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Dreizehntes Kapitel.

In der Tiefe des für die geheimnisvolle Zusammenkunft bestimmten Tales, dem sich Jeanie endlich nahte, hinter den Felsen von Salisbury mit dem als »Arturs Sitz« bekannten Berge im Vordergrunde, befinden sich noch heutzutage die Ruinen einer Einsiedelei oder Kapelle, die dem heiligen Antonius geweiht war. Eine bessere Lage hätte sich für sie kaum finden lassen, denn zwischen ranken, pfadlosen Klüften erbaut, stand sie in einer richtigen Oedenei und doch in unmittelbarer Nähe einer volkreichen, unruhigen Stadt, deren Lärm aber nur dumpf, wie seines Wogenbrausen eines Meeres, in die Gebete des Einsiedlers drang.

Unfern der Kapelle, ziemlich am Fuße der Höhe, zeigt man wohl noch heute die grause Stätte, wo ein aufgeschichteter Steinhaufen das Gedächtnis an einen Mord, verübt nach schändlichen Grausamkeiten von einem Mann an seinem Weibe, erhielt. Der alte britische Fluch: »Sei ein Steinhaufen dein Grab!« schien hier tatsächlich verwirklicht, denn jeder Passant hatte zum Zeichen seines Abscheus gegen den Elenden einen Stein dorthin geschleudert, bis zuletzt ein richtiger Haufen entstanden war, der nach ihm – Nichil Muschat hieß der Mörder – »die Muschatsteine« genannt wurde.

Jeanie blieb an dem unheimlichen Orte stehen, den Blick zum Monde hinauf richtend, der jetzt am nordwestlichen Himmel aufstieg; mit Zittern und Zagen wandte sie langsam den Kopf zu dem Steinhaufen hin, der sich, grauweiß im Mondlicht schimmernd, vor ihr erhob. Zuerst sah sie nichts von einem Menschen dahinter, und schon fingen Zweifel sich in ihrer Brust zu regen an . . War sie getäuscht worden? Brach der Schreiber des Zettels sein Worte? Hatte er den Zeitpunkt verpaßt, oder hielt ihn ein unvermuteter Zwischenfall zurück? Oder sollte er gar, wie eine geheime Stimme ihr zuflüsterte, ein überirdisches Wesen sein, daß sie durch falsche Hoffnungen in unnütze Schrecken und Qualen stürzen wollte? Oft genug hatte sie von dergleichen irrenden Geistern vernommen!

Und doch hielten diese angstvollen Gedanken sie nicht ab, sich langsamen, aber festen Schrittes dem Steinhügel zu nähern . . Da richtete sich plötzlich, als sie ihn beinahe erreicht hatte, eine düstere Gestalt dahinter auf, und Jeanie, die schlimmste ihrer Ahnungen erfüllt sehend, konnte kaum einen Aufschrei unterdrücken. Mit verhaltenem Atem wartete sie, daß der Mann sie anreden solle. Nach einem kurzen Schweigen geschah es . . Mit tiefer, von innerer Bewegung kündender Stimme fragte die Gestalt:

»Sind Sie die Schwester jenes tiefunglücklichen jungen Geschöpfes?«

»Ich bin« – erwiderte Jeanie, – »die Schwester von Effie – Effie Deans; und wenn Sie je in Ihrer letzten Stunde auf die göttliche Gnade rechnen, dann sagen Sie mir, was im stande ist, sie zu retten, ob Sie im stande sind, sie zu retten.«

»Nein,« lautete seine unheimliche Antwort, »ich rechne nicht auf seine Gnade in meiner letzten Stunde; denn ich verdiene sie nicht!« Aber der Ton seiner Stimme war, so verzweifelt auch seine Worte waren, ruhiger geworden, vielleicht weil er die Scheu der ersten Anrede überwunden hatte.

