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Sechstes Kapitel.

Es wird nicht leicht einen zweiten Ort in der Welt geben, wo man ein so herrliches Bild vom Sonnenauf- und untergange hat wie die Salisbury-Felsen bei Edinburg, beziehungsweise der wilde Pfad, der sich an ihnen hinaufwindet. Eine großartige Szenerie, die man von dem Rande des steilen Abhanges aus sieht, der sich zur südwestlichen Seite der Hauptstadt Schottlands niedersenkt! Erst die dicht zusammengedrängte, vieltürmige Stadt, an das Bild eines ruhenden Drachens erinnernd; dann ein weit gedehnter, großartiger Meeresarm mit unzähligen Klippen und Inseln und berggekrönten Ufern, zuletzt ein üppiger Landstrich, reich geschmückt durch Täler und Hügel und gesäumt von der malerischen Kette der Pentland-Berge; und in dem Verhältnis, wie sich der Pfad langsam weiter windet, gewinnt das Bild an Schönheit und Pracht, denn sie wechselt in einem fort, und die erhabenen, reizvollen Partien, die sich bald einen, bald scheiden, ergötzen das Auge des Beschauers auf die mannigfachste Weise; diese auch in den verworrensten Massen herrliche Landschaft macht in der Morgen- und Abendbeleuchtung, wenn sich die glänzenden Lichtstellen von den tiefen Schatten magisch abheben, einen fast zauberartigen Eindruck.

Von diesem feenhaften Gipfel aus sah Butler am Morgen nach der Ermordung des Hauptmannes die Sonne aufgehen. Das Haus, wohin er unterwegs war, hätte er auf kürzerem, und auch bequemerem Wege erreichen können. Aber es war ihm darum zu tun, sich zu sammeln und bis zu einer schicklichen Stunde zu warten, um bei der Familie, der er einen Besuch zugedacht hatte, nicht Verwunderung oder gar Unruhe zu wecken. Darum blieb er auch jetzt stehen und starrte in die aufsteigende Sonne, in ernstes Sinnen versunken: in Sinnen über die grausen Ereignisse der Nacht, bei der ihm selbst eine traurige Rolle zugefallen war; in Sinnen über die tieftraurige Kunde, die er aus dem Munde der Frau Saddletree vernommen hatte und die ihm noch tiefer zu Herzen ging.

Reuben Butler stammte von englischen Eltern, war aber in Schottland geboren. Sein Großvater, Stephan mit Vornamen, – seiner Belesenheit in der Heiligen Schrift wegen »der Bibel-Butler« genannt – hatte in den Bürgerkriegen um Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in den Reihen der Independenten, schwärmerischer Begeisterung voll, gefochten und sich, als wieder Ruhe ins Land gekommen war, von einigen Spargroschen das Gütchen Beersheba beim Dorfe Dalkeith in Schottland, wo er unter General Monks im Quartier gelegen hatte, gekauft und eine Bauerndirne zur Frau genommen, war aber bald darauf gestorben und hatte seiner Witwe außer der Sorge für einen dreijährigen Knaben als einziges Erbteil die feindliche Gesinnung eines Nachbarn vom Hochadel hinterlassen. Damals tobte in Schottland allerhand religiöser und politischer Zwiespalt. Der Laird von Dumbiedike fand bald nach dem Tode von Stephan Butler Ursache zu Klagen wider dessen Witwe. Er war ein enragierter Royalist und Katholik und hatte als solcher immer die gute Meinung für sich, im Gegensatze zu der Witwe, die den Glaubensgrundsätzen ihres seligen Mannes treu blieb. Sie wurde demzufolge häufig zu schweren Bußen verurteilt und mit der Zeit so weit gebracht, daß sie ihr Gütchen nicht mehr halten konnte, und als es zur gerichtlichen Versteigerung kam, erstand der Laird von Dumbiedike – und darauf hatte er es natürlich nur abgesehen – das ihm zur Arrondierung seines Grundbesitzes höchst genehme Besitztum.

