Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel.

»Ich weiß nicht, was ich mit Euch machen soll, Herr Osbaldistone,« sagte Robin, als er mir die Flasche zuschob. »Ihr eßt nicht, scheint keine Lust zum Schlaf zu haben, und trinkt auch nicht, obwohl dieser Bordeauxwein aus Sir Hildebrands eignem Keller stammen dürfte. Wäret Ihr immer so enthaltsam gewesen, so hättet Ihr den tödlichen Haß Eures Vetters Rashleigh sicher vermieden.«

»Wäre ich immer so vorsichtig gewesen,« erwiderte ich, errötend über den Auftritt, an den er mich erinnerte, »so hätt' ich wohl noch schlimmeres Uebel vermieden – den Vorwurf meines Gewissens.«

Mac Gregor warf einen scharfen und grimmigen Blick auf mich, als hätte er erforschen wollen, ob der Verwurf, den er offenbar fühlte, mit Absicht erteilt worden sei. Aber er sah, daß ich an mich selbst, nicht an ihn dachte, und wendete das Gesicht tief seufzend nach dem Feuer. Ich folgte seinem Beispiel, und wir blieben ein paar Minuten lang, in peinliche Gedanken vertieft, liegen. Alles in der Hütte schlief jetzt oder war doch still, uns beide ausgenommen.

Mac Gregor brach zuerst das Schweigen in einem Tone, als sei er willens, über einen Gegenstand zu sprechen, über den er lieber schwiege. »Mein Vetter Niklas meints gut,« sagte er; »aber er setzt einem Manne von meiner Gemütsart viel zu hart zu, wenn er davon spricht, was ich war, was ich habe werden müssen, und vor allem, was mich gezwungen hat, das zu werden, was ich jetzt bin.«

Er schwieg, und obwohl ich fühlte, wie heikel die Unterhaltung werden konnte, so konnte ich doch nicht umhin, zu antworten, daß ohne Zweifel seine gegenwärtige Lage vieles enthalten dürfte, was ihm zuwider sei. »Mich würde es gewiß freuen,« setzte ich hinzu, »wenn Ihr Euch auf ehrenvolle Weise herausreißen könntet.«

»Ihr redet wie ein Knabe,« erwiderte Robin in einem Tone, der wie seiner Donner klang, »wie ein Knabe, der sich denkt, eine alte knorrige Eiche lasse sich so leicht biegen wie ein junger Zweig. Kann ich wohl vergessen, daß ich gebrandmarkt bin als vogelfreier Wicht, – entehrt als Verräter – daß man einen Preis auf meinen Kopf setzte, wie auf einen Wolf, und meine Familie behandelt hat, wie die Füchsin und ihre Jungen, die jedermann quälen, verachten und beschimpfen kann? Selbst mein Name, den ich von einer langen und edlen Reihe tapferer Ahnherren erhielt, ist verrufen, gleich einem Zauber, den Teufel zu beschwören!«

Ich sah deutlich, daß er sich durch solche Aufzählung der ihm widerfahrenen Kränkungen selbst zur Wut aufregte, um für die Verirrungen, in die er sich hatte hetzen lassen, in den eignen Augen eine Rechtfertigung zu finden. Und das gelang ihm; denn seine hellen grauen Augen schienen Flammen zu sprühen, während er den Fuß vorwärts stieß und zurückzog, den Griff seines Dolches faßte, den Arm ausstreckte, die Faust ballte und endlich aufsprang.

»Und erfahren sollen sie,« rief er in demselben tiefen Tone erstickter Leidenschaft, »daß der Name Mac Gregor, den sie zu ächten wagten, ein Zauber ist, der den wilden Teufel bannt. Von meiner Rache sollen sie hören! Der elende Viehhändler, dem sie alles genommen, den sie entehrt und niedergehetzt haben, weil Habsucht mehr verlangte, als er bezahlen konnte, er wird in furchtbarer Gestalt über sie herstürzen. Doch warum spreche ich hiervon?« fuhr er in ruhigerm Tone fort, indem er sich wieder setzte. »Ihr könnt mir glauben, Herr Osbaldistone, es reizt mich zur Ungeduld, wenn ich gejagt werde wie ein Otter oder wie ein Lachs in Untiefen, und das von meinen Freunden und Nachbarn! Ein Heiliger würde die Geduld verlieren, wenn man ihn mit so vielen Schwertstreichen und Pistolenschüssen bedroht hätte, als heute mich im Strom; wieviel mehr ein Hochländer, der um seiner Geduld willen wahrlich nicht berühmt ist, wie Ihr wohl wißt. – Aber eins liegt mir im Sinne von dem, was Vetter Niklas sagte. – Meine Jungen machen mir Kummer, wenn ich daran denke, daß sie vielleicht einmal leben sollen, wie ihr Vater hat leben müssen.« – Und trauernd stützte er das Haupt auf die Hand.

