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Neunzehntes Kapitel.

Ich kam mir wie betäubt und erstarrt vor. Wenn die Einbildungskraft bei einem geliebten Gegenstand verweilt, zeigt sie denselben nicht allein in dem schönsten Lichte, sondern auch in demjenigen, worin wir ihn am liebsten erblicken. Dianas Bild schwebte mir vor, wie sie war, als ihre Abschiedsträne auf meine Wange fiel, als ihr Andenken, von Mac Gregors Frau überreicht, ihren Wunsch andeutete, die Erinnerung an meine Zuneigung in Verbannung und Einsamkeit mitzunehmen. Ich sah sie wieder, und ihr kaltes, hingebendes Wesen, das so viel stille Schwermut ausdrückte, täuschte meine Erwartung und verletzte mich beinah. In meinem selbstsüchtigen Gefühle beschuldigte ich sie der Gleichgültigkeit – der Unempfindlichkeit. Ich legte ihrem Vater Stolz, Grausamkeit, Fanatismus bei und vergaß, daß Vater und Tochter alles dem Götzen opferten. Vernon war ein eifriger Katholik, der es für eine Lästerung ansah, sich mit einem Ketzer persönlich einzulassen; und Diana, für die ihres Vaters Sicherheit seit Jahren die erste Triebfeder ihrer Gedanken, Hoffnungen und Handlungen war, erachtete es für Kindespflicht, nicht allein ihren weltlichen Besitz, sondern auch ihre Herzensneigung seinem Willen zu opfern.

»Also verschmäht,« sprach ich zu mir selbst, als ich den Inhalt von Vernons Mitteilungen erwog, »verschmäht und abgewiesen, ja für unwürdig erachtet, mit ihr zu reden. Mag es sein! Das soll mich aber nicht abhalten, für ihre Sicherheit zu sorgen. Ich will hier Wache halten, und so lange sie unter meinem Dache ist, soll keine Gefahr ihr drohen, die der Arm eines, entschlossenen Mannes abzuwenden vermag.«

Ich rief Syddall herbei. Er kam, aber in Begleitung meines zudringlichen Dieners, der, seit ich das Haus in Besitz genommen, sich überall unentbehrlich zu machen suchte und, wie es bei Leuten seines Schlages oft der Fall ist, über das Ziel hinausschoß und sich, statt unentbehrlich, eher unangenehm machte. Seine Anwesenheit hinderte mich, offen mit Syddall zu sprechen; anderseits traute ich mir nicht, ihn wegzuschicken, aus Furcht, seinen Argwohn zu vermehren. Nach einer Weile sagte ich indessen, kurz entschlossen: »Ich werde hier schlafen; ich habe noch viel zu tun, und werde mich erst spät niederlegen.«

Syddall schien meinen Blick zu verstehen und erbot sich, mir Matratzen und Betten zu besorgen, ich entließ Andreas mit dem Bescheide, mich am Morgen vor sieben Uhr nicht zu stören, und sie entfernten sich. Ich suchte mein Gemüt zu beruhigen und von der sonderbaren Lage abzuziehen, in der ich mich befand. Aber ich kämpfte vergebens, denn die Nähe derjenigen, von welcher ich bald auf immer getrennt werden sollte, gönnte mir keine Ruhe; ihr Name stand in jedem Buche, das ich zu lesen versuchte, ihr Bild drängte sich in meine Gedanken, ich mochte mich befassen, womit ich wollte.

Ruhelos ging ich auf und nieder; ich warf mich auf das Lager und versuchte zu schlafen, allein vergebens; mein Mut wallte fieberhaft und schlug mir in den Adern gleich Strömen flüssigen Feuers.