Sobald ihm dieser Plan gelungen war, änderte er plötzlich seine Gesinnung und zog mildere Saiten auf, ja er erklärte sich bereit, der Witwe gegen mäßigen Zins ihr kleines Häuschen mit einem angrenzenden Stück Land zur weiteren Bewirtschaftung zu überlassen. Die Witwe war darauf eingegangen; aber nun wuchs langsam ihr Junge heran und nahm sich, als er das heiratsfähige Alter erreicht hatte, auch ein Weib, mehrte aber dadurch nur das ohnehin schon große Elend in Beersheba. Dessen Sohn nun war Reuben, mit dem wir den Leser in den letzten Kapiteln unserer Erzählung bekannt gemacht haben.

Seine Geburt fiel in das Jahr 1703 oder 1704. War der Laird bis jetzt der Witwe ein ziemlich gnädiger Pachtherr gewesen, so steigerte er seine Ansprüche erheblich, als er sah, daß das Gütchen nicht bloß die Witwe, sondern auch deren Sohn mit Frau und Kind ernährte. Es war überhaupt seine Mode, das Pachtgeld nach der Breite zu bemessen, die die Schultern seiner Kätner aufwiesen. Reubens Vater Benjamin war nun zwar ein wortkarger, ziemlich beschränkter, aber sehr kräftiger Mann, der mit allen Fasern an der väterlichen Scholle hing und gegen die Zumutungen des Lairds weder Einwendungen erhob, noch Versuche machte, seinen Stab anderswohin zu setzen. Um den höheren Zins aufzubringen, arbeitete er, ohne Rücksicht auf die Gesundheit, wie ein Pferd und zwang auch sein Weib, zu arbeiten wie ein Pferd . . So lange die Ernte gut ausfiel, ging es noch immer . . als aber ein paar schlechte Jahre kamen und zu der schweren Arbeit sich der Hunger gesellte, da erkrankte erst der Mann, dann die Frau an typhösem Fieber, und kurz hintereinander starben beide. Nun hatte die alte Großmutter, wie ehedem für den eigenen Sohn, die Sorge für einen unmündigen Enkel, war aber natürlich nicht imstande, das kleine Bauerngütchen so weiter zu bewirtschaften, wie ihr Sohn mit seiner Frau, und so mußte denn die hochbejahrte Witwe des alten Monkschen Reitersmannes von Tag zu Tag erwarten, mit ihrem unmündigen Enkel von dem harten Laird vor die Tür gesetzt zu werden.

Die gleiche Not war über eine andere Pächters-Familie des Lairds hereingebrochen, über einen von den sogenannten »Stillen« im Lande, den zähen, unbeugsamen Presbyterianer David Deans, der dem Laird wegen seiner politischen und kirchlichen Gesinnung ganz ebenso verhaßt war, wie es der alte Butler gewesen war, den er aber immer darum noch gelitten hatte, weil er seine Pacht pünktlich bezahlte. Ein paar dürre Jahre machten aber auch ihn mürbe, und so kräftig er sich gegen das ihn bestürmende Ungemach wehrte, so kam es doch auch bei ihm bald zu Pfändungen, so daß er sich zu ungefähr der gleichen Zeit dem gleichen Schicksale ausgesetzt sah, das der Witwe Butlers drohte.

Da sollte ein unvermutetes Ereignis die vielen Leute Lügen strafen, die den beiden Pächterfamilien den Bettelstab prophezeit hatten. An dem ihnen von dem harten Laird gesetzten äußersten Zahlungstermine, als ihre Nachbarsleute sich schon bereiteten, ihnen ein paar Tränen des Mitleids zu weihen, keiner von ihnen aber auch nur ein wenig Lust zeigte, die Hand für sie zu rühren, wurde der Pfarrer des Kirchspiels, wie auch ein Edinburger Arzt, durch einen expressen Boten auf das Schloß des Lairds gerufen. Darob waren die beiden Herren höchlich erstaunt, denn der Laird hatte nie ein Hehl aus seiner Geringschätzung der beiden Fakultäten gemacht, denen die Männer angehörten, die er jetzt, obendrein noch zu gleicher Zeit, zu sich auf sein Schloß lud. Sie fanden sich auch dort zu ziemlich gleicher Zeit ein und merkten bald, daß ein gewichtiger Grund vorlag, sie zu zitieren: denn kaum waren sie in das Vorzimmer der Wohnung des Lairds getreten, als sich noch ein dritter Herr zu ihnen gesellte, ein Rechtsanwalt und Notar, Herr Nichil Novit, der übrigens, obwohl zuletzt gekommen, zuerst zum Laird hineingerufen wurde und erst nach einer Weile die beiden andern.

