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Elftes Kapitel.

Es schien mir so gut wie ausgemacht, daß Dougal seine Rolle mit Absicht gespielt hatte, um die Engländer in das Defilee zu locken, und ich konnte nicht umhin, die Geschicklichkeit zu bewundern, wie der unwissende, halb rohe Wilde seine Absicht zu verbergen wußte, und den erkünstelten Widerwillen, mit dem er sich die falsche Nachricht hatte abnötigen lassen. Ich sah, daß wir uns den Siegern nur mit Vorsicht nähern durften, denn sie rasten in ihrem Taumel über den Sieg förmlich vor Wut. Ein Paar Soldaten, die schwer verwundet waren und nicht aufstehen konnten, wurden von zerlumpten holländischen Buben, die sich unter die Männer gemischt hatten, niedergestochen. Ich hielt es deshalb nicht für geraten, uns ohne jede Fürsprache zu zeigen, und da ich Campbell, den ich mit dem berüchtigten Freibeuter Robin für eins halten mußte, nirgends erblickte, meinte ich, es möchte gut sein, den Schutz seines Kundschafters Dougal in Anspruch zu nehmen.

Aber all mein Suchen war vergeblich, und ich kehrte endlich zurück, um zu versuchen, ob ich dem unglücklichen Freunde allein Beistand leisten könnte. Aber zu meiner Freude sah ich ihn aus seiner Schwebe bereits erlöst und heil und gesund, wenn auch pechschwarz im Gesicht und äußerst mitgenommen an Leib und Sachen, unter dem Felsen sitzen, an welchem er in der Luft geschwebt hatte. Ich eilte auf ihn zu. Ein heftiger Hustenanfall benahm ihm allen Atem, und es verging einige Zeit, bis er imstande war, den Zweifeln Ausdruck zu geben, die er jetzt, in meine Bereitwilligkeit, ihm beizuspringen, setzen zu müssen meinte.

Ich bemühte mich nach Möglichkeit, ihm klar zu machen, wie unmöglich es mir gewesen war, ihm zu helfen, da ich doch der Hilfe selbst dringend bedurft hätte, und so wandte mir der Stadtvogt, der ebenso versöhnlich als aufbrausend war, seine Gunst wieder zu. Ich fragte ihn alsdann, wie es ihm gelungen sei, sich loszumachen.

»Na, wenn ich mir selbst hätte helfen sollen, wie ich da hing, mit dem Kopf auf der einen Seite und mit den Beinen auf der andern, wie 'ne Garnwage, da hält ich wohl hängen können bis zum jüngsten Tage! Die Kreatur Dougal hat mir wieder beigestanden, wie gestern, hat mir die Schöße vom Rocke mit dem Dolch abgesäbelt und mir dann mit einem andern Burschen so geschickt wieder auf die Beine geholfen, als wenn ich immer darauf gestanden hätte. Aber da kann man sehen, was gutes, festes Tuch ist. Hätt' ich morschen Kamelot aus französischem Gespinst getragen, wie Ihr, der wäre doch gerissen wie ein alter Fetzen, bei solchem Gewicht, wie ichs habe.«

Ich fragte, was aus seinem Retter geworden sei.

»Die Kreatur,« wie Jarvie den Hochländer gewöhnlich nannte, »machte mir begreiflich, daß ich klüger täte, hier zu warten, statt vor ihm zu der Dame hinzugehen. Ich glaube, er sucht Euch,« fuhr er fort – »es ist eine gar bedächtige Kreatur, und meiner Treu, ich wollte schwören, er hat recht mit der Lady, wie er sie nennt. Helene Campbell war nicht gerade das sanfteste Mädel und ist auch nicht die holdseligste Frau, und die Leute sagen, Robin hätte selbst gehörigen Dampf vor ihr. Daß sie mich kennen wird, bezweifle ich, denn wir haben uns seit vielen Jahren nicht gesehen. Warten wir also, bis Dougal kommt, ehe wir hingehen.«

Ich stimmte seiner Meinung bei, aber das Schicksal wollte nicht, daß Jarvies Vorsicht ihm oder sonst jemand an diesem Tage nützen sollte.

Andreas hatte zwar aufgehört, auf der Felsenspitze Luftsprünge zu machen, sobald es zu knallen aufhörte; er blieb in solcher Höhe doch eine zu seltsame Figur, als daß er den scharfen Blicken der Hochländer hätte entgehen können, sobald sie Zeit gewannen, sich umzusehen. Ein wildes, lautes Geschrei unter den Siegern verriet, daß man ihn entdeckt hatte, und sogleich eilten mehrere von ihnen ins Gebüsch und erstiegen die felsige Seite des Hügels in verschiedenen Richtungen nach dem Orte zu, wo sie die seltsame Erscheinung wahrgenommen hatten.

Denjenigen, welche sich dem armen Kerl zuerst auf Schußweite näherten, fiel es gar nicht ein, ihm in seiner mißlichen Lage Beistand anzubieten, sondern sie legten ihre langen Gewehre an und gaben ihm durch unzweideutige Winke zu verstehen, daß er herabkommen und sich ihnen auf Gnade und Ungnade ergeben müsse, wenn sie ihn nicht herunterschießen sollten. Da konnte nun Andreas nicht länger anstehen, das Wagstück zu unternehmen, denn die größere Gefahr machte ihn unempfindlich gegen jene andre, die wenigstens nicht unbedingt tödlich zu sein brauchte, und er begann den Abstieg, indem er sich bald an Efeu, bald an einen Eichenstumpf oder ein vorragendes Felsstück klammerte, und dabei, so oft er eine Hand frei hatte, sie ausstreckte, wie wenn er bitten wollte, ja kein Gewehr loszudrücken. Seine Ungeschicklichkeit ergötzte die Hochländer höchlich, und sie konnten sich die Würze nicht schenken, ein paarmal in die Luft zu knallen, sobald sie merkten, daß er dann aus Angst um so schneller herunterzusteigen suchte.

