und da hängen sie über den Zaun und das Blut leckt 'runter. Mit 'nem Messer sind sie abgeschnitten. Oh, die Schurken, mit ihre Messer in die armen unschuldigen Tiere 'reinzuhacken und mich meine Kühe wegzunehmen, wo ich die Pacht zahlen soll und meine Frau krank in ihr Bett liegt und was noch alles. Was is das für 'ne Art, einen Mann zu behandeln, nur weil ich nich geantwortet hab' auf ihre verfluchte Order, daß ich ausziehen sollte?«

»Die Schwänze sind abgeschnitten!« rief das junge Mädchen voller Entsetzen. »Und die Kühe lebten?«

»Ja,« sagte French. »Diese Ruchlosen haben kein Herz für Tiere – und auch nicht für Menschen.«

»Oh, wie konnte man so etwas Grausames, so etwas Gemeines tun! Weshalb haben sie es getan?«

»Weil er seine kleine Landstelle nicht aufgeben wollte. Und die nennen sich Irländer! Und sie sind es, das ist das Schlimmste an der Sache. Na, Ryan, bleiben Sie sitzen; ich schicke Ihnen einen Schluck Whisky. Und quälen Sie sich nicht mit der Pacht. Ich denke, der nächste Besuch der Halunken wird mir gelten. Wahrhaftig, wenn sie kommen, soll ihnen ein warmer Empfang bereitet werden.«

Von dem jungen Mädchen gefolgt, verließ er das Zimmer. »Das ist eins der Dinge, die Irlands Ruin herbeigeführt haben,« sagte er, während er nach Norah schellte. »Und dann wird über die Großgrundbesitzer losgezogen! Großer Gott! Wann gab es je einen Gutsherrn, der einer Kuh den Schwanz abschneiden würde? Wann gab es je einen Gutsherrn, der Pferde verstümmelte? Hörten Sie jemals von einem Gutsherrn, der mit seiner Flinte durchs Fenster in ein Haus hineinfeuerte und einer einsamen alten Frau, die drinnen saß, fast den Kopf zerschmetterte, nur weil ihr Sohn sich weigerte, seine Pacht aufzugeben? Und das geschah zehn Meilen von hier, vier Wochen ehe Sie herkamen. Norah, hole den Whisky und gib dem alten Ryan ein Glas voll und etwas zu essen. Er sitzt da in der kleinen Stube mit den beiden Kuhschwänzen, die die Schufte abgeschnitten haben, in der Hand. Bring ihn in die Küche, laß ihn am Feuer sitzen, damit sein Zeug trocknet, und sage Mrs. Driscoll, sie solle ihm etwas für seine alte Frau mitgeben, die krank im Bette liegt. – Ja, so weit ist es mit Irland gekommen. Die großen Massen armer unwissender Leute, wie Ryan einer ist, werden beherrscht von einem Syndikat wüster Raufbolde, die ihre eigenen Gesetze machen und sich nicht im geringsten an Gottes Gebote und die Landesgesetze kehren. Es ist unglaublich, aber wahr. Und nun werden sie gegen mich Vorgehen. Im vorigen Monat habe ich schon mehrere anonyme Briefe erhalten, die mir mit Boykott und noch Schlimmerem drohen, wenn ich mich nicht besserte. Aber ich pfeife darauf! – Sehen Sie, es hat sich aufgeklärt. Ich will zum Rendezvous nach Drumboyne. Würde es Ihnen Vergnügen machen, mich zu begleiten? Wenn Sie ein Reitkleid besäßen, könnten wir reiten.«

»Ich habe ein Reitkleid. Es ist ziemlich alt, aber –«

»Dann laufen Sie hinauf und ziehen Sie es an,« sagte Mr. French, »ich werde Moriarty sagen, daß er die Schimmelstute für Sie sattelt. In zehn Minuten wird sie vor der Tür sein.«

Zwanzig Minuten später ritt Miß Grimshaw in einem Reitkleid mit Paletot, einem Andenken an die Zeit schriftstellerischen Gelderwerbs, mit Mr. French die Auffahrt hinunter, sie auf einer Schimmelstute und er auf einem starkknochigen Jagdpferd mit einem Kopf, der zugleich an eine Geige und an den Teufel erinnerte.

Sie ritt gut. Ein Galopp auf einem gemieteten Pferd frühmorgens im Park war das einzige gewesen, wofür sie in London leichtsinnig Geld verschwendet hatte. Und zu dem Zweck hatte sie auch ihr Reitkleid gekauft.

Sie bogen auf die Landstraße ein. Es war zwanzig Minuten nach neun, und da das Rendezvous erst um halb elf stattfinden sollte, hatten sie reichlich Zeit.