Ich war tief ergriffen, und der Wunsch, ihm zu helfen, erfüllte mein Gemüt.

»Wir haben gute Verbindungen im Auslande,« sagte ich; »könnten nicht Eure Söhne mit einiger Unterstützung, die sie von meines Vaters Hause doch erwarten dürfen, Anstellung in fremden Diensten finden?«

Mein Gesicht, glaube ich, verriet aufrichtige Rührung; allein mein Gefährte, ohne mich weiter reden zu lassen, nahm meine Hand und erwiderte: »Ich dank Euch – dank Euch! Aber laßt uns nichts mehr davon sprechen! Ich hätte nicht geglaubt, daß jemand noch eine Träne in Mac Gregors Augenwimpern sehen werde.« – Er trocknete das feuchte Auge unter den dichten roten Brauen mit dem Handrücken. »Morgen früh,« sagte er, »wollen wir darüber sprechen, und auch von Euren Angelegenheiten – denn wir brechen früh auf: Wollt Ihr mir nicht in einem Becher Bescheid tun?« Ich lehnte ab.

»Dann muß ich mir selbst Bescheid tun!« rief er und stürzte wenigstens ein halbes Maß Wein hinunter.

Ich legte mich nieder, entschlossen, mit den Fragen, die ich an ihn stellen wollte, zu warten, bis er sich in ruhigerer Gemütsstimmung befände. Wirklich erfüllte dieser sonderbare Mann meine Einbildungskraft in solchem Maße, daß ich nicht umhin konnte, ihn noch ein paar Augenblicke zu beobachten, ehe ich mich auf meinem Heidekrautlager auf die andre Seite drehte. Er ging auf und nieder, bekreuzte sich von Zeit zu Zeit und murmelte ein lateinisches Gebet; dann hüllte er sich in seinen Plaid, sein nacktes Schwert an der einen Seite, die Pistole an der andern, und die Falten seines Mantels so geordnet, daß er bei jedem Alarm gleich aufspringen konnte. In wenigen Minuten verriet sein tiefes Atmen, daß er fest eingeschlafen war. Von Müdigkeit erschöpft und betäubt von den ungewöhnlichen Ereignissen des Tages, erlag auch ich bald der Gewalt eines tiefen Schlummers und erwachte, trotz aller Gründe zur Wachsamkeit, nicht eher als bis am andern Morgen.

Als ich die Augen aufschlug und mich besinnen konnte, wo ich war, sah ich, daß Mac Gregor die Hütte bereits verlassen hatte. Ich weckte den Stadtvogt, der nach schweren Klagen über Gliederschmerz endlich im stande war, die frohe Nachricht zu erfassen, daß die von Rashleigh mitgenommenen Papiere und Dokumente glücklich wieder in meinem Besitze seien. Sogleich stand er geschäftig auf und verglich den Inhalt meines Pakets mit Owens Verzeichnis, wobei er murmelte: »Recht, recht – die wahre Sache – Baillie und Whittington – wo ist Baillie und Whittington – siebenhundert, sechs und acht. – Genau bis auf den Bruch. – Pollack und Peelmann – achtundzwanzig – sieben – genau. – Dem Himmel sei Dank! – Grub und Grinder, – bessre Männer kanns nicht geben – dreihundertundsiebenzig. – Gliblad – zwanzig, hier zweifle ich an Zahlung. – Slipprytongue – Slipprytongue hat aufgehört – aber das sind Bagatellen – und alles andre stimmt – Gott sei Dank! Nun können wir dies traurige Land verlassen. An den Hard-See aber werde ich nie ohne Grausen denken!«