Endlich gewann er festern Boden, und mit einemmale schlug er der Länge nach auf die Erde, wo ihm die Hochländer, ehe er wieder auf die Beine kam, nicht nur den gesamten Inhalt seiner Taschen raubten, sondern ihm auch mit nicht minder bewundernswerter Schnelligkeit Perücke, Hut, Rock, Weste, Strümpfe und Schuhe abnahmen, daß der arme Schelm, der als wohlbeleibter und anständig bürgerlicher Diener auf den Rücken gefallen war, ausgeschält, kahlköpfig, einer Vogelscheuche gleich, wieder aufstand. Ohne Rücksicht auf seine nackten Füße zu nehmen, die sich an den scharfen Felsenstücken stießen, schleppten sie ihn durch alle Hindernisse dem Wege zu.

Die Luchsaugen der herabsteigenden Hochländer hatten mich und Jarvie entdeckt, und sogleich umringte uns ein halbes Dutzend derselben, drohte mit Dolch und Schwert und richtete die Pistolen auf uns. Widerstand wäre Wahnsinn gewesen, und wir ergaben uns in unser Schicksal. Es hätte wenig gefehlt, so hätten wir das Schicksal des armen Andreas geteilt und ein Vogelscheuchen-Trio mit ihm gebildet; aber zu unserm Glück erschien Dougal, und mit seinem Auftreten veränderte sich die Bühne. Mit strengem Tone zwang er die Plünderer, von fernerem Raube abzulassen. Aber Andreas strengte seine Lunge umsonst an, um durch Douglas' Vermittelung wieder zu seinen Kleidern, wenigstens doch Schuhen, zu gelangen.

»Nein, nein,« antwortete Dougal darauf; »der ist sicher nichts Vornehmes; seine Vorfahren sind auch barfuß gegangen, oder ich müßte mich sehr irren.« Schnell führte er uns den Pfad hinab, wo das Gefecht stattgefunden hatte, ließ Andreas zusehen, ob er folgen konnte oder folgen wollte, und eilte, uns vor die Anführerin seiner Schar zu bringen.

Nun standen wir vor der Heldin des Tages, deren äußere Erscheinung, um die Wahrheit zu gestehen, keine geringere Besorgnis in mir weckte, als die rauhen und kriegerischen Gestalten, die uns umringten. Ich weiß nicht, ob Helene Mac Gregor tätigen Anteil am Streite genommen hatte; aber die Blutflecken an ihrer Stirn, ihren Händen und nackten Armen, das blutige Schwert, das sie in der Hand hielt – die Röte ihres Angesichts und die verwirrten Rabenlocken, die unter ihrer roten Mütze hervorwallten, alles schien anzudeuten, daß sie wirklich im Kampfe gewesen war.

Ich wußte nicht, wie ich eine so ungewöhnliche Frau anreden sollte; Jarvie riß mich indessen aus dieser Verlegenheit, indem er nach mancherlei Geräusper und Gehüstel sich mit den Worten an sie wandte: »Ich schätze mich glücklich, daß ich die frohe Gelegenheit habe –« (ein Zittern seiner Stimme widersprach dem Nachdruck, den er geflissentlich auf das Wort »froh« legte), »meines Vetters Frau einen guten Morgen zu wünschen. Wie gehts Euch, wenn ich fragen darf?« fuhr er fort und schwatzte sich immer mehr in seine gewöhnliche Weise hinein, die ein Gemisch von Vertraulichkeit und Eigenliebe darbot. – »Wie ists Euch die lange Zeit her gegangen? – Ihr habt mich wohl vergessen, Frau Mac Gregor Campbell, – aber meines Vaters, des Vorstehers auf dem Salzmarkte in Glasgow, entsinnt Ihr Euch doch noch? Er war ein ehrlicher Mann und zuverlässig, und hat immer auf Euch und die Eurigen gehalten. – Wie gesagt, es freut mich recht, Euch zu sehen, Frau Mac Gregor Campbell, als meines Vetters Weib.«

»Wer seid Ihr,« antwortete sie streng, »daß Ihrs wagt, auf die Verwandtschaft mit Mac Gregor Anspruch zu machen, und weder seine Kleidung traget, noch seine Sprache redet? Ihr habt die Zunge und Gewohnheit des Hundes, und wollt Euch niederlegen zu dem Reh?«

»Ich weiß nicht,« antwortete der unverzagte Jarvie, »ob man Euch die Verwandtschaft je gehörig erklärt hat, aber sie ist richtig und kann bewiesen werden. Meine Mutter, Elsbeth Macfarlane, ward die Frau meines Vaters, Vorstehers Nikolas Jarvie – Friede sei mit beiden! – Und Elsbeth war die Tochter des Parlane Macfarlane. Dieser Macfarlane nun stand, wie dessen überlebende Tochter, Maggy Macfarlane, die Duncan Mac Nab in Stuckavrallachan heiratete, bezeugen kann, mit Eurem Manne, Robin Mac Gregor, im vierten Grade der Verwandtschaft, denn –«

Die Heldin tat seinen Auseinandersetzungen durch die stolze Frage Einhalt, ob ein rauschender Strom Verwandtschaft mit dem Wasser anerkenne, das die Anwohner zu ihrem geringen Hausgebrauch davon ableiten?

»Sehr wahr, Frau Base,« sprach Jarvie; »dennoch würde der Fluß recht froh sein, wenn er den Mühlgraben wieder hätte im Sommer, wo seine Kieselsteine weiß sind von der Sonne. Ich weiß wohl, Ihr Hochländer achtet uns Leute in Glasgow gering wegen unserer Sprache und unserer Tracht; aber jeder spricht, wie ers als Kind gelernt hat, und es müßte sich närrisch ausnehmen, wenn ich meinen fetten Bauch in einen kurzen, hochländischen Rock stecken, und meine kurzen Beine unter dem Knie gürten sollte, wie Eure langbeinigen Burschen. – Doch nebenbei, Frau Base,« fuhr er fort, ungeachtet ihm Douglas Winke Stillschweigen anzuraten schienen, und die Amazone Zeichen von Ungeduld zu erkennen gab, »ich wollt Euch zu erwägen geben, daß des Königs Botschaft zuweilen in des Krämers Haus kommt, und daß, so hoch Ihr Euren Mann halten möget, wie 's recht ist, daß jede Frau ihren Mann hält – was auch die heilige Schrift befiehlt – so bin ich wohl schon eher dienstfertig gegen Robin gewesen. Ich hab Euch auch, als Ihr Euch verheiraten wolltet, eine Schnur Perlen geschickt, und als Robin noch ein ehrlicher Viehhändler war ... den Landfrieden noch nicht störte durch seine Streitereien und Kriegszüge ...«

Hier berührte er offenbar einen Punkt, den die Frau Base nicht leiden mochte; denn sie richtete sich hoch auf und verriet ihre Heftigkeit durch ein Lachen, in welchem Hohn und Erbitterung zum Ausdruck kamen.

