Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel.

Auf meinem Wege nach dem Schlosse traf ich dieselben Gegenstände, die ich an Dianas Seite auf ihrem mir unvergeßlichen Ritte von Inglewoods Wohnung gesehen hatte. Ihr Geist schien mich zu begleiten, und als ich an die Stelle kam, wo ich sie zum ersten Male erblickte, war es mir, als hörte ich Hundegebell und Jagdhornklänge, und ich starrte in den leeren Raum hin, als hätte es mich verlangt, die schöne Jägerin, gleich einer überirdischen Erscheinung, wieder vom Hügel herab kommen zu sehen. Aber alles war still und einsam. Als ich ins Schloß trat, frappierte mich der Gegensatz zwischen den geschlossenen Toren und Fenstern, den mit Gras überwachsenen Steinen, den öden Höfen und zwischen dem fröhlichen Leben und Treiben, das ich ehedem hier so oft mit angesehen hatte, wenn die muntern Jäger des Morgens auszogen oder abends heimkehrten, auf das lebhafteste, und der Gedanke, daß ich als Herr und Eigentümer hierher zurückkehrte, an diese Stätte, die ich als Flüchtling verlassen hatte, gewährte mir nur geringen Trost. Während ich meinen Gedanken nachhing, bemühte sich mein Begleiter, Andreas, den ganz andre Gefühle beherrschten, an alle Pforten zu donnern, und begehrte als Leibknappe des neuen Burgherrn Einlaß in einem Tone, der keinen Zweifel über die wichtige Meinung ließ, die er von sich hatte. Endlich zeigte sich Anton Syddall, meines Oheims alter Kellner und Haushofmeister, furchtsam und ungern an einem wohlvergitterten Fenster, und fragte, was wir begehrten.

»Wir kommen, Euch Euer Amt abzunehmen, alter Freund!« sprach Andreas. »Ihr könnt sogleich die Schlüssel herausgeben. Ihr habt nun ausgedient, Herr Syddall; aber jedes Ding hält eben auf Erden seine Zeit, und Ihr könnt ganz gut nun auch mal unten am Tische sitzen, wie seitdem Andreas.«

Ich setzte nun Syddall die neuen Verhältnisse auseinander, aber der alte Mann tat sehr bekümmert und war offenbar nicht willens, mich ins Schloß zu lassen, obwohl er sich demütig und unterwürfig verhielt. Ich hatte Nachsicht mit ihm, bestand aber auf meinem Verlangen.

»Wir kommen vom Richter Inglewood,« sprach Andreas, in der Absicht, meinem Verlangen mehr Nachdruck zu geben. »Wir haben jetzt Recht und Gesetz im Lande, Herr Syddall, und Eure Rebellen und Papisten können jetzt nicht mehr bloß tun und lassen, was ihnen beliebt.«

Diese Drohung erschreckte den Greis, der wohl wußte, daß er wegen seines Glaubens und wegen seiner Anhänglichkeit an den Ritter Hildebrand und seine Söhne nicht gut angeschrieben stand. Zitternd vor Furcht, öffnete er eine Nebenpforte, die mit vielen Riegeln und Stangen versehen war.

»Wo soll ich heizen, gnädiger Herr?« fragte er, mir demütig durch den Gang folgend. »Ich fürchte, es wird Euch recht traurig und öde im Schlosse vorkommen. Aber Ihr reitet vielleicht zum Mittagessen wieder zu dem Richter?«

»Macht Feuer im Büchersaal,« erwiderte ich.

»Im Büchersaal?« antwortete der alte Mann. »Dort hat die ganze Zeit niemand gesessen, und es raucht drin, denn die Dohlen haben im Frühjahr ihre Nester im Kamine gebaut, und junge Burschen, die sie hätten herabstoßen können, hatten wir nicht im Schlosse.«

