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Der Nächste.

D Der August war eben so regnerisch wie der Juli, und sogar noch etwas kühler. Aber in Silkeborg war es wunderschön. Der Himmelberg trug seinen rötlich schimmernden Königsmantel von frisch erblühtem Heidekraut, und der Gudenbach floß zwischen hohem Gras und schattenspendenden Buchen klar und hell dahin.

In der letzten Augustwoche kehrten Mutter und Sulla nach Kopenhagen zurück.

Üppig und märchenhaft bunt stand alles in Großmutter Ursulas Garten. Die langen Ranken des wilden Weins zeigten schon purpurumrandete Blätter, das Geißblatt hatte seine roten Beeren, und hohe Georginen standen in leuchtendem Flor, die Levkoyen blühten noch, und die Rosen prangten in ihrer zweiten Blütenpracht. Lars hatte Sullas Hilfe beim Gießen nicht vermißt – das habe der Himmel besorgt, sagte er. Sonst hatte ihm Sulla immer beim Unkraut ausjäten, beim Rechen und Gießen treulich geholfen; die beiden konnten die Arbeit auch wohl bezwingen, nur im Frühjahr und Herbst und mitten im Sommer wurde der Gärtner noch einige Male zu Hilfe gezogen.

Jetzt trat bedeutend besseres Wetter ein. Am ersten Sonntag war fast der ganze Familienkreis nach Tisch im Garten, und Sulla hatte schon ein paarmal länger drunten gesessen. Sie hatte ihn jetzt ganz für sich allein; Professors kehrten erst am zweiten September zurück.

Nun hatte das gute Wetter einen strahlenden Sieg gewonnen, und es war wahrhaft sommerwarm. Lars hatte am Morgen die Birnen gebrochen. Das war sehr spät für sogenannte Sommerbirnen; aber bei der Nässe hatten sie nicht früher reifen können.

Sulla half wie immer und dachte dabei, welch ein Fest das in den Kinderjahren gewesen war, wenn man mit halbreifen verbotenen Birnen Ludwig Anker und Fräulein Ursula gespielt hatte, dann aber schließlich doch bei dem feierlichen Abnehmen helfen durfte, wo man auch erlaubterweise davon aß. Die Birnen wurden dann in Spankörbchen gelegt, mit Blumen geschmückt und unter den Verwandten verteilt.

Lars und Sulla hatten eifrig gearbeitet und waren nächstens fertig. Lars stand noch auf der Leiter und Sulla auf ihrem Lieblingsplatz oben auf dem Baum, als plötzlich die Tür in der Mauer aufging und der Professor eintrat.

Was war doch das? Wie war das möglich?

Im selben Augenblick war Sulla vom Baume herunter und stand mit drei bis vier Birnen in der Hand auf dem Rasen, als er zu ihr trat und sie begrüßte.

»Nun habe ich Sie gewiß erschreckt?« fragte er.

»Ich wußte nicht, daß Sie zurückgekehrt waren.«

»Wir kamen auch einen Tag früher, als ausgemacht war. Unverhofft kommt oft.« Dabei lächelte er ein wenig ironisch. »Und Sie nehmen hier die Birnen ab?« Er sah auf die Birnen in ihrer Hand.

Sie verstand wohl, was er dachte – und wenn sie nicht unhöflich sein wollte, konnte sie es fast nicht umgehen, ihm eine anzubieten. Aber sie tat es nicht. Hier wurde nicht Ludwig Anker und Fräulein Ursula gespielt.

»Ja, aber sie sind noch nicht verlesen,« sagte sie, indem sie die Birnen in den Korb warf. »Wenn das geschehen ist, wird es Großmutter eine Freude sein, Ihnen eine Probe von den besten zu schicken.«

»Ich danke Ihnen für den freundlichen Gedanken,« sagte er, aber sein Lächeln vollendete den Satz, »mir keine anzubieten.« Aber das tat nichts, sie hatte sich aus der Not geholfen. Und sollte Großmutter Ursula nun nicht daran denken, Professors Birnen zu schicken, so wollte sie es vorschlagen; sie konnten ja Mutters Teil bekommen.

Nach ein paar gegenseitigen Bemerkungen über das schöne Wetter und den prächtigen Blumenflor trat der Professor ins Gartenhäuschen und begann zu schreiben. – Dann kam eines der Dienstmädchen und trug die Birnen hinauf. Sulla aber hatte noch wilden Wein und Blumen zum Schmuck der Körbchen zu pflücken, ehe sie sich mit einem stummen Gruß verabschieden und zu Großmutter Ursula hinauf gehen konnte.

Diese hatte wirklich schon ein Körbchen mit Blumen und Birnen als einen Willkommgruß vom Garten für den vierten Stock bestimmt. Sulla solle diesen Teil mit besonderer Sorgfalt ordnen, sagte Großmutter: und Sulla tat, wie Großmutter wünschte; ja, dieses Körbchen kam zuerst an die Reihe und erhielt die allerschönsten Blumen.

Das Wetter blieb dauernd hell und warm, und der Garten war von goldenem Sonnenlicht und von der Glut der großen Blumen und dem purpurnen Laub übergossen. Der Rasen funkelte im starken Herbsttau:; es sei ein wahrhaft königlicher Platz, sagte der Professor zu Großmutter Ursula.

Sulla war viel im Garten. Für Großmutters Vasen mußten täglich frische Blumen geschnitten werden. Den ganzen Frühling und Sommer hindurch wollte Großmutter kaum ein paar für sich haben; da sollte der Garten seine ganze Pracht behalten dürfen. Aber jetzt, wo doch alles bald welken mußte, wurden alle Tanten mit großen Sträußen bedacht. Sulla konnte auch nicht widerstehen, mitten in dem goldenen Licht der leuchtenden Pracht und der erfrischenden Stille da unten zu sitzen. Aber nicht zu oft und nicht zu lange auf einmal.

Eines Vormittags hatte sie ein französisches Buch, das sie zu übersetzen angefangen hatte, mitgenommen und saß nun ruhig in der Laube, als plötzlich die Zweige auseinandergebogen wurden und der Professor vor ihr stand. »Verzeihen Sie, wenn ich Sie störe. Darf ich ein paar Worte mit Ihnen reden?«

Sie war aufgestanden und stand nun auch vor ihm.

»Dies dünkt Ihnen vielleicht eine sonderbare Zumutung,« fuhr er fort. »Aber – der Mangel an Wohlwollen, den Sie mir gütigst gezeigt haben – nein, Sie dürfen es um keinen Preis zu erklären suchen; ich wünsche gerade das festzustellen – hat mir Mut gemacht.«

Sie streckte die Hand aus mit einer ihrer königlichen Bewegungen, wie Ulla es nannte, und sagte: »Wollen Sie sich nicht setzen?«

Er ließ sich auf der entgegengesetzten Bank nieder, und sie setzte sich auch wieder – mit jener Ruhe, die einen überkommt, wenn etwas Unabänderliches eintritt.

Er sah sich einen Augenblick schweigend um. Ja, in ihrer Freistatt schimmerte es grünlich golden und heimelig! Es war, als möchte er die Stille lieber nicht brechen, und auch sie fand es fast schade … Er hatte auch seinen Hut nicht wieder aufgesetzt; dieser lag vor ihm auf dem Tisch. Sein Haar hatte einen besonders schönen Fall; eben jetzt glitt ein Sonnenstrahl darüber hin.

»Ich habe an zwei Menschen denken müssen, von denen ich einmal gelesen habe,« begann er, »an zwei Schiffbrüchige, die auf eine öde Insel mitten in der Nordsee verschlagen worden waren. Sie hielten sich weit von einander entfernt, denn sie waren sich feind. Ob es früher schon so gewesen war, weiß ich nicht. Wenn zwei Menschen ganz auf einander angewiesen sind, kommen sie oft aus einander. Aber eines Tages geriet der eine in große Not – er war hinabgestürzt oder im Kampf mit einem wilden Tier verwundet worden. Und nun schrie er aus Leibeskräften nach dem andern. Not reißt alle Schranken nieder. Und da dachte er, vielleicht habe es doch auch sein Gutes, daß er jetzt seinen Feind um Hilfe bitten müsse, denn dessen Hand werde beim Helfen jedenfalls nicht zittern und sein Auge sich nicht verschleiern. Dies ist mir jetzt eingefallen, weil –«

»Aber diese Erzählung paßt gar nicht hierher, denn um Freunde oder Feinde zu sein, müssen zwei Menschen sich genau kennen.«

»Ganz recht. Ich habe auch nie gedacht, Sie täten mir die Ehre an, mein Feind zu sein. Das Gleichnis hinkt deshalb auch sehr stark – aber es kann doch angewendet werden. Ich komme aus zwei Gründen zu Ihnen; wir sitzen hier ja doch nun einmal in einer fernen Welt – auf einer von Meeresgischt umbrausten Insel. Oder auf dem Grunde eines Brunnens. Und das mangelnde Entgegenkommen, das ich bei Ihnen getroffen habe, berechtigt mich, zu glauben, daß Ihr Blick sich nicht von Mitleid verschleiern oder von der rosenroten Brille des Wohlwollens täuschen lassen werde, und daß Sie sich nicht, sobald Sie mich angehört haben, gedrungen fühlen werden, mich zu versichern, es fehle mir ganz und gar nichts – wenn ich es mir nur nicht selbst einbilde.«

Nein, das würde sie jedenfalls nicht tun; es war ja wirklich etwas nicht in Ordnung, das wußte sie.