»Ja,« rief sie, »Ihr und Euresgleichen konntet Euch einer Verwandtschaft mit uns anmaßen, so lange wir uns herabließen, wie Vieh unter Eurem Joche zu leben. Aber nun sind wir frei, denn wir üben an Euch Rache, blutige Rache. Das Werk, das dieser Tag so gut begonnen hat, will ich weiterführen, und jedes Band soll zerrissen werden zwischen Mac Gregor und den Schuften im Niederlande. Herbei, Allan! Dougal! Bindet diese Sachsen zusammen und werft sie in den hochländischen See, dort mögen sie sich ihre Hochlandssippe suchen.«

Erschrocken über diesen Befehl, erhob Jarvie eine Beschwerde, die wahrscheinlich die heftige Leidenschaft der Person, an die sie gerichtet, nur noch mehr entflammt hätte, als Dougal sich zwischen beide warf und in seiner Muttersprache, die er mit einer Schnelligkeit und Geläufigkeit redete, die sehr gegen die langsame, unvollkommne Weise abstach, wie er sich im Englischen ausdrückte, unsre Verteidigung übernahm.

Seine Herrin unterbrach ihn in englischer Sprache, als wenn sie uns die Bitterkeit des Todes im voraus hätte wollen fühlen lassen: »Elender Hund und Abkömmling eines Hundes, Du lehnst Dich gegen meinen Befehl auf? Sollt ich Dir gebieten, ihnen die Zungen auszuschneiden und sie in andere Hälse zu setzen, damit wir sehen, wer am besten Sächsisch spräche, oder ihnen die Herzen auszureißen und sie in andere Leiber zu setzen, damit wir sehen, wer die besten Anschläge gegen Mac Gregor ersinnen könne? – und dergleichen geschah vor alters in den Tagen der Rache, wenn unsre Väter Unrecht zu vergelten hatten! Wie kannst Du Dich erkühnen, zu säumen, wenn ich befehle?«

»Gewiß, gewiß, Euer Wille sollte geschehen,« erwiderte er, »und das wäre nur recht. – Aber man sollte meinen, wenn Ihr einen Hauptmann von den Rotröcken und einen Korporal und noch ein paar Rotröcke in den See werfen ließet, so dürfte das für Euren Grimm eine bessere Genugtuung sein, als wenn Ihr zwei wackern, höflichen Herren Leid antun wollt. Es sind Freunde von Gregarach, sie sind auf des Häuptlings Zusage hier und nicht, um Verrat auszuführen, wie Ihr selbst bezeugen könnt.«

Die Frau wollte antworten, als einige wilde Töne einer Sackpfeife von der Straße nach Aberfoil herauf schallten, wahrscheinlich dieselben, welche Thorntons Nachhut gehört hatte. Das Gefecht war von so kurzer Dauer gewesen, daß die bewaffneten Männer, welche diesen kriegerischen Tönen folgten, nicht zeitig genug eintrafen, um an dem Kampfe teilzunehmen, und sie kamen jetzt nur, den Triumph ihrer Landsleute zu teilen.

Die neuen Ankömmlinge unterschieden sich auffallend von denjenigen, die unsre Bedeckung überwunden hatten. Unter den Hochländern, welche die Gebieterin umringten, befanden sich Greise, Knaben, selbst Weiber, kurz Menschen, die nur die dringendste Not bewaffnet hatte; die dreißig bis vierzig Hochländer, die jetzt zu den andern stießen, waren aber lauter rüstige, kampfgewohnte Leute, in der Blüte der Jugend oder des männlichen Alters, deren kurze Strümpfe und gegürtete Plaids ihre nervigen Glieder prächtig hervorhoben. Auch in ihrer Bewaffnung waren sie dem ersten Haufen ebenso überlegen, wie in Kleidung und Ansehen; die Begleiter der Frau trugen Aexte, Sicheln und andre alte Waffen neben ihren Gewehren, und einige bloß Keulen, Dolche und lange Messer, die andern aber führten meistens Pistolen im Gürtel. Jeder hatte ein gutes Gewehr in der Hand und ein Schwert an der Seite, außer einer starken, runden Tartsche von leichtem Holz, die mit Leder überzogen und mit kupfernen Buckeln, nebst einer eingeschraubten stählernen Spitze in der Mitte, versehen war.

Aber ihre Haltung und die klagenden Töne, die ihr Dudelsack zuweilen anstimmte, verrieten, daß dieser Trupp von keinem Siegeszuge kam. Mit traurigen, gesenkten Blicken traten sie vor die Frau ihres Häuptlings, die auf sie zuschritt. Ihr Gesicht drückte Unwillen und Besorgnis aus, sie fragte den Spielmann: »Was bedeutet das, Allaster? Warum eine Klage im Augenblicke des Sieges? – Robert! Hamish! Wo ist Mac Gregor? Wo ist Euer Vater?«

Ihre Söhne, die den Trupp anführten, näherten sich ihr langsamen, unsichern Schrittes und murmelten einige gälische Worte, worauf sie ein Geschrei ausstieß, daß die Felsen ertönten. Alle Weiber und Knaben stimmten ein, schlugen in die Hände und heulten, als ob ihr Leben in dem Tone hätte verlöschen sollen. Der Widerhall des Berges, der seit dem Ende des Kampfes geschwiegen hatte, antwortete auf dieses Jammergeschrei, das selbst die Nachtvögel aus ihren Höhlen trieb.