Der Laird ruhte in seinem Staatsbett im vornehmsten seiner Gemächer, das nur bei Hochzeits- oder Todesfällen geöffnet wurde, aber auf dem Schlosse, da es der Todesfälle bekanntlich immer mehr gibt als der Hochzeitsfeste, bekannt war unter dem Namen »Sterbezimmer.«

Hier fanden die beiden Jünger der genannten Fakultäten noch zwei Personen: den Sohn und Erben des Lairds, einen arg in die Länge geschossenen, exemplarisch blöde aussehenden Jungen von 14–15 und eine robuste Wirtschafterin zwischen 40 und 50 Jahren, die seit dem Tode der Lady das Regiment im Lairdschen Haushalte geführt hatte. An diese zurzeit im Sterbezimmer anwesenden Personen richtete der Laird, in dessen ohnehin ziemlich beschränktem Kopfe jetzt allerhand Gedanken, auf diese und jene Welt bezüglich, einander jagten, die folgende, hieraus erwachsende Ansprache:

»Das gibt eine harte Nuß für mich, ihr Herren! Weit härter, als die ich anno 89 knacken mußte, als man mir deshalb aufs Fell rückte, weil ich Papist sein sollte. Und dabei habe ich doch – das dürfen Sie mir, weiß Gott! glauben, Pastor – von papistischer Gesinnung mein Lebtag kein Körnchen im Schädel gehabt! . . Nimm's Dir zum Exempel, John! Solche Schuld, wie ich jetzt müssen wir mal alle berappen; aber für einen, der nie gern im Leben was berappt hat – daß das nicht erlogen ist, kann dir Nichil Novit bestätigen, der Dir dicht vor der Nase sitzt – ist's ein gar schlimmes Ding! – Novit, vergeßt nicht, vom Meier die fällige Pacht zu kassieren! Wer Schulden bezahlen soll, muß auch kassieren, was ihm andre schuldig sind. – Hast Du 'mal nichts zu tun, John, dann pflanze Bäume, denn Bäume wachsen, dieweil Du schläfst, John: das hat mir schon mein Vater ans Herz gelegt, und zwar vor wenigstens vierzig Jahren; es hat mir bloß immer an der Zeit gefehlt, den Rat zu befolgen . . Und trink auch keinen Schnaps in der Frühe, John, denn Schnaps ist dem Magen nicht zuträglich, er versäuert; nimm dafür lieber einen Schluck aqua mirabilis, das Zeug versteht Jenny gut zu brauen . . Hol's der Teufel, Doktor, mir wird die Luft so knapp wie einem Pfeifer, der einen Tag lang zur Hochzeit aufgespielt hat . . Jenny, rück mir das vertrackte Kissen zurecht! Ach, geh! nutzen wird's auch nichts – Pfaff, Ihr könnt mir doch gewiß ein kurzes Stoßgebet vorleiern? Wer weiß, ob's mir nicht gut täte? Wenigstens könnt's mir ein paar Flausen aus dem Kopfe jagen . . Also los, Pfaffe, los!«

»Ein Gebet herleiern wie ein Wiegenlied, Laird,« versetzte der würdige Pfarrer, »das kann ich nicht, und wenn Ihr Eure Seele freimachen wollt von Bösem, dann müßt Ihr mir zuvor Euern Sinn offenbaren!«

»Ich dächte, meinen Sinn müßtet Ihr kennen,« versetzte der Kranke, »hat mich doch Pfarrer und Vikar seit 89 Geld über Geld gekostet! Da soll ich das einzige Mal in meinem Leben, wo es mich danach gelüstet, nicht mal ein Stoßgebet dafür haben können? Schert Euch, wenn es mit Eurer Weisheit so erbärmlich bestellt ist. Kommt Ihr mal her, Doktor! vielleicht könnt Ihr mir aus der Patsche helfen?«

Der Doktor hatte sich inzwischen bei der Wirtschafterin nach dem bisherigen Krankheitsverlaufe erkundigt und erwiderte nun dem Laird, daß er mit all seiner Kunst ihm das Leben nicht erhalten könne.