Jeanie, starr vor Entsetzen, fand kein Wort mehr, denn was sie gehört hatte, war so ganz allem zuwider, was bisher zu ihren Ohren aus dem Munde des Vaters und Reuben Butlers gedrungen war, daß sie wirklich zu meinen anfing, keinem menschlichen, sondern einem Wesen der Hölle gegenüber zu stehen. Ohne aber ihres Grausens zu achten, fuhr die Gestalt fort: »Mädchen, Du siehst einen Elenden vor Dir, zu zeitlicher und ewiger Not verdammt!«

»Um des Ewigen willen, der uns hört,« schrie Jeanie bang, »führt nicht solche verzweifelten Reden! Der Wohltat des Evangeliums hat auch der Sündhafteste, der Elendste, teil!«

»Dann wäre ich freilich nicht davon ausgeschlossen!« erwiderte der Unbekannte; »wenn Du es sündhaft nennst, Mädchen, daß ich die Mutter, die mich gebar, den Freund, der mich liebte, das Weib, das mir vertraute, das unschuldige Kindlein, das dieses Weib mir gebar, in Verderben und Elend riß, dann bin ich fürwahr der sündhafteste, aber auch elendste Mensch unter der Sonne!«

»Also habt Ihr das Unglück meiner Schwester auf dem Gewissen?« fragte Jeanie, und aus ihrer Stimme klang es wie rächender Zorn.

»Ja, Mädchen, fluche mir, wenn es Dein Wille! verdient an Dir hab ich's hundertfältig!«

»Besser ziemt es mir, Gott um Vergebung für Euch zu bitten,« antwortete Jeanie.

»Tue, wie Du willst, und was Du für gut hältst!« rief er heftig, »nur schwöre mir, Dich nach meinen Worten zu richten und Deiner Schwester das Leben zu retten!«

»Ich werde, was einer Christin erlaubt ist zu tun, um der Schwester das Leben zu retten, auch ohne Schwur tun,« erklärte Jeanie.

»Nichts von Vorbehalt!« rief der Fremde mit mächtig lauter Stimme, »nichts von erlaubt oder nicht erlaubt, nichts von Christin oder Heidin! Schwöre, mein Gebot zu erfüllen, oder . . Du weißt nicht, Mädchen, wessen Grimm Du Dich aussetzest!«

Erschreckt durch seine Heftigkeit, und im Zweifel, ob sie es mit einem Rasenden oder einem Geiste der Hölle zu tun habe, erwiderte Jeanie: »Ich will mit mir zu Rate gehen und Euch morgen die Antwort bringen.« »Morgen?« rief er, hohnlachend; »ha! wo werde ich morgen sein? . . oder, wo wirst Du heute nacht sein, falls Du nicht schwören willst, mir zu gehorchen? . . Eine verfluchte Tat ward schon an dieser Stätte verübt, und eine andere soll an ihr verübt werden, wenn Du nicht mit Seele und Leib Dich mir überantwortest!«

Er riß ein Pistol unter dem Mantel hervor und hielt es der Unglücklichen vor die Stirn . . sie versuchte nicht zu fliehen . . sie erlag nicht dem Schrecken . . aber auf die Kniee stürzte sie und flehte um ihr Leben . .

»Weiter hast Du mir nichts zu sagen, Weib?« fragte der Bösewicht, ohne eine Spur von Rührung.

»Taucht Eure Hände nicht in das Blut einer Wehrlosen, die Euch vertraute!« flehte Jeanie, noch immer auf den Knieen liegend.

»Weißt Du sonst nichts zu sagen, das Leben Dir zu erhalten? Willst Du mir das Versprechen geben oder nicht? Willst Du wirklich die Schwester verderben und mich zwingen, mehr Blut zu vergießen?«

»Ich kann nichts versprechen, was wider das Christentum geht!«

Er spannte den Hahn seinem Waffe und richtete ihren Lauf auf sie . .

»Verzeih es Euch Gott!« rief sie, angstvoll die Hände vor die Augen schlagend.