Endlich stand ich auf, machte das Fenster auf und starrte in das helle Mondlicht; die stille schöne Nacht brachte mir wenigstens einige Erfrischung, und als ich dann meinen Platz auf dem Ruhebett wieder einnahm, da war, der Himmel ist mein Zeuge! mein Herz freilich nicht leichter, aber doch ruhiger. Und nun fand endlich der Schlummer den Weg zu meinen Lidern. Aber schreckliche Träume beunruhigten mich noch immer, und mit einemmal war mirs, als wenn es mir in den Ohren zu donnern anfinge ... aber es vergingen einige Minuten, ehe ich mich sammeln und unterscheiden konnte. Und nun hörte ich, daß der Lärm von heftigen Schlägen gegen das Tor herrührte. Zu Tode erschrocken sprang ich von meinem Lager auf, nahm den Degen unter den Arm und eilte hinaus, den Eintritt zu wehren. Als ich die Treppe erreichte, aus deren Fenstern man in den Eingangshof sah, hörte ich Syddall im Wortwechsel mit rauhen Stimmen, die auf grund königlicher Vollmacht Eintritt forderten für den Land- und Friedensrichter Standish, und dem alten Diener, wenn er nicht Gehorsam leistete, mit den schwersten Strafen drohten. Während sie noch sprachen, hörte ich zu meinem unsäglichen Verdruß, wie Andreas den Kellermeister auf die Seite schob, um selbst das Tor zu öffnen.

»Wenn sie in des Königs Namen kommen,« rief er, »so haben wir doch nichts zu fürchten – wir haben Gut und Blut für den König gelassen und brauchen uns nicht zu verstecken, wie manche Leute, Herr Syddall – denn wir sind weder Papisten noch Jakobiten.«

Umsonst flog ich die Treppe hinunter. Ich hörte, wie ein Riegel nach dem andern weggeschoben wurde; ich hörte, wie der Schwätzer Andreas fort und fort von Anhänglichkeit an König Georg faselte, und ich durfte nicht mehr zweifeln, daß die Häscher Zutritt erlangt hätten, ehe ich bis zur Tür kommen könnte. Ich lief zum Büchersaal zurück, verrammelte die Tür so gut ich konnte, und rief Diana. Sie öffnete sogleich. Sie war bereits angekleidet und verriet weder Unruhe noch Furcht.

»Mein Vater ist schon munter,« sagte sie; »er ist in Rashleighs Zimmer. Wir wollen in den Garten fliehen und dann in den Wald durch die Hintertür, zu der mir Syddall den Schlüssel gab für den Notfall – niemand kennt die Waldgründe besser als ich. haltet sie nur noch einige Minuten auf! – Lieber, lieber Franz, noch einmal, lebt Wohl!«

Sie war verschwunden, wie ein Luftgebilde – auf dem Wege zum Vater. Die Häscher versuchten die Tür zum Büchersaal zu sprengen, als ich wieder hineintrat.

»Räuber!« rief ich, mit Vorbedacht die Absicht ihres Lärms mißverstehend. »Räuber!... Syddall, Andreas! hierher! Weicht von der Tür, Gesindel – oder ich schieße!«

»Herr Gerichtsschreiber Jobson,« rief Andreas von draußen herein, »verlangt Zutritt auf grund gesetzlicher Vollmacht –«

»Zu suchen, zu greifen und zu verhaften,« fiel die Stimme des Zungendreschers ein, »die Leiber gewisser Personen, in meiner Vollmacht benannt, als des Hochverrats schuldig.«

Neuer Lärm an der Tür! »Ich stehe auf, Ihr Herren!« rief ich, um so viel Zeit wie möglich zu gewinnen. »Braucht nicht Gewalt! Zeigt mir Eure Vollmacht, und ist sie in Ordnung, so werde ich mich nicht widersetzen!«

»Gott segne den König!« rief Andreas. »Ich habs Euch ja gesagt, daß Ihr hier keine Jakobiten findet.«

Ich konnte sie nun aber nicht länger warten lassen, denn sie hätten sonst die Tür gesprengt. Wie ein Pfeil schoß Jobson herein, von mehreren Gehilfen begleitet, unter denen ich den jüngern Wingfield entdeckte, dem er ohne Zweifel seine Nachricht zu danken hatte. Er zeigte mir die Vollmacht, die nicht allein auf Friedrich Vernon, einen prozessierten und landflüchtigen Verbrecher, sondern auch gegen Diana Vernon und Franz Osbaldistone, wegen Mitwisserschaft des Verrats, lautete. Widerstand wäre hier Tollheit gewesen; ich bedang mir nur einige Minuten Aufschub, dann übergab ich mich als Gefangenen.

Jobson schritt in Dianas Kammer; ich hörte, wie er sich von dort in das Zimmer begab, in welchem Vernon geschlafen hatte. »Der Hase ist entwischt,« sprach er roh, »aber das Lager ist noch warm, und die Hunde werden ihn wohl schon beim Felle haben. –«

Wenig fehlte, so hätte ich den Wicht niedergeschlagen. Da erscholl vom Garten herauf ein angstvoller Schrei. Er sagte mir, daß der Wicht von Schreiber recht hatte, und nach fünf Minuten trat Rasleigh mit Vernon und Diana ins Zimmer.