»Und dann habe ich außerdem noch einen dritten Grund,« fuhr er nach einer kurzen Pause fort. »Ich verlasse mich auf Sie. Ich habe Vertrauen zu Ihnen, zu Ihrem geistlichen Standpunkt.«

Da war ihr plötzlich, als strecke sie die Hand aus und greife in eine große Leere hinein! Ihr geistlicher Standpunkt! Ja, hatte sie denn einen? War sie etwas? Sie hatte ja wohl hier im Garten gesessen – hatte gewartet und überlegt. Aber hatte es zu einem Resultat geführt?

»Sie irren sich,« beeilte sie sich einzuwerfen. »Ach, Sie dürfen nicht so groß von mir denken, sonst werden Sie enttäuscht werden!«

Er streckte die Hand aus, wie um ihr Schweigen zu gebieten; sie hatte diese äußerst sprechende Bewegung früher schon an ihm wahrgenommen. Dann sagte er: »Ich glaube, Franz von Assisi war es, der einmal zu einem armen Bauern sagte: ›Ich bitte dich, erweise dich als so gut, wie wir alle dich bisher eingeschätzt haben – denn gerade so haben wir dich nötig.‹«

Ruhig und sehr ernst schaute Sulla ihn an. »Sie können mir gut sagen, was Sie mir mitteilen möchten. Ich werde Sie schon verstehen.«

Er stützte den Kopf in die Hände, und es wurde wieder still. Dann begann er: »Ich bin auf dem Punkt, innerlich zu sterben.«

In diesem Augenblick wurde Sulla etwas klar, vielleicht weil sie so tief nachdachte, oder sich so innig vorwärts tastete wie noch nie: daß es von einem höheren Standpunkt aus betrachtet immer nur zwei Menschen auf der Welt gibt. Deshalb heißt es auch nicht: du sollst alle Menschen lieben, sondern es heißt: du sollst deinen Nächsten lieben. Von oben gesehen war zwischen Jerusalem und Jericho nur eine öde Landschaft, wo ein Mensch halb tot am Wege lag und ein anderer über ihn gebeugt stand – oder vorüberging. – – Und wenn einer ans Ende des Weges kam und dort fragte: »Ja, wer war denn mein Nächster?« dann fällte er sich mit dieser Frage selbst das Urteil. Er erklärte sich damit selbst als zu ungeschickt, um da eingereiht zu werden, wo aller Augen von Liebe verklärt sind. – –

Ach Gott im Himmel, bis zu diesem Tag war ihr Leben leer und arm und kalt gewesen, wie das aller, die nicht wissen, daß man zu zweit auf Erden ist!

Aber jetzt gingen ihr die Augen auf, und sie sah – nicht etwas, das an das erinnerte, was sie von ihrer Kindheit an gedacht und geträumt hatte – keinen Prinzen, der hoch zu Roß mit der Krone auf dem Haupte daher geritten kam, um alle Träume des Gartens in goldene Wirklichkeit zu verwandeln. Nein, sie sah einen Menschen, der gerade wie alle andern war, der strauchelte, der niedergedrückt, sterbend war. Einen, der keine königlichen Gaben, sondern nur Not und Mangel aufweisen konnte, einen, der nur darin anders war als alle andern, daß es bei ihm ein größeres Bedürfnis zu stillen gab – ein unabweisbares Bedürfnis.

»Glauben Sie,« fragte Sulla, »man könne das immer selbst beurteilen?«

»Nein, ein Kranker kann natürlich seinen Zustand zeitweise zu pessimistisch oder zu hoffnungsvoll betrachten. Aber es gibt doch Symptome, die nicht trügen.«

»Wollen Sie mir sagen, welche Symptome Sie meinen?«

»Zum Beispiel, daß alle Arbeit, die ich äußerlich tun kann, ebenso gut und glatt und ebenso leblos wie früher vor sich geht. Gehe ich aber an eine Aufgabe wie die, mit der ich jetzt eben beschäftigt bin, wo eine lebendige Anteilnahme von meiner Seite verlangt wird, eine innerliche Selbstvertiefung, um in den Stoff einzudringen, so gelingt mir das nur eine Zeitlang, dann bleibe ich unweigerlich stecken, dann bin ich auf dem toten Punkt in mir selber angelangt. – Ich habe ihn schon seit längerer Zeit gefühlt – aber jetzt greift er immer mehr um sich.«

Ja, ja, der lebendige Drang in ihm hatte mit der Umgebung, die er sich selbst geschaffen hatte, nie Fühlung bekommen können – und jetzt war er am Versiegen. So mußte es schließlich kommen.

»Meinen Sie nicht, es könnte Ihnen helfen, wenn Sie alles über Bord würfen, was Sie leblose Arbeit nennen?«

»Das ist mein tägliches Brot,« sagte er trocken.

»Das ist ein schlechtes Brot, an dem man stirbt.«

Bei ihrem unerschütterlichen Ernst huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

»Es gibt doch sicher vieles andere, das Sie ergreifen könnten,« fuhr sie fort. »Alles andere wäre besser, als eine solche äußerliche gewohnheitsmäßige Ausübung des Berufs. Diesen aber anders aufzufassen und umzugestalten, würde Ihnen wohl noch schwerer.«

»Es würde wohl auch nichts nützen,« sagte er, »selbst wenn ich jetzt aus der Tretmühle herauskäme. Dazu ist es gewiß zu spät. Wenn es nicht affektiert klänge, würde ich sagen, ich trage den Tod im Herzen, und der geht unentwegt weiter. Ich fühle ihn auch noch an vielen anderen Punkten, hauptsächlich in meinem Verhältnis zu andern. Nach außen kann ich Wohlwollen, Hilfsbereitschaft, Menschenfreundlichkeit zeigen …, das alles ist etwas, was ich umsonst bekommen habe. Aber auf dem Grunde meiner Seele fühle ich doch nur Gleichgültigkeit – oder besser gesagt, einen Ekel vor anderen Menschen.«

Ja, wie kann es anders sein – wenn man seinen Nächsten nicht gesehen hat, sondern vielleicht nur Räuber, die ausplündern und mißhandeln, Priester und Leviten, die freundlich vorbeigehen! Der Nächste nur ist es, den man lieben kann.

Aber wer ist denn nun der Nächste von dem, der geschlagen und halbtot zwischen Jerusalem und Jericho am Wege liegt? Wie einfach ist doch die Antwort! Der, welcher Barmherzigkeit gegen ihn gehabt hat.

Der, welcher steht, während der andere liegt, der stark ist, während der andere schwach ist, der Wein und Öl besitzt, während der andere eine klaffende Wunde hat.

»So geht's gewiß zu Zeiten allen Menschen,« sagte sie.

»Das ist ziemlich wahrscheinlich. Es ist auch erst beängstigend, wenn es die Grundstimmung in einem geworden ist. – – Wenn man Interesse, Bewunderung, alle Arten von unfruchtbaren, wertlosen äußeren Gefühlen für andere haben kann, aber nicht einen einzigen Tropfen unvermischter, reiner und warmer Herzlichkeit.«

»Wenn Sie nichts dagegen haben,« sagte sie nach einer Pause, »möchte ich mich gerne an das halten, wovon Sie zuerst gesprochen haben – an Ihre Arbeit. Ist diese heute für Sie in die Brüche gegangen?«

»Ja, unrettbar. Ich habe dort drüben halb verzweifelt und ganz geistesverlassen vor mich hingestarrt … Da bewegten die Fliederbüsche sich – wie sprechende Handbewegungen. Und da dachte ich: Dort sitzt doch auch ein Mensch!«

Wie einfach und gut und zuverlässig das klang – ein Mensch! Welche Sicherheit und welch ruhiges Selbstgefühl es gab! Das war viel mehr als Königin sein.

Aber es gehörte doch noch mehr dazu – denn das Ende des Satzes: und dieser Mensch ist mein Nächster, fehlte ja. Der Nächste eines andern zu sein, so daß er es sehen und unerschütterlich fühlen mußte – das war das Ziel.

»So ging ich denn herüber,« fügte er hinzu, »obgleich ich fühlte, daß es sich sonderbar ausnehmen mußte. Ich bitte Sie auch um Entschuldigung.«

»Das ist nicht nötig,« erwiderte sie. »Meiner Ansicht nach hätten Sie eher Grund, sich zu entschuldigen, wenn Sie nicht gekommen wären. – – Wollen Sie mir einen Gefallen tun? Wenn Sie wieder einmal nicht mehr aus und ein wissen, wollen Sie dann hier herüber kommen und mir aus Ihrer Arbeit vorlesen – und mir erklären, was Sie sich dabei gedacht haben?«

»Wollen Sie sie dann für mich fertig machen?«

»Nein,« antwortete sie, als ob die Frage ganz natürlich wäre. »Aber dann finden Sie sich vielleicht wieder zurecht.«

»Ach, ich fürchte, es wird an jedem Tag nicht mehr gehen – und da mühte ich Ihre Geduld zu oft in Anspruch nehmen.«

»Das tut nichts,« erwiderte sie, indem sie aufstand. »Ich muß jetzt gehen, und morgen bin ich leider den ganzen Tag versagt. Aber übermorgen hoffe ich wieder hier sein zu können. Und dann kommen Sie hier herüber, wenn Sie nicht mehr weiter wissen, nicht wahr?«

»Ja, vielleicht. Ich danke Ihnen.«

Sie reichte ihm die Hand mit demselben ernsten Gesicht, mit dem sie ihm zugehört hatte. Da durchzuckte ihn der Gedanke: »Ob die Engel wohl lächeln? Jedenfalls kaum, wenn sie auf Erden wandeln. Da gehen sie gewiß als ernsthafte Kinder umher.«

Der Tag verging ihr in stiller Verwunderung, daß sie gar nicht erstaunt über sich selbst war. War es denn nicht ganz und gar unbegreiflich, wie sie sich benommen hatte – sie, die sonst so Unnahbare, worüber sie auch schon so oft Vorwürfe hatte hören müssen!

