Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehntes Kapitel.

Als Cleveland mit dem Unterrichter in die Ratsstube zurückkehrte, erblickte er zu seiner nicht geringen Verwunderung unter den dort anwesenden Personen Triptolemus Yellowley, der, eben in Kirkwall anwesend, als Substitut des Lord-Kämmerers vom Rate aufgefordert worden war, der Sitzung beizuwohnen. Ohne sich aber dadurch in Verwirrung setzen zu lassen, erneuerte er sogleich die in Burgh-Westra mit ihm geschlossene Bekanntschaft, und fragte ihn, was ihn nach Orkney führe.

»Meine eigenen kleinen Projekte, Kapitän. Ich mag mich mit den Wilden zu Ephesus nicht länger herumschlagen und wollte einmal sehen, wie es mit dem Acker steht, den ich ein paar Stunden von hier vor etwa Jahresfrist angelegt habe, und ob die Bienen fortkommen, von denen ich neun Körbe eingeführt habe, um Heidekraut in Wachs und Honig umsetzen zu lassen. »Aber,« fügte er, einen Blick um sich werfend, hinzu, »was ist's mit dem Gerede von Piratenvolk hier in der Stadt?«

Die Wiederkehr des Richters enthob Cleveland der Antwort. »Wir haben beschlossen, Kapitän,« begann er, daß Euer Schiff nach Stromneß oder Scalpafleu herumlegen soll, um Proviant einzunehmen, damit kein weiterer Lärm zwischen den Marktleuten und der Mannschaft entstehe. Und da Ihr am Lande zu bleiben wünscht, um den Markt zu sehen, so wollen wir eine achtungswerte Person an Bord senden, die Euer Schiff durch das schwierige Fahrwasser steuern soll.«

»Gesprochen wie ein verständiger Mann, und wie ich erwartet habe,« erwiderte Cleveland. – »Und welcher Ehrenmann wird sich statt meiner an Bord meines Schiffes begeben?«

»Auch darüber sind wir einig,« sagte der Richter, »Ihr werdet leicht begreifen, daß schließlich manchem von uns, nach einer so angenehmen Reise in so guter Gesellschaft verlangt; aber zur Marktzeit hat jeder von uns vollauf zu tun – ich selbst kann mein Amt nicht im Stiche lassen – die Frau meines ältesten Kollegen liegt im Kindbett – der zweitälteste kann die See nicht vertragen, – zwei andere leiden an Podagra, – zwei sind abwesend, – und die übrigen fünfzehn Ratsmitglieder sind so dringend beschäftigt, daß sie unter keinen Umständen abkommen können.«

»Ich habe darauf nichts zu erwidern, Herr Stadthauptmann,« sagte Cleveland, »als daß ich erwarte – –«

»Einen Augenblick Geduld, Kapitän, mit Verlaub,« fiel ihm der Richter ins Wort – »aus all den Gründen, die ich nannte, sind wir zu dem Beschlusse gelangt, daß der würdige Herr Triptolemus Yellowley, Verwalter des Lord-Kämmerers dieser Inseln, als offizielle Person die Ehre und das Vergnügen Eurer Begleitung haben soll.«

»Ich!« rief Triptolemus verblüfft, »was Teufel habe ich mit Euren Seeaffären zu schaffen, – mein Beruf hält mich auf trockenem Lande!«

»Die Herren brauchen einen Steuermann,« flüsterte der Richter, »und solchen dürfen wir ihnen nicht verweigern.«

»Still, still!« sagte der Richter, »Pate Sinclair soll Euch begleiten und zur Hand gehen; Ihr selbst sollt nichts weiter zu tun haben, als essen, trinken und guter Dinge sein.«

»Essen und Trinken, das ist ganz schön und gut,« erwiderte Yellowley, außerstande zu begreifen, weshalb ihm dieses Amt so eifrig aufgedrungen wurde, aber auch nicht im stande, sich der ihm von den klügeren Richtern gelegten Schlinge zu entwinden ... »aber ich bin nicht seefester als Euer Kollege und habe zu Lande immer bessern Appetit.«

