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Neuntes Kapitel.

Als Zbyszko und Macko in Plock anlangten, trafen sie niemand von dem Hofe, da sich das Fürstenpaar mit seinen acht Kindern, auf eine Einladung der Fürstin Anna Danuta hin, nach Chersk begeben hatte. Von dem Bischof hörten indessen die Ankommenden, daß Jagienka in Spychow bei dem sterbenden Jurand weile. Da sich nun aber die beiden Ritter selbst auf dem Wege dahin befanden, war ihnen die Kunde von der Anwesenheit Jagienkas in Spychow äußerst willkommen.

»Vielleicht hat sie es auch nur gethan, um uns nicht zu verfehlen,« meinte der alte Ritter. »Wie lange schon habe ich sie nicht mehr gesehen und wie freue ich mich auf das Zusammentreffen. Hei, gar sehr ist sie mir zugethan. Und gewachsen muß die Maid sein, und gewiß ist sie noch schöner geworden.«

»Sie hat sich wunderbar verändert,« warf Zbyszko ein. »Trotz ihrer Schönheit konnte man sie früher nur ein schlichtes Mägdlein nennen, während jetzt – eines Königs wäre sie würdig.«

»In solcher Weise hat sie sich verändert? Bei meiner Treu, sie entstammt ja dem alten Geschlechte der Jastrzebiec aus Zgorzelic, deren Schlachtruf ›Auf zum Feste‹ lautete.«

Da Zbyszko keine Antwort erteilte, hub Macko nach kurzem Schweigen wieder also an: »Gewiß verhält es sich so, wie ich Dir gesagt habe, denn ihr Wunsch ist es, nach Zgorzelic zurückzukehren.«

»Daß sie überhaupt von dort wegging, setzt mich in Staunen.«

»Hat sie es denn nicht wegen der Hinterlassenschaft des Abtes gethan, ganz abgesehen von der Furcht, die sie vor Cztan und Wilk hegte. Ich selbst habe ihr auch vorgestellt, wie sehr sie durch ihre Anwesenheit in Zgorzelic die Sicherheit ihrer beiden Brüder gefährde.«

»Bei meiner Treu, Waisen zu überfallen, scheut sich doch ein jeder.«

Macko schaute eine Weile sinnend vor sich hin.

»Ob sie sich wohl dafür an mir gerächt haben, weil ich die Maid aus Zgorzelic fortführte!« ergriff er dann aufs neue das Wort. »Vielleicht steht in Bogdaniec kein Stein mehr über dem andern. Gott allein kann dies wissen! Ich weiß ja nicht einmal, ob ich nach meiner Rückkunft im stande sein werde, mich zu verteidigen. Jene Burschen sind jung und kräftig, ich aber bin alt.«

»Ach was, alt!« antwortete Zbyszko, »das glaubt Euch keiner, der Euch sieht.«

Macko sprach in der That nicht ganz aufrichtig, denn ihm lag jetzt etwas Anderes im Sinn, doch winkte er nur mit der Hand und sagte: »Ja, wenn ich in Marienburg nicht krank gewesen wäre, dann hättest Du recht. Aber darüber wollen wir in Spychow reden.«

Und am folgenden Tage, nachdem sie in Plock übernachtet hatten, brachen sie nach Spychow auf.

Es kamen nun schöne, helle Tage, der Weg war trocken, nicht beschwerlich und zudem gefahrlos, denn anläßlich des letzten Vergleiches hatten die Kreuzritter den räuberischen Ueberfällen an der Grenze Einhalt gethan. Ueberdies gehörten die beiden Ritter zu der Art von Leuten, denen gegenüber es auch für Räuber geratener war, sich ehrerbietig fern zu halten, als ihnen nahe zu kommen. Daher ging die Fahrt sehr rasch von statten, und am fünften Tage nachdem sie Plock verlassen hatten, trafen sie ohne besondere Fährlichkeiten in Spychow ein. Jagienka, die Macko als ihren besten Freund auf der Welt betrachtete, begrüßte ihn wie einen Vater, und er, der sonst nicht leicht zu rühren war, zeigte sich tief bewegt durch die Anhänglichkeit der jungen Maid, welche er so innig liebte. Als nach einer Weile Zbyszko nach Jurand fragte und dann zu diesem sowie in die Gruft seiner dahingeschiedenen Ehegemahlin ging, seufzte der alte Ritter tief auf und sagte: »Ja, Gott nahm zu sich, wen er zu sich nehmen wollte, und wen er zurücklassen wollte, den ließ er zurück, aber ich glaube, daß jetzt unsere Mühseligkeiten und unsere Wanderungen durch Wildnisse auf schlechten Pfaden zu Ende sind.«

Gleich darauf fügte er hinzu: »Hei! Was hat uns der Herr Jesus nicht alles zugefügt in diesen letzten Jahren!«

»Aber Gottes Hand beschützte Euch!« entgegnete Jagienka.

»Wohl, sie beschützte uns! Wenn ich offen reden soll, ist es aber jetzt an der Zeit, uns nach Hause zu begeben.«

»Solange Jurand am Leben ist, müssen wir hier bleiben,« antwortete die junge Maid.

»Und wie steht es mit ihm?«

»Er richtet sein Angesicht nach oben und lächelt. Offenbar erschaut er schon das Paradies und sein Kind.«

»Und Du pflegst ihn?«

»Ja, ich pflege ihn, aber Pater Kaleb sagt, daß auch Engel über ihn wachen. Gestern hat die Wirtschafterin zwei Engel gesehen.«

»Man sagt,« erwiderte Macko, »für einen Edelmann sei es am ehrenvollsten, auf dem Schlachtfelde zu sterben, wenn man aber wie Jurand dem Tode entgegengeht, dann ist es auch ehrenvoll, auf dem Lager zu sterben.«

»Er ißt nichts und trinkt nichts, aber fortwährend lächelt er,« bemerkte Jagienka.

»Gehen wir zu ihm. Zbyszko wird gleichfalls dort sein.«

Doch Zbyszko hatte nur kurze Zeit bei Jurand verweilt, welcher niemand erkannte – ihn zog es zu Danusias Sarg in das Grabgewölbe. Hier blieb er so lange, bis der alte Tolima kam, um ihn zum Mahle zu holen. Nun erst, als er hinaustrat, gewahrte er beim Lichte der Fackel, daß der Sarg mit Kränzen aus Flockenblumen und Ringelblumen geschmückt, der Platz rings umher gesäubert und mit Kalmus, Huflattich und Lindenblüten bestreut war, welche einen angenehmen Duft verbreiteten. Des jungen Kämpen Herz schwoll bei diesem Anblick und er fragte: »Wer hat die Gruft in dieser Weise geziert?«

»Die Jungfrau aus Zgorzelic,« entgegnete Tolima.

Der junge Ritter erwiderte jetzt nichts darauf, doch einen Augenblick später, als er Jagienka wiedersah, sank er vor ihr nieder, umfaßte ihre Knie und rief:

»Gott lohne Dir für Deine Güte und für die Blumen, welche Du Danusia geweiht hast.«

Bei diesen Worten weinte er bitterlich, und sie umfaßte sein Haupt mit beiden Händen, wie eine Schwester, welche ihren trauernder Bruder beruhigen will, und sagte: »O mein Zbyszko, wie gern würde ich Dich trösten.«

Und unaufhaltsam flossen nun die Thränen auch aus ihren Augen.


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