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Drittes Kapitel.

Im Laufe des fünften Jahres indessen – in den Ansiedelungen herrschte die beste Ordnung, schon seit Monden flatterte auf der Warte das Banner mit dem stumpfen Hufeisen und Jagienka hatte einem vierten Knaben, der Jurand genannt ward, das Leben gegeben – sagte der alte Macko eines Tages zu Zbyszko: »Alles blüht und gedeiht! Wenn mir daher der Herr Jesus noch einen Wunsch erfüllen würde, könnte ich in Frieden sterben.«

Einen prüfenden Blick auf den Ohm werfend, fragte Zbyszko hierauf: »Sprecht Ihr von dem Kriege mit den Kreuzrittern? Einen andern Wunsch hegt Ihr wohl schwerlich!«

»Ich wiederhole Dir das, was ich schon früher sagte. So lange der Großmeister Konrad lebt, kommt es nicht zum Kriege.«

»Wird er denn ewig leben?«

»Auch ich werde nicht ewig leben, und aus diesem Grunde denke ich an etwas ganz anderes.«

»An was?«

»Traun, Du thust besser daran, nicht darnach zu fragen. Jedenfalls begebe ich mich nach Spychow und suche vielleicht von dort aus die Fürstenpaare in Plock und Chersk auf.«

Diese Antwort versetzte Zbyszko in kein allzugroßes Staunen, war doch Macko im Laufe der letzten Jahre mehrmals in Spychow gewesen. Der junge Ritter fragte deshalb nur: »Gedenkt Ihr lange fort zu bleiben?«

»Länger als sonst, da ich einige Zeit in Plock verweilen werde.«

Etwa acht Tage darauf rüstete sich Macko zur Fahrt, auf die er einige Wagen, sowie eine Rüstung und Waffen mitnahm, »für den Fall, daß er innerhalb der Schranken zu kämpfen haben sollte.« Beim Abschiede wiederholte er nochmals, er gedenke länger als sonst fern zu bleiben, und dies bewahrheitete sich, vergingen doch sechs Monate, ohne daß er zurückgekehrt wäre, ohne daß er eine Botschaft geschickt hätte. Zbyszko geriet allmählich in Sorge und sandte daher schließlich einen besonderen Boten aus, der indessen Spychow nicht erreichte, da er schon jenseits Sieradz mit dem alten Ritter zusammentraf, mit dem er sofort wieder zurückkam.

Macko trug anfänglich eine etwas finstere Miene zur Schau, nachdem ihn jedoch Zbyszko von dem unterrichtet hatte, was während seiner Abwesenheit geschehen war, als er sich sagen durfte, daß alles gut stand, heiterte sich sein Antlitz ein wenig auf und er begann, von seiner Fahrt zu sprechen.

»Weißt Du, daß ich in Marienburg gewesen bin?« fragte er den Bruderssohn.

»In Marienburg?«

»Gewiß; wo denn sonst?«'

Mit großen, erstaunten Augen blickte Zbyszko zuerst auf seinen Ohm, dann schlug er sich auf die Schenkel und rief: »Bei Gott, dies schwand mir vollständig aus dem Gedächtnis.«

»Das ist bei Dir etwas ganz anderes. Du hast Deine Gelöbnisse erfüllt,« entgegnete Macko, »doch Gott schütze mich davor, daß ich jemals meiner Gelübde, meiner Ehre vergäße. Was wir gelobten, das haben wir auch stets gehalten, dieser Sitte will auch ich huldigen, so lange ich noch einen Atemzug zu thun vermag und so mir das heilige Kreuz seine Hilfe verleiht.«

Bei diesen Worten verdüsterte sich Mackos Antlitz wieder und seine Züge nahmen den drohenden und energischen Ausdruck an, den Zbyszko in solcher Weise nur zu jener Zeit an seinem Ohm wahrgenommen hatte, als sie mit Witold und mit Skirwoillo in den Kampf gegen die Kreuzritter gezogen waren.

»Was habt Ihr ausgerichtet?« fragte daher der junge Ritter. »Sprecht, sprecht, habt Ihr Euer Gelöbnis erfüllt?«

»Nein. Er wird sich mir nicht stellen.«

»Weshalb nicht?«

»Weil er Groß-Komtur geworden ist.«

»Kuno Lichtenstein ist Groß-Komtur geworden?«

»Bei meiner Treu! Sie werden ihn auch noch zum Großmeister wählen. Was kann man wissen? Jetzt dünkt er sich ja schon Fürsten ebenbürtig. Es geht die Rede, er habe jetzt schon alles zu sagen, er leite jetzt schon alle Angelegenheiten des Ordens, ohne seinen Rat unternehme der Großmeister nichts. Wird sich ein solch mächtiger Herr auf festgetretener Erde stellen? Nur Spott und Hohn würde ich bei aller Welt ernten, wenn ich eine Herausforderung an ihn ergehen ließe.«

»So hat man über Euch gespottet?« rief nun Zbyszko voll Aerger und mit blitzenden Augen.