»Verflucht!« murmelte der Fremde; dann wandte er sich ab von ihr, setzte den Hahn in Ruhe und steckte die Pistole wieder unter den Mantel. Dann sprach er: »Ich bin ein ruchloser Bösewicht, belastet mit Schuld und Schimpf, aber nicht so in Sünde versunken, daß ich auch Dir Böses antun möchte . . Ich habe Dich bloß schrecken wollen . . hab Dich bloß durch Schreck zwingen wollen . . Ha! sie hört mich nicht! . . sie ist tot! . . Großer Gott! zu welch einem Schurken bin ich geworden!«

Während dieser heftig hervorgestoßenen Sätze kam sie langsam wieder zum Bewußtsein zurück aus einem Zustande, der mit wirklichem Todeskampfe verzweifelte Aehnlichkeit hatte . . aber noch lange währte es, bis sie begriff, daß er ihr nicht nach dem Leben trachtete . . .

»Nein,« rief er wieder, »ich will nicht noch Deinen Mord dem Morde Deiner Schwester und ihres Kindes hinzugesellen! Wenn ich auch rase vor Wut, und Furcht und Mitleid verschlossen bin, wenn ich auch dem Bösen zur Beute anheimgefallen und verlassen von allem Guten bin, so könnte ich Dir doch kein Leid antun, Mädchen, und böte man mir eine Welt zum Lohne! . . Aber, bei allem, was Dir lieb und wert ist, Mädchen, schwöre mir, zu tun, wie ich Dich heiße! Nimm diese Mordwaffe, jage mir die Kugel durch die Stirn und räche mit eigner Hand das herbe Leid, das ich ihr angetan . . oder schwöre, daß Du den einzigen Weg ergreifen willst, der sie zu retten vermag!«

»Beim Ewigen, Mann! ist sie unschuldig oder nicht?«

»Unschuldig, bis auf die Schwäche, daß sie einem Bösewicht Vertrauen schenkte, aber wenn es nicht noch ärgere Bösewichte gäbe, – ja, ärgere als ich, wenn ich auch Bösewicht genug bin – dann wäre es soweit doch nicht gekommen.«

»Und das Kind meiner Schwester? . . Lebt es?« fragte Jeanie.

»Nein! es ist tot . . . ist umgebracht worden, grausam umgebracht . . das neugeborne Wesen,« antwortete er dumpf . . »aber ohne ihr Wissen, ohne daß sie es gewollt hat,« setzte er hastig hinzu.

»Und warum kann der Mörder nicht zur Strafe gezogen, die unschuldige Effie nicht freigesprochen werden?« fragte Effie mit fliegender Hast.

»Quäle mich nicht mit müßigen Fragen, Mädchen!« rief er finster . . »Die die Tat verübten, sind weit genug, um vor Entdeckung sicher zu sein! . . Nur Du, Mädchen, kannst Deine Schwester retten!«

»Weh mir! Wie soll ich es können?« rief Jeanie hoffnungslos.

»Höre, was ich Dir sage . . Du bist vernünftig . . kannst mich nicht mißverstehen . . Deine Schwester, sage ich, ist unschuldig an dem Verbrechen, dessen man sie anklagt . . «

»Gott sei gepriesen!«

»Höre weiter und unterbrich mich nicht! . . Das Weib, das ihr in ihrer schweren Stunde beistand, hat das Kind umgebracht; aber die Mutter hat nichts davon gewußt, die Mutter ist unschuldig, sage ich Dir, so unschuldig wie das neugeborene Wesen, das nur wenige Augenblicke in dieser schlimmen Welt geatmet hat . . Wohl ihm, daß es so schnell dem irdischen Jammer entrückt worden! . . Deine Schwester ist unschuldig, hörst Du? und doch muß sie sterben, denn es ist nicht möglich, sie dem Gesetz zu entziehen.«

»Aber Ihr sagtet doch, ein Mittel dazu gäbe es?« rief Jeanie in Herzensangst.