Der Regen hatte aufgehört, die Wollen waren in höchste Höhen emporgestiegen, hatten sich dort unter dem Einfluß eines aus den oberen Atmosphären kommenden Windes in Lämmergewölk verwandelt, und der ruhige graue Himmel ließ hier und dort ein zartes Blau durchschimmern. Die Luft duftete nach Regen und nasser Erde und die Berge lagen in wunderbarer Klarheit friedlich da.

Solches Wetter gibt es nur in Irland, sonst nirgends auf der Welt; feucht, klar, grau, milde und anregend wie Wein, entschädigt es für viele Regenwochen.

Hennessey, der Master der Meute, lebte in Barrington Court, sieben Meilen von Drumboyne entfernt. Er war jung, Lebemann, Junggeselle und Großgrundbesitzer und stand, wie jeder andre Gutsherr in der Grafschaft, unter der Fuchtel des Tyrannen. Aber er besaß eine größere diplomatische Begabung als French.

»Da ist Hennessey,« sagte Mr. French, als bei einer Biegung des Wegs plötzlich Drumboyne sichtbar wurde mit den zerstreut liegenden Häusern, dem Kreuz auf dem Marktplatz, der Meute, dem Master mit seinen Pikören und einem halben Dutzend Reitern auf Kleppern aller Art und in jeder Verfassung, die sich alle um das Kreuz versammelt hatten. »Wir kommen gerade zur rechten Zeit. Es ist die erste Fuchsjagd in diesem Herbst und ein großartiger Tag für die Fährte.«

Violet Grimshaw, die bisher noch nie an einer Hetzjagd, ausgenommen in illustrierten Zeitungen, teilgenommen hatte, blickte interessiert und amüsiert auf die das Kreuz umgebende Menge.

Allerlei Volk war von Norden und Süden, Osten und Westen zusammengeströmt. Barfüßige Dorfbuben; mit Eichenknütteln bewaffnete Burschen in Kniehosen von »da drüben hinter dem großen Moorsumpf«; schmutzige, ihre jüngeren Schwestern an der Hand mitschleppende kleine Mädchen, die die Hunde sehen wollten: Pater Roche aus Cloyne, der stehen geblieben war, um einige muntere Worte mit Hennessey zu wechseln; der lange Doolan, der Rattenfänger, in einer alten roten Weste; Billy Sheelan aus dem Bahnhofsgasthof, derselbe, der bei Mr. Dashwoods Angelexpedition den Führer abgegeben hatte und der, wie das Gerücht besagte, seine Mutter an den Bettelstab brachte und das Wirtshaus »leer trank« – diese alle und noch viele andere schrieen durcheinander, schwatzten, lachten und erteilten den Pikören Ratschläge, als French und seine Begleiterin an der Wegbiegung auftauchten.

Ihr Erscheinen wirkte wie ein Zauber. Das Sprechen und Lachen verstummte. Die Menge teilte sich, und als French an den Master heranritt, wendeten drei Landwirte, die mit diesem geredet hatten, ihre Pferde und kehrten den Ankömmlingen den Rücken zu.

An der Tür des Gasthofs, der dem Kreuz gerade gegenüberlag, bemerkte French Mr. Giveen. Er verschwand ins Haus hinein, aber einen Augenblick später kam sein Gesicht am Schenkstubenfenster zum Vorschein und blieb dort während der ganzen folgenden Episode.

»Na, Hennessey,« sagte der Besitzer von Drumgool, der den ihm zuteil gewordenen kühlen Empfang anscheinend nicht beachtete, »Sie haben einen schönen Tag für die erste Fuchsjagd gewählt. Erlauben Sie mir, Sie mit einer jungen Dame, die bei mir zu Besuch ist, bekannt zu machen. Mister Hennessey – Miß Grimshaw. Wo wollen Sie suchen lassen?«

»In Barrington-Busch, glaube ich,« erwiderte Hennessey, indem er das junge Mädchen begrüßte. »Ja, es ist kein übler Tag. Wollen Sie mitreiten?«

»Nein. Wir werden uns damit begnügen, zuzusehen, wie Sie den Busch absuchen lassen. Ah, da ist ja Pfarrer Roche! Wie geht es Ihnen? Auf Ehre, Sie werden immer jünger! Aber weshalb haben Sie sich alle diese Monate nicht in Drumgool blicken lassen?« Während French sich dem Priester zuwandte, näherten verschiedene Reiter sich Hennessey und redeten in gedämpftem Ton, aber so heftig auf ihn ein, daß Violet, die alles beobachtete, einige ihrer Bemerkungen verstehen konnte.

