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Fünfzehntes Kapitel.

Als Cleveland sich wieder an Bord seines Piratenschiffes befand, dessen Mannschaft ihm halb mit Hallo, halb mit dumpfem Schweigen entgegentrat, während manche nicht unterließen, ihm die Hand zu drücken und zu seiner Rettung Glück zu wünschen, sollte er schneller, als er gerechnet hatte, herbe Ursache finden, den Verlust seines Schiffes »Die Rache« von neuem zu beklagen. Finster und verdrossen auf den Jubel horchend, mit welchem die jüngere Schiffsmannschaft, mit Bunce an der Spitze, Cleveland begrüßte, saß auf dem Achterdeck, rittlings auf einem Geschütz, Kapitän Goffe, von welchem Bunce seinem Kameraden auf dem Wege nach Kirkwall manches erzählte. Es war ein Mann zwischen vierzig und fünfzig Jahren, kaum von Mittelgröße, aber robust und stark, daß ihn seine Mannschaft mit einem abgedeckten Linienschiff von 64 Kanonen zu vergleichen pflegte. Sein schwarzes Haar, sein kurzer, dicker, plumper Nacken und seine buschigen Augenbrauen, seine plumpe Kraft und wilden Gesichtszüge standen in krassem Gegensatze zu der männlichen Gestalt und dem offenen Antlitz Clevelands, aus welchem das rohe Gewerbe, dem er oblag, eine gewissen Anmut und Großmut nicht hatte verwischen können. Die beiden Seeräuber blickten einander eine Weile schweigend an, während ihre Parteigänger – die ältern um Goffe, die jüngern um Cleveland – Aufstellung nahmen.

Endlich brach Goffe das Schweigen. – »Willkommen am Bord, Kapitän Cleveland! – All mein Takelwerk soll brechen, wenn ich nicht glaube, daß Ihr Euch noch als Commodore dünkt; aber damit ist's vorbei, beim Teufel, seit Euer Schiff zum Satan fuhr.«

Cleveland erwiderte, daß es ihn nicht nach solcher Würde gelüste, aber auch nicht danach, unter ihm zu dienen, daß er Goffe vielmehr nur um ein Boot ersuche, das ihn an eine andere Insel hinüberbringe.

»Und weshalb wollt Ihr nicht unter meinem Befehl dienen, Kamerad?« fragte Goffe streng; »haltet Ihr Euch etwa zu gut dafür mit Eurem Käseröster und Eurer naseweisen Manier? ich dächte, es ständen genug ältere und bessere Seeleute unter meinem Befehl!«

»Ich möchte wissen,« antwortete Cleveland kaltblütig, »welcher von Eurem tüchtigen Seevolk so gescheit war, das Schiff hier unter die sechs Kanonen Batterie zu legen, die es in Grund bohren kann, noch bevor Ihr das Ankertau kappen oder fahren lassen könntet? Aeltere und bessere Seeleute als ich, mögen immerhin unter einem solchen Grobian und Tolpatsch dienen; ich aber danke dafür – weiter hab' ich Euch nichts zu sagen.«

»Beim Satan! ich glaube, Ihr seid beide toll!« fiel Hawkins der Bootsmann ein; »ein Rekontre mit Pistolen und Säbeln mag zuweilen ein rechter Teufelsspaß sein, wenn es gerade nichts Besseres zu tun gibt; aber wer von uns wird, wenn er anders seine fünf Sinne beisammen hat, Streit mit Kameraden anfangen, und diesem schwimmfüßigen Insulanerpack Gelegenheit geben, uns sämtlich auf den Kopf zu klopfen?«

»Gut gesprochen, Hawkins!« rief Derrick, der Quartiermeister, unter diesen Räubern ein Offizier von bedeutendem Einflusse; »wie gesagt, wollen die beiden Hauptleute nicht friedlich beisammen leben, und Kopf und Herz verbinden, um das Schiff zu verteidigen, ei, zum Teufel! da setzt sie beide ab und wählt einen dritten an ihrer Stelle!«

»Euch vielleicht, nicht wahr, Quartiermeister?« unterbrach ihn Bunce, »aber daraus wird nichts, – wer Kavalieren gebieten will, muß, denke ich, selbst ein Kavalier sein; und so gebe ich meine Stimme ab für Kapitän Cleveland, einen so mutigen und wohlgezogenen Mann, wie nur je einer der Welt eine Nase gedreht hat.«

»Was? Ihr nennt Euch Kavalier?« rief Derrick; »aus dem ersten besten Fetzen Eurer Theaterlumpen flickt jeder Schneider einen besseren zurecht – eine Schande ist's für mutige Burschen, solch naseweise Vogelscheuche an Bord zu haben!«

Jack Bunce griff nach seinem Säbel, aber Zimmermann und Bootsmann traten dazwischen; der erstere schwang die breite Axt und schwor, er wolle dem ersten, der die Hand zum Streit höbe, die Hirnschale zerschmettern; der letztere erinnerte daran, daß ihre Schiffsgesetze allen Zwist, zumal an Bord, streng verböten.