»Eins gibt's,« erwiderte er dumpf, »und das ruht in Deiner Hand! . . Der Kraft des Gesetzes läßt sich entrinnen, aber ihr widerstehen läßt sich nicht . . Du hast Deine Schwester in der Zeit vor der Geburt des Kindes gesehen; mithin läßt sich annehmen, daß sie ihres Zustandes Dir gegenüber Erwähnung tat . . Solche Aussage kann Deine Schwester retten, muß Deine Schwester retten, denn sie hebt die Anklage der Verheimlichung auf, und nur hierauf stützt sich das Gesetz im vorliegenden Falle . . Effie hat sicher mit Dir über ihren Zustand gesprochen . . besinn Dich, Mädchen, denke nach, Mädchen! ich bin fest überzeugt, daß sie Dir davon gesagt hat!«

»Weh' mir,« rief Jeanie; »kein Laut darüber ist über ihre Lippen gekommen; nur Tränen, bittere Tränen hat sie vergossen, als ich sie über ihre Traurigkeit, über ihr verändertes Aussehen fragte.«

»Darüber hast Du sie gefragt?« rief er eindringlich, »so mußt Du Dich auch besinnen, daß sie Dir gesagt hat, ein schlechter Mensch habe sie verführt . . ja, sage nur so! sage, ein verworfener Bösewicht! und nimm kein Blatt vor den Mund! . . und nun trage sie die Folgen seiner Schlechtigkeit und ihrer Schwäche unterm Herzen, aber er habe versprochen, während der ihr bevorstehenden schweren Zeit für ihre Unterkunft zu sorgen . . O, er hat Wort gehalten! vortrefflich Wort gehalten!« Wild, gegen sich selbst gerichtet, stieß er die letzten Worte hervor; gleich darauf aber sprach er wieder ruhiger: »Du besinnst Dich doch auf dies alles? O, Du mußt Dich darauf besinnen, so und nicht anders hat es sich verhalten, und so, und nicht anders brauchst Du nur auszusagen!«

»Wie soll ich mich,« versetzte Jeanie mit natürlicher Offenheit, »auf Worte besinnen, die Effie niemals zu mir gesprochen hat?«

»Begreifst Du so schwer, Mädchen, oder blendet Dich Furcht?« rief er und schüttelte sie am Arme . . »Ich sage Dir doch,« fuhr er, die Zähne aufeinander pressend, mit gedämpfter, und doch harter, eindringlicher Stimme fort, »ich sage Dir doch, daß Du Dich hierauf besinnen mußt, daß Du so aussagen mußt, auch wenn sie kein Sterbenswort davon zu Dir gesprochen . . Du sprichst keine Unwahrheit, außer daß sie mit Dir gesprochen habe, und ersparst ihren blutgierigen Richtern ein Verbrechen, einen Mord . . rettest das Leben Deiner Schwester, ersparst ihr den Tod durch Henkershand! . . Zaudere nicht, Mädchen! ich verpfände Leben und Seligkeit, daß Du die lautere Wahrheit redest, wenn Du redest, wie ich Dich heiße.«

»Ich muß doch aussagen unter meinem Eide,« erwiderte Jeanie, ohne sich durch die Spitzfindigkeit des Mannes beirren zu lassen, »denn die arme Effie steht doch eben unter Anklage der Verheimlichung ihres Zustandes. Wie können Sie mich verleiten zu einem Meineid?«

»Ich sehe, daß ich recht hatte, Dir zu mißtrauen,« rief er; »und daß Du lieber Deine junge, unschuldige Schwester, die keine andere Schuld trifft, als daß sie einem unwürdigen Subjekt vertraute, den Tod durch Henkershand leiden lassen, als daß Du die Lippen öffnen willst, sie zu retten, trotzdem es Dich nur ein Wort, ein einziges, kostet.«

»Mein Blut will ich für sie lassen,« rief Jeanie, während ihr die Tränen über die Wangen flossen, »aber Recht in Unrecht wandeln oder Falsches wahr machen, kann ich nicht.«

»Albernes, dickköpfiges Ding!« fuhr er sie hart an, »fürchtest Du etwa Schlimmes für Dich daraus? Verlaß Dich drauf, Du tust den Richtern, so gierig sie auch sind nach Menschenblut, selbst einen Gefallen, wenn Du ihnen die Möglichkeit schaffst, ein so junges liebes Geschöpf wie Deine Schwester vor dem Schlimmsten zu bewahren . . nicht bloß verzeihlich werden sie es finden, wenn Du so aussagst, wie ich Dich heiße, sondern löblich!«

