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Elftes Kapitel.

Der alte Ritter wollte sich durchaus mit Zbyszko zu dem Kriegsheere des Fürsten Witold begeben, aber jener ließ es nicht zu, daß sein Ohm auch nur davon sprach. Er bestand darauf, allein und ohne Gefolge, ohne Wagen, nur mit drei bewaffneten Mannen auszuziehen, von denen der eine die Nahrungsmittel, der zweite die Waffen und Kleider, der dritte die Bärenfelle, deren man sich beim Schlafen zu bedienen pflegte, mit sich führen sollte. Umsonst flehten ihn Jagienka und Macko an, Hlawa mitzunehmen, dessen Kraft, Treue und Ergebenheit sich so oft schon bewährt hatten. Er blieb unerschütterlich, indem er behauptete, er müsse Vergessenheit für den Gram suchen, der an ihm zehre, die Gegenwart des Knappen aber erinnere ihn an alles, was gewesen und nun vergangen sei.

Aber ehe er aufbrach, wurden noch ernste Beratungen darüber abgehalten, was mit Spychow zu thun sei. Nach Mackos Ansicht war es am besten, die Besitzung zu verkaufen. Er nannte diesen Erdboden einen unglückseligen, welcher noch keinem Menschen Glück gebracht habe. In Spychow hatte sich ein großer Reichtum angesammelt, es herrschte Ueberfluß an Gold, Waffen, Pferden, Gewändern, Pelzen, wertvollen Fellen, kostbarem Hausrat und auch an Viehherden, und in Mackos Seele war der Wunsch rege, all diese Schätze für Bogdaniec zu verwenden, das ihm teurer war als irgend ein anderer Ort auf der Welt. Sie berieten lange darüber, doch Zbyszko wollte nimmermehr in den Verkauf willigen.

»Wie kann ich dies den Gebeinen Jurands anthun?« sagte er. »Soll ich ihm auf diese Weise die Wohlthaten vergelten, mit denen er mich überschüttet hat?«

»Wir versprachen Dir, Danusias Totenschrein mit uns zu nehmen,« antwortete Macko, »wir können auch Jurands Leichnam überführen.«

»Er ruht hier bei seinen Vätern und würde sich in Krzesnia nach diesen sehnen. Nehmt Ihr Danusia mit, so ist er getrennt von seiner Tochter, nehmt Ihr auch ihn mit, so begeht man ein Unrecht an den Vorfahren.«

»Weißt Du denn nicht, daß Jurand im Paradiese täglich alle sieht? Und Pater Kaleb sagt ja, daß er im Paradiese ist,« entgegnete der alte Ritter.

Doch Pater Kaleb, welcher auf Zbyszkos Seite war, erklärte: »Seine Seele ist im Paradiese, aber sein Körper wird auf Erden bleiben bis zum jüngsten Gericht.«

Macko bedachte sich ein wenig, und seinem eigenen Gedankengang folgend, warf er jetzt ein: »Jurand wird freilich die nicht sehen, welche nicht in das ewige Heil eingegangen sind, aber dem ist nicht abzuhelfen.«

»Wozu Gottes Ratschluß zu erforschen suchen?« rief Zbyszko. »Und Gott gebe es nicht zu, daß ein Fremdling über der heiligen Asche von Jurands Vätern wohne. Weit besser ist's, ich lasse Jurands und Danusias sterbliche Ueberreste in der Gruft ihrer Väter, und Spychow würde ich nicht verkaufen, wenn man mir auch ein Fürstentum dafür böte.«

Aus diesen Worten entnahm Macko, daß sein Wunsch nicht in Erfüllung gehen werde, denn er kannte die Halsstarrigkeit seines Bruderssohnes, und im Innern verurteilte er sie nicht, wie er denn alles gut hieß, was von dem jungen Kämpen ausging.

Daher bemerkte er nach einer Weile: »Der Bursche spricht mir zwar gegen den Strich, aber in dem, was er sagt, ist eine gewisse Wahrheit enthalten.«

Gleichwohl war er ärgerlich und bekümmert, denn er wußte nicht, was nun zu thun sei.

Doch Jagienka, welche bisher geschwiegen hatte, machte jetzt, einen neuen Vorschlag: »Am besten wäre es, wenn sich ein redlicher Mann fände, der Spychow verwalten oder in Pacht nehmen würde. Das Gut zu verpachten, wird wohl das Angemessenste sein, denn Ihr habt dann keine Sorge und Plage und immer bares Geld. Wäre vielleicht Tolima der Richtige? Freilich, er ist alt und versteht sich besser auf die Kriegskunst als auf die Landwirtschaft. Also wenn er sich nicht dazu bereit erklärt, würde Pater Kaleb es vielleicht thun?«

»Liebes Mägdlein!« antwortete Pater Kaleb, »für Tolima und mich wird sich gar bald eine geeignete Ruhestätte finden, aber die Erde, welche uns dann deckt, ist nicht die, auf der wir jetzt wandeln.«

So sprechend, wendete er sich zu Tolima: »Ist's nicht so, Alter?«

Tolima legte die Hand an sein spitziges Ohr und fragte, um was es sich handle. Als ihm alles laut und deutlich erklärt ward, bemerkte er: »Das ist die heilige Wahrheit. Zur Landwirtschaft tauge ich nicht! Das Beil verstehe ich besser zu führen als den Pflug. Meinen Herrn und seine Tochter möchte ich noch rächen.«

Und er streckte seine mageren aber sehnigen Hände mit den gekrümmten Fingern aus, welche den Klauen eines Raubvogels glichen, dann wendete er sein graues, wolfsähnliches Haupt gegen Macko und Zbyszko, indem er hinzufügte: »Nehmt mich mit, wenn Ihr gegen die Deutschen auszieht, Euer Gnaden, da kann ich Euch gute Dienste leisten.«

Und er sprach wahr. Hatte er doch nicht wenig zur Vergrößerung von Jurands Reichtum beigetragen, aber nicht durch friedliche Feldarbeit, sondern durch Beute, die er im Kriege gemacht.

