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Viertes Kapitel.

Zbyszko warf sich der Herrin von Plock zu Füßen und bot ihr seine Dienste an. Anfänglich erkannte sie den jungen Ritter nicht, hatte sie ihn doch seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Als er ihr indessen seinen Namen nannte, meinte sie: »Ja, so ist es! Ich glaubte, Ihr gehörtet zu dem Hofstaat des Königs. Zbyszko aus Bogdaniec! Wahr und wahrhaftig! Euer Ohm, der alte Ritter aus Bogdaniec, weilte ja als Gast bei uns, und ich erinnere mich noch sehr wohl, wie meine Thränen, wie die Thränen meiner Hoffräuleins flossen, als er uns seine Erlebnisse schilderte. Habt Ihr denn Euer junges Weib gefunden? Wo ist sie jetzt?«

»Sie ist tot, wohledle Frau.«

»O Du geliebter Jesus! Sprecht nicht so, sonst kann ich meine Thränen nicht zurückhalten. Doch sie ist gewiß im Himmel, das ist wenigstens ein Trost, und Ihr seid noch sehr jung. Allbarmherziger Gott, welch schwache Kreaturen sind doch die Frauen. Aber im Himmel wird man für alles belohnt, und dort findet Ihr sie wieder. Ist der alte Ritter aus Bogdaniec bei Euch?«

»Nein, in Gefangenschaft befindet er sich bei den Kreuzrittern, und ich habe mich aufgemacht, um ihn auszulösen.«

»Das Glück war ihm also auch nicht hold! Er scheint indessen ein sehr scharfsinniger Mensch zu sein, der sich rasch jeder Lage anzubequemen weiß. Habt Ihr ihn losgekauft, dann kommt hierher zu uns zurück. Gar glücklich werden wir uns schätzen, Euch beide zu sehen, denn ich hege die feste Ueberzeugung, daß es Eurem Ohm ebenso wenig an Verstand, wie Euch an Schönheit mangelt.«

»Gern wollen wir dies thun, wohledle Frau, bin ich doch auch jetzt hierhergekommen, um von Euch, gnädigste Herrin, eine Gunst für meinen Ohm zu erbitten.«

»Sehr wohl! Stellt Euch nur morgen vor dem Aufbruche zur Jagd bei mir ein; dann werde ich genügend Zeit für Euch haben.«

Die weitere Unterredung wurde durch Paukenschläge und abermalige Trompetenstöße unterbrochen, ein Zeichen von dem Nahen des Fürstenpaares aus Masovien. Da Zbyszko und die Fürstin von Plock am Eingange standen, bemerkte Anna Danuta den jungen Ritter sofort und trat unverweilt auf ihn zu, ohne die tiefe Verneigung des Gastgebers zu beachten.

Zbyszko aber, bei ihrem Anblick aufs neue von herbem Schmerz ergriffen, warf sich ihr zu Füßen, umfaßte ihre Knie und vermochte kein Wort hervorzubringen. Da beugte sich die Fürstin über ihn und während Thräne auf Thräne auf sein goldblondes Haar fiel, nahm sie sein Haupt zwischen ihre Hände, wie eine Mutter, die über das Unglück ihres Sohnes weint.

Zum großen Staunen der Gäste und der Hofleute weinte sie lange, lange, indem sie beständig die Worte wiederholte: »O Jesus! O allbarmherziger Jesus!« Endlich beruhigte sie sich ein wenig und sagte, Zbyszko emporhebend: »Ich weine um sie, um meine Danusia, und ich weine um Dich. Gott der Herr hat es so gefügt, daß all die Beschwerden, welche Du ertragen hast, umsonst gewesen sind, wie wir auch jetzt nutzlos unsere Thränen vergießen. Doch erzähle mir von ihr und von ihrem Tode, denn selbst wenn ich Dir bis Mitternacht lauschte, würde ich nicht genug von ihr zu hören bekommen.«

