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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Die Pächter im südlichen Schottland sind jetzt weit kultivierter, als es ihre Väter waren, und die Sitten, die wir hier schildern, haben sich teils gänzlich verloren, teils sehr verändert. Noch immer zwar findet man die alte ländliche Einfalt, aber allerhand Künste und Fertigkeiten, wovon das frühere Geschlecht nichts wußte, sowohl was die Verbesserung der Grundstücke, als alle Bequemlichkeiten des Lebens angeht, haben jetzt Eingang gefunden. Ihre Häuser sind gemächlicher, ihre Lebensweise ist dem Leben der gesitteten Welt ähnlicher, und in den letzten dreißig Jahren sind auch ernstere Kenntnisse in ihren Tälern einheimisch geworden. Zechen, ehedem ihre Lieblingsunterhaltung, ist fast gar nicht mehr üblich, aber Gastfreundschaft wird nach wie vor mit der alten Herzlichkeit geübt.

Als Brown bei Tagesanbruch aufstand, ging er hinaus, die Besitzung seines neuen Freundes in Augenschein zu nehmen. Alle Umgebungen des Hauses waren öde und verwahrlost. Ein armseliger Garten; nirgends Spuren von Anstalten, die Gegend trocken und freundlich zu machen, und gänzlicher Mangel jener Nettigkeit, die in einem englischen Pachthause das Auge so erfreulich anspricht. Man sah jedoch deutlich, daß nur Ungeschmack oder Unwissenheit schuld daran war, nicht aber Armut oder die Nachlässigkeit, die aus ihr entspringt. Ein Stall mit guten Milchkühen, ein anderer mit Mastochsen von der besten Zucht, zwei Gespanne guter Pferde; fleißiges, mit seinem Lohne anscheinend zufriedenes Gesinde, überhaupt ein gewisses Ansehen freigebiger, wenn auch nicht reichlicher Fülle, alles verriet den wohlhabenden Landmann. Das Wohnhaus lag am Ufer des Flusses, an einem sanften Abhange. Zwischen dem Hause und der Weide am Hügel war ein tiefer Sumpf, welcher vor Zeiten eine Feste verteidigt hatte, von der aber keine Ueberreste mehr zu sehen waren. Brown suchte sich mit den Kindern bekannt zu machen, die unter einer breitwipfeligen Eiche spielten, aber sie flohen vor ihm, und nur die beiden Ältesten blieben stehen, als sie eine Strecke weit gelaufen waren, und sahen sich nach ihm um. Brown nahm seinen Weg nach dem Hügel, und als er über einige schmale Schrittsteine durch den Sumpf gekommen war, sah er einen Mann von der Anhöhe kommen, in welchem er alsbald seinen freundlichen Wirt erkannte. Dinmont trug jetzt, statt der Reisejacke, einen grauen gewürfelten Schäfermantel, und eine, mit dem Fell einer Wildkatze eingefaßte Mütze bedeckte bequem seinen verbundenen Kopf. Als Brown ihn aus dem Morgennebel hervortreten sah, bewunderte er die hohe Gestalt des breitschulterigen Mannes, der mit festen Schritten einherging, und Dinmont sah mit nicht geringerm Vergnügen auf den kräftigen jungen Mann, den er bis jetzt noch nicht so genau betrachtet hatte. Nach freundlichen Begrüßungen von beiden Seiten fragte Brown, wie er sich nach dem gestrigen Unfalle fühle.

»Fast schon vergessen,« antwortete der Pächter. »Aber jetzt frisch und gesund, denke ich, würden wir beide es wohl mit einem halben Dutzend solcher Mordskerle aufnehmen, wenn wir auch nur einen derben Eichenknüttel hätten.«

»Es wäre aber doch gut gewesen, wenn Ihr ein paar Stunden länger ausgeruht hättet, nach einer so schweren Konfusion.«

»Konfusion? Nein, lieber Rittmeister, mir macht nichts den Kopf konfus. Seht, ich stürzte einmal auf der Fuchsjagd dort unten von der steilen Höhe hinab, und mir nichts dir nichts war ich wieder auf den Beinen und führte die Hunde auf die Spur. Mich macht nichts konfus, als wenn ich einmal zu tief ins Glas geguckt habe. Ich mußte auch heute ausgehen, um nach den Herden zu sehen. Die Leute sind faul, wenn unsereins weg ist. Da bin ich den Nachbarn begegnet, die heute auf die Fuchsjagd gehen. Wie wär's, hättet Ihr Lust dazu? Ihr könnt den Rappen reiten, ich nehme den Falben.«