Nein, sie konnte es nicht finden – wie gewissenhaft sie sich auch die Frage immer wieder vorlegte. Noch nie war sie so natürlich aufgetreten, so ganz in Übereinstimmung mit sich selbst. Und wenn sie es noch einmal machen könnte, so würde sie es doch nicht anders machen.

Aber war es ihre Aufgabe, die sie da aufnahm? Hätte sie ihn nicht von sich weg weisen sollen und hin zu – Nein, an dem Tag, wo man mit seinem Nächsten, der in Not ist, Auge in Auge steht, weist man ihn nicht an andere. Und wenn auch alle Menschen auf der Welt das behaupten würden – was könnte ihr das beweisen? Die Verantwortung, die sie nicht liegen zu lassen wagte – ihrer selbst wegen nicht liegen lassen durfte, die mußte sie tragen, wie schwer ihr das auch werden mochte.

 

Am nächsten Tag war Sulla zu Eline Wandel eingeladen, mit der sie als Kind in die kleine Privatschule gegangen war, und die ihr jetzt Singstunden gab. Sie wollten zuerst einen Spaziergang machen, dann zusammen musizieren und dann nach Tisch ins Theater gehen, wo eine Oper gegeben wurde, die die beiden jungen Mädchen gerne hören wollten.

Sie gingen eben einen der schönen Spazierwege der Festungsanlagen entlang, als Sulla auf einer Bank, an der sie vorüber mußten, ein Liebespaar sitzen sah. Der weibliche Teil drehte ihr den Rücken zu und hatte dem Manne beide Hände gereicht, die er eben küßte.

Das berührte Sulla sehr unangenehm; aber Elina war kurzsichtig, deshalb war es wohl am besten, sie ging rasch vorüber, ohne die Freundin aufmerksam zu machen.

Beim Geräusch der herannahenden Schritte richtete sich das Paar auf. Das Gesicht des Mannes war Sulla nicht fremd. Und die Gestalt der Dame – – ihr schwindelte – es war Ferdinand Birk mit Ulla!

Sulla ging Arm in Arm mit Eline, und sie hatte Geistesgegenwart genug, die Nichtsahnende rasch an der Bank vorbeizuführen, ohne hinzusehen. Aber den ganzen übrigen Tag wußte sie kaum, was sie um sich her sah und hörte, oder was sie selbst sagte.

Etwas so Unmögliches – so empörend Unmögliches!

Am nächsten Morgen kam Ulla, sommerlich hell gekleidet, blinzelnd und lachend.

Sie setzte sich zuerst eine Weile zu Tante Therese; dann wollte sie mit der Cousine in deren eigenes Zimmer, um, wie sie sagte, einige Noten herauszusuchen.

»Du hast mich wohl gestern gesehen – wolltest mich aber nicht grüßen?« fragte sie sogleich.

»Hattest du das erwartet?«

»Ja, warum nicht? Du kennst ja Ferdinand Birk von alten Zeiten her.«

»Auf diese Weise kenne ich weder ihn noch dich, Ulla.«

»Auf diese Weise! Ich war zu frühe von Hause weggegangen, um Ninette von der Schule abzuholen, und traf Ferdinand in der Bredgade. Da ging ich ein wenig auf die Smedelinie mit ihm. Ist das so fürchterlich?«

»Wie kannst du nur mit ihm zusammen spazieren gehen? Das ist einfach unmöglich. Und er saß bei dir und – ja, ich will es nicht einmal aussprechen.«

»Und küßte mir ein bißchen die Hand, kann ich mir denken. Na ja, wenn man sich mit einem Mann im Grünen niederläßt, kann so etwas ja leicht geschehen.«

»Ulla!« Es klang wie ein Schrei; Sullas Wangen waren todesblaß und ihre Augen ganz schwarz.

»Nimm es doch nicht so feierlich – und laß mich erst reden.« Damit zog Ulla die Cousine auf ein kleines niederes Ecksofa und setzte sich selbst neben sie. Sie faltete die Hände um ihr eines Knie und begann dann lachend: »Kannst du dich an Dyvekes Lied erinnern, das du einmal sangst? ›Hier sitz ich, die Augen ich schließe, die Hände tief um mein Knie,‹ worauf die alte Ursula dann ganz laut sagte: ›Das ist ja eine recht hübsche Stellung.‹ Weißt du es noch?«

»Aber was würde sie erst sagen, Ulla, wenn sie jetzt –«

»Sie würde den Oberst um Verzeihung bitten, weil sie mit mir verwandt ist. Sie ist herrlich. – Aber jetzt hör, was ich dir sage! Ich kann mein jetziges Leben nicht mehr aushalten. Ich habe mich sehr oft getäuscht – aber der Oberst ist doch mein schlimmster Irrtum. Er ist zaundürr, kalt, zurückhaltend – weder Fisch noch Fleisch.«

»Meinst du nicht, du könntest dich über Schlimmeres zu beklagen haben?«

»Was kann das nützen, wenn das das Schlimmste für mich ist? Dann ist er erstaunt und ironisch. Da heißt es: ›So, du meinst vielleicht?‹ – – ›Ja, entschuldige, wenn ich in moralischen Dingen deine Ansicht nicht als den höchsten Richterstuhl ansehe.‹ Er findet einen stillen Genuß darin, mich meine Unwürdigkeit so recht fühlen zu lassen. Ach, es ist zum aus der Haut fahren!«

»Ob er dich nicht im Grunde doch lieb hat?«

»Dann muß er einen doppelten Boden haben, denn der Grund, den ich kenne – weil ich mir gleich die Stirne daran eingerannt habe – ist nichts als Selbstbewußtsein. Dieses ist unerschütterlich, trotz aller früheren Unregelmäßigkeiten – die einen Mann in seinen eigenen Augen nicht herabsetzen, von denen aber nur der hundertste Teil schon eine Frau unmöglich machen würde. Sag mir nun ehrlich, Sulla,« – sie kniete vor der Cousine nieder und umschlang deren Arm mit ihren Fingern – »meinst du wirklich, eine Frau wie ich könnte sich an einem Manne genügen lassen, der ein Lineal in einem Lederfutteral ist, sowie an einem kleinen Tugendspiegel von Kind, das an seine Puppentaschentücher Hohlsäume stichelt?«

»Ich meine, das Kind allein müßte schon genug sein.«

»Ja, das wäre es auch und noch mehr, wenn ich es allein hätte. Aber so reißen wir es zwischen uns hin und her, wie jene zwei Enten im Bilderbuch den Frosch. Aber das geht nicht auf die Dauer. Und er läßt nicht los; Nina soll ganz und gar ihres Vaters Tochter sein und dazu erzogen werden, ihre lange Mutter mit kleinen runden Richteraugen zu betrachten.«

»Dazu wird es nie kommen, wenn du sie mit dem Herzen festhältst.«

Ulla zuckte ihre beweglichen Schultern. »Ach, was kann ich machen! Und wie gesagt, ist das etwa genug?«

»O ja, andernfalls mußt du leben, ohne genug zu haben. Das müssen andere auch.«

»Nein, da bedanke ich mich schönstens. Mir hat das Leben noch viel zu bieten, ich will es erst zu Ende leben. Bedenke, ich bin nicht wie du. Ich muß meiner eigenen Natur folgen.«

»Auf diese nimmst du gar so viel Rücksicht, Ulla, aber recht wenig auf die anderer. Der Oberst hat auch seine Natur, die er –«

»Ja, meinethalben gerne – wenn nur ich nichts damit zu tun haben brauche. Wir passen wie Wasser und Feuer zusammen. Ich habe eine heißblütige, verliebte Natur –«

»Hast du das auch wirklich? Ich glaube es nicht, Ulla.«

»Ich meine beinahe, das hätte ich bewiesen.«

»Mir nicht. – Nein, nein, eine derartig heißblütige Natur ist noch etwas ganz anderes.« Sulla stützte die Wange in die Hand. »So würde ich nur eine Frau nennen, die sich erst in dem Verhältnisse zum Manne ihrer selbst bewußt würde – die gerade in diesem Verhältnis das Beste geben könnte, das sie in sich trägt. Das war bei dir nicht so.«

»Nein, denn dieses Verhältnis eignet sich dazu gar nicht. Aber das beste ist auch nur der kleinste Teil von der Natur eines Menschen. – Siehst du, da ist nun Ferdinand – nein, ich muß jetzt von ihm reden dürfen. Jetzt, nach seines Vaters Tod, ist er recht wohlhabend und braucht sich also nicht mehr als Zeichenlehrer abzuschinden – und er hat ja bewiesen, was er leisten kann. Er ist tatsächlich sehr begabt: aber denke dir, er sagt, er wisse bald nicht mehr ein noch aus, weil ihm das fehle, was ich ihm geben könnte. Das legt mir doch wirklich eine Verantwortung auf.«