»Gefangen!« wiederholte Helene, als das Geschrei nachgelassen hatte. »Gefangen! – und Ihr lebt? Feigherzige Hunde! Hab ich Euch darum die Brust gereicht, daß Ihr Euer Blut schonen sollt gegen Eures Vaters Feinde? Daß Ihr ihn einfangen laßt von den Häschern und herkommt, es mir zu künden?«

Mac Gregors Söhne, an die dieser grimmige Verweis sich richtete, waren Jünglinge, von denen der ältere kaum sein zwanzigstes Jahr erreicht hatte. Er hieß Robert, und um ihn vom Vater zu unterscheiden, setzten die Hochländer: Og, »der Kleine«, hinzu. Dunkles Haar und düstre Züge, mit der Glut frischer Gesundheit und Lebenslust, und eine Gestalt, die über seine Jahre kräftig und untersetzt war, gaben ihm das echte Aussehen eines jungen Sohnes der Berge. Hamish, »Jakob«, war um einen Kopf länger und weit hübscher als sein Bruder; seine hellblauen Augen und das üppige schöne Haar, das unter der hochblauen Mütze hervorwallte, ließen ihn als idealen Typus des jugendlichen Hochschotten erscheinen.

Beide standen jetzt, tief bekümmert und tief beschämt, vor der Mütter und hörten ehrerbietig und unterwürfig die schweren Vorwürfe an. Als endlich ihr Unwille sich milderte, machte der ältere in englischer Sprache, wahrscheinlich um nicht von ihren Begleitern verstanden zu werden, einen Versuch zur Rechtfertigung. Ich stand ihm so nahe, daß ich ihn verstehen konnte, und da es mir wichtig war, über den seltsamen Vorgang Aufklärung zu erhalten, lauschte ich aufmerksam.

Mac Gregor war, wie der Sohn erzählte, zu einer Zusammenkunft mit einem Schotten aus dem Unterlande, der ein Zeichen brachte von – der Name wurde sehr leise gemurmelt, aber ich glaubte den meinigen zu hören – bestellt worden und war der Aufforderung gefolgt, hatte aber befohlen, den Sachsen, der die Botschaft gebracht hatte, als Geisel festzuhalten, um sich redlichen Verfahrens zu versichern. Bloß in Begleitung von Angus Breck und Rory und mit der ausdrücklichen Weisung, daß niemand ihm folgen sollte, war er an den Ort aufgebrochen, wo er erwartet wurde. Nach einer halben Stunde schon sei Angus Breck zurückgekommen mit der Nachricht, Mac Gregor sei von einer Abteilung Miliz unter Galbraith Garschattachin überfallen und gefangen genommen worden. Als er Galbraith gedroht hatte, daß an dem Bürgen Vergeltung geübt werden würde, hätte dieser verächtlich erwidert: »Wir hängen den Dieb und Eure Leute den Söldner, und das Land wird so zwei unerwünschte Dinge auf einmal los.«

»Und das erfuhrst Du, falscher Verräter,« sprach Mac Gregors Gattin, »und eiltest nicht, ohne Rücksicht auf Dein Leben, Deinem Vater zu Hilfe?«

Der Jüngling wies bescheiden auf die überlegene Macht des Feindes hin, der, wie er vernommen habe, in einem alten Schlosse am See liegen bleiben wolle, das zwar fest sei, aber mit ausreichender Mannschaft überrumpelt werden könne. Es wurden nun Boten ausgesandt, alles, was von Kriegern erreichbar sei, aufzubieten zum Angriff auf die verräterischen Niederschotten; und die Traurigkeit und Verzweiflung, die sich anfangs auf allen Gesichtern zeigten, wichen jetzt der Hoffnung, ihren Anführer zu befreien, und dem Durst nach Rache. Mac Gregors Frau ließ den Mann vor sich bringen, der als Geisel zurückbehalten worden war; und in dem armen Tropfe, der, schon halb tot vor Schrecken, herbeigeschleppt wurde, erkannte ich zu meinem Erstaunen und Entsetzen meinen alten Bekannten Morris.

Er fiel vor der Häuptlingsfrau nieder, um ihre Kniee zu umfassen; allein sie wich zurück, wie vor einem räudigen Tiere, und er konnte nur, als Zeichen der tiefsten Erniedrigung, den Saum ihres Plaids küssen. Totenbleich und krampfhaft die Hände ringend, jammerte er, er sei nur das Werkzeug andrer, und murmelte Rashleighs Namen. – Nur um sein Leben bat er – für sein Leben wollt er alles geben, was er in der Welt besaß – nur sein Leben verlangte er, wenn es auch unter Qualen und Entbehrungen verlängert werden sollte; nur den Atem begehrte er, und sollte er ihn in den Dünsten der tiefsten Berghöhle schöpfen müssen.

Den Hohn und Widerwillen und die Verachtung zu beschreiben, womit die Häuptlingsfrau auf den Menschen, der um sein Leben so kläglich winselte, niedersah, ist unmöglich.

»Elender!« schrie sie, »Du könntest durch die Welt kriechen, ungerührt von ihrer Schande, von ihrem unaussprechlichen Elend, von ihren Lastern, von ihrer Trübsal? – Du Schuft könntest leben, während der Edle verraten wird? während Schurken auf den Nacken des Tapfern den Fuß setzen? Nein! Krepieren sollst Du, wie ein Hund! krepieren, ehe die Wolke dort vor der Sonne vorüberzieht!«

Sie gab den Männern, die sie umstanden, einen kurzen Befehl in gälischer Sprache. Morris wurde ergriffen und an den Rand der Klippe, die über dem See hing, geschleift. Er stieß ein Geschrei aus, so furchtbar, so mark- und beinerschütternd, daß es noch jahrelang nachher meinen Schlummer gestört hat. Einige hielten ihn, daß er sich nicht rühren konnte; andre banden einen schweren Stein in einen Plaid und schlangen den Plaid um seinen Nacken; noch andre rissen ihm die Kleider vom Leibe. Dann stürzten sie ihn in den See, der hier zwölf Fuß tief war, und übertäubten sein letztes Angstgeschrei mit ihrem Freudengebrüll der befriedigten Rache. Die schwere Last sank in die Fluten des Sees, und die Wellen, die sein Fall gestört hatte, flossen ruhig darüber hin, und das Leben eines Elenden war für immer aus den Reihen des Daseins verschwunden.