»Es tut mir leid, Vetter,« sagte Mac Gregor, der in die Stube hereintrat, als Jarvie diese letzten Worte sprach, »daß die Umstände mir nicht erlaubt haben, Euch zu bewillkommnen, wie ich es gewünscht hatte. Wenn Ihr aber meine bescheidne Wohnung besuchen wollt –«

»Sehr verbunden, sehr verbunden,« erwiderte Jarvie schnell. »Aber wir müssen aufbrechen – wir müssen fort, Herr Osbaldistone und ich – Geschäfte können nicht warten.«

»Gut, Vetter,« versetzte der Hochländer, »Ihr kennt unsre Sitte: speise den Gast, der kommt; und sei ihm behilflich, wenn er gehen muß. Aber Ihr könnt nicht über Drymen heimkehren; ich muß Euch über den See fetzen zur Fähre von Balloch und Eure Pferde dahin vorausschicken. Ein kluger Mann kehrt nie auf der gleichen Straße zurück, wenn er eine andre frei hat«

»Ja, ja, Rob, das ist eine von den Regeln, die Ihr gelernt habt, als Ihr den Viehhandel triebt. Ihr hattet keine Lust die Pächter wiederzusehen, denen Euer Vieh das Gras abgeweidet hatte – und ich glaube, jetzt hinterlaßt Ihr noch schlimmere Spuren wie damals.«

»Desto notwendiger ists jetzt, Vetter, mit dem Wege zu wechseln,« antwortete Robin; »aber Dougal soll die Pferde hinführen; er wird jetzt als Bedienter des Stadtvogts erscheinen, doch nicht von Aberfoil oder aus Robins Land, sondern vom Schlosse Stirling. – Aber seht, da ist er ja.«

»Ich hätte die Kreatur nicht gekannt,« meinte Jarvie, und es war in der Tat nicht leicht, den wilden Hochländer wiederzuerkennen, als er vor der Tür der Hütte erschien, in Hut, Perücke und Reitrock, die einst Andreas gehört hatten, auf des Stadtvogts Pferde, mit dem meinigen am Zaume. Er bekam von seinem Herrn Weisung, gewisse Orte zu vermeiden, wo er Verdacht erwecken konnte, unterwegs alle mögliche Kundschaft einzuziehen und uns an einem bestimmten Ort, unweit der Fähre von Balloch, zu erwarten.

Mac Gregor lud uns nun ein, mit ihm uns auf den Weg zu machen, und da wir nach seiner Versicherung noch vor dem Frühstück ein paar Meilen wandern müßten, meinte er, wir sollten doch lieber nicht unterlassen, uns für diesen Marsch mit einem Schlucke Schnaps zu stärken. Der Stadtvogt tat ihm Bescheid, meinte aber, er tue es nur, um den Magen, der bei ihm nicht allzu gut bestellt sei, gegen den Morgennebel zu schützen, und in solchem Falle hätte auch sein Vater, der Vorsteher, durch Lehre und Beispiel einen Schluck gutgeheißen.

»Sehr richtig, Vetter,« versetzte Robin; »aus diesem Grund haben auch wir, die Kinder des Nebels, ein Recht, von früh bis Abend Branntwein zu trinken.«

Jarvie bestieg nach dieser Labung einen kleinen hochländischen Klepper, mir ward ein andrer angeboten, den ich aber ausschlug, und unter solch andrer Begleitung und Aussicht zogen wir zum andern Male den Weg, den wir tags vorher gezogen waren.

Unser Geleit bestand aus Mac Gregor und etwa einem Halbdutzend der stattlichsten, bestbewaffneten und rüstigsten Hochländer seiner Schar. Als wir uns dem Engpasse näherten, der mir als Schauplatz des Gefechts vom verwichnen Tage noch in trüber Erinnerung war, beeilte sich Mac Gregor, das Wort zu nehmen, wohl mehr, um meinem Gemüt gerecht zu werden, als daß er einer Aeußerung von mir hätte zuvorkommen wollen.