Sullas Wangen bedeckten sich mit einer leichten Röte, aber sie erwiderte entschieden: »Nein, dann laß ihn eben nicht mehr ein noch aus wissen. Er wird sich schon ohne dich wieder zurecht finden. Und selbst wenn das nicht geschähe, dann steht ja sein innerer Mensch doch noch nicht auf dem Spiele; den richtest du eher zugrunde; Ferdinand ist früher ehrenhaft gewesen.«

»Und er ist es noch. Das von gestern darfst du nicht rechnen – das war die reine Zerstreutheit. Sonst nimmt er sich wohl in acht; er will wirklich regelrecht vorgehen. Sieh, er behauptet ja nicht, er habe als Eremit gelebt, seit ich ihn aufgegeben habe – aber er ist immer wieder in Gedanken zu mir zurückgekehrt; das ist der rote Faden gewesen, der sich durch sein Leben geschlungen hat. Und so ist es auch bei mir gewesen – – zum Teil wenigstens. Er sagt, wenn er damals nicht so naiv gewesen wäre, hätte ich nicht von ihm weggleiten können. Jetzt aber ist sein Gefühl voll Feuer und Schwung – so daß es einen mit fortreißen kann. Ja, er hat wahre Güte für mich. Das ist etwas, dem man nur selten begegnet. Ich habe ihm gesagt, wie sehr ich vernachlässigt werde – und er hat auf eine Art und Weise Mitleid mit mir, die mir wohl tut. Ja, und dann hat er mir sein Heim und sein Herz angeboten, damit ich mich daran wärmen könne.«

»Sein Heim – wenn du dein eigenes hast?« Sulla nahm das Gesicht ihrer Cousine zwischen ihre beiden Hände. »Ulla, das kannst du doch nicht meinen? Nein, das kannst du nicht!«

»Doch, und es wird schließlich auch so weit kommen. Ich würde es dem Obersten freilich nur sehr ungern mitteilen – das will ich einräumen – und ich wage es wohl auch nicht. Auch könnte ich ihn wahrscheinlich gar nicht dazu bringen, darauf einzugehen, er legt ja Wert auf Korrektheit. Deshalb allein hat er auch so lange Nachsicht mit mir. Aber es wird alles ohne mich viel besser gehen. Er schätzt Theodolindes Tüchtigkeit in hohem Grade, und sie ist fast ebenso selbstgerecht wie er. Ich bin wirklich nur das fünfte Rad am Wagen … Aber ich kann ja gehen; dieser Ausweg bleibt mir immer noch.«

Sulla stand auf. »Ich will nichts mehr hören, Ulla – denn das tust du nicht. Wie könnte eine Mutter es übers Herz bringen, fortzugehen … Kannst du es ablegen wie ein Kleid, daß du Mutter bist – – Aber du darfst so etwas nicht sagen.« – Damit trat sie an ihren Schrank und nahm ruhig Hut und Mantel heraus. – »Kommst du eine Strecke mit? Ich muß jetzt zu Großmutter.«

»Na,« sagte Ulla, indem sie aufstand, »bist du denn immer noch so viel im Garten?«

»Ja, das Wetter ist ja noch so schön.«

»Dreht ihr euch denn noch immerfort den Rücken zu, du und die Ethik?«

»Ich und die Ethik? Das will ich nicht hoffen!«

»Habt ihr noch nie ein Wort mit einander gesprochen?«

»Doch ab und zu … über seine Arbeit.«

»Und du hast dabei wohl den Hut mit dem blauen Schleier auf?«

»Das ist nicht gut möglich; denn ich habe den Schleier verbrannt, ehe ich nach Aarhus gereist bin.«

Da trat Ulla zu ihr.

»Hast du ihn verbrannt?« fragte sie.

»Ja – er flatterte zu weit fort.«

Ulla umschlang die Cousine mit beiden Armen.

»Kleine tapfere Sulla! – – Aber vergiß nicht, was ich gesagt habe. Gib dir keine Mühe, aus dem etwas Hohes zu machen, was nicht erhöht – sondern nur eine Zeitlang maskiert werden kann. Alle Männer sind sich rührend gleich.«

»Dann ist es nur gut, daß nicht alle Frauen es sind. Im übrigen bin ich nicht klug genug, verstehen zu können, was du meinst.« –

Nachdem sich Ulla verabschiedet hatte, ging Sulla noch eine Weile in der Straße auf und ab und dann noch etwas im Hofe umher. Sie mußte sich Ullas Worte und die Szene auf der Smedelinie, die diese hervorgerufen hatte, erst etwas aus dem Kopfe schlagen – ehe sie in den Garten trat.

Als sie den Schlüssel holte, sagte Line, es müßten noch Blumen für die Großmutter gepflückt werden. Die Vasen müßten erneuert werden, und der alte Justizrat solle, wenn er am Abend heimgehe, einen Strauß mitbekommen, es sei ja heute sein Geburtstag. Sulla nahm also die Gartenschere mit.

Der Professor schrieb in der Pagode. Sie schickte ihm einen stummen Gruß aus der Ferne und machte sich gleich an ihre Aufgabe.

Einige von den hohen Georginen schimmerten ganz nachtschwarz herüber. Sie sahen aus, als wollten sie mit ihrem Trauersamt den hellen Tag im Garten verdunkeln; den letzten roten Widerschein der Sonne, der tief in ihre Kelche gefallen war, hatten sie auch wirklich zu verlöschen vermocht. Aber andere waren so vertrauensvoll, so offenherzig hell … Diese legte Sulla dicht neben die dunklen.

Nach einer kleinen Weile trat der Professor zu ihr. »Ich danke Ihnen, daß Sie hier Blumen pflücken,« sagte er.

Das hatte sie doch schon öfters getan. Aber vielleicht nicht in derselben Weise; und es verhielt sich doch wohl so; wenn man jemand helfen wollte, tat man nicht nur etwas Einzelnes, was ihn direkt anging, sondern alles, was man überhaupt tat, ganz für ihn.

»Darf ich auch helfen pflücken? Ich muß eine Pause in meiner Schreiberei machen.«

Sie fragte nicht, wie es ihm heute gehe, sondern erwiderte nur: »Ja gerne, ich brauche heute sehr viele Blumen, zu drei Vasen und einer Schale für Großmutter, und dann auch einen Strauß für Onkel Peter; heute ist sein Geburtstag, und da ist er immer bei Großmutter.«

»Den Onkel Peter kann ich übernehmen – und zu diesem Geschenk wollen wir auch den Garten nicht weiter plündern, denn es endigt doch auf einem Schrank oder einem Ofen.«

Ja, Onkel Peter stellte wirklich die Blumen, die er erhielt, an die komischsten Plätze. Sulla mußte lachen – während der Professor sein Taschenmesser herauszog und eine Anzahl behäbiger rotlila Astern abschnitt.

Die beiden mußten immer wieder lachen, während sie die Blumen schnitten. Das Lachen schien förmlich in der Luft zu liegen; so oft sie eine Blume berührten, brach es hervor und perlte um sie her wie helle Tautropfen.

»Darf ich Ihnen die Last abnehmen?« fragte sie, als sie den Arm schon voller Blumen hatte. »Ich werde sie schon in gehörige Entfernung von Ihren Papieren legen.«

»Darum möchte ich auch sehr bitten, sonst meinen am Ende meine alten Mystiker, sie sollten umgarnt werden.«

Wie unglaublich froh und jung man doch wurde zwischen allen den leuchtenden, strahlenden, herbstlichen Farben!

Als genug Blumen geschnitten waren, mußte Sulla zweimal hin und her gehen, um alle hinaufzutragen. Sie mußte wieder lachen, als sie den Onkel Peter auf den Arm lud und dem Professor, der nun wieder nach seiner Feder griff und recht erfrischt aussah, zum Abschied zunickte.

Nach dem Gabelfrühstück ordnete Sulla die Blumen in den Vasen – und bei jeder, die sie in die Hand nahm, war es ihr, als quelle helle Freude in ihrem Herzen auf.

Ach, wie schön war doch so eine Kameradschaft – nicht nur in großen Dingen, das war ja leicht erklärlich, sondern in ganz unbedeutenden kleinen Dingen! – Wegen einer zerzausten Aster, einer kleinen roten Weinranke – –

Dann fielen ihr plötzlich der Großvater Anker und Großmutter Ursula ein. Wie hatte es Großmutter nur übers Herz gebracht, ihn so hinwelken, so schwermütig und eigen und mürrisch, wie Tante Bine ihn immer schilderte, werden zu lassen – während sie selbst bei dem alten Admiral sah und ihm vorlas? Hatte das wirklich einen Sinn – von einem höheren Standpunkt aus betrachtet? Und wenn es noch länger gedauert hätte – so lange, bis alles Milde, Weiche, Schöne in ihm ganz vertrocknet gewesen wäre. Hatte da nicht Großmutter die Verantwortung dafür gehabt?

Sulla saß in der Fensternische bei der alten Dame und war mitten in » le roman d'un jeune homme pauvre«, der in gewissen Zwischenräumen immer wieder aus dem Bücherspind genommen und aufs neue gelesen wurde – als sie plötzlich das Buch sinken ließ. »Großmutter Ursula,« begann sie.

Die Großmutter sah ihre Enkelin durch ihre Brillengläser an; dann nahm sie die Brille ab, steckte die Nadel in ihre Straminarbeit und saß nun majestätisch und gerüstet da, um das, was kommen würde, anzuhören.

»Wie konntest du nur damals –«

»Wann damals?« Es gab so viele damals in Großmutters Leben.