»Ich suche mit niemandem Streit,« rief Goffe finster, »Kapitän Cleveland hat auf den Inseln gelungert und seinem Vergnügen nachgelebt! Wir aber haben Zeit und Eigentum verschwendet, auf ihn zu lauern, während wir zwanzig bis dreißigtausend spanische Taler zu unserer Kasse hätten schlagen können.... Ist das aber den übrigen Herrn recht, nun, so will auch ich nicht darüber murren!« »Ich schlage vor,« nahm der Bootsmann wieder das Wort, »in der Kajüte, wie unsere Gesetze es wollen, darüber zu beraten, welchen Kurs wir in dieser Sache zu steuern haben.« Der Vorschlag wurde mit Beifall aufgenommen; denn bei solchem Rate kam jeder auf seine Rechnung, da jeder stimmberechtigt war und der Schnaps dabei in unbeschränkten Portionen getrunken werden durfte. Cleveland nahm zuerst das Wort und wiederholte, daß er nur um ein Boot bitte, um auf irgend eine Insel in einigem Abstande von Kirkwall ans Land zu gehen, wo man ihn seinem Schicksal überlassen möge. Der Bootsmann lehnte sich heftig hiergegen auf. »Jeder Bursche,« sprach er, »kennt unsern Cleveland und baut auf seine Seemannskunst und seinen Mut; zudem läßt er den Grog nie die Oberhand gewinnen und hält immer alles in solcher Ordnung, daß es keinem Schiffe so leicht beikommt, den Kampf mit ihm aufzunehmen. Unser wackerer Kapitän Goffe aber,« fuhr der Bootsmann fort, »ist ja ein so rüstiger Seemann als je einer Zwieback aß, aber vor jedermann halt ich's aufrecht – hat er zuviel Grog an Bord genommen – seht, ich sag's ihm geradezu ins Gesicht – da treibt er so verdammte Späße, daß fast kein Auskommen mit ihm ist.« »Soll heißen, Ihr möchtet den wackern Kapitän Goffe auf die Weide jagen, nicht wahr?« nahm ein alter, in Sturm und Wetter ergrauter einäugiger Pirat das Wort, »hat er gleich so seine eigenen Launen und putzte er mir auch in seinem Spaß das eine Auge aus, bleibt er doch bei alledem ein so wackerer Seemann, als je einer das Deck beschritt; und so bleibe ich ihm denn, Gott verdamme mich! zur Seite, so lange noch meine andere Laterne leuchtet,« »Ihr laßt mich ja nicht aussprechen,« entgegnete Hawkins, »hört nur meinen Vorschlag: Cleveland soll Befehlshaber sein von ein Uhr nachmittags bis fünf Uhr morgens, denn in dieser Zeit ist Goffe stets betrunken.« Der Kapitän, von dem er sprach, legte den klarsten Beweis von der Wahrheit dieser Worte an den Tag, denn er stieß ein unverständliches Gebrüll hervor und versuchte, sein Pistol gegen den Vermittler Hawkins aufzuheben.

»Nun, seht Ihr wohl,« rief Derrick, »da liegt er während der Beratung trunken da, wie einer der gemeinsten unserer Mannschaft!« – »Ja, ja!« rief Bunce, »wie Davids Sau auf freiem Felde, im Gesicht des Heers und des Senats!«

»Aber dennoch,« fuhr Derrick fort, »wird es nimmer gut tun, zwei Hauptleute zugleich an einem Tage zu haben. Ich meine, wenn sie wöchentlich wechselten, wäre es besser – denn Cleveland könnte dann den Anfang machen.«

»Hier gibt es noch manche, die so gut sind als beide,« sagte Hawkins, »doch ich habe nichts gegen Kapitän Cleveland, und glaube, er kann uns wieder auf das Fahrwasser helfen so gut wie ein anderer.«

»Ja, ja!« rief Bunce, »und besser als irgend ein anderer wird er es verstehen, die Kirckwaller dort in Ordnung zu bringen, besser als sein nüchterner Vorgänger! – Hoch also, Kapitän Cleveland!«

»Halt, ihr Herren,« rief Cleveland, der bis jetzt geschwiegen hatte, »Ich hoffe doch, ihr werdet mich nicht ohne meine Einwilligung zum Anführer wählen?«

»Beim blauen Gewölbe des Himmels, das wollen wir; denn es ist pro bono publico!« entgegnete Bunce.