»Ihr müßt Arges von uns denken, Herr Osbaldistone, und es kann natürlich nicht anders sein. Aber erwägt wenigstens, man hat uns herausgefordert. Wir sind ein rohes, unwissendes, auch wohl ein heftiges, leidenschaftliches, aber kein grausames Volk. Frieden und Gesetze würden im Lande nicht durch uns gestört werden, wenn man uns den Segen eines friedlichen Rechts wollte genießen lassen. – Aber wir sind schändlich verfolgt und gehetzt worden.«

»Und das macht kluge Leute toll,« meinte Jarvie.

»Und wohin mußten wir auf solche Weise gelangen, da wir doch noch leben, wie unsre Väter vor tausend Jahren lebten, und kaum mehr Wissen und Einsicht haben als sie? Können wir bessre Behandlung gewähren, als Feinde von Feinden erhalten? Ich bin in zwanzig Gefechten gewesen und habe nie einen Menschen verletzt, außer wenn mein Blut erhitzt war; und dennoch wollte man mich verraten und aufhängen, wie einen herrenlosen Hund, an das Tor des ersten besten vornehmen Herrn, der einen Groll gegen mich hat.«

Ich erwiderte, daß auch mir als Engländer die Aechtung seines Namens und Geschlechts als sehr grausam und willkürlich erscheine, und erneuerte meinen Vorschlag, ihm selbst, wenn er es wollte, und seinen Söhnen Anstellung in fremden Kriegsdiensten zu verschaffen. Mac Gregor drückte mir herzlich die Hand und hielt mich zurück, als wenn er beabsichtige, Jarvie auf dem schmalen Pfade vorausreiten zu lassen.

»Ihr seid ein gutherziger, wackrer Jüngling,« sprach er, »der recht gut weiß, was man den Gefühlen eines Mannes von Ehre schuldig ist. – Aber die Heide, die mein Fuß betreten hat, als ich lebte, muß über mir blühen, wenn ich tot bin. Mein Mut würde sinken und mein Arm würde zusammenschrumpfen und verwelken wie Farnkraut im Froste, wenn ich die Berge meiner Heimat nicht mehr sehen sollte; und die Welt hat keine Gegend, mich für den Verlust dieser Felsen und Klippen, die Ihr hier seht, so wild sie sind, zu trösten. – – Und Helene – was sollte aus ihr werden, wenn ich sie neuen Beleidigungen, neuen Grausamkeiten aussetzte? oder wie könnte sie diese Gegenden verlassen, wo die Erinnerung an ihre Kränkungen versüßt wird durch die Erinnerung an ihre Rache? Ich bin einst so hart von meinem großen Feinde, wie ich wohl sagen kann, bedrängt worden, daß ich dem Sturme nachgeben mußte, und mit den meinigen unsre Heimat verlassen habe und auf einige Zeit in Mac Callummore's Land gezogen bin. Da hat Helene ein Klagelied auf unsern Wegzug aus der Heimat gedichtet, wie es besser kein Mac Rimmon hätte dichten können, so rührend und wehmütig, daß uns das Herz fast brach, als sie es sang!

»Aber Eure Söhne,« sagte ich, »sind jetzt in dem Alter, in welchem Eure Landsleute doch wohl gern die Welt sehen?«

»Ich wär's freilich zufrieden,« erwiderte er, »wenn sie ihr Glück in französischen oder spanischen Diensten versuchten, wie schottische Edelleute zu tun pflegen, und gestern abend kam mir Euer Plan auch ganz ausführbar vor. – Aber ich habe Seine Exzellenz heute morgen gesehen, ehe Ihr aufgestanden waret.«

»Hat er denn so nahe bei uns die Nacht zugebracht?« fragte ich mit ängstlich klopfendem Herzen.