»Still, still,« gebot der Richter aufs neue, »wollt Ihr Euer Ansehen ganz vernichten? ein Substitut des hochedlen Lord-Kämmerers von Orkney und Shetland, der die See nicht vertragen kann, wäre dasselbe wie ein Hochländer, der keinen Branntwein schlucken kann.«

»Ihr müßt zum Schlusse kommen, ihr Herren,« fiel Kapitän Cleveland ein, »die Zeit drängt. – »Wollt ihr uns mit Eurer Gegenwart beehren, Herr Triptolemus Yellowley?«

»Ich würde mich recht wohl dazu bereit erklären,« begann Yellowley – – – – – »bloß ...«

»Er erklärte sich bereit, meine Herren,« schnitt ihm der Richter das Wort ab – und der gesamte Magistrat wiederholte dieselben Worte...

Erstaunt und verwirrt, und noch immer außer stande zu begreifen, was um ihn her vorging und wie er zu solcher Rolle käme, blieb dem Lord-Kämmerlings-Substituten doch nichts weiter übrig, als sich zu fügen; und so wurde er von Cleveland der Schiffsmannschaft mit dem strengen Befehl übergeben, ihn mit aller Auszeichnung und Ehrerbietung zu behandeln. Goffe und die übrigen führten ihn unter allgemeinem Jubel ab; an der Tür aber versuchte der arme Kerl, als er sah, daß Cleveland, zu dem er noch immer das meiste Vertrauen hatte, zurückblieb, noch einmal Einspruch zu tun: – »Nicht doch, Herr Richter!« rief er aus, »nicht doch, ihr Herren; wenn Kapitän Cleveland nicht mit an Bord geht, so gilt der Handel nicht, und ich gehe nicht an Bord, wenn man mich nicht mit Stricken hinzieht.«

Sein Einspruch ging aber in dem Chorus der Ratspersonen unter, die ihm für seinen Gemeingeist dankten, glückliche Reise wünschten und um seine baldige Rückkehr zum Himmel flehten; und auf solche Weise zum Schweigen gebracht, zudem einsehend, daß Fremde und Bekannte gewillt zu sein schienen, gemeinschaftliche Sache gegen ihn zu machen, ließ sich Triptolemus ohne weiteren Widerstand auf die Straße führen, wo die Mannschaft des Bootes einen Kreis um ihn schloß und langsam dem Strande zu sich in Bewegung setzte.

Triptolemus fand nun Zeit, seine Begleiter zu mustern, deren Gesichter ihm nicht nur wilde Roheit, sondern finstere Rachsucht zu verraten schienen. Vor allem der alte Goffe, der seinen Arm wie in einem Schraubstock hielt und ihn von der Seite anschielte, wie der Adler seine Beute, wenn er sie mit dem Schnabel zerfleischen will, flößte ihm schreckliche Angst ein; endlich aber gewann seine Furcht so sehr die Oberhand, daß er seinem greulichen Führer in weinerlichem Tone zuflüsterte: »Wollt Ihr mich morden gegen alle göttlichen und menschlichen Gesetze?«

»Verhaltet Euch still, wenn Ihr klug seid,« versetzte Goffe, der guten Grund hatte, die Angst seines Gefangenen zu steigern ... »ein ganzes Vierteljahr sind wir keinem Menschen zu Leibe gegangen ... weshalb erinnert Ihr uns daran?« . »Ihr spaßt hoffentlich nur, werter Herr Kapitän,« sagte Triptolemus, am ganzen Leibe zitternd; »das ist ja weit schlimmer noch als die Affäre mit der Hexe, dem Zwerge und den Dublonen; was um Himmels willen hattet. Ihr davon, mich zu morden?«