»Keinen Fußbreit soll er mitreiten. Was geht er uns an? Sagte Giveen nicht, er hätte geschworen, er wolle das ganze zu Castle French gehörige Land in Weide legen, nur um uns zu ärgern? Hören Sie auf uns, ich sage es zum letzten Male. Wenn er mitreitet, so bleiben wir hier.«

»French,« rief der Master, indem er sich von den übrigen trennte.

»Hier,« erwiderte French.

»Auf ein Wort.«

Er zog ihn beiseite.

»Es hat hier viel böses Blut gegeben. Meine Schuld ist es nicht, aber Sie kennen diese Kerle, sie haben Sie auf dem Strich – und sie sagen, sie würden alle hier bleiben, wenn Sie bis zum Busch mitritten. Na, werden Sie nicht wütend. Sie wissen, es ist nicht meine Schuld, aber so liegt der Fall.«

Frenchs Augen sprühten.

»Bis zum Busch mitreiten!« sagte er mit erhobener weithin klingender Stimme. »Ich danke Ihnen für den Wink, Dick Hennessey. Mit diesem Pack übelberittener Rattenfänger der Meute folgen! Ich beabsichtigte, bis zum Busch mitzureiten, um zu sehen, ob es einen Fuchs gäbe, der feige und dumm genug ist, vor ihnen die Flucht zu ergreifen, aber sicherlich, wenn er es täte, würde er vor Lachen nicht laufen können. Und dabei fällt mir ein,« fuhr Mr. French fort, während er Hennessey den Rücken kehrte und sich der Menge zuwandte, »wenn der Herr, der den Kühen des alten Ryan die Schwänze abgeschnitten hat, die Güte haben will, vorzutreten, so werde ich ihm die Meinung, die ich von ihm habe, zu Gemüte führen. Und zwar wird es nicht mit dem dünnen Ende meiner Reitpeitsche geschehen.«

Keiner der Anwesenden verspürte die geringste Lust, dieser Aufforderung nachzukommen, denn French wog siebenundachtzig Kilo und war so muskulös, daß er es gleichzeitig mit zweien der versammelten Männer hätte aufnehmen können.

Er wartete einen Augenblick. Dann lüftete er den Hut vor Miß Grimshaw.

»Ich muß Sie bitten, mir zu verzeihen,« sagte er, »daß ich heftig wurde. Wir wollen nach Cloyne reiten, denn dies ist kein Aufenthalt, der sich für eine Dame eignet.«

Er berührte den geigenköpfigen Teufel, den er ritt, mit den Sporen, ließ ihn hinten ausschlagen, daß der die Vorgänge mit offenem Munde verfolgende Janhagel auseinander stob, prallte mit den »übelberittenen Rattenfängern« zusammen, sie fast aus dem Sattel werfend, und nahm dann, gefolgt von dem jungen Mädchen, den Weg nach Cloyne.

Es war das erste Mal, daß er mit seinen Landsleuten aneinander geraten war; schon lange hatte der Sturm sich vorbereitet, um endlich auszubrechen. Die Tatsache, daß ihm, Michael French, in seiner eigenen Grafschaft von einer Horde schmutziger, engherziger Bauern befohlen worden war, nicht an der Hetzjagd teilzunehmen, machte sein Blut kochen. Kleinliche Bosheit, Nadelstiche, das waren die Waffen, mit denen die Patrioten French bekämpften. In ihrer besondern widerlichen Sprache nannten sie ihn einen »erstklassigen Missetäter«. Noch jetzt würde ihm verziehen werden, wenn er sich entschloß, nachzugeben und zu Kreuz zu kriechen vor den unsaubern Gesellen, die ihn zu beherrschen suchten. Wenn nicht, so folgte der Boykott und wer weiß, was sonst noch.

Das wußte er und ebenfalls, daß auf keine gesetzliche Hilfe zu rechnen war. Die Polizei konnte seine Peiniger verhaften, falls sie sie bei einer Rechtsüberschreitung ertappte, aber bei einer gerichtlichen Verhandlung würden die Geschworenen die Übeltäter sicherlich freisprechen. Auch konnte man hundert gegen eins wetten, daß sie niemals eingefangen wurden, denn diese Leute waren Meister im Schleichen; kein Spitzbube ist leichtfüßiger und schlauer als der mit einer schwarzen Maske und einem Messer bewaffnete Gentleman, der wie ein Dieb in der Nacht sich heranmacht, um grausame Verstümmelungen am Vieh zu vollführen.

Das einzige, was Mr. French Angst verursachte, war Garryowen; aber Moriarty war ein Fels der Stärke, auf den er bauen konnte.