Ich hatte an jenem Tage verschiedne Landsleute fallen sehen, aber bei aller Teilnahme, die meine Brust durchdrang, empfand ich doch nicht jenes qualvolle Entsetzen, das mich, befiel, als ich mit ansehen mußte, wie der unglückliche Morris in den Tod gejagt wurde. Ich sah Jarvie an. Sein Gesicht drückte dieselben Gefühle aus, wie das meinige. Er konnte sich nicht bezwingen, sondern murmelte, aber laut genug, um gehört und verstanden zu werden:

»Ich zeuge gegen diese Tat, es ist ein blutiger, grausamer Mord – eine verfluchte Tat, und Gott wird sie seinerzeit rächen.«

»Ihr fürchtet Euch also nicht davor, ihm nachzufolgen?« fragte die Häuptlingsfrau, indem sie einen Blick auf ihn schoß, wie der Falke auf seinen Raub, ehe er ihn ergreift.

»Base,« versetzte Jarvie, »niemand wird mit Willen seinen Lebensfaden abschneiden, ehe man das Ende des Knäuels gehörig auf die Garnwinde abgewunden hat. – Und ich habe noch viel zu verrichten in dieser Welt, Geschäfte kommunaler und persönlicher Art –«

»Ruhig!« herrschte das Weib ihn an – »ruhig von albernem Zeug, das nicht hergehört – antwortet kurz und bündig, wie würdet Ihr unser Verfahren gegen den sächsischen Hund nennen?«

Der Stadtvogt räusperte sich.

»Wenn Ihr gefragt würdet vor einem Gerichtshofe, wie Ihrs nennt, was würdet Ihr antworten?« fragte das Weib wieder mit verschärftem Tone.

Jarvie blickte dahin und dorthin, als ob er auf eine Ausflucht sinne, und antwortete sodann wie einer, der kein Mittel sieht, einen Rückzug zu bewirken, und sich entschließt, den Kampf zu bestehen: »Ich sehe, wohin Ihr mich treiben wollt. Ihr wollt mich zwingen, zu sprechen, wie es mein Gewissen verlangt. Zwar könnte Euer eigner Mann, den ich hierher gewünscht hätte, sowohl um seinet- als meinetwillen, und auch die arme hochländische Kreatur Dougal Euch sagen, daß Niklas Jarvie bei den Fehlern eines Freundes auch ein Auge zudrücken kann, so gut, wie irgend jemand sonst; aber dennoch sag ich Euch, Base, meine Zunge spricht nie, wovon mein Herz nichts weiß. Eh' ich sagte, der arme Tropf dort sei gesetzmäßig ums Leben gebracht, wollt ich mich lieber an seine Seite legen lassen. – Aber ich glaube, Ihr wäret die erste Hochländerin, die dergleichen gegen den Verwandten ihres Mannes täte.«

Wahrscheinlich war sein entschlossener Ton besser geeignet, auf das harte Herz des Weibes Eindruck zu machen. Sie ließ uns jetzt beide vor sich treten.

»Euer Name,« sprach sie zu mir, »ist Osbaldistone? – Der tote Hund, den Ihr sterben sahet, nannte Euch so.«

»So ist Rashleigh wohl Euer Vorname?« fuhr sie fort.

»Nein. Ich heiße Franz.«

»Aber Ihr kennt Rashleigh Osbaldistone? – Er ist Euer Bruder, wenn ich nicht irre, oder wenigstens Euer Verwandter und genauer Freund.«

»Mein Verwandter ist er, aber nicht mein Freund,« versetzte ich. »Vor kurzem standen wir uns im Zweikampf gegenüber. Soviel ich weiß, war es Euer Mann, der uns auseinander brachte. Mein Blut ist kaum noch trocken an seinem Schwerte, und die Wunde in meiner Seite noch nicht vernarbt. Ich habe wenig Ursache, den, welchen Ihr nennt, als Freund anzuerkennen.«

»Wenn Ihr nichts mit seinen Anschlägen zu tun habt,« erwiderte sie, »so könnt Ihr sicher und ohne für Eure Freiheit zu fürchten, zu Galbraith und seinen Leuten gehen und eine Botschaft von Mac Gregors Frau überbringen?«

Ich antwortete, daß mir kein Grund bekannt sei, warum die Mannschaft mich zurückhalten sollte, und daß ich für mich nichts zu befürchten haben dürfte. Könne es meinem Freunde und meinem Diener, als ihren Gefangenen, zum Schutz gereichen, wenn ich die Botschaft übernehme, so sei ich bereit, sogleich aufzubrechen. Ich sei in das Land gekommen, setzte ich hinzu, auf ihres Mannes Einladung und seine Versicherung, daß er mir in einer wichtigen Angelegenheit beistehen wolle, und mein Reisegefährte, Herr Jarvie, habe mich aus eben dieser Absicht begleitet.

»Ich wollte,« fiel der Stadtvogt ein, »in meinen Stiefeln wäre siedendes Wasser gewesen, als ich sie in dieser Absicht anzog.«

»In den Worten dieses jungen Menschen erkennt Ihr Euren Vater,« sagte Helene Mac Gregor zu ihren Söhnen. »Er ist nur klug, wenn er die Mütze auf dem Kopfe und das Schwert in der Hand hat; aber sobald er den Tartan mit dem Tuchkleide vertauscht, mischt er sich in die elenden Ränke der Niederländer und wird nach allem, was er schon gelitten hat, von neuem ihr Werkzeug, ihr Sklave.«

»Und ihr Wohltäter, setzet hinzu,« rief ich.

»Mag sein,« antwortete sie. »Doch genug davon! – Ich werde Euch zu den feindlichen Vorposten bringen lassen, fragt nach ihrem Anführer und bringt ihm diese Botschaft von mir, Helene Mac Gregor: Wenn sie ein Haar krümmen auf Mac Gregors Haupt, und ihn nicht binnen zwölf Stunden in Freiheit setzen, so soll, ehe Weihnachten kommt, keine Frau in Lennox sein, die nicht Totenklage anstimmt, – kein Pächter, der nicht ach und weh schreit über eine abgebrannte Scheune und einen leeren Stall – kein Laird, kein Erbe soll sein Haupt abends niederlegen auf sein Kissen mit der Zuversicht, daß er lebe am Morgen – und zum Anfange dessen will ich, sobald die Frist vorüber ist, ihnen diesen Stadtvogt von Glasgow, diesen sächsischen Hauptmann und alle übrigen Gefangenen, jeden in einen Plaid gebunden und in so viel Stücke zerhackt, als Würfel im Tartan sind, herüberschicken!«

Hamish, Mac Gregors jüngster Sohn, nebst zwei Gefährten begleiteten mich, sowohl um mir den Weg zu zeigen, als auch die Stärke und Stellung des Feindes zu erforschen. Um mir die Flucht unmöglich zu machen, vielleicht auch, um ein Unterpfand in Händen zu haben, zwang man mich, zu Fuße zu gehen. Dougal hatte mitgehen sollen, er wußte aber auszuweichen, und zwar, wie wir nachher erfuhren, um über Jarvie zu wachen, dem er, nach seinen rohen Begriffen von Treue, Dankbarkeit schuldig zu sein glaubte, weil er in gewisser Hinsicht einst sein Gönner oder Herr gewesen war.