»Ei nun, Spaß doch wenigstens,« antwortete Goffe. – »Da schaut einmal die Burschen an und sagt, ob einer darunter ist, der nicht danach aussähe, als schlüge er lieber einen Menschen tot, als daß er ihn laufen ließe? Doch mehr davon, wenn Ihr in unserm spanischen Bocke steckt, dem Ihr nicht anders entgehen werdet als durch Loskauf mit einer Handvoll spanischer Taler.«

»Ach, gestrenger Herr Kapitän,« sagte Triptolemus bebend, »der mißgestaltete Zwerg hat mein ganzes Horn voll Silber mitgenommen.«

»Die neunschwänzige Katze wird's Euch schon finden lehren,« brummte Goffe.

»Kapitän,« erwiderte Triptolemus kräftig, »ich habe kein Geld – Erfindern und Reformern fehlt es gewöhnlich daran. – – Wir wandeln Weide in Acker um, Gerste in Weizen, Heideboden in Gartenland und Torfmoor in Grasland, selten aber ziehen wir Vorteil für unsere eigenen Tasche heraus.«

»Gut, gut,« erwiderte Goffe. »Wenn Ihr wirklich so ein armer Teufel seid, als Ihr vorgebt, so will ich Euer Freund sein,« und das Haupt neigend, so daß Triptolemus' Ohr erreichen konnte, der angstvoll seiner Worte harrte, flüsterte er ihm zu: »Besteigt nicht das Boot mit uns, wenn Euch Euer Leben lieb ist.«

»Wie aber soll ich fortkommen? Ihr haltet mich ja gepackt, so daß ich mich nicht losmachen konnte, selbst wenn die ganze Ernte von Schottland auf dem Spiele stände.«

»Nun, dann hört, Ihr Simpel,« fuhr Goffe fort, »sind wir am Ufer und springen dann die Burschen ins Boot, um ihre Ruder zu nehmen, dann schleicht Euch herum, – ich lasse Euren Arm los – und Ihr rennt hinweg, als hättet Ihr Feuer unter den Sohlen.«

Triptolemus tat, wie ihm geraten wurde; Goffe lockerte, wie versprochen, den Griff seiner Faust, und wie ein von einem Spieler mit Wucht geschleuderter Ball sauste der Lord-Kämmerlings-Substitut dem Städtchen zu, mit einer Geschwindigkeit, die ihn selbst und alle Zuschauer in Staunen setzte, die treue Versinnbildlichung des alten Sprichwortes: »Furcht macht Beine.«

Er wurde auch nicht verfolgt; und wenn auch ein Paar Musketen angelegt wurden, ihm einen bleiernen Boten nachzusenden, so stellte doch Goffe, hier zum erstenmal in seinem Leben Friedensstifter, die Gefahren, die solcher Friedensbruch hervorbringen könne, so eindringlich vor, daß sich die Bootsmannschaft dazu verstand, von aller Gewalttätigkeit abzustehen und so schnell als möglich dem Schiffe zuzurudern.

Die Bürger, die Triptolemus' Flucht als einen Triumph ihrer Sache ansahen, riefen dem Boote ein spöttisches Halloh nach, während der Magistrat über die augenscheinlichen Folgen dieses Bruchs der Uebereinkunft in große Besorgnis geriet; Cleveland aber, den der Magistrat in scharfer Haft hielt, um sich für jeden Schaden, den die Piraten anstiften möchten, schadlos zu halten, durchschaute leicht, daß Goffe keinen andern Grund, die Geißel laufen zu lassen, hatte, als ihm die volle Verantwortung für alle Folgen zuzuschieben; nicht im Irrtum darüber, daß er sich allein noch auf die Anhänglichkeit und Klugheit seines Freundes Jack Bunce oder Altamont verlassen durfte, sah er den kommenden Dingen nicht ohne Besorgnis entgegen.


 << zurück weiter >>