»Die Fürstin Alexandra aus Plock hat mich fürwahr weidlich verlacht. ›Ei, so geht doch‹, sagte sie, ›und fordert den römischen Kaiser zum Kampfe. Wie uns bekannt ist‹, sagte sie, ›haben Zawisza Czarny, Powala aus Taczew und Paszko aus Biskupice den Groß-Komtur schon längst zum Kampfe gefordert, ohne daß selbst sie eine Antwort erhalten hätten. Er kann sich nicht stellen. Nicht daß es ihm an Mut gebräche‹, sagte sie, ›nein, aber er ist ein Ordensbruder, er hat ein so schweres, ein so hohes Amt zu versehen, daß ihm dergleichen Dinge ganz aus dem Sinn kommen. Wenn er sich stellte, würde er weit mehr Unehre auf sich laden, als wenn er überhaupt keine Antwort erteilt.‹ In solcher Weise hat die Fürstin Alexandra gesprochen.«

»Und wie lautete Eure Antwort?«

»Nagender Gram beugte mich fürwahr darnieder! Nichtsdestoweniger erklärte ich aber, nach Marienburg gehen zu wollen, damit ich vor Gott und den Menschen bezeugen könne, alles gethan zu haben, was in meiner Macht stand, deshalb bat ich denn die hohe Frau, sie möge mich mit einer Botschaft betrauen und mir ein Schreiben nach Marienburg mitgeben, denn sonst, das wußte ich wohl, wäre ich nicht mit heiler Haut aus diesem Wolfsnest entkommen. Doch in meinen Gedanken legte ich mir alles solchergestalt zurecht. Er hat freilich weder der Herausforderung von seiten Zawiszas, noch Powalas oder Paszkos Folge geleistet, wenn aber ich ihm in Gegenwart des Großmeisters, der Komture und der Gäste ins Gesicht schlage, oder ihm die Barthaare ausreiße, dann wird er sich mir wohl stellen.«

»Gott segne Euch!« rief Zbyszko voll Eifer.

»Traun,« fuhr der alte Ritter fort, »für alles giebt es Rat, wenn man Verstand besitzt. Doch diesesmal gewährte mir der Herr Jesus keine Gnade, denn ich traf Lichtenstein nicht in Marienburg an. Wie man mir berichtete, war er zu Witold als Gesandter geschickt worden. Ich schwankte, ob ich ihn erwarten, oder ob ich ihm folgen solle. Möglicherweise hätte ich ihn ja auf dem Wege verfehlen können. Da ich indessen schon in früheren Zeiten die Bekanntschaft des Großmeisters und des Großkämmerers gemacht hatte, vertraute ich ihnen, mit der Bitte um tiefste Verschwiegenheit, den wahren Grund meines Kommens an. Doch auch sie schrien sofort auf mich ein, mein Vorsatz sei ein vergeblicher.«

»Was für Gründe gaben sie an?«

»Die gleichen Gründe, welche die Fürstin aus Plock angeführt hat. Der Großmeister äußerte sich zudem folgendermaßen: ›Was würdest Du von mir denken, wenn ich mit jedem Ritter aus Masovien oder Polen kämpfen wollte?‹ Bei meiner Treu, darin hat er recht, denn dann wäre er schon lange nicht mehr auf dieser Welt! Jene beiden beratschlagten sich aber mit dem Kämmerer und an der abendlichen Tafel erzählten sie den ganzen Hergang. Ich sage Dir, dies wirkte, als wenn man einen Bienenschwarm aufgescheucht hätte. Die ganze Schar der Gäste sprang mit dem Rufe empor: »Wir können uns stellen, wenn Kuno es auch nicht darf.« Ich wählte mir nun drei Ritter aus, mit denen ich der Reihe nach kämpfen wollte, doch siehe da, es bedurfte der eindringlichsten Vorstellungen, damit der Großmeister auch nur einem von ihnen gestattete, sich mit mir zu messen. Dieser eine nannte sich gleichfalls Lichtenstein und war ein Blutsverwandter Kunos.«

»Traun!« rief jetzt Zbyszko, »wie ist es Euch dabei ergangen?«

»Seine Rüstung habe ich mit hierhergebracht, doch sie ist derart zerhauen, daß kein Mensch mehr etwas dafür geben wird.«

»So wahr mir Gott helfe, Ihr habt nun Euern Schwur erfüllt.«

»Anfänglich glaubte ich dies auch und war sehr glücklich darüber, doch späterhin sagte ich mir: nein, das ist nicht das Gleiche! Deshalb finde ich auch noch immer keinen Frieden, denn es ist nicht das Gleiche.«

Nun versuchte Zbyszko den Ohm zu trösten, indem er sagte: »Ihr kennt mich und wißt, daß ich in solchen Angelegenheiten sowohl gegen mich wie gegen andere ein strenger Richter bin; wenn ich aber das erreicht hätte, was Ihr erreicht habt, würde ich zufrieden sein. Sogar die berühmtesten Ritter in Krakau müßten mir Recht geben, wenn man ihre Meinung einholte. Selbst Zawisza, ein Muster an ritterlicher Ehre, könnte nicht anders urteilen.«

»Glaubst Du dies in der That?« fragte Macko.