»Aber, lieber Dinmont, ich werde wohl Abschied nehmen müssen.«

»Damit kommt mir nicht! Unter vierzehn Tagen lasse ich Euch nicht fort. Solche Freunde findet man nicht jede Nacht auf dem Moore von Newcastle.«

Brown, der nicht die Absicht hatte, seine Reise zu beschleunigen, nahm die herzliche Einladung an und versprach, wenigstens noch acht Tage zu bleiben. Als sie ins Wohnhaus zurückkamen, wartete die Hausfrau mit einem guten Frühstücke. Sie hörte die Nachricht von der bevorstehenden Fuchsjagd zwar nicht gern, aber doch ohne Besorgnis ... »Du bist noch immer der alte!« sprach sie, »nimmst keine Warnung an, bis sie Dich einmal nach Hause tragen müssen.«

Nach dem schnell genossenen Frühstück machten sich die Männer auf den Weg. Sie verließen bald das Tal und kamen zwischen ziemlich steile Hügel. Noch hingen trübe Nebel um die Gipfel der Berge, da mit einem Regenschauer Tauwetter eingetreten war; kleine Bäche flossen, wie Silberfäden, von den Abhängen herab. Auf schmalen Pfaden, die längs den Anhöhen liefen, ritt Dinmont furchtlos voran, und so näherten sie sich dem Jagdplatze, wo sich die übrigen Jäger zu Fuß und zu Pferde versammelten. Brown begriff nicht, wie man Füchse jagen wollte, mitten in einer so gebirgigen Gegend, wo die an den Boden gewöhnten Pferde kaum zu gehen vermochten, und der Reiter, von dem schmalen Pfade abweichend, in Sümpfe oder in Abgründe stürzen konnte. Sein Erstaunen stieg, als sie auf den Jagdplatz kamen.

Die Reiter waren nach und nach auf eine ansehnliche Höhe gelangt und hielten jetzt auf einem Bergrücken, der über einem tiefen, sehr schmalen Tale hing. Der verfolgte Fuchs hatte zwar weniger freien Spielraum als im offenen Felde, aber die Festigkeit seiner Höhle und die Beschaffenheit der Umgebung gaben ihm dagegen manche Vorteile. Die Wände, die das Tal einfaßten und aus zerrissenen Erdschichten und zerrütteten Felsen bestanden, senkten sich ziemlich steil herab bis zu dem kleinen Flusse, der sich durch die Tiefe wand, und waren nur hie und da mit Strauchholz und Heidekraut bekleidet. Längs dem Rande dieser Schlucht stellten die Jäger zu Pferde und zu Fuße sich auf. Jeder Pächter hatte wenigstens ein Paar große wilde Windhunde bei sich. Der Oberjäger, der von den Bewohnern des Bezirks etwas Mehl und für jeden erlegten Fuchs eine Belohnung erhält, war schon unten in der Schlucht, wo der Widerhall den Jägerruf an die Fuchshunde verdoppelte. Auch waren Dachshunde bereit, mit Einschluß der ganzen Sippschaft von »Pfeffer« und »Senf«, und die Leute am Rande der Schlucht hielten ihre Windhunde an der Koppel, um sie auf den Fuchs loszulassen, sobald ihn die Jäger in der Tiefe aus seiner Höhle aufgejagt hätten.

Das Schauspiel war zwar seltsam für einen erfahrenen Weidmann, doch sehr anziehend; die Gestalten auf dem Bergrande schienen auf dem blauen Himmelsgrunde gleichsam in der Luft sich zu bewegen; die Hunde, ungeduldig sich dem Zwange fügend, und gereizt durch das Gebell in der Schlucht, sprangen hin und her und zerrten an den Stricken, womit sie festgehalten wurden. Nicht minder anziehend war ein Blick in die Schlucht. Die dünnen Nebel waren hier noch nicht ganz zerstreut, und oft erblickte man die Bewegungen der Jäger in der Tiefe nur durch diesen trüben Flor. Zuweilen machte ein Windstoß alles sichtbar, und man sah das blaue Bächlein, das sich durch die wilde einsame Schlucht drängte; dann wieder die Schäfer in der Tiefe, wo sie wie Zweige erschienen, munter und furchtlos von einer Klippe zur andern springend, um die Hunde auf die Spur zu leiten. Bald aber wurden sie wieder von Nebeln eingehüllt, und außer dem Jägerruf und dem Hundegebell verriet dann nichts den weitern Verlauf der Jagd; beides hörte sich an, wie Stimmen, die aus den Innern der Erde heraufzusteigen schienen. Als endlich der verfolgte Fuchs, von einer Höhle in die andere gejagt, das Tal verlassen mußte, um eine entferntere Zuflucht zu suchen, ließen die Jäger auf dem Bergrande, die alle Bewegungen des gehetzten Tieres beobachteten, ihre Windhunde los, welche, schneller als der Fuchs und eben so wild und mutig, ihn bald zum Tode brachten.