»Sahen Sie Dick Giveen?« fragte er, als Miß Grimshaw ihr Pferd an seine Seite brachte. »Der hat hier die Hand im Spiel gehabt. Sahen Sie ihn, wie er am Fenster des Gasthofs stand und seine Nase an der Scheibe platt drückte? Er wußte, daß ich beim Rendezvous erscheinen würde, und er kam her, um zu sehen, wie diese Kerle mich ins Bockshorn jagten.«

»Das taten sie nicht!« sagte Violet. »Sie sahen wie verprügelte Hunde aus, als Sie zu ihnen redeten. Ja, ich bin überzeugt, daß der Mann Ihnen geschadet hat. Ich hörte, wie einer der Landwirte zu Mister Hennessey sagte, Giveen behaupte, daß Sie es darauf anlegten, sie zu reizen. Ich wollte, ich hätte damals nicht die Wasserfahrt mit ihm gemacht. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre dies nicht passiert.«

»Diese Kerle machen mir weniger Sorge, als Dick Giveen,« entgegnete er. »Er ist ein Mensch, der keinen Ärger verträgt. Diese Halbverrückten sind immer so. Er wird wie eine Katze auf der Lauer liegen, um mir bei passender Gelegenheit einen Streich zu spielen. Ich kenne ihn. Aber wenn er sich Drumgool nur auf fünf Meilen Entfernung nähert, schieße ich ihm eine Kugel durch den Leib, so wahr ich Michael French heiße.«

Sie ritten in den stillen grauen Tag hinein. Hin und wieder wehte ihnen aus einer am Wege liegenden Hütte ein Hauch köstlich duftenden Torfrauchs entgegen; der über die schwarzen Moorsümpfe und das wellige, öde Gelände streichende Südwind brachte frischen Erdgeruch mit sich und vor den den Horizont abschließenden Bergen stiegen aus den Schornsteinen von Cloyne Rauchsäulen zum Himmel empor.

Vor dem beim Bahnhof gelegenen Gasthaus machten sie Halt, ließen die Pferde in den Stall führen, und French bestellte ein Frühstück. »Hätten Sie Lust,« fragte er, »eine richtige alte irische Hütte zu sehen, während unser Mahl bereitet wird? Ich werde Sie zu der alten Mrs. Moriarty bringen. Es wird Sie amüsieren, sich ein paar Minuten mit ihr zu unterhalten, während ich zu meinem Anwalt, Mr. James, gehe, mit dem ich etwas zu besprechen habe. Mrs. Moriarty ist eine Hexe – so sagt man – aber sie hält treu zu den Frenchs. Zu meines Großvaters Zeit war sie Küchenmädchen in Drumgool. Sie glaubt an Feen und Heinzelmännchen und all den Unsinn. Hier wohnt sie.«

Er blieb stehen vor der Tür eines Häuschens, das etwa hundert Meter von dem Wirtshaus entfernt lag, pochte an, drückte, ohne eine Antwort abzuwarten, auf die Klinke und öffnete die Tür.

»Sind Sie da, Kate?« rief er in das dunkle Innere der Wohnung hinein.

»Natürlich, wo sollte ich sonst wohl sein?« entgegnete eine röchelnde Stimme. »Wer bist du und wozu läßt du mich im Zug sitzen? Oh, Ehre sei Gott, es ist Mister Michael selber.«

»Kommen Sie herein,« sagte French, und das junge Mädchen folgte ihm in den einzigen Raum der Behausung, in dem Mrs. Moriarty mit ihren Hühnern lebte – zwei saßen auf den Dachsparren. Die Alte saß auf einem Schemel vor einem kleinen Herdfeuer, eine kurze schwarze Pfeife zwischen den Zähnen und eine Kappe auf dem Kopf, um sich vor Kälte zu schützen. Als menschliche Wohnung betrachtet, war es ein schaudererregendes Gelaß. Der Fußboden bestand aus Lehm, das Fenster hatte nur eine brauchbare Scheibe, die übrigen waren zerbrochen und mit Lappen verstopft. Ein Haufen Lumpen in einer Ecke diente als Bett. Beim Feuer hockte eine Zwerghenne neben der alten Frau und blinzelte mit einem blutunterlaufenen Auge zu dem Besuch empor.