»Der Fuchs,« sprach er, »kennt seinen alten Bau, aber er hat vergessen, daß ein achtsamer Jäger ihn verstopfen konnte. – Ich halte die Gartenpforte nicht vergessen, Sir Friedrich – oder, wenn Euch dieser Titel besser gefällt, Lord Beauchamp.«

»Rashleigh,« sprach Vernon, »Du bist ein elender Schurke!«

»Der Namen stand mir besser, Herr Ritter, oder Mylord, als ich unter der Leitung eines geschickten Lehrers den Bürgerkrieg in ein friedliches Land z« bringen suchte. Aber,« sprach er mit emporgewandtem Blick, »ich habe mein Bestes getan, meine Verirrungen wieder gut zu machen.«

Ich konnte mich nicht länger halten. Ich hatte mir vorgenommen, dem Vorgänge schweigend zuzusehen, aber ich fühlte, daß ich reden oder sterben müßte. »Wenn die Hölle eine Gestalt hat, die scheußlicher ist als die andre,« rief ich, »so muß es Niederträchtigkeit unter der Larve der Heuchelei sein.«

»Ei, ei, mein sanftes Vetterlein,« sprach Rashleigh, indem er ein Licht nach mir hinhielt und mich vom Kopfe bis zum Fuße musterte. »Recht willkommen im Schlosse! Euer Groll stört mich nicht! es ist recht hart, ein Gut und eine Braut in einer Nacht zu verlieren; denn sofern Ihr nichts dawider habt, werden wir Besitz nehmen von diesem armen Herrschaftshaus, im Namen des gesetzmäßigen Erben, Rashleigh Osbaldistone.«

Rashleigh suchte vergebens den Zorn zu verbergen, der aus seinem Gesichte mit Scham um die Herrschaft rang. Noch schärfer verriet sich dieser Kampf, als Diana jetzt das Wort an ihn richtete.

»Rashleigh,« sagte sie verächtlich, »Ihr tut mir leid, denn so groß das Unheil ist, das Ihr mir habt zufügen wollen, so groß auch das Böse ist, das Ihr wirklich verübt habt, so kann ich Euch doch nicht in dem Maße hassen, wie ich Euch verachte. Was Ihr jetzt getan habt, mag das Werk einer Stunde sein; aber es wird Euch Stoff zum Nachdenken geben für Euer ganzes Leben – und was für Stoff, das überlasse, ich Eurem eigenen Gewissen, das wohl kaum immer schlummern wird.«

Rashleigh ging ein paarmal durch das Zimmer, dann trat er zu dem Tische, auf dem noch Wein stand, und schenkte mit zitternder Hand ein volles Glas ein. Als er aber sah, daß wir seine Bewegung merkten, unterdrückte er sie mit starker Anstrengung, sah uns fest und trotzig an und führte den Becher zum Munde, ohne einen Tropfen zu vergießen.

»Es ist meines Vaters alter Burgunder,« sagte er, auf Jobson blickend. »Es freut mich, daß noch etwas davon da ist.

– Ihr werdet für Leute sorgen, die in meinem Namen für das Haus und mein Eigentum Sorge tragen, und diesen blöden Kellermeister zusammen mit dem noch blöderen Narren Andreas zum Tempel hinauswerfen. Unterdessen wollen wir diese andern Personen an schicklichem Ort in Verwahrsam bringen. Ich habe den alten Familienwagen in Bereitschaft setzen lassen,« fuhr er fort, »obwohl ich weiß, daß selbst das Fräulein zu Fuß oder zu Pferde der Nachtluft trotzen könnte, wenn ihr die Reise besser zu Sinne stände.«

Andreas rang die Hände. »Ich habe doch bloß erzählt, daß mein Herr mit einem Geist im Büchersaale sich zu unterhalten scheine – und dieser Schelm von Wingfield konnte einen alten Freund verraten, der zwanzig Jahre lang jeden Sonntag mit ihm aus demselben Psalmbuch gesungen hat!«