Es wurden vier Füchse an diesem Morgen erlegt, und selbst Brown, der Indiens fürstliche Jagdfeste gesehen und, auf einem Elefanten reitend, den Nabob von Arcot auf einer Tigerjagd begleitet hatte, war sehr zufrieden mit der Unterhaltung. Als die Jagd zu Ende war, gingen die meisten Teilnehmer, nach der gastfreundlichen Landessitte, mit dem Pächter zum Mittagessen nach Charlieshope. Auf dem Heimwege begegnete Brown dem Oberjäger und stellte verschiedene Fragen über die Fuchsjagd; aber er bemerkte alsbald, daß der Mann seinen Blicken auszuweichen suchte und nicht Lust hatte, länger bei ihm zu bleiben und sich mit ihm zu unterhalten, was dem Fremden unerklärlich war. Der Jäger war ein schlanker, rüstiger Kerl, kräftig gebaut, wie es sein kühnes Gewerbe verlangte, aber in seinen Zügen zeigte sich nicht die Offenheit eines fröhlichen Weidmannes; er war stets verlegen und ängstlich und schlug die Augen nieder, wenn jemand ihn scharf ansah. Nach einigen unbedeutenden Worten über das Jagdglück des Tages, gab Brown ihm eine Kleinigkeit und ritt mit seinem Wirte nach dem Pächterhause, wo Frau Liese ihre Gäste erwartete.

Die nächsten Tage wurden andern ländlichen Belustigungen gewidmet; ein Lachsfang aber war das wichtigste Fest, das Dinmont seinem Gaste bereitete. Diese Jagd, wobei der Fisch mit Spießen mit Widerhaken oder langschäftigen Dreizacken verfolgt und erlegt wird, ist in der Mündung des Flusses Esk, und an andern lachsreichen Flüssen in Schottland, sehr gewöhnlich. Man wählt meist die Nacht dazu, wo man den Lachs bei Fackelschein oder beim Lichte von Feuerbecken findet, die man mit Dauben von Teertonnen füllt.

Einige von der Gesellschaft, die Dinmont zur Jagd versammelt hatte, fuhren in einem gebrechlichen Boote auf dem Flusse, den ein Mühlenwehr verbreiterte und vertiefte. Die übrigen liefen längs dem Ufer, ihre Fackeln und Spieße schwingend, und jagten den Lachs. Bald suchte der Fisch stromaufwärts schwimmend zu entkommen, bald sich unter Baumwurzeln und Steinen vor den Blicken seiner Verfolger zu verbergen. Diejenigen aber, die im Boot saßen, entdeckten dies alsbald, und das Schimmern einer Floßfeder oder das Aufsteigen einer Luftblase war für die geschickten Jäger hinreichend, um ihren Waffen die gehörige Richtung zu geben.