»Hier ist eine junge Dame, die Sie besuchen möchte, Kate,« sagte Mr. French. »Reden Sie mit ihr und erzählen Sie ihr von den Elfen, während ich zu Mr. James gehe. Ich werde nicht lange fortbleiben, und wenn ich zurückkomme, will ich Ihnen einen Schluck Whisky aus dem Wirtshaus schicken, damit Sie sich den Magen wärmen können.«

»Sie soll mich willkommen sein,« sagte die alte Frau, »aber ich hab' nich mal 'nen Stuhl, den ich ihr anbieten kann, wo ich mit meinen Rheumatismus nich von diesen Schemel in die Höcht kommen kann. Fort mit dir, Norah,« rief sie und drohte der Zwerghenne mit einem kleinen Stock, worauf diese sich, dem Wink gehorchend, flatternd in eine Ecke zurückzog, »und mach Platz für das junge Fräulein. Sie werden ihr entschuldigen, Miß; sie is die letzte von sieben Stück, die ich mit meine eigenen Hände großgezogen habe. Sie kommen wohl nich von irgendwo in diese Gegend?«

Unter ihrer Mütze hervor guckte sie dem jungen Mädchen ins Gesicht, und Violet, von dem kurzsichtigen schrecklichen Blick wie gebannt, meinte, sie habe noch niemals ein menschliches Antlitz gesehen, auf dem die Tragik des Lebens so deutlich sich ausprägte, als auf dieser vom Torffeuer beleuchteten versteinerten Maske unter der Haube der alten Frau.

»Nein,« sagte sie, »ich komme aus Amerika.«

»Och je,« rief Mrs. Moriarty, »da is ja Mike, mein Junge, vor vierzig Jahre hingegangen – vor vierzig Jahre und nun schon zwanzig Jahre kein Wort nich und kein Brief nich von ihm. Kann sein, daß Sie mal was von ihm gehört haben, Miß? Er war bei die Maurer. Sechs Fuß maß er ohne seine Schuhe und das hübsche rote Haar auf seinen Kopf war so lockigt wie bei den Jagdhund auf Drumgool. Aber, du mein Gott, wovon rede ich? Jetzt wird er grau sein – och je! nach alle diese Jahre.«

»Nein,« sagte das junge Mädchen, »ich habe nie von ihm gehört, aber Amerika ist ein großes Land. Verlieren Sie nicht den Mut. Vielleicht werden Sie eines Tags doch noch Nachricht von ihm bekommen, und hier ist etwas, das Ihnen Glück bringen soll.«

Sie nahm einen Schilling aus der Tasche und legte ihn in die Hand der alten Frau, die ihn in ein Stückchen Papier wickelte und dankte.

»Gottes Segen über Sie und der Teufel soll den Mann, der Sie betrügt, in seinen Topf braten! 's is gewiß schon länger als 'n Jahr her, daß ich 'nen Schilling mit Augen gesehen hab' und ich bin bange, was zu sagen, denn der Vorstand will mich mit aller Gewalt ins Armenhaus haben. 'Ne halbe Krone die Woche und 'ne Binde für mein armes Bein is allens, was ich aus die Schurken 'rausgekriegt habe, denn die geben an die Armen nur mit eine Hand, mit die andre füllen sie sich den eigenen Bauch. Essen und Trinken und sich verlustieren, das tun sie mit dem Geld von die Gemeinde. Möge es in ihre Leber stecken bleiben, bis der Teufel kömmt und ihre schwarzen Mäuler mit brennende Torfsoden verstopft und sie in die heißen Tränen von die Armen, die sie betrogen haben, ersäuft. Und alle sind sie gegen Mister Michael. Scht! seien Sie ganz still, ich will Sie was erzählen. Shusey Gallagher, die bei den Schmied Blood in Dienst ist, die sagte mir, ich sollte es nich weitersagen, aber sie wollten Mister Michaels Pferden was antun, wenn er noch immer nich aufhörte damit, sein Land als Weide zu verpachten; sie sagte, sie wollten –«

In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen, ein zerlumpter Bengel steckte seinen Kopf herein, schrie »Buh!« und knallte die Tür wieder zu. Es war ein beliebter Zeitvertreib der Kinder in Cloyne, in Mrs. Moriartys Tür hineinzubrüllen und dann ihre Wut durch das Fenster zu beobachten.

»Fort!« schrie Mrs. Moriarty, in ihrer Aufregung Violet, Mr. Frenchs Feinde und alles andre vergessend. Sie wandte sich gegen das Fenster, wo sie ihren Quälgeist vermutete, und drohte dem grinsend zu ihr hereinblickenden Gesicht mit der Faust. »Willst du woll fort, du verfluchter Affe mit deiner häßlichen Fratze, ich werde dir den Kopf abschneiden, wenn du nochmal zu meine Tür 'reinschreist! Gr–r–r! Willst du woll fort, du Bankert, oder ich schlage dich so platt, daß deine Mutter dir nich wieder kennt. Fort mit dir und frag deinen Vater, was er sich dabei denkt, daß er so 'ne Fratze von 'nen Papagei zum Sohne hat und daß er ihn ohne Kette frei in die Gemeinde 'rumlaufen läßt, du schiefäugige Mißgeburt von einen –«

Welches alles den durch das Fenster Lugenden aufs höchste beglückte.