»Dann hol euch beide der Teufel!« schrie der Kranke fuchswild; »was wollt ihr denn hier? Von euch nichts weiter zu hören, als daß ihr mir nicht helfen könnt, darauf pfeife ich, versteht ihr? . . . Jenny, schaff mir die Kerle aus den Augen! Und Du, John, laß Dir's gesagt sein, gibst Du einem von ihnen auch nur sechs Dreier für den Gang, so sollst Du verflucht sein!«

Doktor und Pfarrer zogen sich schnell aus dem Zimmer zurück, während der im Sterben liegende Laird sein Gewissen durch Lästerreden zu betäuben suchte.

»Jenny, die Schnapsflasche!« schrie er mit einer seinen Grimm wie seine Qual zugleich verratenden Stimme; »was brauche ich die beiden, da ich doch sterben kann, wie ich gelebt habe? . . .Aber,« setzte er leiser hinzu, »eins drückt mich schwer, recht schwer . . . und das spült mir kein Schnaps vom Herzen! die Deans und die alte Butlern . . Ich hab sie hart geschunden in den dürren Jahren . . und wenn sie jetzt aus dem Hause sollen, müssen sie umkommen . . ohne Frage . . John, wie steht's heut ums Wetter?«

»Es schneit, Vater,« antwortete, nach einem Blick zum Fenster hinaus, der langgeschossene Junge mit Seelenruhe.

»Erfrieren werden sie,« sagte der Laird, »und ich – ich werde, wenn's zutrifft, was man mir gesagt hat – bald schmoren!«

Diese Worte rangen sich so dumpf und hohl aus der geängstigten Brust des Sterbenden herauf, daß es sogar den Advokaten schauderte, und zum ersten Male in seinem Leben versuchte er es, durch einen frommen Rat einem Sterbenden die letzte Stunde zu erleichtern: er legte dem Laird ans Herz, den beiden vom Unglück so schwer heimgesuchten Familien das ihnen auf hinterhältige Weise genommene Gut wieder zurückzugeben. Aber der Geiz, der so lange in diesem Herzen gewohnt hatte, ließ auch jetzt die Reue nicht aufkommen . .

»Das geht nicht an, Novit, nein, nein!« rief der Laird in verzweifeltem Tone, »Ihr wißt, wie nötig ich Geld brauche, und Beersheba gehört ja schon von Natur zu Dumbiedike . . nein, nein! ich müßte sterben, wenn ich das täte!«

»Aber sterben müßt Ihr ja doch!« sagte darauf der Advokat, »und tut Ihr, was ich Euch sage, dann habt Ihr doch vielleicht einen leichteren Tod! Probiert's doch!«

»Kein Wort mehr, Novit, kein Wort mehr davon, sonst schmeiß ich Euch die Schnapspulle an den Kopf! . . John, Du siehst's, wie mich das auf meinem Sterbebette quält! . . Höre, sei nicht hart gegen die Leute . . ich meine die Butlern und die Deans . . John, klammre Dich nicht zu fest an irdischen Kram! Du siehst, wie es mir zusetzt! . . Aber halt Hab und Gut zusammen, hörst Du? und aus den Händen gibst Du Beersheba nicht, denn unser Land soll nicht wieder zerrissen werden . . aber laß die Leute billig in der Pacht, damit sie ihr bißchen Brot haben . . vielleicht verhilft's Deinem Vater zu einem leichten Tode, John!«

Nachdem er durch diese widerspruchsvollen Sätze sich so weit beruhigt hatte, daß er drei große Gläser Schnaps hintereinander hinuntergießen konnte, lallte er: »Der Teufel schickt den Pfaffen aus, er soll den Doktor holen!« aber er kam nicht weiter in dem Liede, sondern schnappte, wie die dicke Haushälterin sagte, zum letzten Male nach Luft.