Wie es schien, führte uns der Kellermeister ungern nach dem Büchersaal, und wider alle Erwartung sah es hier wohnlicher aus als sonst. Auf dem Rost brannte helles Feuer, das sich zu den Worten des Alten von Rauch und Dohlen im Kamine gar nicht recht vertrug. Er griff nach der Ofengabel, scheinbar in der Absicht zu schüren, wohl aber mehr, um seine Verlegenheit zu verbergen, und sagte, es wundre ihn, daß es jetzt so gut brenne, da es doch am Morgen tüchtig geraucht habe. Ich wollte allein sein, um mich von den ersten schmerzlichen Gefühlen zu erholen, die alles, was mich umgab, in mir hervorrief, und bat Syddall, den Renteneinnehmer, der in einiger Entfernung vom Schlosse wohnte, zu sagen, daß es mir lieb sei, wenn er im Laufe des Tages einmal vorspräche. Er entfernte sich sichtlich ungern. Dann hieß ich Andreas, sich nach ein paar starken Gesellen umzusehen, auf die er sich verlassen könne, denn weit und breit in der Gegend wohnten nur Katholiken, und Rashleigh, dem man eine verwegene Handlung wohl zutrauen konnte, hielt sich auch in der Nähe auf. Andreas übernahm den Auftrag mit großer Freude und versicherte, ein paar echte Presbyterianer zu bringen, die es mit dem Papste, dem Teufel und dem Prätendenten aufnehmen würden. – »Und gern will ich selbst ihnen Gesellschaft leisten,« sagte er; »denn noch in der letzten Nacht, die ich im Schlosse zubrachte, sah ich das Bild dort (auf das Bildnis in Lebensgröße von Dianas Großvater zeigend), im Mondschein durch den Garten wandeln! Ich sagte Euer Gnaden, daß ein Gespenst mich erschreckt habe; Ihr wolltet jedoch nicht darauf hören. Ich hab es ja immer gesagt, daß es unter den Papisten Hexerei und Teufelei gäbe, aber ich hab es mit leiblichen Augen erst gesehen in jener furchtbaren Nacht.«

»Trollt Euch!« gab ich ihm, zur Antwort, »und bringt mir die Leute; seht aber zu, daß es nicht Kerle sind wie Ihr, die vor ihrem eignen Schatten erschrecken.«

Er ging, ohne mir zu antworten, denn Wardlow, der Rentmeister, trat herein.

Wardlaw war ein verständiger, redlicher Mann, dessen Pünktlichkeit und Klugheit meinem Oheim zur Aufrechterhaltung seines Hauses nicht wenig geholfen hatte. Er prüfte meine Ansprüche genau und erklärte sie für durchaus in Ordnung. Es war im Grunde genommen eine recht mühselige Erbschaft, denn das Gut war mit Schulden und Hypotheken überlastet, und wer nicht, wie mein Vater, in der Lage war, die Schulden zu tilgen und eine Hypothek nach der andern abzulösen, hätte vor einer Sorgenlast gestanden, die ihm alle Freude an dem Besitze verleidet hätte.

Der Rentmeister blieb bei mir zum Essen. Da wir viel schriftliche Arbeiten mit zu besorgen hatten, wollte ich lieber gleich im Büchersaal essen, obwohl mir Syddall nachdrücklich die Steinhalle empfahl, die er dazu hatte herrichten lassen. Währenddessen kam Andreas mit seinen Angeworbenen zurück, die er als nüchtern, anständig, rechtgläubig und vor allem als löwenkühn pries. Ich wies Andreas an, für ihren Unterhalt zu sorgen, und sie verließen das Zimmer. Syddall sah ihnen mit Kopfschütteln nach. Ich begehrte die Ursache zu wissen.

»Je nun,« sagte er, »wenn Ihr mir glauben wollt, wirds wohl Euer Schade nicht sein, denn was ich Euch sage, ist die nackte Wahrheit. Was den alten Ambrosius Wingfield angeht, so ist er ein ehrlicher Mann; aber wenns einen falschen Kerl in der Welt gibt, so ists sein Bruder. – Das ganze Land weiß, daß er für Schreiber Jobson den Kundschafter gemacht hat, um die Edelleute in Ungelegenheit zu bringen. Aber er ist ein Presbyterianer, und weiter braucht man ja, wie es scheint, heutzutage nichts zu sein, um als was in der Welt zu gelten.«

Nachdem der alte Mann seinem Herzen auf diese Weise Luft gemacht und Wein auf die Tafel gesetzt hatte, entfernte er sich. Gegen Abend packte der Rentmeister seine Papiere zusammen und begab sich nach Hause. Ich blieb in jenem verworrenen Gemütszustände mit mir allein, in welchem wir kaum sagen können, ob uns Gesellschaft oder Einsamkeit lieber ist. Ich hatte aber nicht die Wahl zwischen beidem; denn, ich befand mich allein in dem Zimmer, das vor allem andern geeignet war, mich mit traurigen Gedanken zu erfüllen.