Voller Entsetzen über diese Sprache und voller Angst, daß Mrs. Moriarty der Schlag rühren könne, lief Violet an die Tür und öffnete sie, nur um zu sehen, wie ein barfüßiger kleiner Schlingel in kurzen Hosen um die Hausecke herum verschwand.

Dann kehrte sie zurück, begierig, noch weitere Auskunft über die French betreffenden Anschläge von Mrs. Moriarty zu erhalten, aber die Quelle war versiegt. Die alte Dame erklärte, ihr sei ganz »wüst und dösig« zu Sinn.

»Jetzt passen Sie auf,« sagte Violet. »Wenn Sie irgendetwas darüber erfahren, daß diese Männer Mr. French oder seinen Pferden etwas Böses antun wollen, und es mich gleich wissen lassen, gebe ich Ihnen ein silbernes Fünfschillingstück.«

Das verstand Mrs. Moriarty.

Die Tür öffnete sich, Mr. French erschien und sie gingen zu ihrem Luncheon ins Wirtshaus, indem sie die alte Frau ihrer Pfeife und der Aussicht auf ein Glas Whisky überließen.

Der fürchterlichen alten irischen Sitte entsprechend hatte man in Drumgool bisher um vier zu Mittag gegessen, aber Miß Grimshaw zu Ehren war die Mahlzeit auf sieben Uhr verlegt. Als Effie sich an diesem Abend unter Norahs Obhut zu Bett begeben hatte, setzte Violet sich mit einem Knäuel roter Wolle und zwei langen Stricknadeln im Wohnzimmer in die Kaminecke. Auf dem Heimweg war ihr der Gedanke gekommen, einen roten Unterrock für Mrs. Moriarty zu stricken und diese Arbeit nahm sie jetzt in Angriff.

French war auf dem Nachhauseritt und bei Tisch ziemlich trübe gestimmt gewesen. Es war klar, daß der Vorfall bei dem Rendezvous ihm sehr nahe ging. Pekuniäre Sorgen vermochten nicht, dem leichtsinnigen heitern Mann, dessen Sinn über Geld und alle Kleinigkeiten des Lebens erhaben war, die Laune zu verderben. Es war das Gefühl der gegen ihn bestehenden Feindschaft, das ihn seit Jahren zum ersten Male herabstimmte. Zum ersten Male in seinem Leben empfand er das Vorhandensein, den gegen ihn arbeitenden Einfluß einer Macht, die wir Schicksal nennen. Seine ganze Seele, sein Herz und Denken konzentrierte sich auf Garryowen. Er glaubte, daß er in Garryowen das Mittel besaß, sich Namen, Ruhm und Reichtum zu erwerben. Und dieser Glaube war nicht unbegründet, denn French war ein großer Pferdekenner; der Traum seines ganzen Lebens stand vor der Verwirklichung, und nun verschwor sich alles, ihn an der Ausnutzung des günstigen Falles zu hindern.

In erster Reihe stand Lewis mit seiner Forderung – an und für sich schlimm genug; in zweiter die Tatsache, daß das Trainieren des Pferdes in einem feindlich gesinnten Lande zu Ende geführt werden mußte und zwar in dem Irland von heute, einer Gegend, wo Gesetze nicht gelten und wo kleinliche Nichtswürdigkeit zur höheren Kunst ausgebildet worden ist. Wenn man überdies bedachte, daß Giveen überall herumspionierte, daß hundert Schurken bereit waren, Mr. French Schaden zuzufügen, und daß Lewis nur darauf wartete, die Hand ausstrecken und das Pferd beschlagnahmen zu können, so mußte man zugeben, daß French wenig Aussicht auf Erfüllung seiner Wünsche hatte.

Aber er besaß eine Freundin, und so lange ein Mann nur ein Wesen hat, das ihm zugetan ist, sei es auch noch so untergeordnet, so steht er den Schicksalsmächten nicht hilflos gegenüber. Violet Grimshaw, die am Kaminfeuer saß und einen Unterrock für die alte Mrs. Moriarty strickte, hatte in den letzten Tagen ihren lebhaften Geist mit der scheinbaren Hoffnungslosigkeit der Probleme beschäftigt, die Mr. French und seine Angelegenheiten darboten. Sie hatte viel von ihres Vaters Geschäftssinn geerbt, war auch nicht umsonst Simon Gretrys Nichte und hatte jetzt einen Ausweg aus den Schwierigkeiten gefunden – wenigstens glaubte sie, daß es einer sei.