»Nicht Menschen fürchte ich,« versetzte Jeanie, die Augen zum Himmel emporrichtend, »sondern Gott! und Seinen Namen muß ich anrufen zur Bekräftigung meiner Worte . . Ihm wird die Unwahrheit offenbar sein, deren ich mich schuldig mache!«

»Und der Grund, der Dich dazu treibt, sollte nichts gelten bei ihm? auch nicht, daß Dich nicht Eigennutz bestimmt? daß Du die Richter an einem Verbrechen zu hindern trachtest, das ärger wäre als dasjenige, daß sie mit ihrem Spruche strafen wollen?«

»Gott hat uns ein Gesetz gegeben, daß es uns eine Leuchte sei auf unserm Wege,« antwortete Jeanie, »und wir irren wissentlich, wenn wir davon abweichen . . Ich mag nichts Böses tun, auch wenn Gutes daraus hervorgehen kann. Aber Ihr . . Ihr kennt die Wahrheit dessen, was doch mir bloß Ihr Wort verbürgt, und Ihr . . Ihr verhießet, wenn ich Euch recht verstanden habe, der armen Effie Hilfe und Beistand in ihrer Not . . warum tretet nicht Ihr hervor und legt das erforderliche Zeugnis für sie ab, wie Ihr es mit reinem Gewissen könnt?«

Da erwachte der wilde Trotz wieder in ihm, der Jeanie schon einmal so tief erschreckt hatte . . »Zu wem sprichst Du von reinem Gewissen, Mädchen?« rief er, »zu mir? Ich weiß seit Jahren nicht, was solches Wort bedeutet; und ich soll Zeugnis für sie ablegen? . . Ha! ein schöner Zeuge, der, um mit einem harmlosen Geschöpfe wie Du bist, ein paar Worte zu reden, solchen Ort und solche Zeit wählen muß . . Doch halt! was war das?«

Eine jener wilden, eintönigen Weisen, nach denen der Schotte seine alten Balladen singt, klang aus der Ferne herüber; bald verschwammen die Töne, bald klangen sie heller. Der Fremde horchte gespannt und packte Jeanie, die heftig erschrocken war, wieder am Arme, wie wenn er sie hindern wollte, den Gesang durch eine Bewegung oder durch Worte zu stören. Jetzt schallten die Worte ganz deutlich herüber:

Steigt der Falke in die Höh',
Duckt die Lerche sich ins Korn, –
Scheu im Busch duckt sich das Reh,
Stößt der Jäger in das Horn.

Die Stimme klang hell und laut. Fast schien es, als sei es drauf abgesehen, daß sie in recht weite Ferne dränge . . Sobald sie verstummte, ließ sich dumpfes Geräusch, wie von nahenden Tritten und leisem Geflüster, hören . . Von neuem hub der Gesang an, doch nach einer andern Melodie:

Herr Ritter, rief sie, hurtig auf!
Gefahr ist im Verzuge . .
Spornt Euer Roß zu wildem Lauf!
Der Feind rückt an im Fluge . . .

»Ich muß weg!« rief der Fremde wild, und doch leise. . . »Lauf heim, oder warte, bis sie da sind . . »Zu fürchten hast Du nichts; aber sage nicht, daß Du mich gesehen! . . Und vergiß nicht: der Schwester Schicksal liegt in Deiner Hand!«

Während er sich schnell und doch behutsam in einer Richtung entfernte, entgegengesetzt derjenigen, aus welcher das Lied erklang, und im andern Augenblick schon im Dunkel der Nacht verschwunden war, blieb Jeanie, schier ohnmächtig vor Schreck, bei dem Steinhaufen zurück. Sollte sie fliehen? oder auf die Menschen, die herkamen, warten? . . Sie blieb nicht lange darüber im Zweifel, denn nach wenigen Sekunden erblickte sie Männer um sich herum, und sie mußte erkennen, daß jetzt ein Fluchtversuch ebenso nutzlos wie töricht sein würde.


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