»So hört mich wenigstens an!« sagte Cleveland – »ich willige ein, den Befehl des Schiffes zu übernehmen, weil Ihr es wünscht, und weil ich sehe, daß Ihr ohne mich hier nicht herauskommen werdet!«

»Hoch also Cleveland für immer!« jubelte Bunce.

»Ruhe! guter Bunce, ehrlicher Altamont,« gebot der Kapitän, – »ich übernehme den Befehl unter der Bedingung, daß, wenn ich das Schiff zu seiner Reise mit Proviant usw. versorgt habe, Ihr den Kapitän Goffe wieder in sein Amt ein- und mich irgendwo ans Land setzt, wie ich zuvor begehrte. – Ihr werdet dann überzeugt sein, daß ich Euch nicht hinter das Licht führen kann, denn ich werde bis zum Moment der Landung bei Euch bleiben.«

»Ei, und noch länger als bis zum letzten Augenblick, beim blauen Himmelsgewölbe! oder ich verstehe mich schlecht darauf!« murmelte Bunce vor sich hin.

Die Stimmen wurden jetzt gesammelt, und ein solches Vertrauen hatte die Mannschaft in Cleveland, daß die einstweilige Absetzung Goffes selbst unter seinen Anhängern nur geringen Widerspruch fand, die vernünftig genug waren, zu bemerken, daß er doch wenigstens hatte nüchtern bleiben sollen, um auf seine eigenen Angelegenheiten acht zu haben.

Als aber der nächste Morgen kam und der trunkene Teil des Schiffsvolkes erfuhr, was man im Rate beschlossen hatte, von dem sie als Teilnehmer angesehen wurden, legten sie eine solche Ueberzeugung von Clevelands Verdiensten an den Tag, daß Goffe, so mürrisch und unzufrieden er auch war, es für ratsam hielt, für den Augenblick seine zornigen Gefühle zu unterdrücken, bis sich eine passendere Gelegenheit böte, sie laut werden zu lassen.

Cleveland dagegen übernahm mutig, und ohne Zeit zu verlieren, das Geschäft, seine Gefährten aus der gefährlichen Lage zu ziehen, in der sie sich befanden. Zu diesem Ende ließ er ein Boot aussetzen, um ihn selbst, nebst zwölf der rüstigsten Burschen der Mannschaft, ans Land zu bringen. Sie waren sehr stattlich gekleidet, denn ihr schändliches Gewerbe setzte sie dazu vollauf in stand, auch waren sie mit Säbel und Pistolen, einige sogar mit Enterbeilen und Dolchen bewaffnet.

Cleveland selbst trug ein blaues, mit karmesinroter Seide gefüttertes und mit Tressen besetztes Kleid, eine rote Damastweste und ebensolche Unterkleider, eine reich gestickte Sammetmütze mit weißer Feder; Schuhe mit roten Absätzen und weißseidene Strümpfe vollendeten seinen Anzug; dazu eine goldene Kette, an der, als Zeichen der Oberherrschaft, eine Pfeife von gleichem Metall hing. Außer einigen Pistolen im Gürtel trug er noch ein paar kleinere von feinster Arbeit in einer über die Schultern hängenden karmesinroten Schlinge oder Schärpe, Sein Säbel stimmte an Pracht mit seiner übrigen Kleidung überein, und seine schöne Gestalt paßte so vortrefflich zu dem Ganzen, daß er, als er auf dem Verdeck erschien, mit lautem Jubel von der Mannschaft empfangen wurde.

Cleveland nahm in seinem Boote auch seinen Vorgänger Goffe mit, der ebenfalls reich gekleidet, aber mit einem weniger vorteilhaften Aeußern als Cleveland, wie ein bäurischer Tölpel in der Tracht eines Hofmannes oder fast mehr noch wie ein gemeiner Straßenräuber aussah, der sich mit dem Gewande des von ihm Ermordeten behängt hat.

Das Kommando des Schiffes war unterdessen dem John Bunce übertragen worden, auf dessen Treue Cleveland, wie er wußte, bauen konnte, und dem er geheime Instruktionen für etwaige unerwartete Vorfälle gegeben hatte.

Hierauf stieß das Boot ab. Als sie dem Hafen nahe waren, zog Cleveland eine weiße Flagge auf und sah nun deutlich, daß ihre Ankunft großen Lärm am Strande verursachte. Die Leute, fast sämtlich bewaffnet, liefen hin und her. Die Strandgeschütze wurden eilig bemannt und die englische Flagge entfaltet. Das waren höchst beunruhigende Zeichen, um so mehr, als Cleveland wußte, daß es in Kirkwall nicht an Matrosen fehlte, die sicher im Notfall auch den Dienst bei den Kanonen versehen konnten.