So sprechend nahm sie ihn beiseite, genau so wie es der Herr von Taczew zuvor gethan hatte. Jene Gäste indessen, die Zbyszko nicht kannten, fragten insgesamt nach dessen Erlebnissen, so daß geraume Zeit von nichts anderem die Rede war wie von ihm, von Danusia, von Jurand. Die Gesandten des Ordens, Frydrych von Wenden, der Komtur von Thorn, welcher in besonderer Botschaft zu dem Könige entsandt worden war, und Jan von Schönfeld, der Komtur von Osterode, erkundigten sich eingehend nach allem, und besonders letzterer, ein aus Schlesien stammender Deutscher, der daher sehr gut polnisch sprach, erfuhr leicht, was er wissen wollte, und als er aus dem Munde Jaskos aus Zabierz, einem Hofherrn des Fürsten Janusz, das Wissenswerteste gehört hatte, erklärte er: »Danveld und de Löwe sind bei dem Großmeister angeklagt worden – sie sind der Ausübung der schwarzen Magie beschuldigt worden.«

Doch eingedenk dessen, daß selbst die Erwähnung derartiger Vorgänge einen Schatten auf den ganzen Orden werfen könne, wie dies seiner Zeit bei dem Templerorden der Fall gewesen war, fügte er hastig hinzu: »Dies behaupten freilich nur einige Schwätzer, denn die Anklage entbehrt jeder Begründung. Kein Glied unseres Ordens läßt sich etwas dergleichen zu schulden kommen!«

Der Herr aus Taczew jedoch, der in der Nähe des Sprechenden stand, meinte aber nun: »Weshalb sollten die, welche die Bekehrung Litauens vereitelt haben, nicht das Kreuz mißachten!«

»Wir tragen das Kreuz auf unsern Mänteln!« erklärte Schönfeld hochmütig.

Darauf entgegnete Powala: »In unsern Herzen müssen wir es tragen.«

Im gleichen Augenblicke ertönten die Trompeten noch lauter als zuvor, verkündigten sie doch den Eintritt des Königs, gefolgt von dem Erzbischof von Gnesen, dem Bischof von Plock, dem Kastellan von Krakau und von einigen andern Würdenträgern und Hofleuten, unter denen sich auch Zindram aus Maszkowice, der eine Sonne im Wappen hatte, befand, sowie der junge Knäs Jamont, welcher neben dem Könige herschritt. Mit Jagiello war kaum eine Veränderung vorgegangen, seitdem ihn Zbyszko zum ersten Male gesehen hatte. Auf seinen Wangen prangte noch die gleiche, ausfallende Röte wie früher, wie damals in Krakau schob er noch immer von Zeit zu Zeit seine langen Haare hinter die Ohren und schaute unstäten Blickes umher. Dagegen dünkte es Zbyszko, der König trete mit größerer Würde und Majestät als früher auf, gerade als ob er sich auf dem Throne jetzt sicherer fühle, auf den er nach dem Tode der Königin, von der Empfindung geleitet, daß er sich vielleicht nicht behaupten könne, hatte verzichten wollen, und wie wenn ihm jetzt erst das volle Bewußtsein seiner unermeßlichen Macht, seiner Bedeutung aufgegangen wäre. Die zwei masovischen Fürsten traten zu beiden Seiten des Herrschers, die deutschen Gesandten neigten sich tief vor ihm und rings um ihn bildete sich ein Kreis von Würdenträgern und Hofleuten. Die den Burghof umgebenden Mauern erzitterten unter den unaufhörlichen Rufen, den Trompetenstößen und den Paukenschlägen.

Nachdem schließlich Stille eingetreten war, versuchte der Gesandte von Wenden sofort, eine Angelegenheit des Ordens zur Sprache zu bringen, allein kaum bemerkte der König diese Absicht, so winkte er abwehrend mit der Hand und sagte mit seiner tiefen, weithin tönenden Stimme: »Schweig davon! Freude und Frohsinn sollen hier herrschen, an Speise und Trank wollen wir uns erlaben, von diesen alten Geschichten wollen wir nichts hören.«

Da er aber offenbar nicht wünschte, der Kreuzritter könne denken, er spreche im Zorn, fügte er gleich darauf, gutmütig lächelnd, hinzu: »In Naciaz werden wir Zeit genug haben, diese Angelegenheiten mit dem Großmeister zu besprechen.«

Dann wandte er sich zu dem Fürsten von Plock mit den Worten: »Aber morgen geht's in die Wälder – zur Jagd – wie?«

Diese Frage bekundete gleichzeitig auch seinen Wunsch, an diesem Abend von nichts anderem wie von der Jagd zu sprechen, die er leidenschaftlich liebte und um deretwillen er stets gar gern nach Masovien kam, da Klein- und Großpolen weit weniger bewaldet und so bevölkert waren, daß es dort stellenweise ganz und gar an Forsten gebrach.