»Damals, wo du jung warst … Wie hast du nur damals so viel mehr Rücksicht auf des Urgroßvaters Willen und später auf den Admiral nehmen können, als auf Großvater Anker?«

»Na, also da will es hinaus?«

»Ja – ich verstehe es nicht.«

»Das ist eigentlich ein rechtes Armutszeugnis. Siehst du, mein Kind, der eine war eben mein Vater, dem ich Gehorsam schuldig war, und der andere mein Mann, dem ich Treue zugeschworen hatte. Aber ich will gern glauben, daß ihr es nicht versteht, denn die Pflicht wird ja heutzutage nur verspottet.«

»Ach nein, Großmutter, so ist es doch nicht. Aber ich meine, du hättest dich ihm gegenüber mehr verpflichtet fühlen müssen, als einem von den andern.«

»Wenn das etwas Neues sein soll, was du da vorbringst, kleine Sulla, dann danke ich dir für die gute Belehrung. Aber ich glaube fast, das hätte ich auch ohne deine Hilfe entdecken können.«

»Jawohl, aber Großmutter Ursula – du kannst es doch nicht so gefühlt haben, da du –«

»Da ich – was soll das heißen? Da ich es lassen konnte, deinem Großvater lebewohl zu sagen, oder ihm zu schreiben und nie auch nur eine Silbe mit ihm zu sprechen, nachdem ich verheiratet war … Das willst du wohl damit sagen? Dann will ich dir jetzt auch etwas sagen, was du offenbar nicht entdecken kannst. Ja, das konnte ich alles miteinander – weil ich in erster und letzter Linie Ludwig Anker schuldig war, niemals einen Flecken auf das Verhältnis zwischen ihm und mir kommen zu lassen.«

Großmutter Ursulas Augen sahen dabei strahlend jung und vor Empörung ganz schwarz aus.

»Bei Salomo heißt es, daß eine tote Fliege ein ganzes Faß Öl stinkend machen könne. Und um diese tote Fliege entfernt zu halten, dafür mußte ich sorgen – damit das Verhältnis nicht getrübt und zerstört würde. Denn wenn sich zwei erst etwas vorzuwerfen haben – dann machen sie sich schließlich gegenseitig Vorwürfe – und dann ist es bald aus mit der Liebe. Deshalb hielt ich es für meine erste Pflicht, das Verhältnis rein zu erhalten. Ein Mann ist nicht dazu angelegt, das auf sich zu nehmen. Aber eine Frau soll es können. Von dem Gerede, daß man dem, den man liebt, gegenüber zu schwach sei – will ich nichts hören. Das ist lauter leeres Geschwätz und die reine Jämmerlichkeit. Und niemand soll mich dazu bringen, das Liebe zu nennen.«

»Aber wenn ihr nun nie zusammen gekommen wäret und der Großvater ganz zugrunde gegangen wäre, weil er dich nicht gehabt hätte?«

»Darum brauchte ich mich nicht zu kümmern, das war unseres Herrgotts Sache … Und wie wäre es möglich gewesen, daß wir zwei nicht zusammen gekommen wären, da uns doch nicht irgend ein Unrecht getrennt hatte? Aber darf ich jetzt fragen, aus welchem Grunde du all diese Fragen stellst?«

»Aus keinem besonderen Grunde, Großmutter Ursula. Es ist mir nur so eingefallen.«

»Na, dann kannst du jetzt wohl da weiter lesen, wo wir stehen geblieben sind. Ja, und während ich daran denke; du hast doch einige Blumen für Onkel Peter zurückgelegt? Es ist ja heute sein Geburtstag?«

Aus keinem besonderen Grunde, Großmutter … aus keinem besonderen … Nein, es konnte kein bestimmter Gedanke hinter Sullas Frage liegen. Denn es war ja nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen –

Jede Wiederholung der Geschichte von Ludwig Anker und Fräulein Ursula, die ab und zu wie ein Funken aufgetaucht war – wie ein Schicksal, das sich in diesem Garten über sie hereinschleichen wollte – war ja zum voraus ausgeschlossen. Sie hatte es auch zurückgewiesen, so unerbittlich und so feindselig, daß es sich wohl kaum je wieder zeigen würde.

Hier lag etwas ganz anderes vor – das Natürliche, Unromantische und Unabweisbare, daß sie einen Menschen erblickt hatte, der ihr Nächster war – weil er sich in Not befand und die helfende Hand dringend nötig hatte … Und daß sie ihm ihre Hand reichen mußte – weil sie nun einmal bei der Hand war, und weil der andere es lernen mußte, sie als den Nächsten zu betrachten! Dieser Anblick macht das Herz eines Menschen größer – und sein Herz war auf dem Punkt, einzuschrumpfen, weil es vertrocknete …

Der Professor hatte Sulla ein paarmal aus seinem Manuskript vorgelesen und sich nicht über ihre Unwissenheit verwundert, sondern vielmehr darüber, daß ihr der Stoff keineswegs ganz fremd war. Sie hatte ja auch versucht, sich hineinzuleben. In den letzten Tagen war seine Arbeit nun wieder in Fluß gekommen. Aber das sei von keiner Bedeutung, sagte er, es sei ein Zufall, ein Zusammentreffen günstiger Umstände, die das gänzliche Aufhören nur hinausschöben. Das komme trotzdem sicher, denn er trage es in sich.

»Und selbst wenn diese Arbeit ganz fertig werden sollte, so bewiese mir das noch gar nichts,« sagte er. »Das Übel ist doch da und kann nicht aufgehalten werden. Ich habe mein Leben nun einmal verkehrt eingerichtet – das rächt sich immer; ja, ich meine vielleicht nicht so sehr nach außen – obgleich ich das auch getan habe – sondern von innen heraus.«

Sie sah ihn an mit tiefernsten, ganz dunklen Augen, und er fuhr fort: »Das ist nun freilich bei vielen Menschen der Fall, und ich weiß wohl, sehr wenige nur bringen es zu einem so harmonischen Leben, wie sie möchten, und darüber bin ich mir ganz klar, daß ein solches nur durch Frömmigkeit erreicht wird. Aber der Grundfehler ist – ich bin nicht gläubig.«

»Warum nicht?« fragte sie.

»Ach, das klingt seltsam in dem Munde eines ›Lehrers in Israel‹, nicht wahr? Ja, warum nicht? Und ich bin nicht einmal über die Einwendungen der Wissenschaft gestolpert. Die Wissenschaft kann nicht widerlegen, was außerhalb ihres Bereichs liegt – und was könnte sie mir geben, worauf ich leben und sterben könnte? Es kommt auch nicht daher, weil mir mein Verstand den Weg versperrt hätte; und wo der mir keinen Fuß breit weiter helfen kann, habe ich ihm auch das Recht genommen, hindernd aufzutreten. Ich habe natürlich dieselben Zweifel, wie die meisten normalen Menschen, aber ich bin doch so vernünftig, keine Rücksicht auf sie zu nehmen! Ferner weiß ich auch, daß alles, wonach ein Mensch dürstet, nur ein einziger anderer für ihn hat.«

»Ja,« erwiderte sie rasch, »aber dann –«

Er schüttelte den Kopf. »Nein – ich stehe trotzdem außerhalb. Ich habe den Augenblick verpaßt. Damals in jener Nacht, in meiner Jugend, wo ich mir der Schwachheit meiner Natur bewußt worden war und Angst vor ihr bekam, da hätte ich den entscheidenden Schritt tun sollen – anstatt nur daran herumzupfuschen und meine Natur umformen zu wollen. Das ist ganz verkehrt. Gerade das ist Gottesdienst, nach seiner Natur zu leben – rücksichtslos, vertrauensvoll, sich ganz ausleben, so wie Gott einen geschaffen hat. Aber wohlgemerkt – zuerst muß man diese Natur ganz in seine Hände übergeben haben, sonst wird man schließlich nur ein wildes Zerrbild seiner selbst.«

»Aber warum haben Sie es dann nicht getan?«

»Weil ich vor der unbedingten Hingabe zurückschreckte – vor dem Sprung in die Tiefe. Wissen Sie nicht auch, wie sehr das Absolute in einem Verhältnis erschrecken kann? Ich wollte meine Natur viel lieber bekämpfen und zurechtstutzen und mich an äußere Hilfstruppen halten – wenn ich nur mich selbst behalten durfte … Und da endigte ich als ein zahmes Zerrbild.«

»Nie ist etwas zu Ende, so lange man es noch anders machen kann.«

»Aber das kann ich nicht; aus zwei guten Gründen. Sehen Sie, ich habe mir eine gewisse Rechtgläubigkeit beigelegt, die weder erzogen noch gemacht ist – nur äußerlich und durch mehrere Generationen hindurch verbraucht ist sie. Aus dieser heraus doziere ich Ethik, ›im Grunde konventionell, aber in der Form ganz lebendig‹, heißt es. Diese wird, wie gesagt, nicht von Angriffen oder wissenschaftlichen Widersprüchen beeinflußt – aber sie würde vielleicht ganz einstürzen, wenn ich den Sprung im tiefsten Innern wagen wollte. Wenn ich erst in eine vollständige Abhängigkeit von einem einzigen Verhältnis käme – und von nichts anderem zwischen Himmel und Erde – dann würde gewiß das, was ich mir zurecht gemacht habe, weggewaschen. Und ich selbst würde vielleicht Swedenborgianer, oder Sozialist, oder – –«