Um neun Uhr kam Mr. French, nachdem er dem Stall einen Besuch abgestattet, herein, setzte sich dem jungen Mädchen gegenüber auf einen Lehnsessel, öffnete die »Irish Times« und begann zu lesen. Gleichgültig überflog er die Spalten, ohne eine Nachricht von Interesse zu entdecken, bewegte sich unruhig auf dem Stuhle hin und her, zündete seine Pfeife an und ließ sie wieder ausgehen. Miß Grimshaw beobachtete ihn, ohne ihr schnelles Stricken zu unterbrechen oder eine Masche fallen zu lassen.

Dann sagte sie: »Wissen Sie, ich habe nachgedacht.«

»Worüber haben Sie nachgedacht?«

»Darüber, daß ich einen Ausweg aus den Schwierigkeiten wegen Garryowens gefunden habe.«

»Und was für einen?« fragte French, der seit dem Erlebnis mit Effie einen tiefen Respekt vor Miß Grimshaws Scharfsinn und Umsicht bekommen hatte.

»Nun,« sagte sie, »die Sache liegt so: Lewis ist der Stein des Anstoßes.«

»Nennen Sie ihn meinen Halfter,« sagte der Besitzer von Garryowen, »denn wenn jemals ein blindes Pferd am Halfter geführt wird, so bin ich es.«

»Nein, so will ich ihn nicht nennen. Er ist nur ein Geldmakler. Sie schulden ihm eine Summe. Ende März wird Garryowen ihm gehören. Nun denn, lassen Sie ihn das Pferd nehmen.«

»Du lieber Gott, von ›lassen‹ ist keine Rede.«

»Lassen Sie ihn das Pferd nehmen, sage ich, aber nicht, ehe das Rennen vorüber ist.«

»Aber – was meinen Sie damit?«

»Ich meine folgendes. Wäre es nicht möglich, Garryowen heimlich von hier fortzuschaffen? Noch gehört er Mr. Lewis nicht. Bringen Sie ihn an einen einsamen Ort, trainieren Sie ihn dort und lassen Sie ihn in dem Rennen laufen. Wenn er siegt, werden Sie Geld gewinnen, nicht wahr? Und wenn nicht, nun, dann gehört er Mr. Lewis.«

French erhob sich und begann, auf und nieder zu gehen.

»Das ist keine schlechte Idee,« sagte er. »Auf mein Wort, sie ist sehr gut, es kommt nur darauf an, ob es möglich ist, sie zu verwirklichen. Können wir sie geheimhalten, das ist auch die Frage.«

»Weiß Mr. Lewis, daß Sie das Pferd für das Rennen genannt haben?«

»Nein. Er weiß nichts von ihm und die Schuld ist vierzehn Tage vor dem Rennen fällig. Und, bei Gott, wenn er meinen Namen auf der Liste sieht, so wird er mich für meinen Vetter Michael French halten – der, den Mister Dashwood getroffen hat – denn Michael läßt in England an jedem Tage der Woche Pferde laufen und sein Name ist so bekannt wie der bunte Hund. Wahrhaftig, es ist ein guter Gedanke, auf diese Weise werde ich die ganze hiesige Bande auf einmal los.«

Mr. French ging zur Tür, öffnete sie und rief: »Norah!«

»Ja, Sir?«

»Bring den Whisky. Aber die Hauptsache ist die: wohin soll ich das Pferd bringen? – Potztausend, jetzt fällt es mir ein! Todd Mead – ein Mann, von dem Sie nie gehört haben – besitzt eine alte Bude dort unten in Sligo. Er züchtet da Poloponies und hundert Quadratmeilen Heide sind dabei, auf denen man ein Dromedar trainieren könnte, ohne daß eine Seele es bemerkte. Er wohnt in Dublin und hält sich dort unten einen Direktor. Vielleicht würde er mir unentgeltlich Stallraum geben, denn er hat mehr Platz, als er braucht. Es sind große scheunenartige Gebäude.«

»Sie sagten, Mr. Lewis' Wechsel sei erst vierzehn Tage vor dem Rennen fällig?«

»Ja.«

»Wird er Ihre Sachen sofort beschlagnahmen, wenn der Wechsel fällig ist, oder würde er Ihnen eine Gnadenfrist von einigen Wochen geben?«