Die Gäste schauten nun äußerst vergnügt darein, wußten sie doch, daß der König heiter und guter Dinge war, sobald er über die Jagd sprechen konnte. Fürst Ziemowit setzte auch unverweilt auseinander, wohin sie aufbrechen wollten, und auf welche Tiere Jagd gemacht werden solle, während Fürst Janusz einen seiner Hofherren in die Stadt sandte, um von dort seine beiden »Schützer« zu holen, die er Jagiello vorführen wollte, weil sie im stande waren, wilde Auerochsen an den Hörnern aus den sie umschlingenden Netzen herbeizuführen oder Bären die Knochen zu zerbrechen.

Zbyszko drängte es, sich dem Fürsten Janusz zu nähern und sich vor ihm zu neigen, allein er vermochte nicht durchzukommen. Er konnte nur aus der Ferne den Knäs Jamont sehen, der augenscheinlich die ihm seiner Zeit in Krakau von Zbyszko erteilte scharfe Antwort vergessen hatte, denn er neigte freundlich das Haupt und bedeutete den jungen Ritter durch allerlei Zeichen, er möge so bald wie thunlich näher treten. In diesem Augenblick fühlte Zbyszko eine Hand auf seiner Schulter, und eine süße Stimme flüsterte ihm leise zu: »Zbyszko!«

Sich rasch umwendend, sah er Jagienka vor sich stehen. Dadurch, daß der junge Ritter zuerst die Fürstin von Plock begrüßt und dann mit Anna Danuta gesprochen hatte, war er bis jetzt dem Mägdlein fern geblieben, Jagienka benützte daher die durch den Eintritt des Königs verursachte Erregung und eilte auf ihn zu.

»Zbyszko,« wiederholte sie, »Zbyszko, Gott und die heilige Jungfrau mögen Dir Trost verleihen.«

»Gott lohne Euch Euere guten Worte!« entgegnete der junge Kämpe.

Und voll Dankbarkeit blickte er in ihre blauen Augen, in denen lichte Tautropfen glänzten. Schweigend standen sie sich dann gegenüber, denn wenn sie auch gleich einer guten, teilnahmsvollen Schwester zu ihm gekommen war, erschien sie ihm jetzt doch durch ihre geradezu königliche Erscheinung, durch ihre prächtige Hofgewandung so ganz verschieden von der früheren Jagienka, daß er es im ersten Augenblicke nicht einmal wagte, sie wie früher in Zgorzelic und Bogdaniec mit dem vertraulichen »Du« anzureden. Ihr aber dünkte es, sie habe ihm außer den schon gesprochenen Worten nichts mehr zu sagen. Eine immer wachsende Verlegenheit bemächtigte sich der beiden jungen Menschen. Gleichzeitig verbreitete sich aber nun eine allgemeine Unruhe in dem Burghofe, da der König sich zum Mahle niederließ, und Anna Danuta trat abermals auf Zbyszko zu, indem sie sagte: »Dies wird ein trauriges Festmahl für uns beide sein, doch diene mir, wie Du mir früher gedient hast.«