»Was täte das – wenn Sie dann nur ganz in Harmonie mit sich selber wären?«

»Aber ich würde vielleicht auch mein Auditorium auseinander sprengen. Denn ich könnte mich wohl dann nicht mehr in die Frage vertiefen, ob sich ein Pfarrer viermal verheiraten dürfe, oder ob dreimal das äußerste sein sollte – wann er im Zylinder gehen müsse und wann ein runder Hut genüge usw. Ich würde dann vielleicht ganz einfach zu meinen Studenten sagen: Die christliche Ethik ist jetzt für mich nur eins – das was für alle im Evangelium Joh. 2, 5 steht: Was er euch sagt, das tut! Ich weiß zwar nicht mehr davon als ihr, und ich weiß es besonders nicht für euch. Aber eines weiß ich: Ihr müsset euch mit diesem Einen in ein solches Verhältnis hinein begeben, daß dieser Eine ganz direkt mit eurem inneren Menschen spricht – ihr müßt euch in dieses Verhältnis so hineinleben, daß ihr ausschließlich dafür lebt und andere lehret, es auch so zu machen. Und damit Gott befohlen! – Ja, ich würde vielleicht noch mehr als ein Auditorium auseinander sprengen – denn es ist gefährlich, wenn man alles mit neuen Augen betrachtet.«

»Das war Ihr einer Grund – und den halte ich nicht für stichhaltig. Was ist nun der andere?«

»Der ist so entscheidend, daß er schon allein genügen würde. Wo nichts ist, da hat der Kaiser das Recht verloren. Die tiefe Herzenshingabe kann ich nicht nachholen – denn ich habe nichts hinzugeben. Ich kann mich nicht mehr selbst festhalten. Es ist nur noch ein toter Punkt da, das wissen Sie wohl.«

Sie gab keine Antwort. Sie widersprach ihm nicht. Es war zwar nicht wahr; aber sie konnte es ihm nicht beweisen. Der Tag mußte kommen, wo er es selbst fühlte. Sein Herz war nicht tot, sondern leer. Es wartete auf etwas, das es füllen könnte, auf etwas, in dem er sich selbst wiederfände, um den Schritt zu machen, der sein Leben retten würde.

Wie gut war es, wenn man in dieser Weise mit einem andern Menschen sprach – ganz nüchtern und ernst! Und dann merken konnte, daß er von dem weit weg kam, in das er von Anfang an so leicht hineingeglitten wäre – von der Huldigung für die Königin in ihr, die sie so unerbittlich abgewiesen hatte, und über die er hatte hinwegkommen müssen, ehe ihm die Augen für den Nächsten aufgehen konnten.

»Entschuldigen Sie, daß ich Sie mit all dem ermüdet habe,« sagte er.

»Es ist ja nach unserem Übereinkommen,« erwiderte sie ruhig.

»Ich kann mir denken, wie sehr Sie sich über mich verwundern. Denn alles, was mir mangelt, das haben Sie.«

»Ja,« sagte sie.

»Den Schritt, den zu machen ich nicht den Mut gehabt habe, den haben Sie von ganzem Herzen gemacht.«

»Ja.«

»Und Sie leben gerade so ganz aus einem einzigen Verhältnis heraus.«

»Ja,« antwortete sie noch einmal. Da durchzuckte sie der Gedanke, nun habe sie dreimal ja gesagt, gerade wie an ihrem Konfirmationstage. Und wie damals auch machte sie das unruhig. War es wahr? Konnte sie wirklich zu so etwas Großem ja sagen? Stand sie nicht immer noch außerhalb?

Aber dann fiel ihr ein, daß er danach ja eigentlich gar nicht gefragt hatte. Er hatte ganz ruhig etwas bestätigt, was sie nur wiederholte. Denn vielleicht – vielleicht sah ein anderer, in einem einzelnen Augenblick, klarer als man selbst sah, einen Schein von der Vollendung der Persönlichkeit, die man in sich trug, ganz dunkel und halb unbewußt.

Ja, vielleicht war es so. Aber zugleich war es ihr auch, als walle ein starker, heißer Strom in ihrem Herzen auf. Ach, ihr Herz war leer und kalt gewesen! Aber nun wurde es gefüllt, gefüllt mit dem Willen zu all dem, was er genannt hatte, zur handgreiflichen Zuneigung alles dessen, mit dem sie seither nur in einem fernen angelernten Verhältnis gestanden hatte – zur Verinnerlichung des innigsten Verhältnisses, in dem ein Mensch stehen kann.

Ja, es war wahr, was er über sie gesagt hatte. In ihrem Willen war es wahr. Und was im Willen eines Menschen wahr ist, das wird auch wahr in seinem Leben.

Aber wie merkwürdig war es, sie hatte hier nur daran gedacht, ihm zu helfen, und nun hatte sie selbst Hilfe nötig gehabt, und ihr war geholfen worden – viel mehr, als sie übersehen konnte! – –

 

Der Garten erzählte Märchen – Märchen in Farben an jedem, jedem Tag … Schließlich war es, als stünde er in einer einzigen feurigen Lohe! Der wilde Wein an der Mauer brannte in immer tieferer Glut, die Blätter der Kastanienbäume spielten mit hellen Flammen, schwefelgelbe, blaulodernde, glühend rote Blumen erschlossen sich mit atemloser Hast – sie drängten sich hervor – und konnten vor den anderen nicht weiterkommen …

Eines Tages war der Professor sehr müde, als er in den Garten kam, und er mußte sich erst ein wenig ausruhen, ehe er an seine Arbeit ging.

Da bat er Sulla, ihm etwas von dem Märchen ihrer Kindheit, das sich hier im Garten abgespielt hatte, zu erzählen. Darauf hätte sich Sulla früher niemals eingelassen. Aber wenn sie einem Menschen damit helfen konnte …

Und während Sulla so von allen ihren Vorstellungen erzählte, wurden diese für sie selbst immer deutlicher: schließlich wußte sie tatsächlich nicht mehr, ob sie und die Schwester sich das wirklich damals alles ausgedacht hatten, oder ob sie es sich erst jetzt so zusammenreimte.

»Und während Sie da drinnen saßen, mitten in Lutetias Herrlichkeit, und sich alles des Schönen, das einem sonst entgeht, bewußt wurden – – war ich ein aufgeschossener wilder und einsamer Schuljunge, der außen an der Mauer vorüberging und mit hungrigen Augen zu den grünen Baumkronen aufschaute,« sagte der Professor schließlich.

»Nein, das war in der Skindergasse,« verbesserte sie.

»Ja richtig – es war in der Skindergasse,« wiederholte er.

 

– Als Sulla eines Tages zu Großmutter kam, um ihr vorzulesen, war die Professorin bei ihr.

»Sie ist eine wackere Frau,« sagte Großmutter, nachdem der Besuch gegangen war, »und sie freut sich von Herzen, daß ihr Mann im Garten drunten arbeiten kann. Ich fragte sie, warum sie nicht auch hinuntergehe? Da sagte sie, sie wolle ihn nicht stören. Sie meint auch, es sei vielleicht ganz gut, daß er ab und zu gar keine Gelegenheit zum Sprechen habe. Er ist wohl ein Schwarzseher – ja, der reine Hypochonder – und sie sagt, wenn so einer dann zu viel von sich selbst spreche, stelle er leicht Behauptungen auf, die er im Grunde gar nicht so meine.«

O ja, das wäre ja sehr bequem, wenn man die Dinge, denen man nicht gerade in die Augen zu sehen wagt, einfach totschweigen könnte – weil sie einen dann zu dem Zugeständnis zwingen könnten, das man nie machen möchte!

»Sie hat sich übrigens auch sehr nett über dich ausgesprochen,« fuhr Großmutter fort; »und sie meinte, sie könne durchaus nicht begreifen, daß du und Ulla Geschwisterkinder seien.«

Sulla wurde rot. »Sie kennt mich ja gar nicht.«

»Du mußt ihr aber doch einen Eindruck gemacht haben, denn sie redete viel von der Reinheit des Gemüts, der Jungfräulichkeit, die dich umgebe. Ich glaube fast, sie sorgt sich um den Bruder in Aarhus, und obgleich sie nichts davon sagte, merkte ich doch, was sie wünschte, und was ich auch in mancher Hinsicht für ausgezeichnet halten würde.«

Sullas Wangen glühten. »Ach nein, Großmutter Ursula, davon kann keine Rede sein.«

»Sollte er dir am Ende nicht gut genug sein?«

»Doch, doch – aber ich bin gar nicht zu so etwas geschaffen.«

»Willst du mir einbilden, du seiest anders geschaffen als wir andern? – – Na, vorläufig lassen wir die Sache ruhen. Aber allzu jungfräulich soll man auch nicht sein. Dann müßte ja die Welt aufhören.«

Während Sulla noch vorlas, kam Ulla in einem dicht anliegenden Kleid, das fast wie ein Reitkleid aussah, und mit langen Straußenfedern auf dem Hut, die ihr bis auf die Schulter herabwallten. Sie wollte sich bei Großmutter bedanken, die ihr zu ihrem Geburtstage eine selbst gehäkelte Schlummerdecke für den Oberst und eine rosa Schärpe für Nina geschickt hatte, nebst einem Brief, in dem stand: »Gaben für seine Lieben sind einem die liebsten Gaben.«

Als Sulla dann zum Gratulieren gekommen war, hatte Ulla über Großmutters Idee herzlich gelacht und gesagt: »Der Hieb saß gut«; aber jetzt dankte sie der Großmutter mit überströmenden Worten, weil sie Gedanken habe, wie sonst niemand.