»Näher als Ihr glaubt,« war die Antwort. »Aber er schien eifersüchtig zu sein auf die Unterhaltung, die Ihr mit der jungen Dame geführt habt, und da seht Ihr –«

»Gelegenheit zur Eifersucht habe ich ihm nicht gegeben,« erwiderte ich, nicht ohne Stolz; »ich hätte seine Einsamkeit gewißlich nicht gestört.«

»Aber Ihr müßt doch nicht gleich unter Euren Locken hervorblicken wie eine Wildkatze aus einem Efeubusch; denn Ihr müßt doch nicht verkennen, daß er Euch aufrichtig wohl will, und das doch auch bewiesen hat. Gerade das ists ja immer, was die Heide in Feuer setzt, und ists auch jetzt wieder!«

»Die Heide in Feuer?« fragte ich. »Ich verstehe Euch nicht.«

»Nun,« versetzte Robin, »Ihr wißt doch, daß Weiber und Geld an allem Unheil in der Welt schuld sind. Ich habe Eurem Vetter Rashleigh nicht mehr getraut, seit er merkte, daß Diana Vernon nicht seine Liebste werden sollte; und ich glaube auch, er hat vorzüglich deshalb einen Widerwillen gegen die Exzellenz gefaßt. Nun kam die Herausgabe Eurer Papiere dazu – und jetzt ist es denn auch bewiesen, daß er, sobald er sie fahren lassen mußte, flugs nach Stirling geritten ist, und der Regierung alles offenbart hat, was in der Stille in unsern Gebirgen vorging, und manches noch dazu. Das ist ohne Zweifel Grund und Ursach gewesen, daß man das Land besetzte, um die Exzellenz und die Lady zu fangen, und gleichzeitig einen Angriff gegen mich zu machen. Der arme Teufel Morris, dem er alles weis machen konnte, hat sich gewiß von ihm und einigen niederländischen Edelleuten bestimmen lassen, mich in die Falle zu locken. – Aber war auch Rashleigh Osbaldistone der letzte und beste seines Geschlechts, sollten wir je wieder zusammentreffen, will ich des Todes sein, wenn nicht, ehe wir scheiden, mein Dolch und sein Herzblut bekannt miteinander werden.«

Er sprach diese Drohung mit schrecklich finsterm Blick aus und legte die Hand an den Dolch.

»Ich könnte mich fast freuen über das Geschehene,« sagte ich, »wenn sich hoffen ließe, daß, durch Rashleighs Verräterei, die tollkühnen Anschläge verhindert würden, deren Hauptanstifter er, wie ich längst argwöhnte, gewesen ist.«

»Glaubt das nicht,« sprach Robin der Rote. »Eines Verräters Wort hat noch nie eine gute Sache verdorben. Er wußte freilich viel von unsern Geheimnissen, und wäre das nicht gewesen, so wären die Schlösser in Stirling und Edinburg jetzt in unsrer Gewalt, oder würden bald an uns fallen, was jetzt kaum noch zu hoffen ist. Aber unsre Sache ist zu gut, als daß sie um eines Verräters willen aufgegeben werden sollte, wie man in kurzem sehen und hören wird. Und darum nehmt, was ich Euch vor allem sagen wollte, meinen besten Dank für Euer Anerbieten wegen meiner Söhne entgegen, das ich gestern für sie anzunehmen gedachte. Aber ich sehe, durch dieses Elenden Verräterei werden unsre Großen die Ueberzeugung gewinnen, daß sie nicht länger säumen dürfen, wenn sie nicht in ihren Häusern festgenommen, wie Hunde gekoppelt und nach London getrieben werden wollen, gleich den wackern Herren und Edelleuten anno 1707. Bürgerkrieg ist ein Basilisk; wir haben auf dem Ei, das ihn barg, zehn Jahre lang sitzen können, aber da kommt Rashleigh, der die Schale entzwei schlägt, und heraus kommt das Wundertier und ruft zu Feuer und Schwert. Bei dermaßen bestellten Sachen brauche ich alle Hände, die ich erlangen kann, und ohne Geringschätzung der Könige von Frankreich und Spanien, denen ich alles Gute wünsche, muß ich doch meinen, König Jakob sei ebensogut wie sie und besitze das nächste Anrecht auf meine Söhne, seine gebornen Untertanen.«

Ich begriff leicht, daß diese Worte einen allgemeinen Volksaufstand andeuteten; da es aber so nutzlos als gefährlich gewesen sein würde, die politische Meinung meines Führers an solchem Ort und in solchem Augenblicke zu bestreiten, begnügte ich mich, die Verwirrung und das Unglück zu beklagen, die aus solchem Werke hervorgehen mußten.