Bei der Dämmerung steckte Andreas den Kopf zur Tür herein, um zu fragen, ob ich Licht haben wolle; es sei doch schon aus Rücksicht auf Gespenster nicht gut, im Finstern zu sitzen. Ich hieß ihn mürrisch seines Weges gehen, schürte das Feuer an, setzte mich in einen der großen ledernen Armstühle, die an dem gotischen Kamine standen, und blickte träumend in die lodernde Flamme, die ich genährt hatte. »Und so,« sprach ich vor mich hin, »entstehen, wachsen und enden die Wünsche der Sterblichen! Lappalien wecken sie, die Phantasie entzündet sie, die Hoffnung nährt sie, bis sie verzehren, was sie entflammen, und der Mensch mitsamt seinen Hoffnungen, Leidenschaften und Wünschen in einem Aschenhaufen versinkt.«

Ein tiefer Seufzer aus dem andern Ende des Zimmers schien mir zu antworten. Erschrocken fuhr ich auf, und vor mir stand – Diana Vernon, auf den Arm eines Mannes gestützt, der dem oft erwähnten Großvaterbildnis so ähnlich war, daß ich schnell nach dem Rahmen blickte, in der Meinung, die Gestalt sei daraus herniedergestiegen. Dann beschlich mich der Gedanke, ich müsse wohl plötzlich wahnsinnig geworden sein, oder die Geister der Toten wären aus ihren Gräbern gestiegen. Ein Blick auf meine Gestalt überzeugte mich aber, daß ich bei Sinnen sei, und ein andrer Blick, es seien nicht Schemen, sondern lebendige Wesen, die vor mir ständen. Ja, es war Diana selbst, aber bleicher und magerer als sonst, und kein Bewohner des Grabes stand neben ihr, sondern Vaughan, oder vielmehr Sir Vernon, in einem Anzuge, der dem seines Ahnherrn glich, mit dessen Bild sein Gesicht Familienähnlichkeit hatte. Er sprach zuerst, denn Diana heftete ihre Augen fest auf den Boden, und mir fesselte Erstaunen die Zunge.

»Wir erscheinen als Bittsteller, Herr Osbaldistone,« sagte er, »und suchen Zuflucht und Schutz unter Eurem Dache, bis wir eine Reise fortsetzen können, wo Kerker und Tod auf jedem Schritt uns drohen.«

»Gewiß,« antwortete ich mit Anstrengung – »Fräulein Vernon kann nicht vermuten – Ihr, mein Herr, könnt nicht glauben, daß ich vergessen habe, welchen Anteil Ihr mir in meinen Bedrängnissen gezeigt habt, oder daß ich fähig wäre, jemand zu verraten, am wenigsten Euch.«

»Ich weiß es,« sprach Vernon; »dennoch setze ich mit unaussprechlichem Widerstreben ein Vertrauen in Euch, das vielleicht mißfällig, gewiß gefährlich ist, und das ich lieber jedem andern erteilen möchte. Aber mein Schicksal, das mich durch ein gefahrvolles Leben verfolgte, bedrängt mich jetzt hart, und es bleibt mir keine Wahl.«

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und die Stimme meines geschäftigen Dieners ließ sich hören: »Ich bringe die Lichter. Ihr könnt sie anstecken, wenn's Euch recht ist.«

Ich eilte zur Tür, um ihn am Eintritt zu verhindern. Hastig schob ich ihn hinaus, schloß die Tür hinter ihm zu und verriegelte sie – dann fielen mir plötzlich die beiden Gefährten ein, die er unten hatte; mit fiel ein, was Syddall über sie geäußert hatte, und daß man den einen für einen Spion halte, und schnell ging ich Andreas in die Dienstbotenstube nach, wo sie saßen. Andreas sprach laut, als ich die Tür öffnete, verstummte aber gleich, als er mich eintreten sah,