So mußte denn der junge Ritter Jagienka verlassen, und nachdem die Gäste sich gesetzt hatten, stand er hinter der Fürstin, um die Schüsseln zu wechseln, um Wasser oder Wein einzugießen. Während er jedoch in solcher Weise seine Obliegenheiten erfüllte, blickte er unwillkürlich immer wieder auf Jagienka, die als Hoffräulein der Fürstin von Plock an deren Seite saß – und stets aufs neue nahm ihn die zauberhafte Schönheit der Maid gefangen. Seit er sie zum letztenmal gesehen, war zwar Jagienka noch beträchtlich gewachsen, allein nicht durch ihre Größe erschien sie ihm so verändert, nein, durch das hoheitsvolle Wesen, das sie nun auszeichnete. Früher, als sie im Schafspelze und mit Laub in den wirren Haaren auf ihrem Rosse durch Wald und Au sprengte, da hätte man sie für eine reizende Bauerndirne halten können, jetzt aber sah man auf den ersten Blick, daß edles Blut in ihren Adern rollte, daß sie einem wohlangesehenen, edlen Geschlechts entstammte – denn hohe Würde drückte sich auf ihrem Antlitz aus. Von ihrem ehemaligen Frohsinn war nichts mehr zu bemerken, doch Zbyszko schrieb dies der Trauer um ihren Vater zu, von dessen Tode er gehört hatte. Von seinem Staunen über Jagienkas hoheitsvolles Wesen konnte sich jedoch Zbyszko gar nicht erholen, und anfänglich glaubte er fest, die prächtige Gewandung trage viel dazu bei. So blickte er bald auf die goldene Stirnbinde, welche ihre schneeweiße Stirn und ihre schwarzen in zwei Flechten über die Schulter fallenden Haare zierte, bald aus ihr blaues, rot verbrämtes Gewand, das sich eng an ihre schlanke Gestalt, ihren jungfräulichen Busen anschmiegte, und stets von neuem sagte er sich: »Eine wahre Fürstin!« Allmählich jedoch erkannte er, daß es nicht die Gewandung allein war, welche die Veränderung hervorrief, und er mußte sich gestehen, daß, selbst wenn sie jetzt auch wieder den Schafspelz anlegen würde, er doch nicht mehr so vertraulich, so frei mit ihr verkehren könne, wie in vergangenen Zeiten.

Nicht nur junge, sondern auch bejahrte Ritter sandten ihr zuweilen feurige Blicke zu, dies bemerkte Zbyszko sehr wohl, ja, als er einmal gerade im Begriffe stand, der Fürstin eine neue Schüssel zu reichen, fiel ihm das entzückte, verklärte Gesicht des Herrn de Lorche auf, und Aergernis erfüllte seine Seele. Der schmachtende Ritter aus Geldern zog auch sehr bald die Aufmerksamkeit Anna Danutas auf sich, die, ihn rasch erkennend, plötzlich zu Zbyszko sagte: »Sieh nur den Herrn de Lorche! Offenbar ist er wieder in Liebe entbrannt! Wie geblendet steht er ja da!«

Nach diesen Worten neigte sie sich ein wenig über den Tisch und fügte, Jagienka von der Seite anblickend, hinzu: »Fürwahr, vor dieser Leuchte erbleicht jedes andere Licht!«

Unwiderstehlich fühlte sich Zbyszko zu Jagienka hingezogen, die er wie eine geliebte, liebende Blutsverwandte betrachtete, bei der er, dessen war er gewiß – das größte Verständnis für seine Kümmernisse, das tiefste Mitleid für seine Schmerzen finden würde. Trotzdem gelang es ihm aber nicht, an diesem Abend nochmals mit ihr zu sprechen, da, ganz abgesehen von dem Dienste, der ihn genugsam in Anspruch nahm, während des ganzen Festmahles die Spielleute entweder sangen oder so schmetternde Fanfaren ertönten, daß selbst die, welche neben einander saßen, sich nur schwer verständlich machen konnten. Außerdem erhoben sich auch die beiden Fürstinnen und mit ihnen die anwesenden Frauen früher von der Tafel als der König, die Fürsten und die Ritter, weil die männlichen Festteilnehmer gewöhnlich bis in die tiefe Nacht hinein den Becher kreisen ließen. Da Jagienka das Polster für den Sessel der Fürstin zu tragen pflegte, mußte sie dieser unverweilt folgen, doch neigte sie zum Abschiede das Haupt gegen Zbyszko und lächelte ihm zum zweiten Male freundlich zu.