Das Schauspiel war für jeden, der daran gewöhnt war, ungemein unterhaltend. Brown aber, der in der Führung eines Spießes keine Uebung hatte, machte nur unglückliche Versuche, die seinen Arm ermüdeten, indem er, statt des Lachses, worauf er zielte, die Felsen des Flußbettes traf. Es tat ihm weh, den Todeskampf der verwundeten Lachse, die blutend im Boote lagen, anzusehen, aber er verbarg Gefühle, die niemand begriffen hätte, und er bat, man möge ihn wieder ans Land setzen. Er bestieg eine Anhöhe, wo er das Schauspiel bequemer genießen konnte. Bald verlor sich der Schein der Lichter in der Ferne und schimmerte matt auf dem Wasser, wie das Licht, das, nach der Sage des Volkes, die Wassernixe aus der Tiefe aufsteigen läßt, um das feuchte Grab ihrer Opfer anzuzeigen; bald näherte sich der Lichtglanz, hell und voll, bis die lodernde Flamme im schnellen Laufe Ufer, Felsen und Bäume in Sicht setzte und sie bald mit rötlichem Lichte übergoß, bald, sich entfernend, in Dunkelheit oder matte Dämmerung zurücktreten ließ. Auch die Gestalten im Kahne zeigten sich bei dem Scheine der Lichter am Ufer, wie sie ihre Waffen bald erhoben, bald sich bückten, um den Lachs zu treffen, bald aufrecht standen, rötlich beleuchtet, gleich Erscheinungen aus der Unterwelt.

Endlich kehrte Brown langsam zu dem Pächterhause zurück und stand zuweilen still, um den bei dem Fange beschäftigten Männern zuzusehen. Gewöhnlich sind zwei bis drei beisammen: der eine hält die Fackel, während die andern die Spieße bereit halten, ihre Beute zu treffen. Als unser Wanderer bemerkte, daß ein Mann mit einem schweren, bereits durchbohrten Lachs kämpfte und sich vergebens anstrengte, ihn aus dem Wasser zu ziehen, ging er näher ans Ufer, um den Erfolg Zu sehen. Der Mann, welcher die Fackel hielt, war der Oberjäger, dessen mürrisches Wesen Brown schon mit Verwunderung bemerkt hatte. »Hierher, lieber Herr! hierher! Seht einmal das mächtige Tier!« riefen die Fischer ihm zu, als sie ihn erblickten. »Frisch darauf los! haltet ihn nieder! Habt Ihr denn gar kein Mark in den Knochen?« riefen, ermunternd und verweisend, die Jäger vom Ufer dem Manne zu, der bis an den Gürtel zwischen Eisschollen im Wasser stand und gegen die Kraft des Fisches und die Gewalt des Stromes kämpfte, ungewiß, wie er seine Beute sichern sollte. »Haltet Eure Fackel, hoch, Jäger!« rief Brown, sich nähernd, indem er bei dem hellen Lichtglanze das finstere Gesicht des Mannes erkannte. Kaum aber hatte der Jäger Browns Stimme vernommen, als er die Fackel, statt sie zu erheben, scheinbar zufällig ins Wasser fallen ließ.

»Den Gabriel plagt der Teufel!« rief der Fischer, als das brennende Holz, halb lodernd, halb glänzend, oder bald erlöschend, den Strom hinabschwamm, »Verdammt! ich kann ihn nicht bezwingen ohne Licht, und einen herrlicheren Lachs hat man noch nicht gefangen.«

Einige Männer sprangen ins Wasser, dem Fischer beizustehen, und der Lachs wurde glücklich ans Ufer gezogen.

Brown war nicht wenig erstaunt über das seltsame Benehmen des Jägers. Er konnte sich nicht erinnern, ihn je gesehen zu haben, und begriff nicht, warum der Mann, wie es offenbar der Fall war, seinen Blicken auswich. War er etwa einer von den Räubern aus der Heide? Die Vermutung war gar nicht unwahrscheinlich, obgleich Brown keineswegs irgend eine Bemerkung gemacht hatte, die ihm Grund dazu geben konnte; aber die Räuber hatten ja die Hüte so tief ins Gesicht gedrückt, waren in weite Kleider gehüllt, und hatten in ihrer Gestalt keine auffälligen Unterschiede aufgewiesen. Er nahm sich vor, am nächsten Morgen mit seinem Wirte darüber zu sprechen.

Mit reicher Beute beladen, zogen die Fischer heim. Die besten Lachse wurden für die Pächter ausgelesen, die bei dem Fange zugegen gewesen waren, die übrigen aber unter die Schäfer, Häusler und Hörigen verteilt, die sie in ihren Hütten räucherten, um sie als köstliche Zugabe zu ihrer gewöhnlichen Winterspeise, Kartoffeln mit Zwiebeln, aufzubewahren. Dinmont ließ indes Bier und Branntwein unter die Leute verteilen und ein paar Fische zum Abendessen für sie kochen. Als sie in der großen, rauchigen Küche bei dem Mahle saßen, trat Brown mit seinem Wirte herein. Alle waren guter Dinge, bei Scherz und frohem Gelächter. Brown suchte überall das finstere Gesicht des Fuchsjägers, aber der Mann war nirgends zu sehen. Endlich wagte er eine Frage. Der Schäfer, der mit dem großen Lachse sich geplagt hatte, war der Meinung, der Jäger habe die Fackel absichtlich ins Wasser fallen lassen... »Er kann's nicht leiden,« sprach er, »wenn jemand eine Sache besser macht als er.« – »Er mag sich wohl selbst schämen,« sprach ein anderer, »sonst würde er hier nicht fehlen.«

»Ist er hier aus der Gegend gebürtig?« fragte Brown.