»Laßt's nur kommen, Herr,« versetzte Mac Gregor. »Ich habe nie gesehen, daß schlechtes Wetter sich ohne Regenschauer aufklärt; und wenn in der Welt das Unterste zu oberst gekehrt ist, haben ehrliche Leute die beste Gelegenheit, sich ein Stück Brot zu schneiden.«

Ich suchte wieder das Gespräch auf Diana zu bringen, aber so frei er sich über die meisten Dinge äußerte, die für mich nichts Erfreuliches hatten, beobachtete er doch über diesen Gegenstand allein, der für mich am anziehendsten war, eine gewisse Zurückhaltung, und begnügte sich, anzudeuten, daß die Lady, wenn ihn seine Hoffnung nicht trüge, bald in einem ruhigeren Lande leben werde, als Schottland für absehbare Zeit sein dürfte. Mit dieser Antwort mußte ich mich zufrieden geben, und mit der Hoffnung, daß der Zufall mich wieder, wie früher, begünstigen und mir wenigstens das traurige Vergnügen gestatten werde, einem Wesen Lebewohl zu sagen, das meine Neigung in einem höhern Grade besaß, als ich geglaubt hatte, ließ ich das Gespräch fallen.

Wir gingen ungefähr sechs englische Meilen weit am Rande des Sees auf einem wilden und reizvoll abwechselnden Pfade, bis wir einen hochländischen Meierhof erreichten, der an dem klaren Wasserspiegel lag und, wie ich glaube, Lediart hieß. Hier fanden wir auch einen ansehnlichen Haufen von Mac Gregors Leuten.

Wir stiegen am Ufer des Sees aufwärts, am Ufer eines rauschenden Baches entlang. Rechts blieben einige hochländische Hütten liegen, umgeben von Stücken urbaren Landes, das gleichsam aus den anliegenden Gebüschen ausgehauen war, und Gerste und Hafer trug. Von da ab ward der Hügel steiler, und auf seinem schroffen Lande trafen wir wieder auf ungefähr fünfzig Männer von Mac Gregors Gefolge. Sie standen auf einer Stelle, deren ich mich immer noch mit Bewunderung erinnere. Der Bach fand hier in seinem Lauf eine Felsenwand, über die er sich in zwei Fällen hinabstürzte. Der erste Fall, über den sich eine prächtige alte Eiche, aus dem jenseitigen Ufer hervorsprossend, wölbte, als ob sie die herniederschießenden dunklen Gewässer beschirmen wollte, mochte zwölf Fuß hoch sein. Der gebrochene Strom fiel in ein schönes Felsenbecken, fast so regelmäßig, wie mit dem Meißel gehauen, und stürzte, nachdem er sich auf dem steinigen Rande herumgedreht hatte, steil, wenigstens fünfzig Fuß tief, durch eine dunkle enge Schlucht, und eilte dann in ruhigerem Laufe dem See zu.

Hier hatten Robins Frau und Anhänger unser Frühstück bereitet, in der wohl berechneten Absicht, bei ihrem Gaste durch das erhabene Naturbild, das er ihrem Gaste bot, ein Gefühl von Ehrfurcht zu wecken. Die Hochländer sind von Natur ernst und stolz, und wie roh sie uns auch erscheinen mögen, so gehen sie doch in ihren Begriffen von Form und Höflichkeit so weit, daß man es für übertrieben hielte, wäre nicht der Ausdruck überlegener Kraft damit verbunden, und ihre gemessene Ehrerbietung und strenge Förmlichkeit, die bei einem gewöhnlichen Landmanne lächerlich erscheinen, gibt dem kriegerisch gerüsteten Hochländer eine stolze Würde. Daher war auch unser Empfang nicht ohne Feierlichkeit.