Der Tag graute bereits, als der junge Ritter und Herr de Lorche mit ihren beiden Knappen aufbrachen, um in die Herberge zurückzukehren. Lange Zeit schritten sie schweigend, in Gedanken versunken, dahin, als sie aber nicht mehr weit von ihrem Ziele waren, sagte de Lorche etwas zu seinem Knappen, woraus letzterer, welcher, aus Pommern stammend, der polnischen Sprache mächtig war, sich sofort zu Zbyszko wandte.

»Mein Gebieter,« hub er an, »möchte Euch, wohledler Herr, etwas fragen.«

»Wohlan!« antwortete Zbyszko.

Nachdem Herr de Lorche abermals seinem Knappen Verschiedenes auseinander gesetzt hatte, wandte sich dieser aufs neue an Zbyszko, indem er, ein Lächeln unterdrückend, erklärte: »Mein Gebieter möchte sich vergewissern, ob jenes Fräulein, mit dem Ihr, gnädigster Herr, vor Beginn des Festes ein Zwiegespräch gehalten habt, in der That ein sterbliches Wesen und nicht eine Heilige oder ein Engel ist.«

»Erwidere Deinem Herrn,« entgegnete Zbyszko mit einiger Ungeduld, »daß ich mich über seine Frage wundere, weil er sie mir schon früher einmal gestellt hat. Und zudem, hat er mir denn nicht in Spychow auseinandergesetzt, er beabsichtige, sich wegen der schönen Frauen in Litauen an den Hof Witolds zu begeben, hat er denn nicht gleich daraus erklärt, er gedenke der Frauen wegen nach Plock zu ziehen? Heute aber, hier in Plock, forderte er den Ritter aus Taczew wegen Jagienka aus Dlugolas, und nun findet er schon wieder an einer andern Wohlgefallen. Kann man dies Standhaftigkeit, ritterliche Treue nennen?«

Kaum hatte Herr de Lorche diese Antwort durch den Mund seines Knappen vernommen, so seufzte er tief auf, blickte gegen den erbleichenden nächtlichen Himmel und beantwortete die Vorwürfe Zbyszkos also: »Du sprichst wahr. Weder Standhaftigkeit noch Treue ist dies, nein, ich bin ein sündhafter Mensch und nicht wert, die güldenen Sporen zu tragen. Was aber das Fräulein Jagienka aus Dlugolas anbelangt, so habe ich mich ihr freilich angelobt – und Gott gewähre mir die Gnade, mein Gelübde zu erfüllen – allein glaube mir, sehr empört wirst Du sein, wenn Du hörst, was ich durch sie erduldet habe, wie grausam sie mir in der Burg zu Czersk mitgespielt hat.«

Abermals seufzte er tief auf, wiederum schaute er gen Himmel, von dem sich gegen Osten rötliche Streifen bildeten, doch erst nachdem der Knappe das Gesagte verdolmetscht hatte, hub de Lorche von neuem an: »Sie verkündete mir, ein Zauberer, der in einem Turme inmitten eines Waldes hause und ihr feindlich gesinnt sei, schicke alljährlich einen Drachen gegen sie aus. Das Ungetüm erscheine jeden Herbst vor den Mauern von Czersk und harre eines günstigen Momentes, um sich ihrer, der Jungfrau zu bemächtigen. Als ich dies vernahm, erklärte ich sofort, gegen jenen Drachen kämpfen zu wollen! Ach! hört nur, was ich Euch weiter melden werde! Unverweilt machte ich mich auf. Was aber gewahrte ich an dem bezeichneten Orte? Ein entsetzliches Ungeheuer! Hohe Freude erfaßte mich, durfte ich mir doch sagen: entweder findest Du den Tod oder Du errettest die Jungfrau aus dem unflätigen Rachen und erringst Dir unsterblichen Ruhm. Aber was gewahrte ich, als ich mich dem scheußlichen Gebilde auf Speereslänge näherte? Einen auf hölzernen Rädern ruhenden, mit Stroh gefüllten Sack, an dem ein langer, ebenfalls mit Stroh ausgestopfter Schwanz angebracht war. Anstatt Ruhm zu ernten, zog ich mir den Hohn und Spott der Menschen zu, und als ich zwei masovische Ritter zum Kampfe forderte, ward mir hart zugesetzt innerhalb der Schranken. In solcher Weise behandelte mich die, welche ich über alles in der Welt pries, der ich einzig und allein meine Liebe weihte.«