Nachdem wir ungefähr eine Stunde sehr schnell marschiert waren, erreichten wir eine mit Buschholz bedeckte Anhöhe, wo wir eine umfassende Aussicht über das Tal hatten und die Stellung der Soldaten genau beobachten konnten. Da es meistens Reiterei war, hatte man sich weislich gehütet, gegen den Engpaß vorzudringen, wo Hauptmann Thornton den kürzeren zog. Die Stellung war ziemlich geschickt auf einer Anhöhe in der Mitte des kleinen Tales von Aberfoil genommen, durch welches sich der Forth schlängelt, das von zwei Hügelreihen eingeschlossen und in der Ferne von höheren Gebirgen begrenzt wird. Das Tal ist indes breit genug, um die Reiter gegen einen plötzlichen Angriff der Hochländer zu sichern, und sie hatten in gehöriger Entfernung von der Hauptschar nach allen Richtungen Schildwachen und Vorposten aufgestellt, um bei dem geringsten Alarm aufzusitzen und unter Waffen zu sein.

Die weidenden Pferde im Tale, die mannigfachen Kriegergruppen an dem schönen kleinen Flusse, die kahlen, romantischen Felsen, die sie einschlossen, während fern nach dem Morgen zu der Menteith-See hervorblinkte, und das Schloß Stirling, in dämmernder Ferne, längs der blauen Ochill-Gebirge sich zeigend, den Hintergrund schloß, das alles bot ein so seltsames, lebensvolles und schönes Bild, daß es sich mir so fest in Erinnerung geprägt hat, daß ich noch jetzt meine, es vor mir zu haben.

Hamish Mac Gregor riß mich aus meiner Versunkenheit, indem er mir zurief, ich solle zu den Kriegern hinabsteigen und meine Botschaft bei ihrem Anführer ausrichten, schärfte mir aber ein, weder zu sagen, wer mich zu diesem Orte geleitet, noch wo mich meine Begleitung verlassen habe. Ich machte mich auf den Weg und Andreas folgte mir. Von seiner englischen Tracht besaß er nur noch die Beinkleider und Strümpfe und trug Riemenschuhe, die ihm Dougal aus Mitleid gegeben hatte. Ein zerrissener Plaid mußte den Mangel der andern Kleidungsstücke ersetzen. Wir waren noch nicht weit gegangen, als eine Reiterwache auf uns zuritt und mir mit vorgehaltenem Gewehr Halt! zurief. Ich verlangte, vor den Kommandanten gebracht zu werden und wurde sogleich in einen Kreis von Offizieren geführt, die um einen Mann von höherem Range herum im Grase saßen. Mein Bekannter Galbraith und viele andre, teils in Uniform, teils in gewöhnlicher Kleidung, aber alle bewaffnet, schienen Befehle von ihm entgegenzunehmen.

Zum Sprechen aufgefordert, erzählte ich, wie ich unwillkürlich Zeuge der Niederlage geworden sei, die des Königs Soldaten von den Hochländern beim Passe vom Ard-See, wie man den Ort nannte, erlitten hätten, und wie die Sieger ihren Gefangenen und dem ganzen Niederlande alle Art von Unheil drohten, wenn nicht ihr Anführer ungekränkt ihnen zurückgegeben werde. Der Herzog, denn das war die Person, der ich rapportierte, hörte mich gelassen an und erklärte sodann, daß es ihm leid tue, die unglücklichen Gefangenen preiszugeben, allein es sei eine törichte Voraussetzung, daß er den wahren Urheber all dieser Gewalttaten freigeben werde. »Ihr könnt zurückkehren,« schloß er, »zu denen, die Euch sandten, und ihnen sagen, daß ich Robin Campbell, den Sie Mac Gregor nennen, mit Tagesanbruch unwiderruflich hinrichten lasse, als einen Geächteten, der mit den Waffen in der Hand ergriffen wurde und der den Tod für tausend Uebeltaten verdient. Sagt denen, die Euch sandten, ferner, daß man mich mit Recht meines Postens für unwürdig halten würde, wenn ich anders handeln wollte; daß ich das Land gegen ihre frechen Drohungen schützen werde, und daß, wenn sie den unglücklichen Männern, die ein böser Zufall in ihre Macht gegeben hat, ein Haar auf ihrem Haupte krümmen, ich eine Rache nehmen will, über die selbst die Steine in den Tälern hundert Jahre Weh schreien sollen!«

Ich erlaubte mir hinsichtlich des ehrenvollen Auftrags, den man mir auftrug, geltend zu machen, daß ich mich, wenn ich ihn ausführte, zunächst selbst in schwere Gefahr brächte, worauf der Herzog antwortete, daß ich in diesem Falle meinen Diener schicken möge.