Ohne auf seine Wehklagen zu achten, wurde er zusammen mit dem alten Kellermeister, beide wie sie gingen und standen, aus dem Hause gejagt. Diese unfreundliche Handlung sollte jedoch merkwürdige Folgen zeitigen. Andreas war, in der Absicht, sich ein Nachtlager zu suchen, durch die Allee in den »alten Wald« gegangen, wie man das Stück Land nannte, obwohl es jetzt mehr als Weide gebraucht wurde, als er plötzlich auf eine schottische Viehherde stieß, die während der Nacht hier ruhen sollte. Da er die Gewohnheit seiner Landsleute kannte, ihre Herden auf den besten Grasplatz, den sie finden können, nachts über zu treiben und sich durch Aufbruch vor Tage der Zahlung für das Nachtquartier zu entziehen, so wunderte er sich nicht weiter über dieses Begegnis, geriet aber auf der Stelle in heftige Bestürzung, als ein Hochländer aufsprang und ihn mit der Anschuldigung, sein Vieh gestört zu haben, nicht eher ziehen lassen wollte, als bis er mit seinem Herrn gesprochen hätte. Der Hochländer führte ihn nun in ein Dickicht, wo sich noch andre Hochländer befanden. Hier merkte Andreas bald, daß es der Treiber zu viel für eine Herde waren, – und merkte an ihren Fragen, daß sie wohl andern Werg auf ihrem Rocken haben möchten.

Sie fragten ihn nun genau nach allem, was im Schlosse vorgegangen war und schienen sehr verwundert, über seine Nachrichten. Dann sprachen sie leise miteinander und trieben endlich ihr Vieh an den Eingang der Allee, in einiger Entfernung vom Hause. Hier schleppten sie gefällte Bäume zusammen, die in der Nähe lagen, und errichteten ein leichtes Verhau quer über den Weg. Der Tag fing jetzt an zu grauen, und ein matter Schein im Osten verschmolz mit dem verblassenden Mondlicht, so daß man die Gegenstände ziemlich genau unterscheiden konnte. Eine Kutsche, von vier Pferden gezogen und von sechs Mann zu Pferd begleitet, kam die Allee entlang gerasselt. Die Hochländer lauschten. In dem Wagen saß Jobson mit seinen unglücklichen Gefangenen. Das Gefolge bestand aus Rashleigh, mehreren Reitern und Gerichtsdienern. Kaum war die Kutsche zum Tore hinaus, so wurde es durch einen Hochländer, der zu diesem Zwecke dort postiert war, hinter den Reitern gesperrt. Im selben Augenblick geriet der Wagen in die Herde hinein und sah sich durch das Verhau aufgehalten. Zwei Reiter stiegen ab, die Baumstämme wegzuschaffen, die andern trieben das Vieh mit ihren Peitschen aus dem Wege.

»Wer nimmt sich heraus, unser Vieh zu mißhandeln?« rief da eine rauhe Stimme. – »Schieß, Angus!«

Darauf Rashleigh: »Verrat, Jobson, Verrat!« und feuerte seine Pistole auf den Mann ab, der zu schießen befohlen hatte.

»Zum Schwert!« rief der Anführer der Hochländer, und im Nu war man handgemein. Durch den plötzlichen Angriff in Schrecken gesetzt, zudem an sich nicht eben tapfer, suchten die Schergen den Weg zum Schlosse zurückzugewinnen. Als aber ein Schuß von dem Tore her dröhnte, glaubten sie sich umringt und rissen nach verschiedenen Richtungen aus. Inzwischen war Rashleigh abgestiegen und focht zu Fuß mit dem Anführer der Bande. Aber so verzweifelt er kämpfte, so unterlag er doch bald.

»Wollt Ihr um Pardon bitten, um Gottes, Königs Jakob und alter Freundschaft willen?« rief eine Stimme, die ich recht gut kannte. – »Nein!« antwortete Rashleigh entschlossen.

»Dann stirb, Verräter, in Deinem Laster,« versetzte Mac Gregor und durchbohrte den unter ihm liegenden Gegner mit dem Schwerte. Im nächsten Augenblick war er am Kutscherschlage, hob Fräulein Vernon heraus, half ihrem Vater und mir aussteigen, packte den Schreiber beim Schopf und warf ihn unter die Räder.