Mehr als einmal biß sich der Knappe auf die Lippen, um nicht laut aufzulachen, während er die Worte seines Gebieters verdolmetschte, und auch Zbyszko wäre zu jeder andern Zeit sicherlich in Lachen ausgebrochen. Jetzt aber hatten Kummer und Sorgen jeden Frohsinn in ihm erstickt, er antwortete daher auch nur in ernstem Tone: »Wohl nur aus Uebermut, nicht aus Bosheit hat sie dies gethan.«

»Ich habe ihr alles vergeben,« antwortete de Lorche. »Das wirst Du am besten daraus ersehen, daß ich mit dem Ritter aus Taczew zu Ehr und Preis ihrer Schönheit, ihrer Tugend kämpfen wollte.«

»Vermeide den Kampf mit ihm!« warf Zbyszko in ernstem Tone ein.

»Ein Kampf mit ihm bedeutet den Tod für mich, dessen bin ich mir sehr wohl bewußt, aber ich ziehe den Tod einem Leben voll Kümmernisse und Enttäuschungen vor.«

»Dem Herrn aus Taczew liegen jetzt ganz andere Dinge im Sinn. Laß Dir raten! Folge mir morgen zu ihm und schließe einen Freundschaftsbund mit ihm.«

»Das will ich thun, drückte er mich doch an sein Herz. Doch morgen begiebt er sich ja mit dem König aus die Jagd.«

»Wir machen uns sehr früh zu ihm auf. Zudem ist auch der König kein Verächter eines langen Schlafes, und das Festmahl währte bis tief in die Nacht.«

Der Vorsatz wurde ausgeführt, allein ohne Erfolg, denn Hlawa, der sich noch vor den beiden Rittern auf die Burg begeben hatte, um Jagienka zu sehen, berichtete jenen, Powala habe sich nicht in seinem Gelasse, sondern in den Gemächern des Königs zur Ruhe gelegt. Für ihre Enttäuschung wurden sie indessen insofern entschädigt, als sie mit dem Fürsten Janusz zusammentrafen, der sie sofort seinem Gefolge zuerteilte, wodurch sie der Jagd beiwohnen konnten. Auf dem Wege in den Forst fand Zbyszko Gelegenheit, mit dem Fürsten Jamont zu sprechen, und gar befriedigende Kunde vernahm er von diesem.

»Als ich den König vor dem Schlafengehen auskleidete,« berichtete Knäs Jamont, »da sprach ich ihm von Dir und von Deinen Krakauer Erlebnissen. Kaum hörte dies der Ritter Powala, welcher auch anwesend war, so fügte er sofort hinzu. Dem Ohm sei in der Gewalt der Kreuzritter, und er bitte den König, dessen Freilassung zu erwirken. Der König, welcher furchtbar aufgebracht über die Ordensritter ist, wegen der Entführung des kleinen Jasko aus Kretkow und wegen anderer Unthaten, geriet immer mehr in Zorn. »Nicht ein gütiges Wort sollte man an sie verschwenden,« rief er, »nein, mit dem Speere in der Hand müßte man auf sie losgehen, mit dem Speere, mit dem Speere in der Hand!« Und Powala ließ sich keine Mühe verdrießen, den Herrscher noch mehr aufzustacheln. So kam es denn, daß der König die Gesandten des Ordens, die am Thore seiner harrten und sich vor ihm fast bis zur Erde neigten, kaum eines Blickes würdigte. Hei! Nun können sie den König nicht mehr dazu bringen, dem Fürsten Witold Beistand zu versagen – nein, sie selbst werden sich nicht mehr zu helfen wissen. Darüber sei auch ganz unbesorgt, der König wird den Großmeister selbst wegen Deines Ohms zur Rede stellen.