»Der Teufel müßte mir in den Beinen stecken,« rief Andreas, ohne Rücksicht auf die Anwesenden und ohne zu warten, bis ich geantwortet hatte – »wenn ich nur einen Fuß dazu höbe. Denken die Leute, ich hätt' eine andre Kehle in der Tasche, wenn die Hochländer mir die hier abgeschnitten haben? Oder ich könnte untertauchen an der einen Seite des Sees und an der andern wieder raus kommen, wie ein wilder Enterich? Nicht doch! jeder für sich und Gott für uns alle. Mögen sich die Leute doch selbst bedienen und ihre eignen Boten sein, bis ihre Jungen groß sind. Robin der Rote hat nie ins Kirchspiel von Dreepdaily den Fuß gesetzt, um Aepfel oder Birnen zu stehlen.«

Mühsam gelang es mir, Andreas zum Schweigen zu bringen. Dann stellte ich dem Herzoge vor, welcher großen Gefahr Hauptmann Thornton und Jarvie gewiß ausgesetzt sein würden, und bat ihn, mich zum Ueberbringer von Bedingungen zu machen, durch die ihr Leben geschützt werden könnte. Ich versicherte ihm, daß ich keine Gefahr scheuen würde, wenn ich nützlich sein könnte, doch nach allem, was ich gehört und gesehen habe, dürfe ich kaum zweifeln, daß man die Gefangenen sogleich ermorden werde, wenn der Geächtete den Tod erleiden sollte. Der Herzog war sichtlich sehr bewegt. Es sei ein harter Fall, sprach er, und er fühle es, allein er habe eine höhere Pflicht gegen das Vaterland zu erfüllen – Robin müsse sterben!

Ich gestehe, daß ich dieses Todesurteil gegen meinen Bekannten Campbell, der sich wiederholt gegen mich willfährig und dienstfertig gezeigt hatte, nicht ohne tiefe Bewegung hörte. Mehrere Männer im Gefolge des Herzogs wagten, dem Gefangenen das Wort zu reden. Es wäre doch rätlicher, meinten sie, ihn nach Schloß Stirling zu schicken und dort in engem Gewahrsam zu halten, als Unterpfand für die Unterwerfung und Zerstreuung seiner Rotte.

Major Galbraith ging noch weiter, auf des Herzogs Ehre vertrauend, obwohl er wußte, daß dieser aus besondern Gründen dem Gefangenen abgeneigt war. Robin, sprach er, sei zwar ein bedenklicher Nachbar, aber sonst ein gescheiter Kerl, der schon noch zur Vernunft zu bringen sei; sein Weib und seine Söhne hingegen wären ohne Furcht und Erbarmen und würden an der Spitze seiner Spießgesellen eine ärgere Landplage sein, als er es je gewesen.

»Oho! oho!« erwiderte der Herzog, »Klugheit und List haben lediglich die Herrschaft dieses Banditen so lang erhalten. Ein gewöhnlicher, hochländischer Räuber wäre in so vielen Wochen unterdrückt worden, als er nicht in Jahren. Ohne ihn ist seine Bande sicher nicht mehr zu fürchten, als eine Wespe ohne Kopf, die vielleicht noch einmal sticht, aber dann zerquetscht wird.«

Galbraith ließ sich nicht so leicht zum Schweigen bringen. »Mylord,« erwiderte er, »ich habe gewiß keine Freundschaft gegen Robin und er ebensowenig gegen mich, denn mir sind zweimal meine Ställe von ihm ausgeleert worden, den Schaden unter meinen Pächtern gar nicht zu nennen – aber dennoch –«

»Dennoch,« sprach der Herzog mit einem bedeutsamen Lächeln, »meint Ihr, eine solche Freiheit könne man dem Freund eines Freundes verzeihen, und man hält Robin für keinen Feind der Freunde Major Galbraiths über dem Wasser.«

»Wenns so wäre, Mylord,« versetzte Garschattachin in demselben scherzenden Tone, »so ist's nicht das Schlimmste; was ich von ihm höre. Aber ich wollte, wir hätten Nachricht von den Clans, worauf wir so lange warten. Ich möchte wetten, sie halten ihr Wort, wie es Hochländer zu halten pflegen – ich kannte sie nie anders.«

»Ich glaube das nicht,« sprach der Herzog. »Diese Herren sind als Männer von Ehre bekannt, und ich muß notwendig erwarten, daß sie ihr Versprechen einlösen werden. Es mögen noch ein paar Reiter nach unsern Freunden ausgesandt werden. Vor ihrer Ankunft können wir's nicht wagen, den Paß anzugreifen, wo Hauptmann Thornton sich überfallen ließ, und wo, wie ich weiß, zehn Mann Fußvolk gegen das beste Reiterregiment standhalten können. – Unterdessen laßt der Mannschaft Erfrischungen reichen.«

Auch ich zog Vorteil von diesem Befehle, denn ich hatte seit unserm eiligen Mahl am Abend vorher in Aberfoil nichts mehr genossen. Die ausgesendeten Reiter kehrten ohne Nachricht von den erwarteten Hilfsvölkern zurück, und die Sonne näherte sich dem Untergang, als ein Hochländer, der zu den Clans gehörte, mit einem Brief erschien, den er dem Herzog überreichte.

»Um einen Oxhoft Wein will ich wetten,« sprach Galbraith, »es ist die Botschaft, daß die verwünschten Hochländer, die wir hier unter so vielen Plagen und Beschwerden erwartet haben, sich zurückziehen und es uns überlassen, unsre Sache auszuführen, wenn wir können.«

»So ist es, Ihr Herren,« sprach der Herzog empört, als er den Brief gelesen hatte, der auf ein schmutziges Stück Papier geschrieben, aber mit sehr genauer Aufschrift versehen war. »Unsre Verbündeten haben uns verlassen und Frieden mit dem Feinde geschlossen.« Nach einer Pause, die von keiner Seite unterbrochen wurde, denn alle standen zu sehr unter der Wucht dieser Nachricht, fuhr er fort: »Unter diesen Umständen möchte es nicht klug sein, sich hier einem nächtlichen Ueberfall auszusetzen. Ich schlage deshalb vor, wir ziehen uns nach Duchray und Gartartan zurück; aber bevor wir uns trennen, will ich Robin in Eurer Gegenwart verhören, damit Ihr mit eignen Augen und Ohren Euch überzeugt, wie höchst unpassend es wäre, ihm Raum zu ferneren Gewalttätigkeiten zu lassen.

Der Gefangene wurde vorgeführt. Seine Arme waren über den Ellbogen befestigt und mit einem Sattelgurt scharf an den Leib geschnallt. Zwei Korporale führten ihn, und zwei Glieder Soldaten mit Karabinern und aufgepflanzten Bajonetts folgten.

