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X.
Kleidung und Manieren

490.  Die Kleidung läßt nur dann einen Rückschluß auf den Träger zu, wenn es überhaupt nicht schwer fällt, diesen zu beurteilen. Wo du also Grund hast, anzunehmen, einen Kerl vor dir zu haben, übersieh vorerst seine Kleidung gänzlich. Hinterher vermag sie dir vielleicht etwas zu sagen.

491.  Sage niemals, auch wenn es der Fall ist, dein Smoking stamme aus Piccadilly. Man würde es dir auch nicht glauben, wenn du die Rechnung vorwiesest.

492.  Wenn du schon einen Bonjour trägst, so soll er wenigstens ein bißchen abgetragen sein.

493.  Die Mode der schwarzen Hornbrillen, welche der Funktion obliegen, Geist anzuschminken, steht durchaus neben jenen Vollbärten, die aus dreißigjährigen Halunken fünfzigjährige Respektspersonen machen. Verzichte auf solche Kindereien, welche dir weniger Vertrauen eintragen als eine gut gewählte und raffiniert gebundene Krawatte.

494.  Schmutzig einherzugehen darfst du dir nur in sehr gefährlichen Fällen gestatten.

495.  Sei so kokett, wie es nur angeht. Aber sehr darauf bedacht, daß niemand es bemerkt. (Excepté: Unterwäsche und Kenner der großen Groteske.)

496.  Bei der Wahl deiner Kleidung lasse dich nur von deinem Privatgeschmack leiten. Er wird dir das Höchstmaß von Wirkung dadurch sichern, daß du dich in deiner Hülle nicht nur auf der Höhe fühlst, sondern überhaupt wohl. Denn auch, was im allgemeinen nicht gefällt, wirkt, wenn es gut getragen wird.

497.  Zu Verkleidungen greife selten. Sie färben stets ein wenig auf dich ab.

498.  Laß deiner Stimme nie die Nacht anmerken; deinem Teint ungeniert.

500.  Eine Blume im Knopfloch trage nur abends, nachmittags hie und da statt eines Stocks Handschuhe in der Hand und vormittags trachte, überhaupt nicht gesehen zu werden.

501.  Nach acht Uhr abends darfst du keinen Spazierstock mehr tragen.

502.  Bleibe in deiner Kleidung bei dem dir vorteilhaftesten Grundtypus, den du nur durch jene Modedetails variieren darfst, die für dich sich eignen. Sei lieber ein wenig unmodern als reduziert.

503.  Wechsle sehr oft, sowohl der Form als auch der Farbe nach, Kragen und Krawatte. (Repetiere VI, 312.)

504.  In Salons ziehe es vor, zu stehen. Es wirkt vorteilhafter.

505.  Mache wenig Gesten, aber suggestive. Nur angenehm zu sehende unterlasse.

506.  Wenn dein Gesicht nichts weiter zu tun hat, wahre darauf stets einen leichten Schimmer angenehmer Unzufriedenheit.

507.  Sei Frauen gegenüber galant, aber nur dann, wenn ein Anderer in der Nähe ist. Unter vier Augen ist es ratsamer, es nicht zu sein. Jede Frau findet mit Recht Galanterie ein wenig verächtlich.

508.  Männern gegenüber sei zuvorkommend, aber so langsam, daß man dir zuvorkommt.

509.  Huste oder hüstle nur, wenn du es nicht unterdrücken kannst.

510.  Klatsche nie in die Hände.

511.  Wippe nicht mit dem übergeschlagenen Bein. Es wirkt, als würde eine ganze Volksschulklasse triumphieren.

512.  Auf Bügelfalten lege großen Wert. Tue aber alles, um das Gegenteil zu beweisen.

513.  Frauen, die du zu begehren begonnen hast, vermeide, zuzulächeln. Männern, von denen du etwas willst, lege oft die Hand auf den Unterarm.

514.  Jeder muß den Eindruck haben, daß du nicht weißt, eine Zigarette zwischen den Fingern zu haben.

515.  Lasse nie deine Zunge sehen. Die Frauen macht es neugierig, die Männer dir wohl gesinnt.

516.  Spiele nie mit den Fingern, um deine schöne Hand, verlängere nie eine Haltung, um dein interessantes Profil, und beiße vor allem nicht in den Daumen, um deine blitzenden Zähne zeigen zu können. All das ist vieux cabotin.

517.  Zeige beim Essen Appetit, aber weder Eile noch übertriebene Langsamkeit. Je routinierter und schöner du ißt, desto öfter wirst du eingeladen.

518.  Verwende beim Essen stets einige kleine Trucs, die neu sind und vorteilhaft auszuführen. Das kann dich rascher beliebt machen als eine zweistündige Konversation.

519.  Wäsche- (Chlor-) oder Seifengeruch darf unter keinen Umständen von dir ausgehen.

520.  Trage niemals Seidenhemden. Es sei denn, du willst Viehhändler oder Rayonchef sein.

521.  Die Grußbewegung deines Hutes sei stets die gleiche. Nur dein Gesicht und deine Augen lasse differieren.

522.  Gehst du allein auf der Straße, so muß deine ganze Person (schwach, aber deutlich) ein allgemeines Behagen verraten. Bist du in Begleitung, völlige Neutralität.

523.  Bleibe nur vor Auslagen stehen, die Damen- oder Luxusartikel enthalten.

524.  Schaue niemals in den Himmel und niemals zu Boden.

525.  Blicke jedem, mit dem du sprichst, ins Gesicht. Ins Auge aber nur, wenn du ihm dein Wohlwollen zeigen willst oder – die Zähne.

526.  Überfällt man dich mit einer Frage, einer Äußerung, so sei stets ein wenig verwirrt: als hätte man dich aus Gedanken gerissen.


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