»Keine Stunde. Ich borgte das Geld, indem ich ihm das Haus, das lebende Inventar und das Stück Land, das noch hypothekenfrei ist, als Sicherheit verpfändete, und wenn das Geld fällig ist, wird er mir sofort einen Kerl auf den Hals schicken.«

»Aber wenn Sie die Anleihe auf das lebende Inventar hin gemacht haben, gehört Garryowen doch dazu und es wäre ungesetzlich, ihn fortzubringen?«

»Hören Sie mich an,« sagte Mr. French. »Ich borgte das Geld, ehe ich Garryowen besaß. Du meine Güte, die Hauptursache, weswegen ich Geld lieh, war, daß ich ihn kaufen wollte. Er ist nicht mit in die Kaution einbegriffen.«

»Aber dann kann Mr. Lewis keinen Anspruch auf ihn erheben.«

»Nach dem Gesetz nicht, das kann wohl sein. Aber wie lange dauert es, bis man eine Sache gesetzlich nachgewiesen hat? Nehmen wir an, daß Lewis durch einen Mann Besitz ergreifen läßt. Nun, der Kerl wird den Gaul samt dem übrigen Inventar beschlagnahmen, dann werden die Rechtsanwälte daran gehen, den Beweis zu liefern, daß er nicht mit in die Kaution einbegriffen war, und vielleicht werden sie es, sagen wir, im kommenden Juni übers Jahr beweisen und bis dahin werden schon zwei City- und Suburbans gelaufen und Garryowen für den Schinder reif sein. Außerdem könnten die Halunken hier ihm etwas antun. Nein, das beste ist, durch die Hintertür zu verschwinden. Ein alter Freund von mir, Major Lawson, hat einen Stall in Epsom. Dahin können wir das Pferd zwei Tage vor dem Rennen bringen. Ich fange an, meinen Weg klar vor mir zu sehen, und wahrhaftig, das verdanke ich Ihnen.«

»Sie sind sicher, daß Mr. Lewis Sie nicht vor Ende März überfallen kann?«

»Nein. Im vorigen Monat habe ich ihm die Zinsen für das letzte halbe Jahr bezahlt. Ich sandte ihm fast zweihundert Pfund.«

»Wenn Sie ihm im April die Zinsen zahlten, würde er sich dann nicht zufrieden geben?«

»Natürlich, aber wie soll ich das zustande bringen? Ich sage Ihnen, ich brauche jeden Pfennig für meine Auslagen, für Lewis bleibt nichts übrig. Meine Berechnungen sind gemacht. Wenn ich alles zusammenscharre und heranhole, einschließlich einer kleinen Summe, die ich beiseite geschafft habe, werde ich es nur gerade möglich machen können, die Unkosten des Rennens zu tragen und tausend Pfund auf den Gaul zu setzen – weiter nichts.«

»Aber warum setzen Sie nicht nur achthundert Pfund und bezahlen Mister Lewis seine zweihundert?«

»Beileibe nicht,« entgegnete French. »Ihr Vorschlag zeigt, daß Sie noch nicht begriffen haben, welchen großen Coup ich landen will. Angenommen, daß ich Lewis seine zweihundert zahle und nur achthundert auf das Pferd setze, wissen Sie, wieviel ich dadurch verlieren würde, wenn die Wetten beim Start, sagen wir, fünfzig gegen eins stünden und er siegte? Zehntausend Pfund würde ich verlieren. Vermutlich wird mir jedes Hundert, das ich auf Garryowen setze, fünftausend einbringen.«

»So daß, wenn er siegt und Sie die ganzen tausend auf ihn gewettet haben –«

»Ich fünfzigtausend gewinne.«

»Und wenn er nicht siegt?«

»Wahrhaftig, dann werde ich so ratzekahl sein wie Bryan O'Lynn.«

In diesem Spiel mit dem Glück lag ein gewisses Draufgängertum, das Miß Grimshaw gefiel.

»Da ist noch eins,« sagte sie, »bitte, entschuldigen Sie meine Frage – aber – wenn Sie die tausend Pfund verlieren, wird dann alles in Ordnung sein – ich meine, werden Sie noch imstande sein, Ihren Verpflichtungen nachzukommen?«

»Halten Sie mich für einen Schwindler? Selbstverständlich werde ich zahlen können. Ist es nicht eine Ehrenschuld?«

»Gut. Dann auf zum Sieg! Sagt man nicht so? Ich helfe Ihnen, soviel in meinen Kräften steht. Wollen Sie an Mr. Todd – wie war doch sein Name? – schreiben?«

»Nein,« erwiderte Mr. French. »Ich werde morgen nach Dublin fahren und mit ihm sprechen.«


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