Ich hatte diesen Mann noch nie in seiner Landestracht gesehen, die die Eigentümlichkeit seiner Gestalt in ein auffallendes Licht setzte. Ein Krauskopf von rotem Haar, das der Hut und die Perücke der niederländischen Tracht großenteils verborgen hatten, zeigte sich jetzt unter der hochländischen Mütze und rechtfertigte den Beinamen »der Rote«, unter dem er im Niederlande bekannt war und, wie ich glaube, noch immer in Erinnerung steht. Auch war der Beiname noch weiterhin berechtigt insofern, als seine Beine, vom Saume des Schurzes bis zum Rande der kurzen Strümpfe hinab, nach hochländischer Sitte unbedeckt, vorzüglich um die Kniee mit einem dichten, rothaarigen Felle überzogen waren, das ihnen den Anschein von Schenkeln des im Hochlande heimischen roten Bullen gab.

Sein Betragen war kühn und ungezwungen und, so weit ihn seine Bande nicht hinderten, stolz und sogar würdevoll. Er verbeugte sich vor dem Herzoge, nickte verschiednen andern zu und zeigte sich verwundert, auch mich hier zu finden.

»Wir haben uns lange nicht gesehen, Campbell,« sagte der Herzog.

»So ist es, Mylord! Ich wünschte, wir hätten uns wiedergesehen, wenn ich besser imstande gewesen wäre, Euch die schuldige Höflichkeit zu bezeigen,« versetzte Robin und blickte auf seine gefesselten Arme. – »Aber es wird schon wieder gute Zeit kommen.«

»Keine Zeit, wie jetzt, Campbell,« erwiderte der Herzog; »denn die Stunden entfliehen schnell, wo Ihr Eure letzte Rechnung mit den irdischen Dingen abzuschließen habt. Ihr wißt selbst, daß Ihr den Tod verdient, und müßt Euch dazu bereiten.«

»Mylord,« antwortete Robin, »obwohl ich mein Unglück Euer Gnaden vor die Tür legen könnte, werde ich dennoch niemals sagen, daß Ihr mit Wissen und Willen sein Urheber gewesen seid. Hätt' ich das geglaubt, Mylord, so hieltet Ihr heute nicht über mich Gericht; denn Ihr waret dreimal in schußgerechter Ferne von mir, wo Ihr nur ans rote Wild dachtet, und wenig Leute haben es erlebt, daß ich mein Ziel verfehlte. Aber man hat mich bei Euch verleumdet und Euch aufgebracht gegen einen Mann, der so friedlich war, wie irgend einer im Lande, und in Eurem Namen ward ich aufs Aeußerste getrieben. Ich habe ja einige Vergeltung genommen, und ich hoffe es zu erleben, auch das zu vergelten, was Ihr jetzt sagt.«

»Ich weiß,« sprach der Herzog mit steigendem Unwillen, »daß Ihr ein entschlossener, vermessener Schurke seid, der sein Wort hält, wenn er Unheil zu stiften schwört; aber ich werde sorgen, Euch daran zu verhindern. Ihr habt keine Feinde, als Eure bösen Taten. Sorgt nun wenigstens, daß die Unglücklichen, die in die Hände der Eurigen geraten sind, vor dem schlimmsten Lose bewahrt bleiben, und verbietet den Eurigen, Hand an sie zu legen!«

»Mylord,« gab Rubin zur Antwort, »keiner von meinen Feinden kann sagen, daß ich ein blutdürstiger Mann gewesen bin, und wär ich jetzt unter meinen Leuten, ich könnte vier oder fünfhundert wilde Hochländer so leicht regieren, als Eure Gnaden diese acht oder zehn Lakaien. Aber wenn Ihr einem Hause sein Haupt nehmen wollt, so könnt Ihr darauf rechnen, daß es Unordnung unter den Gliedern gibt. – Indessen komme, was da will, ein wackrer Mann ist drüben im Lager der meinigen, ein Vetter von mir, und ihm darf kein Leid geschehen! Ist jemand hier, der für Mac Gregor einen Gang tun will? – er kanns vergelten, obgleich seine Hände jetzt gefesselt sind.«

Der Hochländer, der dem Herzoge den Brief überbracht hatte, erwiderte: »Ich will für Euch handeln, Mac Gregor, und zurück ins Tal gehen.«

Er trat hinzu, und der Gefangene gab ihm einen Auftrag an seine Frau, der mir, da er gälisch sprach, zwar unverständlich blieb, sich aber, wie ich nicht zweifelte, auf Jarvies Sicherheit bezog.

»Hört Ihr den Unverschämten?« sprach der Herzog. »Er beträgt sich, wie seine Herren, die uns einluden, gemeine Sache gegen diese Freibeuter zu machen, und uns verlassen haben, sobald diese die Ländereien überliefern wollten, worüber sie im Streite lagen. Es ist weder Treu noch Glauben unter den Leuten, die Plaid und Tartan tragen.«

»Euer Ahnherr sprach nicht so, Mylord,« antwortete Galbraith, »und mit Erlaubnis, auch Ihr würdet nicht Ursache haben, so zu reden, wenn Ihr nur gerecht gegen den Anführer werden wolltet.«

»Still, Garschattachin!« sprach der Herzog; »Ihr führt gefährliche Reden; aber ich glaube, Ihr meint ein Vorrecht zu besitzen. Seid so gefällig, mit Euren Leuten nach Gartartan aufzubrechen; ich selbst will den Gefangenen nach Duchray begleiten und werde Euch morgen weitere Befehle schicken. Es bekommt keiner von Euren Reitern Urlaub. Verstanden?«

»Befehl und Gegenbefehl,« murmelte Galbraith zwischen den Zähnen. »Aber Geduld! Wir werden bald Stuhlwechsel spielen, wenn der König kommt.«

Die beiden Reiterhaufen rüsteten sich zum Aufbruche, um noch bei Tageslicht ihr Nachtquartier zu erreichen. Ich erhielt weniger die Einladung als die Weisung, die Truppen zu begleiten, und sah, daß ich zwar nicht mehr als Gefangener, aber doch als verdächtig angesehen wurde. Ich fügte mich, so gut ich konnte, in mein Schicksal, und tröstete mich mit der Hoffnung, von dem gefangenen Freibeuter einige Nachrichten über Rashleigh und seine Anschläge zu erhalten.


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