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II.
Die Quellen und der Damm des Bergmanns

Jack und Hill benannte der Jäger die Jungen, und Hill, die kleine Bestie, verstärkte den ersten Eindruck ihres üblen Temperaments immer mehr. Kam Lan zur Essenszeit herbei, so kroch sie auf das äußerste Ende des Pfostens und heulte; sonst saß sie furchtsam und in mürrischem Schweigen da. Jack dagegen kroch hinab, eilte seinem Pfleger leise winselnd entgegen, soweit es die Kette erlaubte, und verschlang sein Futter sofort mit dem größten Vergnügen und einer völligen Formlosigkeit. Er hatte viele Eigenheiten und bestrafte beständig alle Lügen, die da sagen, ein Tier habe keinen Sinn für Humor. In einem Monat war er so zahm geworden, daß man ihn frei herumlaufen ließ. Seinem Herrn folgte er wie ein Hund, und seine Kunststücke und drolligen Anstalten ergötzten Kellyan und die wenigen Freunde, die er im Gebirge hatte, immer aufs neue.

Auf dem Talgrunde unterhalb des Falls war eine Wiese, auf der Lan Heu genug gewinnen konnte, um seine beiden Ponys durch den Winter zu füttern. Als in diesem Jahr die Heuzeit anbrach, war Jack sein täglicher Begleiter, der ihm in gefährlicher Nähe der klingenden Sense folgte oder sich dann wieder zusammenrollte und stundenlang auf seinem Rocke saß, um ihn fleißig gegen die Angriffe von Ungeheuern wie Erd- oder gestreifte Eichhörnchen zu schützen. Eine unterhaltende Abwechslung brachte der Tag, wenn der Mäher ein Hummelnest fand. Jack liebte natürlich den Honig und wußte recht gut, was ein Bienennest ist; so brachte ihn der Ruf: »Honig, Jack – Honig« immer in eiligem Watscheln zur Stelle.

»Honig – Jack – Honig.«

Vor Vergnügen sein witterndes Schnäuzchen hochziehend, kam er vorsichtig näher, denn er wußte, daß Bienen Stacheln haben. Sooft sich Gelegenheit bot, schlug er geschickt mit den Pfötchen danach, bis er eine nach der anderen gefangen und zerdrückt hatte. Nun schnüffelte er mächtig, um sich völlig zu versichern, und dann griff er behutsam ins Nest, bis die letzte Bewohnerin hervorkam und getötet wurde. War so das Dutzend Tierchen, das das Volk bildete, erledigt, so grub Jack sorgfältig das Nest aus und verzehrte zuerst den Honig, dann die Larven und das Wachs und zu allerletzt die Bienen, die er getötet hatte; dabei kaute er mit seinen Kiefern wie ein kleines Schwein am Trog, während seine lange rote Schlangenzunge gar geschäftig die Nachzügler in sein gieriges Mäulchen schob.

Lans nächster Nachbar war Lu Bonamy, vormals Cowboy und Schäfer, jetzt Bergmann. Er bewohnte mit seinem Hund eine Hütte etwa eine Meile, d. h. mehr als anderthalb Kilometer, weiter unten als Kellyan. Bonamy hatte Jack an einem Hummelnest arbeiten sehen. So sagte er einmal zu Kellyan: »Lan, bring Jack rüber; 's gibt 'n Spaß.« Er ging voran den Fluß hinab in den Wald. Kellyan folgte ihm, und Jack trottete hinter seinem Herrn her und schnüffelte von Zeit zu Zeit, um sich zu überzeugen, daß er nicht dem falschen Beinpaar folge.

»Da, Jack, Honig – Honig!« und Bonamy zeigte auf ein riesiges Wespennest auf einem Baume. – Jack richtete seinen Kopf nach einer Seite und schwang seine Nase auf die andere.

Offenbar sahen die Dinger da, die summend umherflogen, wie Bienen aus, wenn er auch noch niemals ein Bienennest von dieser Form oder an solcher Stelle gesehen hatte.

So kroch er den Stamm hinauf. Die Männer warteten – Lan war im Zweifel, ob er seinen lieben Pflegling solcher Gefahr aussetzen sollte, Bonamy blieb dabei, es würde ein Hauptspaß sein, den kleinen Bären so zu überraschen. Jack gelangte zu dem Ast, an dem das große Nest hoch über dem tiefen Wasser hing, und bewegte sich nun mit doppelter Vorsicht. Ein solches Bienennest hatte er noch nie gesehen, auch hatte es nicht den rechten Geruch. Dann tat er einen weiteren Schritt auf dem Ast – was für eine schreckliche Menge von Bienen; dann noch einen – doch, Bienen waren es; vorsichtig rückte er einen Fuß weiter vor – und Bienen bedeuten Honig; ein klein bißchen näher – jetzt war er keine vier Fuß mehr von der großen Papierkugel entfernt. Die Tierchen summten zornig, und Jack wich voll Zweifel ein wenig zurück; da wiederholte Bonamy leise sein trügerisches: »Honig, Jack – Honig!«

Zu seinem Glück ging der kleine Bär, der der Sache immer noch nicht ganz traute, langsam; er machte keine plötzliche Bewegung und wartete trotz der Lockung lange, bis der ganze Schwarm wieder im Neste war. Nun reckte Jack sein Näschen in die Höhe, rückte langsam etwas weiter, bis über die unheilschwangere Kugel. Er neigte sich, legte eine hornige kleine Vordertatze über das Ganze, griff mit dem andern Arm nach dem Nest, und mit einem kühnen Sprunge, die ganze Geschichte mit sich nehmend, tauchte er kopfüber in den Teich darunter. Sobald er im Wasser war, riß er mit den Hinterfüßen das Nest in Stücke; dann ließ er es schwimmen und strebte aus Land, während das zerfetzte Wespennest flußabwärts trieb. Jack lief am Ufer entlang, bis das Nest auf einer seichten Stelle landete. Dann sprang er wieder hinein; die Wespen waren ertrunken oder zu naß, um gefährlich zu sein, und er trug seine Beute triumphierend ans Ufer. Kein Honig; das war freilich eine Enttäuschung, aber dafür Massen fetter weißer Maden, die fast ebenso gut waren, und Jack speiste, bis sein Wanst wie ein Gummiball aussah.

Jack speiste, bis sein Bauch wie ein Gummiball aussah.

»Wie ist das?« sagte Lan, leise kichernd.

»Das Lachen geht auf unsere Kosten«, antwortete Bonamy grinsend.


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