Auf solch trostreiche Weise sprach Knäs Jamont zu dem jungen Ritter, auf den Jagienka indes auch gar wohlthätig einwirkte. Sie hatte mit der Fürstin Alexandra der Jagd beigewohnt und es auf der Rückkehr durchgesetzt, neben Zbyszko reiten zu dürfen. Während der Jagden herrschte stets größere Ungezwungenheit als sonst, ja, man kehrte gewöhnlich paarweise davon zurück, und da kein Paar es wünschenswert erachtete, ganz in der Nähe eines andern zu bleiben, so konnten Zbyszko und Jagienka ungestört mit einander reden. Letztere hatte schon durch den Böhmen von Mackos Gefangenschaft gehört und ihre Zeit gut benützt. Auf ihre Bitte hin war dem Großmeister von der Fürstin nicht nur ein Schreiben übergeben worden, sondern diese hatte sogar von Wenden, den Komtur von Thorn, dazu veranlaßt, in einem Briefe, in dem er über die Vorgänge in Plock berichtete, auch Mackos Angelegenheit zu. berühren. Der Komtur rühmte sich sogar der Fürstin gegenüber, er habe geschrieben: »Da es unser Bestreben sein muß, den König zu besänftigen, sollte man in einer solchen Angelegenheit keine Schwierigkeiten machen.« Und dem Großmeister mußte es in diesem Augenblicke vor allem daran gelegen sein, den gewaltigen Herrscher für sich zu gewinnen, konnte er doch nur unter dieser Bedingung seine ganze Streitmacht gegen Witold werfen, gegen den der Orden bis jetzt noch nichts ausgerichtet hatte.

»Ich habe mein Möglichstes gethan, damit keine Zeit verloren werde,« erklärte Jagienka, »und da der König seiner Schwester niemals in großen Dingen nachgiebt, wird er ihr sicherlich gern in einer so geringfügigen Sache einen Gefallen erweisen. Deshalb hege ich auch Hoffnung.«

»Wenn ich es nicht mit solch verräterischen, treulosen Menschen zu thun hätte,« warf Zbyszko ein, »würde ich das Lösegeld überbringen und damit die ganze Sache erledigen. Bei ihnen hingegen kann es einem jeden wie Tolima ergehen – sie nehmen das Geld, bemächtigen sich aber auch dessen, der es gebracht hat, und geben ihn nicht frei, sofern nicht eine große Macht hinter ihm steht.«

»Das ist ganz klar!« meinte jetzt Jagienka.

»Euch ist jetzt alles klar!« entgegnete Zbyszko. »Glaubt mir, so lange ich lebe, werde ich Euch dankbar sein.«

Da blickte sie mit einem fast traurigen Lächeln zu ihm empor und fragte: »Weshalb sprichst Du so fremd mit mir? Willst Du nicht wieder ›Du‹ zu mir sagen, da wir uns doch von Jugend auf kennen?«

»Ich weiß nicht, was mich anficht,« erwiderte er unschuldig, »es fällt mir schwer. Ihr seid eben nicht mehr der Irrwisch von früher ... doch ... was es auch sein mag – irgend etwas – gleichsam – «

Umsonst suchte er nach dem rechten Worte, doch sie kam ihm zu Hülfe, indem sie sagte: »Ich bin einige Jahre älter geworden und in Schlesien haben mir die Räuber den Vater erschlagen.«

»Ja, das ist es!« rief nun Zbyszko. »Gott gewähre ihm das Licht des ewigen Lebens.«

In tiefes Sinnen verloren, ritten sie nun schweigend einige Zeit dahin, gerade als ob sie auf den Abendwind lauschten, der rauschend durch die Wipfel der Fichten fuhr, dann fragte Jagienka abermals: »Und gedenkst Du in diesen Landen zu bleiben, nachdem Du Macko losgekauft haben wirst?«

Voll Staunen blickte Zbyszko auf die Sprechende. Er hatte sich bis jetzt so ausschließlich seiner Trauer, seinem Kummer hingegeben, daß ihm der Gedanke an die Zukunft noch gar nicht gekommen war. Die an ihn gestellte Frage überraschte ihn daher sehr, und erst nach längerem Ueberlegen antwortete er: »Ich weiß es nicht! Allbarmherziger Jesus, wie sollte ich das wissen? Nur eins ist gewiß – wohin ich mich auch wenden werde, meinem Schicksale entgehe ich nicht. Hei! Gar schwer ist mein Geschick! Vor allem werde ich meinen Ohm auslösen und dann vielleicht zu Witold ziehen, um die Gelübde zu erfüllen, die ich gegen die Kreuzritter gethan habe, vielleicht – finde ich dabei den Tod.«