»Herr Osbaldistone,« sprach er leise, »Ihr habt nichts zu fürchten. – Eure Freunde werden bald in Sicherheit sein. – Lebt wohl, und gedenkt an Mac Gregor!«

Er pfiff – seine Leute versammelten sich um ihn, nahmen Vernon und Diana in die Mitte und verschwanden im Walde. Der Kutscher hatte die Pferde im Stiche gelassen und war beim ersten Schuß geflohen; allein die Tiere, von dem Verhau aufgehalten, blieben ruhig stehen, zum Glücke für Jobson; denn bei der geringsten Bewegung wären ihm die Räder über den Leib gegangen. Ich leistete ihm Beistand, denn er war vor Schreck so außer sich, daß er sich nicht selbst aufhelfen konnte. Ich machte ihm hierauf bemerklich, daß ich mich weder um die Gefangenen bekümmert, noch ihnen zur Flucht verholfen, noch selbst zu entfliehen versucht hätte, und fordere ihn auf, nach dem Schlosse zurückzugehen, und Leute zum Beistand für die Verwundeten zu rufen. Aber die Furcht hatte sich seiner in solchem Maße bemeistert, daß er sich nicht zu bewegen vermochte. Ich wollte den Gang deshalb selbst verrichten, stolperte aber über den Körper eines Menschen, den ich für tot hielt. Es war indessen niemand weiter als Andreas, der sich zu Boden bloß darum geworfen hatte, weil ihm so die durch die Luft schwirrenden Kugeln nichts antun konnten. Ich war so froh, ihn zu finden, daß ich nicht fragte, wie er dahin gekommen sei, sondern ihn sogleich mit dem Gange betraute, den ich selbst hatte verrichten wollen.

Ich wandte mich nun vor allem an Rashleigh. Er stöhnte tief, als er mich kommen sah, und zwar ebenso sehr aus Haß wie vor Schmerzen. – Dann blickte er zur Seite, willens, kein Wort mehr zu sprechen. Wir hoben ihn in den Wagen. Mit Mühe machte ich nun Jobson begreiflich, daß er mit einsteigen müsse, um Rashleigh beizustehen. Er gehorchte. Wir lenkten hierauf die Pferde um, öffneten das Tor der Allee und fuhren langsam nach dem Schlosse zurück.

Einige Flüchtlinge waren schon auf Umwegen dorthin gelangt und hatten die dort zurückgebliebenen Gerichtsschergen durch die Meldung in Angst gejagt, Rashleigh, Jobson und alle übrigen seien am Eingänge der Allee von einem Regiment wilder Hochländer in Stücke gehauen worden. Als wir an das Schloß herankamen, klang uns ein Summen entgegen, wie wenn Bienen in ihren Körben schwirrten. Alles war in wildem Aufruhr. Aber Jobson hatte sich inzwischen erholt und war um so ungeduldiger, aus dem Wagen erlöst zu werden, als einer von seinen Begleitern, der Gerichtsdiener, eben an seiner Seite verschieden war.

Rashleigh lebte noch, war aber so schwer verwundet, daß sein Blut den Boden des Wagens bedeckte und lange Spuren zurückließ vom Eingange bis in die Steinhalle, wo man ihn in einen Lehnstuhl setzte. Einige versuchten, das Blut zu stillen;

andre schrien nach einem Wundarzt, aber niemand schien Lust zu haben, einen Schritt zu tun.

»Quält mich nicht,« lallte der Verwundete nach einer Weile. »Ich weiß, mir kann kein Beistand helfen. Ich sterbe.« Er richtete sich im Lehnstuhl empor, obwohl der Todesschweiß schon auf seiner Stirn stand, und sprach mit einer Festigkeit, die seine Kräfte zu übersteigen schien: »Vetter Franz, tretet zu mir.« – Ich näherte mich. – »Ich will Euch bloß sagen, daß keine Todesqual in meinen Gesinnungen gegen Euch etwas ändern kann. Ich hasse Euch!« rief er, und der Ausdruck von Wut gab seinen Augen, die bald auf immer sich schließen sollten, einen grausigen Glanz.... »Ich hasse Euch, jetzt, da ich blutend vor Euch liege, so grimmig, als wenn mein Fuß auf Eurem Nacken stünde.«

»Ich habe Euch keine Ursache dazu gegeben,« versetzte ich; »um Euretwillen wünschte ich, Ihr wäret jetzt mildern Sinnes.«