»Was ist Euch?« fragte ich, »Ihr seht ja aus, als ob Ihr einen Geist gesehen hättet.«

»M – mir ist g – gar nichts,« antwortete Andreas; »aber Ihr – Ihr hattets g – gar so eilig –«

»Eilig? – Ihr müßt nicht recht klug sein,« gab ich zur Antwort – »ich dächte doch, Ihr hättets sehen müssen, daß Ihr mich aus dem Schlafe wecktet – unmanierlich genug, das muß ich sagen, und möcht mirs verbitten fürs nächste Mal – aber Syddall sagt mir, er könne keine Betten für die Leute schaffen, und Herr Wardlaw hälts für unnötig, daß sie hier bleiben. Da ist eine Krone für Euch, Leutchen; ich danke für Euren guten Willen; aber Ihr könnt sogleich wieder gehen.«

Die Männer nahmen das Geld und gingen, zufrieden und, wie es schien, ohne Argwohn. Ich wartete, bis sie sich entfernt hatten und bis ich sicher war, daß sie für diesen Abend nicht mehr mit Andreas sprechen konnten. Dann begab ich mich, halbwegs beruhigt und in der Ueberzeugung, zunächst besser für die Sicherheit meiner Gäste nicht handeln zu können, in den Büchersaal zurück, um ihnen meine Maßregeln mitzuteilen. Sobald ich dies getan, unterrichtete ich sie noch, daß ich Syddall beauftragt hätte, niemand in den Büchersaal hinauf zu lassen, sondern was dort zu besorgen sei, selbst zu besorgen, weil ich annehmen müsse, daß sie die Zuflucht hier doch nur durch ihn gefunden hätten. Diana dankte mir durch einen freundlichen Blick für meine Vorsicht.

»Ihr versteht jetzt mein Geheimnis, Herr Franz,« sprach sie. »Ihr wißt, wie nah und teuer mir der Verwandte ist, der so oft hier Zuflucht gefunden hat, und werdet Euch nicht länger wundern, daß Rashleigh, der unser Mitwisser war, mich mit eiserner Rute beherrschte.«

Ihr Vater fügte hinzu, es sei ihre Absicht, mich nicht lange durch ihre Gegenwart zu beunruhigen.

Ich bat die Flüchtlinge, nur auf ihre Sicherheit Rücksicht zu nehmen und sich andernfalls versichert zu halten, daß meinerseits alles geschehen sollte, was ihre Flucht erleichtern könne.

»Rashleigh war mir immer verdächtig,« nahm Sir Vernon wieder das Wort, »aber die Art und Weise, wie er sich gegen meine Tochter betrug, und seine Treulosigkeit gegen Euren Vater haben ihn mir verhaßt und verächtlich gemacht.

Bei unsrer letzten Zusammenkunft vergaß ich die Klugheit und sagte ihm rundheraus meine Meinung, und die Folge war, daß er Glauben und Vaterland verriet. Damals hegte ich noch die Hoffnung, seine Abtrünnigkeit würde von geringer Bedeutung sein. Der Graf von Mar unterhielt ein tapferes Heer in Schottland; Lord Derwentwater, Foster, Kenmore, Winton und andre Edelleute sammelten Truppen an der Grenze. Meine ausgebreiteten Verbindungen mit den englischen Edelleuten in dieser Gegend ließen es für angemessen erscheinen, daß ich mich einer Abteilung anschloß, die über den Frith und Forth durch Niederschottland ging, um sich an der Grenze mit den englischen Insurgenten zu vereinigen. Meine Tochter begleitete mich auf diesem langen, gefahr- und mühevollen Zuge.«