»Ich habe nur einen Augenblick zur Verfügung,« fuhr sie fort, »denn ich muß Nina an der Schule abholen. Darf ich deshalb nicht ein wenig auf meinem Lieblingsplatz sitzen, Großmutter?«

Damit zog Ulla einen Schemel zu Großmutters Stuhl hin, kauerte sich darauf nieder und schlang die Arme um ihre Knie. Wie entzückend sah doch Ulla aus, mit dem schweren rötlichen Knoten im Nacken und dem schimmernden Lockengekräusel unter den vielen schwarzen Federn!

»So, Großmutter Ursula,« sagte sie, »nun erzähle ein wenig aus alten Zeiten – von allen meinen Unarten.«

Aber Großmutter schüttelte den Kopf. »Du hast ja nur einen Augenblick – und ich würde viele Tage lang nicht damit fertig.«

Ulla blinzelte und lachte Großmutter bewundernd zu. Dann fing sie gleich selbst an, alte Erinnerungen aufzufrischen. Erinnerst du dich – und entsinnst du dich noch? Besonders an die klassischen Aussprüche der Großmutter erinnerte sie sich mit fabelhafter Treue, selbst wenn sie auf ihre eigenen Kosten gingen.

»Ich bin wirklich recht oft ein gräßliches Mädchen gewesen,« sagte sie, während sie sich auf ihrem Schemel hin und her wiegte. »Wie wenig Freude hast du doch an mir gehabt, Großmutter Ursula!«

»Allerdings,« versetzte Großmutter; »aber siehst du, mein Mädchen, eines hat mich das Leben allmählich gelehrt: Wo man keine Freude haben kann, da hilft man sich mit dem Leid.«

Wieder lachte Ulla, aber ziemlich matter; dann suchte sie wieder in ihren Erinnerungen. Während sie nun so erzählte und Großmutter die Enkelin durch ihre Brillengläser betrachtete, ging Sulla plötzlich ein Licht auf: Ja, ja, wenn nach dem Großvater Anker noch ein schwacher Punkt in Großmutters Herz war, dann war dieser Punkt die lange Ulla. Aber als Sulla das entdeckt hatte, wurde ihr plötzlich das eigene Herz sonderbar schwer.

Warum zögerte Ulla, als sie schon aufgestanden war, um zu gehen? Warum ließ sie ihren Blick über alle Bilder hingleiten, von dem alten Silhouetten-Großpapa an bis zu ihren eigenen Kinderbildchen? – Warum betrachtete sie dann die gelben Damastsessel, deren Armlehnen die Kinder so verführerisch zum Reiten eingeladen hatten, was aber strenge verboten gewesen war? Und warum ließ sie schließlich ihren Blick auf Großmutter ruhen und auf all dem kleinen Krimskrams in Großmutters Nähkasten?

Und dann schlang sie plötzlich ihre beiden Arme um den Hals der Großmutter, die man doch sonst nicht liebkoste, der man nur die Stirn zum Küssen bot. »Großmutter Ursula, es gibt keine zweite wie dich, und niemand, der sich so einrichten kann wie du! Ich kann dich und deine ganze Umgebung mit geschlossenen Augen vor mir sehen, wo in der weiten Welt ich auch immer sein mag.«

Sulla ging mit der Cousine hinunter, denn Ulla sagte, sie wolle noch einen Blick in den Garten werfen. Sulla wußte, daß der Professor im Kolleg war – er wurde also nicht gestört – aber sie fühlte plötzlich etwas von jener Angst, die sie als Kind empfunden hatte, Ulla könnte einen Zipfel von dem Schleier erfassen, der die heimliche Welt verhüllte, und hindurchschauen.

»Ach – hier ist es herrlich!« rief Ulla. »Man watet ja in einem wahren Feuermeer!« Sie selbst aber sah zwischen allen den leuchtenden Farben um so schwärzer aus.

Sulla hatte die Blumenschere mitgenommen, weil Großmutter gesagt hatte, sie solle Ulla einen Strauß mitgeben. »Mach ihn ja so feurig und grell und altmodisch wie nur möglich,« sagte Ulla.

Sie hatte einen schlanken, schwarzen, zusammengerollten Sonnenschirm bei sich, und mit diesem deutete sie nun auf Georginen, Begonien, Ringelblumen, Sonnenblumen, Rosen …

Der dünne schwarze Schirm, der wie ein ungeheuer langer Zeigefinger zwischen die Blumen hineinglitt, kam Sulla ganz unheimlich vor, und es wurde ihr noch beklommener ums Herz. Warum hatte Großmutter auch gesagt, man müsse sich mit dem Leid helfen, wenn man keine – – Ach, alles wurde so schwer!

Und zugleich fuhr ihr ein Gedanke durch den Kopf, so unvermittelt und so ohne allen Sinn, wie einem oft im Traum ein Gedanke aufsteigt: Von jetzt an muß der Garten Blumen für die Toten hergeben.

Sie wurde betroffen; das hatte sie doch noch niemals gedacht, solange sie zurückdenken konnte! Wenn jemand in der Familie starb, schickte Großmutter einen Kranz aus dem Blumenladen gerade gegenüber. Der Garten hatte noch nie auch nur eine Rose dazu hergeben müssen. Und es war ja auch jetzt nicht die geringste Veranlassung zu solchen Gedanken!

Und doch, während Ulla den langen schwarzen Stab nach den strahlenden Beeten ausstreckte, klang es immerfort in Sullas Herzen: »Blumen für die Toten, Blumen für die Toten!«

Die beiden Cousinen setzten sich in die Fliederlaube, und Sulla band die Blumen in einen Strauß. Ulla nahm den großen Federhut ab. Ihr Haar sprühte in dem hereinfallenden Sonnenlicht förmlich Funken.

»Wie viele Familiensonntage tauchen doch hier vor einem auf!« sagte sie. Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Weißt du noch, was für eine fast krankhafte Sehnsucht nach Seebädern ich als Kind einmal gehabt habe?«

»O ja,« antwortete Sulla, die den Strauß eben mit Bast umwand. »In dem Sommer, wo ich mit euch in Hornbeck war, sagtest du, du seiest von dem ewigen Gehen auf der Landstraße ganz ausgetrocknet und wärest gewiß vollends gestorben, wenn es noch länger gedauert hätte. Und im Wasser bekam ich fast Angst vor dir; ich weiß nicht warum.«

»Kleine Klosterjungfrau, ich war wohl ganz aus dem Häuschen gewesen! – Ach ja, das salzige Wasser, nach dem ich den ganzen Winter hindurch gedürstet hatte! Weißt du noch, wie grün und durchsichtig es war, und wie es sich über einen hereinwälzte – daß man fast das Bewußtsein verlor – und dann geblendet, prustend, verwirrt und schaudernd unter dieser Macht war, die einen festhielt? Vater sagte einmal, man könnte meinen, das Wasser sei mein Element. Dann brannte es wie Feuer … O ihr andern wißt ja gar nicht, was das heißen will, aus seinem Element herausgenommen zu werden. Man stirbt wirklich daran!«

Sulla dachte an ganz andere Dinge. »Das ist ja schade, denn es ist noch sehr lang bis zum nächsten Sommer.«

»Wo warst du denn in deinen Gedanken, Sulla? – – Aber jetzt muß ich gehen … Kommst du noch immer alle Tage hierher?«

»Ja, bei gutem Wetter! Aber – –«

»Und die alte Ursula ist doch sonst so klug! Na, in irgend einem Punkt muß man sozusagen starblind sein. Aber – was wolltest du sagen?«

»Aber jetzt wird es ja bald Herbst.«

»Und dann?«

»Dann muß man warten, bis es wieder Frühling wird.«

»Und dann?«

Ach, nun drängte sich der dumme Satz schon wieder herein. Sie konnte ihn nicht los werden. In ihrem Herzen erklang es: »Dann können wir Blumen für die Toten pflücken.« Deshalb sagte sie rasch: »Du wolltest ja gehen, Ulla?«

»Nein, einen Augenblick habe ich schon noch. Ich bin sehr früh von Hause weggegangen. – – Sag mir einmal, Sullala – du bist doch sehr fromm?«

»Nein – am Frommsein allein kann man sich nicht genügen lassen; das ist zu wenig.«

»Aha, du meinst, man müsse sich bessern. Gut, aber nun sag mir, meinst du, es könnte etwas lebendig werden, so recht wirklich lebendig, um dann nicht einmal existieren zu dürfen? Du bist so blaß, Sulla?«

»Da weiß ich nichts davon.«

Ulla bohrte ihre langen Finger an beiden Schläfen in ihr rotleuchtendes Haar. »Dann hätte es doch gar keinen Sinn, nicht wahr? Warum wäre dann so eine Natur wie die meinige überhaupt geschaffen worden? Die Pfarrer sagen von dem Allernatürlichsten in ihrer Natur, daß es nicht sein dürfe. Aber wie geht es ihnen auch? Und dann sagen wir, das sei ganz verkehrt.«

»Tun wir das? Doch wohl nicht immer.«

Ulla sah die Cousine an. »Kannst du auf dem Wasser gehen, Ulla, wo wir andern in die salzige Flut untertauchen und uns umwerfen lassen müssen? Kannst du an den herbstlichen Sommerfäden in der Luft schweben? Kannst du das Lachen unterdrücken, wenn deine Mundwinkel unwiderstehlich zucken? Es ist gefährlich, mit einem andern zusammen zu lachen … Kannst du die Tränen zurückhalten, wenn sie dir schon in den Augen brennen? Kannst du anders, als jung sein – als atmen, als rotes Blut haben, das durch deine Adern rollt, ohne dich um Erlaubnis zu fragen? Kannst du das? – Wie bleich du bist, Sullala!«

Ach, aber diese ganze Flut von lauter Fragen war ja auch nicht zum Aushalten! Sulla antwortete deshalb aufs Geratewohl: »Großmutter Ursula sagte neulich: ›Eine Frau muß können.‹«

»Ja, eine Frau kann – das Unglaublichste. Das ist ganz richtig. Sie kann durch Feuer und Wasser hindurchjagen. Aber notabene, erst wenn sie liebt – und dann ist sie schon verloren.«

Ulla beugte sich über das schmale Tischchen vor und zog den Kopf der Cousine an sich. Das war mehr, als Sulla ertragen konnte. Heiß wallte es in ihr auf. – Ach Gott, sie hatte ja keinen Grund unter den Füßen mehr, keine Luft mehr zum Atmen, keinen Raum mehr zum Leben! – Jetzt brachen die Tränen hervor.