Der Laird war tot, und sein Ableben brachte in der Lage der beiden unglücklichen Familien eine große Veränderung zu stande. John Dumbiedike war zwar auch engherzig und selbstsüchtig, aber doch nicht so unersättlich wie sein Vater, und sein Vormund stimmte mit dem Anwalt Novit darin überein, daß man den letzten mündlichen Willen des Verstorbenen achten und ausführen müsse. Zufolgedessen wurden Deans und Butlers nicht in die kalte Winternacht hinausgetrieben, sondern man vergönnte ihnen, sich nach wie vor Buttermilch und Erbsenbrei im Schweiße ihres Angesichts zu verdienen.

Woodend, David Deans' Pachthof, lag nicht weit von dem Butlerschen Beersheba, und doch hatten beide Familien sich früher kaum einmal im Jahre gesehen. Deans war ein starrsinniger Schotte und mochte von England, sei es, was es wolle, nichts wissen. Zudem war er ein ebenso starrer Presbyterianer, der um keines Haares Breite von dem einzig wahren Wege abwich, der seiner Rede nach »gerade zwischen den leidenschaftlichen Uebertreibungen der rechten und den Irrtümern der linken Hand hindurch führte«. Nichtsdestoweniger führte die Lage der beiden Familien mit der Zeit eine Annäherung herbei: sie hatten die gleiche Gefahr durch einen unvorhergesehenen Zufall überstanden und waren, um sich ihr karges Heim zu erhalten, auf die gleichen Mittel und Wege angewiesen, ähnlich wie Menschen, die zusammen durch ein Wasser schwimmen müssen, das für einen zu reißend ist, darauf angewiesen sind, einander unter die Arme zu greifen und sich gegenseitig zu halten, um nicht einzeln von der Flut fortgespült zu werden.

Je enger sie bekannt wurden, desto mehr schwanden auch die Vorurteile, die Deans noch immer in Glaubenssachen hatte, denn er erfuhr jetzt erst, daß die alte Butlern keine Englische sei und, wenn auch nicht so recht an dem wahren, die Irrtümer der Zeit bekämpfenden Nonkonformisten-Glauben hing, sich doch auch nicht viel um die sogenannte unabhängige Richtung der Kirche scherte. Es ließ sich also doch vielleicht hoffen, daß ihr Enkel, trotzdem er von einem Dragoner Oliver Cromwells stammte, weder zu dieser noch zu der papistischen Lehre sich zu bekennen, sondern die Glaubensgrundsätze des alten Deans, der ein starrer Nonkonformist war, zu den seinigen machen würde.

Es kam noch eins hinzu, das die beiden Pächtersleute einander näher führte: der alte Deans hatte eine schwache Seite, und die bestand darin, daß er es gern hatte, wenn jemand auf seinen Rat etwas gab; das war nun bei der alten Frau Butler in fast allen hauswirtschaftlichen oder ihren Acker betreffenden Fragen der Fall, trotzdem es Deans selten unterließ, bei den Ansichten, die er hierüber verfocht, ein paar respektwidrige Worte gegen die Art, wie es ihr seliger Mann gehalten, dazwischen zu flechten . . »Es kann ja sein, daß es die Englischen nicht so machen, aber dafür sind wir doch eben in Schottland und nicht in England; wer auf unsre Kirchenreformen nichts gibt, sondern den Bau Zions niederreißen möchte, den wir so mühsam aufgeführt haben, der wird vielleicht auch dazu raten, Hafer ins Gehege zu säen; aber ich sage: da kommen bloß Erbsen fort, Erbsen und nichts andres!«

Die alte Frau Butlern ließ sich, wie gesagt, gern raten und gewöhnte sich mit der Zeit daran, ihren Nachbar als eine Art Orakel zu betrachten, und das schmeichelte ihm nicht wenig. So hatte er auch mit der Zeit nichts dawider, daß sich zwischen Jeanie, der einzigen Tochter aus seiner ersten Ehe, und Reuben, dem Enkel eines Cromwellschen Reitersmannes, ein freundliches Verhältnis zu bilden begann. Damit der Leser hierüber klar sehe, ist es notwendig, sich mit dem Charakter der beiden Kinder ein wenig zu befassen.


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