Da begann Jagienka, die während dieses Gespräches im stillen erwogen hatte, was nun zu thun sei, aufs neue: »Hier ist ein junger Kämpe nötig, der niemand fürchtet – liegt

.

»Gehe nicht in den Tod!«

doch das Gebiet von Spychow an der Grenze des Ordens – ein junger Kämpe, sage ich, der sich vor den Deutschen nicht verbergen, ja, sie sogar aufsuchen würde, mit einem Worte, ich glaube, daß Hlawa der richtige Mann wäre ...«

»Seht, wie sie wieder Pläne macht,« rief Macko aus, dem es, trotz seiner Liebe für Jagienka, nicht in den Sinn wollte, daß in einer solchen Angelegenheit auch ein Weib, und zudem ein unverheiratetes, das Wort nahm.

Aber der Böhme erhob sich von der Bank, auf der er saß, und sagte: »Gott weiß, daß ich gerne mit Herrn Zbyszko in den Krieg ziehen würde, denn wir haben miteinander schon manchen Deutschen gerupft – und wir könnten vielleicht noch mehr rupfen ... Aber wenn ich hier bleiben soll, so bleibe ich. Tolima ist mein Freund und er kennt mich ... die Grenze des Ordensgebietes ist ganz nahe ... Gut! das ist mir gerade recht. Wir wollen sehen, wer der Nachbarschaft zuerst überdrüssig wird. Ich sie fürchten! Nein! Aber sie sollen mich fürchten! Auch verhüte unser Herr Jesus, daß ich Euer Gnaden durch die Bewirtschaftung Schaden zufüge und alles an mich raffe. Hierin kann die Jungfrau Zeugnis für mich ablegen, denn sie weiß, daß ich lieber hundertmal sterben als ihr Vertrauen mißbrauchen würde ... Von der Landwirtschaft verstehe ich so viel als ich in Zgorzelic gelernt habe, doch das habe ich schon wahrgenommen, daß man hier häufiger Beil und Schwert als den Pflug handhaben muß. Und dies alles ist sehr nach meinem Sinne, nur ... Wenn ich hier bleibe ...«

»Nun, was meinst Du?« fragte Zbyszko. »Weshalb zögerst Du?«

»Nun, wenn die Herrin in die Ferne zieht, dann ziehen auch alle mit ihr. Krieg zu führen und auf einem Gute zu wirtschaften, muß recht schön sein, aber ganz allein ... Ohne Beistand ... Es wäre mir furchtbar traurig zu Mute ohne die Herrin und ohne ... das muß ich sagen ... und da die Herrin nicht ohne Begleitung fortgeht ... so würde niemand mir hier helfen ... daher weiß ich nicht ...«

»Wovon schwatzt dieser Bursche denn?« fragte Macko.

»Ihr habt einen scharfen Verstand und habt doch nichts erraten,« erwiderte Jagienka.

»Was meinst Du?«

Doch anstatt zu antworten, wendete sie sich an den Knappen: »Und wenn Anielka Sieciechowa bei Dir bliebe – würdest Du hier aushalten?«

Hier warf sich der Böhme so gewaltsam zu ihren Füßen nieder, daß der Staub vom Fußboden aufflog.

»Mit ihr würde ich auch in der Hölle aushalten!« rief er, Jagienkas Knie umfassend.

Als Zbyszko diesen Ausruf hörte, blickte er voll Staunen auf den Knappen, da er zuvor nichts gewußt und auch nichts geahnt hatte, und Macko verwunderte sich im stillen nicht wenig darüber, daß eine Frau in allen Lebensfragen eine so wichtige Rolle spielen, und daß durch sie eine Sache vollständig glücken oder fehlschlagen kann.

»Gott sei gepriesen,« murmelte er, »daß ich den Weibern niemals viel Beachtung geschenkt habe.«

Sich wiederum zu Hlawa wendend, sagte Jagienka indessen: »Nun müssen wir nur noch fragen, ob Anielka mit Dir hier bleiben will.«

Sie rief die junge Maid herbei, und diese erriet offenbar, um was es sich handle, denn sie hielt die Hände über die Augen, als sie eintrat, und hatte das Haupt so tief herabgesenkt, daß nur ihre hellen Haare zu sehen waren, welche unter den auf sie fallenden Sonnenstrahlen noch lichter aussahen als sonst. An der Thüre blieb sie stehen, dann aber eilte sie auf Jagienka zu, fiel vor ihr nieder und barg ihr Gesicht in deren Gewande. Und Hlawa kniete an Anielkas Seite nieder und sagte: »Segnet uns, Herrin!«


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