Ulla umschlang sie zärtlich mit den Armen; aber dann fing sie selbst plötzlich zu weinen an und schluchzte jammervoll. »Ach, was soll ich tun? Ich kann doch nicht anders sein, als so wie ich eben bin! Ach, wozu ist man auf die Welt gekommen?« Ihr Schluchzen klang so sonderbar laut durch die herbstlich klare Luft – in den stillen, strahlenden Garten hinein.

»So,« sagte sie dann plötzlich, indem sie sich die Augen abwischte, »nun bekomme ich eine rote Nase. Das sieht so hübsch aus zu meinem roten Haar. – – Nein, sag nichts, Sullala, sag nichts mehr! Küsse mich nicht, ich bin so erhitzt. Gib mir nur das Blumenbündel; mit dem sehe ich aus, als wollte ich auf dem Markt Blumen verkaufen. – – Ach, und ich muß durch die Hauptstraße!« – –

 

Sulla wanderte um den Rasenplatz herum, wieder und immer wieder – – sich mit dem Leid helfen, sich mit dem Leid helfen! Denn die Freude bekommt man nicht … Blumen pflücken, Blumen pflücken – für die Toten. Es nützt alles nichts, ob sie auch noch so strahlen und leuchten; der schwarze lange Zeigfinger wird sie schon bezeichnen.«

Ach, wenn Ulla so über einen hereinbrach, richtete sie doch immer nur Unruhe und Verwirrung an! So war es immer gewesen, von Kind auf.

Was hatte sie doch gesagt? Jung sein – und kein Blut in den Adern haben; nicht lachen, nicht weinen, in der Luft schweben!

O ja, es könnte vielleicht gefährlich werden, wenn man mit einem andern so recht von Herzen lachte, wenn man glücklich miteinander wäre. Und noch schlimmer war es vielleicht, wenn einem die Tränen in die Augen traten und man dann sah, daß auch ein anderer Mensch – –

Dann war es ganz so, als seien diese Tränen aus derselben Quelle entsprungen – und müßten in einander fließen.

Nun, dann lachte man eben nicht, dann ließ man das Weinen – wenn man auch jung war, und die Jugend doch aus lauter Lachen und Weinen besteht. Man unterließ es – denn eine Frau muß können. In diesem Punkt war Sulla so einig mit der Großmutter, daß das Verwandtschaftsgefühl zu einer Kraft in ihr wurde: Ja, eine Frau muß können.

Doch, was hatte Ulla noch gesagt?

Rings um den Rasen her wanderte Sulla, immer wieder … Ach, nirgends ein Zufluchtsort – kein Grund unter den Füßen!

»Wenn du durchs Wasser gehst, durch die Flüsse, wenn du durchs Feuer gehst.«

Wo stand das doch – und was kam dann? Sie mußte die Stelle finden. Aber die Stelle konnte ihr nicht helfen, wenn sie keinen Zugang zu der Macht fand, die darin enthalten war.

Aber etwas wußte Ulla doch nicht. Denn sie kannte nur eine Macht im Leben – und diese hat ihren Sitz nicht in ihr selbst, sondern überfiel sie wie ein Unwetter und jagte sie hinein ins Feuer und ins Wasser – trug sie aber nicht hindurch, führte sie nicht aufwärts.

»Wenn du durchs Wasser gehst, durch die Flüsse, wenn du durchs Feuer gehst, dann –«

Ach, wenn sie sich doch daran erinnern könnte! Es kam gewiß gleich etwas unaussprechlich Gutes hinterher. Schon die ruhige Voraussetzung, die in den Worten lag, war so vertrauenerweckend. Es erschien einem fast natürlich, daß der Weg durchs Feuer und Wasser führen konnte. Ja, wenn man eines Tages keinen Grund mehr unter den Füßen hätte – dann könnte alles andere zum Grund werden, wenn man nur die Macht in sich hätte, die nach oben trägt. – –

Der Himmel über Großmutter Ursulas Garten strahlte noch immer in leuchtendem Blau, und die Sonne schien noch immer sommerwarm mit goldenem Glanz. Aber – –

»Es ist noch schöner hier, als im Frühling,« sagte der Professor. »Aber – –«

Seit mehreren Tagen schrieb er eifrig und ununterbrochen, als wäre nie die Rede von einem Aufhören gewesen. Und die beiden schickten sich nur einen wortlosen Gruß wie im Anfang. Nein, es war doch anders; damals schwieg jedes für sich – jetzt schwiegen sie mit einander. Sie nahm an der ruhigen Arbeit teil, wie wenn sie sich mit ihm unterhielte.

Aber eines Tages stand er wieder da und klopfte an die »Türe der Laubhütte«, wie er sagte. »Ich wollte Ihnen nur etwas sagen; jetzt weiß ich, daß meine Arbeit fertig wird. Das hätte ich damals verschworen.«

Sie war nicht überrascht; ihr war, als habe sie das schon lange gewußt.

»Wenn es nun die geringste Dankbarkeit auf der Welt gäbe – aber die gibt es eben nicht – –, dann müßte das Buch dem Garten der Großmutter zugeeignet werden,« sagte er.

»Ja, das müßte es eigentlich,« bekräftigte Sulla.

Er saß ihr gegenüber in einer grünlich schimmernden Helle, die mit jedem Tag heller und goldener wurde. »Damit ist freilich noch nichts Entscheidendes geschehen,« fuhr er fort. (Nein, sie wußte wohl, daß er davon noch weit entfernt war.) »So eine Arbeit, wie viel man auch von seinem Eigenen hineinlegt, gehört doch zu den Außenwerken. Aber sie wird mir über eine lange, tote Zeit hinüberhelfen – die ich sonst nicht ertragen könnte. Ich habe noch eine ganze Menge daran zu tun – und nach der Herausgabe hoffe ich dann ordentlich besprochen, heruntergerissen und verketzert zu werden.«

»Könnte es so weit kommen, daß Sie Ihre Stelle verlören?«

»Nein, so günstig – Ihren Ansichten gemäß – wird es nicht ablaufen; aber Angriffe bringen Flug in die Gedanken.«

»Ich freue mich, bis ich das Buch lesen kann,« sagte sie. »Und ich werde es schon verstehen.«

»Danke,« sagte er mit einem leisen Lächeln, während er sie anschaute. »Sie wissen nicht, wie wohl es einem tut, wenn man einen Menschen hat, bei dem man, wenn ich so sagen darf, in einer ruhigen Ungnade steht, bei dem man sich darauf verlassen darf, daß kein zu nachsichtiger Blick das Urteil trübt und einem also jederzeit die nackte Wahrheit gesagt wird, bei dem man aber zugleich auch der helfenden Nächstenliebe vollkommen sicher sein darf, weil diese bei einer edlen Natur da am stärksten entwickelt ist, wo sie dem andern feindselig gegenübersteht.«

Sulla erwiderte nichts – sie warf nur den Kopf ein wenig zurück, mit einer ihrer königlichen Bewegungen.

»Ich werde es sehr vermissen, wenn ich nun bald auf mich selbst angewiesen bin – und auf freundliche Seelen.«

»Man kann ja auch aus der Ferne Anteil nehmen,« sagte sie.

»Wie schön wäre es, wenn man das wirklich könnte! Aber ich gehe doch zugrund – früher oder später, der tote Punkt verschlingt mich einmal.«

»Nein,« sagte sie ruhig, »denn ich bin ja da.«

Sie fand es ganz natürlich, als sie es sagte; erst nachher mußte sie sich damit auseinander setzen.

Er streckte ihr seine Hand hin, und sie legte die ihrige hinein; aber er küßte sie nicht.

Wie kam sie nur darauf? Das hätte er ja gar nicht tun dürfen. Und sie würde es schon verhindert haben.

Und doch mußte sie in der Erinnerung immer daran herummachen. Denn es war ihr, als habe er es getan.

»Eine lange, tote Zeit, die man sonst gar nicht ertragen könnte.« Diese Worte klangen ihr auf dem Heimweg noch immer in den Ohren. Und ihr war, als sei sie in einem Punkt wieder ein Kind; gerade wie damals war der Winter ein pechschwarzes, gähnendes Loch, über das man am liebsten hinübergeflogen wäre, dem Licht und dem Leben wieder entgegen, allem, allem entgegen, was man nur in der schönen heimlichen Welt fand, die Lutetia hieß.

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