»Bedenkt doch nur eins: jene Ritter, deren Ruhm die ganze Welt erfüllt, wollten mit ihm kämpfen, doch keinem ist das gelungen, was Ihr gethan habt. Was nützte es jenen, wenn sie Lichtenstein den Tod schwuren? Ihr aber habt einen Lichtenstein erschlagen.«

»Das ist wahr!« meinte nun der alte Ritter.

Doch Zbyszko, dem jeder ritterliche Kampf großes Interesse einflößte, fragte jetzt: »Laßt hören! Sagt mir: war er jung oder alt, und wie habt Ihr gekämpft, zu Pferde oder zu Fuß?«

»Fünfunddreißig Jahre war er alt. Sein Bart reichte bis zum Gürtel und hoch zu Roß saß er. Gott stand mir bei, so daß ich ihn mit der Lanze treffen konnte. Dann erst kam es zum Streite mit den Schwertern Ich sage Dir, das Blut schoß ihm stromweise aus dem Mund, sein langer Bart war purpurrot gefärbt.«

»Seht Ihr? Wie oft habt Ihr doch darüber geklagt, das Alter drücke Euch darnieder.«

»Gewiß! Doch wenn ich auch zu Roß oder zu Fuß siegreich gekämpft und tapfer ausgehalten habe, in voller Rüstung in den Sattel zu springen, vermochte ich nicht mehr.«

»Hei! Kuno selbst würde von Euch besiegt worden sein.«

Der alte Ritter machte eine verächtliche Handbewegung wie zum Zeichen, daß er mit Kuno ein noch leichteres Spiel gehabt haben würde, und forderte dann Zbyszko auf, mit ihm die Rüstung zu besichtigen, die er nur als Siegestrophäe mitgebracht hatte, da sie ja trotz der trefflichen Arbeit, mit Ausnahme des Hüftbleches und der Beinschienen, ganz ohne Wert war.

»Lieber wäre es mir freilich, wenn ich Dir die Rüstung Kunos zeigen könnte!« erklärte Macko schließlich in düsterem Tone.

»Gott der Herr weiß am besten, was uns frommt!« entgegnete Zbyszko. »So Kuno Großmeister wird, könnt Ihr nur in einer gewaltigen Schlacht auf einen Zusammenstoß mit ihm rechnen.«

»Ich horchte nach allen Seiten hin, um zu hören, was die Leute sagten,« warf Macko ein. »Etliche meinten, auf Konrad werde Kuno kommen, andere nannten Ulryk, den Bruder Konrads, als dessen Nachfolger.«

»Ich würde Ulryk den Vorzug geben!« rief Zbyszko.

»Ich auch, und weißt Du, weshalb? Kuno ist klüger und listiger, Ulryk entflammbarer, ein echter Ritter, der auf Ehre hält und den Krieg ebenso herbeisehnt wie wir. Man spricht allgemein davon, daß, falls er Großmeister werden sollte, ein Sturm losbrechen würde, wie ihn die Welt noch nie zuvor gesehen habe. Konrad leidet an Schwächeanfällen. In meiner Gegenwart ist er einmal ohnmächtig geworden. Man weiß nicht, wie bald es eine Aenderung geben kann. Hei, vielleicht erleben wir noch die Erfüllung unseres Wunsches.«

»Gott gebe es! Sind denn wieder neue Mißhelligkeiten ausgebrochen?«

»Alte und neue Zwistigkeiten sollten geschlichtet werden. Ein Kreuzritter bleibt eben stets ein Kreuzritter. Selbst wenn er weiß, daß Du ihm überlegen bist, und daß er Dir gegenüber leicht den Kürzeren ziehen kann, wird er Dir auflauern, weil er nun einmal nicht anders zu handeln vermag.«

»Ein jeder von ihnen stellt eben die Macht des Ordens über die aller Königreiche.«

»Nicht alle Kreuzritter, doch gar viele unter ihnen, sind dieser Meinung, der vornehmlich Ulryk huldigt. Und fürwahr – ihre Stärke ist unermeßlich.«

»Erinnert Ihr Euch aber dessen, was Zyndram aus Maszkowice sagte –«

»Wohl erinnere ich mich dessen. Und mit jedem Jahr wird es schlimmer. Der Bruder empfängt den Bruder nicht so, wie ich allerorts empfangen ward, wenn gerade kein Kreuzritter Zeuge davon war. Immer verhaßter macht sich der Orden.«

»Wir werden daher nicht mehr lange zu warten haben?«

»Ob noch lange oder nicht mehr lange, wer kann dies wissen?« antwortete Macko. »Inzwischen aber,« fügte er hinzu, »dürfen wir uns keine Ruhe gönnen, müssen wir unsern Besitz zu vergrößern suchen, damit wir würdig auf dem Walplatze erscheinen können.«


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