»Ihr habt mir Ursache gegeben,« entgegnete er, »denn Ihr habt mich gehemmt in meinem Ehrgeize, seid mir hinderlich gewesen bei allem Gewinne, und habt mir die Geliebte abspenstig gemacht. ... Ich war berufen, die Ehre meines Hauses zu werden – ich bin ihm zur Schande geworden – alles durch Eure Schuld. Selbst mein Erbe mußte an Euch fallen. Nehmt es! möge der Fluch eines Sterbenden darauf ruhen!«

Nachdem er diesen furchtbaren Wunsch ausgestoßen hatte, sank er in den Lehnstuhl zurück. Sein Auge wurde starr, seine Glieder wurden steif, aber das Grinsen des Hasses entstellte sein Gesicht noch im Tode. Ich will nicht länger bei diesem grausen Bilde verweilen, und nur noch mitteilen, daß mein Erbteil mir nicht weiter bestritten wurde, sondern daß Jobson zugestehen mußte, die Anklage gegen mich sei nur zu Rashleighs Vorteil erhoben worden, um mich aus dem Schlosse zu entfernen. Jobsons Name wurde aus der Reihe der Sachwalter gestrichen, und er sank in Armut und Verachtung.

Sobald ich meine Angelegenheiten im Schlosse in Ordnung gebracht hatte, kehrte ich nach London zurück, glücklich, einen Ort zu verlassen, der so viel schmerzliche Erinnerungen weckte. Ich wartete nun mit Angst und Unruhe auf Nachrichten von Dianas und ihres Vaters Schicksal. Ein Kaufmann aus Frankreich, der Handelsgeschäfte in London hatte, brachte mir einen Brief von ihr, der mich über ihre Sicherheit beruhigte, aber mir auch mitteilte, daß ihr Vater infolge seiner letzten Strapazen und Entbehrungen einer verzehrenden Krankheit verfallen sei und dem Tode entgegengehe; seinem Willen gemäß sei sie willens, den Schleier zu nehmen.

Da hielt es mich nicht länger; ich machte meinen Vater offenherzig mit dem Zustande meines Herzens bekannt, und war er auch nicht wenig bestürzt über meine Absicht, eine Katholikin zu heiraten, so wünschte er doch, wie er sagte, daß ich im Leben »gefestigt« würde; und da ich, wie er jetzt recht gut einsähe, durch meine treuliche Teilnahme an seinen kaufmännischen Geschäften ihm von so großem Nutzen gewesen sei, wolle er mir in meiner Herzenssache auch nicht zuwider sein.... »Aber,« schloß er, »ich hätte mir nun und nimmer gedacht, daß mein Sohn Herr des Erbguts Osbaldistone werden, und noch weniger, daß er sich seine Braut aus einem französischen Kloster holen werde. Indessen muß eine so liebe Tochter auch eine liebe Gattin werden.«

Daß ich meine Verbindung nach besten Kräften beschleunigte, brauche ich Dir nicht zu sagen, Freund Tresham; Du weißt auch, wie lange und wie glücklich ich an Dianas Seite lebte, und wie tief ich um sie trauerte. Aber Du weißt nicht, – und kannst es nicht wissen, in welch hohem Maße sie den Schmerz ihres Gatten verdiente.

Romantische Abenteuer habe ich nicht mehr zu erzählen. Die weitern Ereignisse meines Lebens sind Dir ja bekannt. In Schottland war ich noch oft; den kühnen Hochländer, der auf die frühern Ereignisse meines Lebens so viel Einfluß hatte, habe ich aber nie wiedergesehen, indessen hin und wieder erfahren, daß er seinen mächtigen Feinden zum Trotze in den Gebirgen von Loch Lomond, sogar auf gewisse Weise von der Regierung beschützt, im hohen Alter, gegen das Jahr 1736, eines friedlichen Todes gestorben ist, was gewiß zu den höchsten Unwahrscheinlichkeiten des menschlichen Daseins gehören dürfte, aber mir so sicher verbürgt worden ist, daß sich nicht daran zweifeln läßt. Er ist noch heute in der Gegend von Lennox als der Robin Hood von Schottland, »die Furcht der Reichen, der Freund der Armen«, bekannt.

Der alte Andreas, dessen Du Dich ja gewiß noch erinnern wirst, pflegte zu sagen: es gäbe mancherlei Dinge, die zu bös seien, daß man sie segnen, und zu gut, daß man sie verdammen könne, und solch ein Ding sei Robin der Rote gewesen.

 

Ende.

 


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