»Nein, er ist noch nicht lange im Dorfe, aber ein guter Jäger. Ich glaube, er ist in Dumfries zu Hause.«

Brown fragte nach dem Namen des Mannes... »Gabriel,« war die Antwort; aber den Zunamen wußte niemand anzugeben, da zu jener Zeit noch häufig Leute sich zu einem andern Stamme gesellten, dessen Namen sie sich dann beilegten, Geschlechtsnamen daher weniger üblich waren, und besonders Leute aus der geringern Volksklasse sind gewöhnlich nur durch Beinamen, die von einer Beschäftigung, einem Gewerbe, oder einer persönlichen Auszeichnung entlehnt wurden, unterschieden. So hieß der mürrische Mann nur »Fuchs-Gabriel«, oder »Jäger-Gabriel«.

Brown ging darauf mit Dinmont in die Wohnstube, und der Abend wurde, wie immer, fröhlich zugebracht; doch würde die muntere Zechlust der Männer heute wohl die Grenzen überschritten haben, wenn nicht auch glücklicherweise mehrere Pächtersfrauen aus der Nachbarschaft nach Charlieshope gekommen wären, um die Freude des merkwürdigen Tages zu teilen. Als der Punschnapf so oft gefüllt wurde, daß sie besorgt sein mußten, man werde ihre holde Gegenwart gänzlich vergessen, zogen sie, von der Hausfrau geführt, mutig zu den fröhlichen Zechern herein. Der Fiedler und der Pfeifer folgten dem Zuge, und die übrigen Stunden der Nacht vergingen unter lustigen Tänzen.

Am nächsten Tage war eine Otterjagd, und tags darauf eine Dachshatz ... Hoffentlich sinkt unsrer Wanderer nicht in der Meinung des Lesers, wäre er auch ein noch so eifriger Weidmann, wenn ich ihm erzähle, daß Brown bei der letzten Gelegenheit, als der junge »Pfeffer« einen Vorderfuß verloren hatte und »Senf«, der zweite, beinahe erwürgt worden wäre, es sich von seinem Wirt als besondere Gunst ausbat, den armen Dachs, nach einer so tapfern Gegenwehr, ohne weitere Störung in seine Höhle gehen zu lassen.

Dinmont, der ein solches Gesuch, wenn es von sonst jemand gekommen wäre, mit der größten Verachtung aufgenommen hätte, begnügte sich, gegen Brown sein höchstes Erstaunen auszudrücken. »Ja, das ist seltsam von Euch!« sprach er. »Aber weil Ihr seine Partei nehmt, so soll der Teufel den Hund holen, der ihn wieder anpackt, so lang' ich lebe. Ja, wir wollen ihn sogar zeichnen und ihn »Rittmeisters Dachs« nennen. Es ist mir lieb, daß ich Euch etwas zu Gefallen tun kann. Aber – Gott sei uns gnädig! wie kann man sich um einen Dachs bekümmern!«

Eine ganze Woche hatte Brown mit ähnlichen Vergnügungen unter dem Dache seines freundlichen Wirts zugebracht, als er endlich Abschied nahm. Die Kinder, deren Liebling er geworden war, weinten in vollem Chore, als die Trennungstunde kam, und er mußte ihnen wohl zwanzigmal versprechen, daß er bald wiederkehren und ihnen dann alle Lieblingsliedchen auf seiner Flöte so lange vorspielen wollte, bis sie alles auswendig wüßten.

»Komm wieder, Rittmeister,« sprach ein kecker, kleiner Junge, »und Jenny soll Deine Frau werden.« Jenny, ungefähr elf Jahre alt, lief weg und verbarg sich hinter der Mutter.