Die Hochländer, die auf der Höhe zerstreut gewesen waren, zogen sich bei unserer Annäherung zusammen, und standen bewegungslos in geschlossenen Gliedern hinter drei Gestalten, in denen ich bald Helene Mac Gregor und ihre beiden Söhne erkannte. Robin ordnete seine Begleiter, und wo die Anhöhe steil ward, bat er Jarvie abzusteigen, und führte uns langsam an der Spitze des Trupps hinauf. Als wir uns näherten, hörten wir die wilden Töne des Dudelsacks, die, mit dem Rauschen des Wasserfalls vermischt, ihren natürlichen Mißklang verloren. Mac Gregors Frau kam uns einige Schritte entgegen. Ihr Anzug war sorgfältig in weiblicherm Geschmack als am vorigen Tage geordnet, allein ihre Züge trugen denselben stolzen, unbeugsamen, entschlossenen Charakter, und als sie meinen Freund Jarvie mit einer unvermuteten, ihm sichtlich nicht eben willkommenen Umarmung begrüßte, verriet mir die Bewegung seiner Perücke, seines Rückens und seiner Beine, daß ihm ungefähr zu Mute war, wie einem, der sich plötzlich von einer Bärin ergriffen fühlt, ohne unterscheiden zu können, ob das Tier freundlich oder grimmig ist.

»Vetter,« sprach sie, »Ihn seid willkommen – und auch Ihr, Fremdling,« fügte sie, zu mir gewandt, hinzu und ließ meinen erschrockenen Gefährten los, der unwillkürlich zurücktrat und sich die Perücke zurecht setzte. – »Ihr seid auch willkommen. – Ihr kamt in unser unglückliches Land, als unser Blut heiß und unsre Hand locker war. Entschuldigt den rauhen Empfang und schreibt ihn der bösen Zeit zu, nicht uns.«

Alles dies sprach sie mit dem Benehmen einer Fürstin und mit Anmut, Geläufigkeit und Nachdruck. Sie lud uns zu einer Erfrischung ein, die auf dem Rasen zubereitet wurde, und das Beste bot, was ihre Berge liefern konnten; allein der Genuß wurde gestört und getrübt durch den finstern, unwandelbaren Ernst, der auf ihrer Stirn ruhte, und durch unsre bangen Erinnerungen an die Ereignisse des verwichenen Tages. Vergebens suchte der Häuptling uns fröhlicher zu stimmen. Ein Schauder erfüllte unsre Gemüter, als ob wir bei einem Leichenmahle gewesen wären, und jede Brust fühlte sich erleichtert, als es zu Ende war.

»Lebt wohl, Vetter!« sprach sie zu Jarvie, indem wir aufstanden. »Der beste Wunsch, den Helene Mac Gregor einem Freunde geben kann, ist, daß er sie nie wiedersehen möge.«

Der Stadtvogt suchte eine Antwort hervorzubringen, vermutlich mit irgend einem moralischen Gemeinspruch verbrämt; allein der ruhige, traurige Ernst ihres Gesichts brachte den Beamten mit seiner förmlichen Wichtigkeit ganz aus der Fassung. Er hustete, räusperte, bückte sich und – schwieg.

»Für Euch, Fremdling,« sprach sie zu mir, »hab ich ein Andenken von einer Person, die Ihr –«

»Helene!« fiel Mac Gregor mit lauter und ernster Stimme ein, »was soll das heißen? Hast Du den Befehl vergessen?«

»Mac Gregor,« erwiderte sie, »ich habe nichts vergessen. Hände wie diese,« fuhr sie fort, und streckte ihre langen, nervigen, nackten Arme aus, »passen nicht zur Uebermittelung von Liebeszeichen, sie müßten denn mit Jammer verbunden sein. – Jüngling,« sprach sie, mir einen Ring reichend, den ich als einen der wenigen Zieraten erkannte, die Diana zuweilen trug, »dies kommt von einer Person, die Ihr nie wiedersehen werdet. Ist es ein freudloses Andenken, so paßt es gut dazu, durch die Hände einer Frau zu gehen, die Freude nie mehr kennen wird. Ihre letzten Worte waren: Er mag mich für immer vergessen.«

»Und kann sie dies für möglich halten?« sprach ich, kaum meiner Worte mir bewußt.

»Alles kann vergessen werden,« versetzte die seltsame Frau, »alles – bloß nicht Schande und Rache.«

»Aufgespielt!« rief Mac Gregor, stampfend vor Ungeduld. Die Sackpfeifen ertönten, und ihre trillernden, schnarrenden Klänge machten der Unterhaltung ein Ende. Wir nahmen mit stummen Gebärden von unserer Wirtin Abschied, und ich entfernte mich mit einem neuen Beweise, daß Diana mich liebte, und auf immer von mir getrennt war.


 << zurück weiter >>