»Und sie wird nie ihren treuen Vater verlassen!« rief Diana, sich zärtlich an seinen Arm schmiegend. »Kaum waren wir mit unsern englischen Freunden vereinigt, so sah ich, daß unsre Sache verloren war. Die Zahl der Streiter verminderte sich, anstatt zuzunehmen, und es verband sich niemand mit uns, als Anhänger unseres Glaubens. Die Torys der herrschenden Kirche verhielten sich unschlüssig, und endlich wurden wir von einer überlegenen Macht bei der kleinen Stadt Preston eingeschlossen. Wir verteidigten uns einen Tag lang tapfer. Am folgenden Tage aber sank unsern Führern der Mut, und sie beschlossen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Das hieß aber nichts anderes, als freiwillig das Haupt auf den Block legen. Ungefähr dreißig Edelleute dachten wie ich. Wir stiegen zu Pferde und nahmen meine Tochter, die durchaus mein Schicksal teilen wollte, in die Mitte. Betroffen durch ihren Mut und ihre kindliche Liebe, erklärten ihre Gefährten, lieber zu sterben, als sie zurückzulassen. Wir ritten über einen sumpfigen Wiesengrund, der sich bis zum Fluß Ribble ausdehnte, durch den uns einer von der Partei eine gute Furt zu zeigen versprach. Dieser Sumpf war von dem Feinde nicht stark besetzt worden, so daß wir nur einige Reiter fanden, die wir zerstreuten und niederhieben. Wir setzten über den Fluß, erreichten die Straße nach Liverpool und trennten uns, um an verschiedenen Orten Zuflucht zu suchen. Mein Schicksal führte mich nach Wales, wo ich noch manchen Anhänger habe. Dennoch fand sich keine sichere Gelegenheit, zur See zu entkommen, und ich mußte mich wieder nordwärts wenden. Ein erprobter Freund will mich hier treffen und mich zu dem Hafen von Solway geleiten, wo ein Schiff bereitliegt, das mich für immer aus meinem Vaterlande entfernt. Da das Schloß Osbaldistone leer und unbewohnt war und unter Syddalls Aufsicht stand, der schon früher unser Vertrauen besessen hätte, wählten wir es zum Zufluchtsort. Wir erwarteten von Tag zu Tag die Ankunft unseres freundlichen Führers. Da zwang uns Eure unerwartete Rückkunft, uns an Euch zu wenden und um Eure Hilfe zu bitten.«

Hiermit endigte Vernons Erzählung. Ich konnte mir kaum einreden, daß ich seine Tochter wirklich vor mir sah. Ihr Vater bemerkte es und fügte hinzu:

»Ja, ja, es ist mein Kind, meine teure Diana; aber sie hat Prüfungen erduldet, die einer Märtyrerin Ehre machen würden; sie hat Gefahren und Tod in allerhand Gestalten gesehen; sie hat Beschwerden und Entbehrungen getragen, vor denen Männer zurückbeben würden; sie hat den Tag in Finsternis, die Nacht mit Wachen zugebracht, und nie einen Laut der Schwäche oder Klage hören lassen. Mit einem Wort, Herr Osbaldistone, sie ist ein würdiges Opfer, das ich Gott darbringen will, als das Köstlichste, was mir geblieben ist.«

Nach diesen Worten folgte eine Pause. Ich verstand ihren traurigen Sinn allzu gut. Dianas Vater sorgte auch jetzt noch, meine Hoffnungen auf eine Vereinigung mit ihr zu zerstören.

»Wir wollen Herrn Osbaldistone nicht länger stören,« sagte er zu seiner Tochter, »nachdem wir ihm die Verhältnisse der unglücklichen Gäste geschildert, die seinen Schutz ansprechen.«

Ich erbot mich, das Zimmer zu verlassen, damit sie ungestört verweilen könnten; Sir Vernon meinte aber, das würde nur Verdacht bei den Dienern erregen, ihr Zufluchtsort sei durch Syddalls Sorgfalt mit allem versehen, was ihnen not täte.

»Ihr erlaubt wohl aber,« schloß er, »daß wir uns jetzt zurückziehen. Wir müssen der Ruhe genießen, da wir ja nicht wissen, wann wir unsre gefahrvolle Reise antreten müssen.«

Er nahm den Arm seiner Tochter und verschwand mit einer tiefen Verbeugung hinter der Tapete.


 << zurück weiter >>