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Zehntes Kapitel.

Einige Tage später starb Jurand. Während einer ganzen Woche wurden von Pater Kaleb Messen für den Toten gelesen, an dem keine Spur von Verwesung zu bemerken war. Dies ward von allen als ein göttliches Wunder betrachtet, und während einer ganzen Woche kamen Scharen von Gästen nach Spychow. Dann folgte eine Zeit der Ruhe und Stille, wie gewöhnlich nach einem Begräbnisse. Zbyszko ging häufig in das Grabgewölbe, zuweilen auch mit der Armbrust in den Wald, doch schoß er keine Pfeile auf wilde Tiere ab, sondern wanderte in Gedanken verloren umher. Schließlich, eines Abends, kam er in die Stube, worin die beiden Mägdlein mit Macko und Hlawa beisammen saßen, und begann ganz unerwarteter Weise: »Hört, was ich zu sagen habe! Kummer ist keinem Menschen zuträglich, daher ist es besser für Euch, nach Bogdaniec und nach Zgorzelic zurückzukehren, als hier Eure Tage zu vertrauern.«

Ein tiefes Schweigen folgte, denn alle errieten, daß nun gar Wichtiges zur Sprache kommen werde – und erst nach einer Weile ließ sich Macko also vernehmen: »Für uns wird es besser sein, aber auch für Dich.«

Doch Zbyszko schüttelte sein goldblondes Haupt.

»Nein!« antwortete er, »Gott gebe, daß auch ich nach Bogdaniec zurückkehren kann, aber jetzt muß ich einen andern Weg einschlagen.«

»Hei!« rief Macko aus, »ich glaubte. Du seist jetzt endlich am Ziele angelangt, aber hier giebt es, wie es scheint, kein Ziel. Fürchte doch Gott, Zbyszko!«

»Ihr wißt doch, daß ich ein Gelübde gethan habe.«

»Ist dies der Grund? Danuska ist nicht mehr am Leben und somit ist auch Dein Gelübde hinfällig geworden. Der Tod hat Deinen Schwur gelöst.«

»Sie würde mich von meinem Schwur gelöst haben, aber nicht ihr habe ich geschworen. Bei meiner Ritterehre habe ich zu Gott geschworen. Bedenkt doch! Bei meiner Ritterehre!«

Alles, was die Ritterehre betraf, übte einen gleichsam magischen Einfluß auf Macko aus. Außer den Geboten Gottes und der Kirche gab es für ihn nur wenige Gesetze, die ihm zur Richtschnur dienten, aber von diesen wenigen ließ er sich auch vollständig leiten.

»Ich sage Dir ja nicht, daß Du Deinen Schwur nicht halten sollst,« bemerkte er.

»Aber was meint Ihr denn?«

»Ich meine nur, daß Du ja auch später Zeit für alles hast, weil Du noch gar jung bist. Gehe jetzt mit uns, ruhe Dich aus – schüttle ab, was Dich bedrückt – und dann, dereinst magst Du wieder in die Ferne ziehen, wenn Du Lust hast.«

»Ich will so offen reden wie in der Beichte,« entgegnete Zbyszko. »Seht, ich thue das, wozu es mich drängt, ich schwatze mit Euch, ich esse und trinke wie jeder Mensch, doch erkläre ich Euch der Wahrheit gemäß, daß ich mir im Innern, in meiner Seele, weder zu raten noch zu helfen weiß. Nur Trauer, nur Leid erfüllen mein Herz und bittere Thränen strömen mir unaufhaltsam aus den Augen.«

»Gerade unter Fremden wirst Du Dich am meisten bedrückt fühlen.«

»Nein,« antwortete Zbyszko – »Gott ist mein Zeuge, daß ich in Bogdaniec vollständig von Kräften käme. Wenn ich Euch sage, daß ich nicht mit Euch gehen kann, so müßt Ihr mir glauben. Streit und Kampf sind mir notwendig, denn sie bringen mir Vergessenheit. Ich weiß, wenn ich mein Gelübde erfülle, wenn ich zu jener in das ewige Heil eingegangenen Seele zu sagen vermag: alles was ich Dir versprach, habe ich erfüllt, dann wird sie mich vollständig freigeben. Aber früher nicht! Nicht mit Stricken könntet Ihr mich in Bogdaniec festhalten.«

Nach diesen Worten ward es stille in der Stube, so stille, daß man die Fliegen an den Wänden hörte.

»Wenn er in Bogdaniec vollständig zu Grunde gehen würde, dann ist es besser, er zieht in die Ferne,« ließ sich schließlich Jagienka vernehmen.

Macko preßte beide Hände an den Kopf, wie er gewöhnlich zu thun pflegte, wenn ihm irgend etwas Kummer machte, dann seufzte er tief und sagte: »Barmherziger Gott!«

Jagienka indessen fuhr fort: »Zbyszko, aber Du schwörst doch, daß wenn Gott Dich am Leben erhält. Du nicht hier bleibst, sondern zu uns zurückkehrst?«

»Weshalb sollte ich nicht zu Euch zurückkehren? Wohl werde ich Spychow nicht meiden, aber hier bleiben werde ich nicht.«

»Wenn Du Dich nicht von jenem Totenschrein trennen willst,« setzte nun die junge Maid in etwas leiserem Tone hinzu, »können wir ihn nach Krzesnia überführen.«

»Jagus!« rief Zbyszko aus.

Und hingerissen von Dankbarkeit sank er zu ihren Füßen nieder.


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