»Rittmeister, komm wieder!« sprach ein dralles, sechsjähriges Mädchen und hielt ihren Mund zum Küssen hin, »ich will Deine Frau sein.«

Der Abschied wurde ihm schwer. Auch die gute Hausfrau bot dem scheidenden Gaste die Wange mit ehrbarer Sittsamkeit und der freundlichen Einfalt der alten Zeit ...»Es ist wenig, was unsereins tun kann,« sprach sie, »sehr wenig, doch wenn nur etwas wäre, das –«

»Liebe Frau Dinmont,« fiel Brown ein, »ich will so dreist sein, eine Bitte zu tun. Wollt Ihr so gut sein, mir einen grauen Mantel zu weben, wie Väterchen hat?«

Er hatte die Sprache und die Empfindungen der Bewohner während seines Aufenthaltes in der Gegend gelernt, und konnte wohl ahnen, wieviel Freude seine Bitte machen würde.

»Den sollt Ihr haben,« antwortete die Frau mit freudestrahlendem Auge, »oder es müßte kein Faden Wolle mehr im Lande sein, und so gut, als je einer gemacht wurde. Ich will mit dem Weber sprechen, morgen am Tage. Lebt wohl, lieber Herr! Seid selbst so glücklich, als Ihr's irgend jemand wünscht, und das mag ein guter Wunsch für manche Leute sein.«

Unser Wanderer ließ seinen treuen Begleiter, den kleinen »Wasp«, als Gast in Charlieshope zurück, da er voraussah, daß der Hund ein lästiger Gesellschafter sein werde in einer Lage, die ihm Heimlichkeit auferlegte. Der älteste Knabe übernahm es, für den Dachshund zu sorgen, und versprach – mit den Worten eines alten Liedchens – das Tier sollte

»Ein bißchen vom Brote, ein bißchen vom Bett« haben, und nie zu solchen gefährlichen Zeitvertreiben gebraucht werden, wobei »Senf« und »Pfeffer« Verstümmelungen erlitten hatten.

Dinmont, ein rüstiger Reiter, wie alle Pächter im ganzen Tale, bestand darauf, Brown müßte die Reise zu Pferde machen. Er wollte ihn bis zur nächsten Stadt in der Grafschaft Dumfries begleiten, wohin das Gepäck vorausgesandt worden war. Unterwegs fragte Brown noch einmal nach dem Fuchsjäger, der ihm immer noch im Sinne lag. Dinmont wußte wenig Auskunft zu geben, da erst während der Zeit, da er die hochländischen Jahrmärkte besucht hatte, der Mann in Dienst gekommen war ... »Es ist ein verdammter Kerl,« setzte er hinzu, »und ich möchte sagen, er hat Zigeunerblut im Leibe. Aber von den Räubern im Moor ist er keiner, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Es gibt unter dem Zigeunervolk auch nicht lauter schlechte Leute, und wenn ich das alte, lange, klapperdürre Weib einmal wiedersehe, so gebe ich ihr etwas für Tabak. Ich glaube, sie hat's doch ehrlich mit mir gemeint.«

Als der Augenblick der Trennung kam, hielt der gute Pächter lange schweigend die Hand des Gastfreundes, bis er endlich anhob: »Herr Rittmeister, die Wolle steht heuer so gut im Preise, daß ich den ganzen Zins damit habe bezahlen können, und wenn mein Mütterchen ihren neuen Rock und die Kinder ihre Kappen haben, so weiß ich mit dem übrigen Gelde nichts anzufangen. Ich möchte es gern in sichere Hände legen, denn es ist viel zu viel für Zucker und Branntwein. Nun hab' ich gehört, Ihr Herren von der Armee könnt Euch zuweilen für ein Stück Geld einen Schritt höher herauf bringen. Können Euch einmal bei so einer Gelegenheit ein paar hundert Pfund helfen, so ist mir ein Stückchen Papier von Eurer Hand so lieb, als mein Geld. Und Ihr könnt's behalten, so lang Ihr wollt, das wird mir recht lieb sein.«

Brown wußte das Zartgefühl, das unter dem Vorwande, eine Gunst zu erbitten, eine Gefälligkeit erzeigen wollte, zu würdigen; er dankte dem wackern Manne herzlich und gab ihm die Versicherung, daß er ohne Bedenken Zuflucht zu ihm nehmen werde, wenn irgend einmal die Umstände es nützlich für ihn machen sollten.


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