Da wurden die Augen der Maid feucht von Thränen und sich zu dem jungen Ritter neigend, sagte sie mit leiser, aber eindringlicher Stimme: »Geh' nicht in den Tod! Geh' nicht in den Tod!«

Und abermals ritten sie schweigend, Seite an Seite dahin, und erst vor den Mauern der Stadt gab Zbyszko dem Ausdruck, was ihn bewegte.

»Doch Ihr – doch Du – wirst Du hier am Hofe bleiben?« fragte er.

»Nein!« antwortete Jagienka. »Gar traurig ist's für mich hier ohne meine Brüder, fern von Zgorzelic. Cztan und Wilk haben sich gewiß beide schon vermählt, und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, was thut's? Ich fürchte mich nicht vor ihnen.«

»Wenn Gott mir Gnade verleiht, bringe ich den Ohm Macko nach Zgorzelic. Er ist Dir so freundschaftlich gesinnt, daß Du fest auf ihn zählen kannst. Wirst Du aber auch ihm stets zugethan bleiben?«

»Ich verspreche Dir heilig, daß ich ihm eine Tochter sein werde.«

Bei diesen Worten brach Jagienka in heftiges Schluchzen aus, denn tiefes Weh bedrückte ihr Herz.

– – – – – –

Am darauffolgenden Tage erschien Powala aus Taczew bei Zbyszko in der Herberge und sprach also zu ihm:

»Gegen das Fronleichnamsfest wird sich der König nach Raciaz begeben, um dort mit dem Großmeister zusammenzutreffen. Dich hat er zu den königlichen Rittern gezählt. Du gehst also mit uns dahin.«

Zbyszko kannte sich nicht mehr vor Freude über diese Worte – denn abgesehen davon, daß ihn die Zusammengehörigkeit mit den Rittern des Königs vor den Verrätereien und den Angriffen der Kreuzritter schützte, trug diese Thatsache ihm unermeßlichen Ruhm ein. Zu jenen königlichen Rittern gehörten ja Zawisza Czarny und dessen Bruder Farurej und Kruczek, Powala selbst, sowie Krzon aus Kozichglowy, Stach aus Charbimowice, Paszko Zlodziej aus Biskupice und Lis aus Targowiska – nebst vielen andern gefürchteten und berühmten Rittern, deren Namen weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt waren. Jetzt führte zwar König Jagiello ein verhältnismäßig kleines Gefolge mit sich, weil manche der Ritter in der Heimat geblieben und etliche auf Abenteuer in fremde Lande, ja, weit über das Meer gezogen waren, aber er wußte sehr wohl, daß er sich mit diesen auserlesenen Kämpen sogar nach Marienburg wagen durfte, ohne dem Orden gegenüber in Bedrängnis zu geraten, er wußte, daß sie im Falle der Not mit ihren gewaltigen Armen Mauern darnieder werfen und ihn selbst aus der Mitte der Deutschen heraushauen würden. Von Stolz ward daher auch Zbyszkos junges Herz geschwellt, wenn er sich sagte, zu diesen Rittern werde er auch von nun an gezählt.

Im ersten Augenblicke vergaß Zbyszko all seiner Kümmernisse und rief, Powalas Hand drückend, voll Entzücken:

»Euch, keinem andern danke ich dies, o Herr, Euch, Euch ganz allein!«

»Nicht mir allein gebührt Euer Dank, auch der gnädigsten Fürstin hier, sowie unserm allergnädigsten Herrn müßt ihr dafür danken. Geht, umfaßt sofort seine Knie, sonst könnte er Euch der Undankbarkeit zeihen.«

»In den Tod für ihn zu gehen bin ich bereit, so wahr mir Gott helfe!« rief Zbyszko.


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