All diese Dinge und Vorgänge scharf im Auge behaltend, steuerte Cleveland dem Ufer zu; vermutlich waren aber die dort versammelten Leute noch nicht recht über die Maßregeln einig, die sie ergreifen wollten; denn als das Boot den Strand erreicht hatte, traten diejenigen, die ihm gerade gegenüber standen, zurück und ließen ihn mit seinen Gefährten landen, ohne ihm Hindernisse in den Weg zu legen. Die Mannschaft ließ Cleveland am Strande Aufstellung nehmen bis auf zwei, die in dem Boote blieben.

Die Kirkwaller aber, ihrem altnordischen Sinn treu, standen am Kai mit geschulter Waffe, den Räubern den Weg zur Stadt abschneidend.

»Was bedeutet das, Bürger von Orkney?« rief Cleveland, »seid ihr Hochländer geworden, daß ihr so früh am Morgen schon sämtlich bewaffnet seid? Oder seid ihr am Strande postiert, mir zu salutieren, weil ich das Kommando über das Schiff übernommen?«

Die Bürger sahen einander an, und einer entgegnete: »Wer Ihr seid, wissen wir nicht, der andere dort,« – dabei zeigte er auf Goffe – »war sonst als Kapitän am Lande.«

»Mein Steuermann ist's; er führt das Kommando in meiner Abwesenheit,« antwortete Cleveland; – »aber wozu die Auseinandersetzung? Ich habe mit Eurem Stadtoberhaupt, oder wie Ihr ihn sonst nennt, zu reden.«

»Das Stadtkollegium ist im Rathause versammelt,« erwiderte der Wortführer.

»Um so besser.« rief Cleveland; »Platz gemacht, ihr Herren; ich will mit meinen Leuten dorthin.«

Die Kirkwaller steckten flüsternd die Kopfe zusammen, manche unschlüssig, ob sie sich mit wilden Männern in einen vielleicht nutzlosen Kampf einlassen sollten, andere wohl dazu geneigt, doch der Einsicht nicht verschlossen, daß die Fremden viel leichter im Rathause oder in den engen Gassen, durch die der Weg führte, zu überwältigen seien als hier am Ufer, wo sie volle Bewegungsfreiheit hätten. Sie kamen also überein, ihrem Marsche zum Rathause nichts in den Weg zu legen. Dort aber drängten sie sich vorwärts, um sich unter die Piraten zu mischen und möglichst viele abzuschneiden und einzeln gefangen zu nehmen. Cleveland hatte solche Absicht aber vorausgesehen, und bevor er durch das Tor eintrat, ließ er vier von seinen Leuten, zur Straße hin, zu beiden Seiten desselben Posten fassen und die doppelte Anzahl unter die Bürgerschaft treten, um Ruhe unter ihr zu halten.

Vor den wilden, sonnverbrannten Gesichtern und den gezückten Waffen der furchtbaren Gesellen wichen die Bürger zurück, und Cleveland trat mit dem Reste seiner Mannschaft in die Ratsstube, wo die Stadtobrigkeit, nur von wenigen Fronen umgeben, versammelt war. So jäh von der Bürgerschaft getrennt, die ihrer Befehle harrten, befanden sie sich eigentlich mehr in Clevelands Gewalt als dieser in der ihrigen. Die Stadtobrigkeit schien die Fährlichkeit ihrer Situation auch zu fühlen, denn in einiger Verwirrung steckten die ihr angehörigen Männer die Köpfe zusammen, als Cleveland sie wie folgt, anredete:

»Guten Morgen, ihr Herren, – ich darf Wohl auf Friede und Freundschaft rechnen? Ich komme nur, um mit euch über den Proviant für mein Schiff zu sprechen, – ohne Mundvorrat können wir doch nicht in See stechen!«

»Euer Schiff?« fragte der königliche Unterrichter, ein mutiger und verständiger Mann, »wie können wir wissen, ob Ihr der Kapitän seid?«

»Seht mich an,« versetzte Cleveland, »und wenn Ihr noch Zweifel habt, so dürften sie zerstieben.«

Der Richter musterte ihn, gelangte aber zu dem Ergebnis, daß es doch nötig sei, weitere Fragen zu stellen, und so fuhr er fort: »Nun, wenn Ihr wirklich der Kapitän seid, woher kommt Euer Schiff, und wohin geht es? Ihr habt zuviel von einem kriegerischen Seemann, als daß Ihr Kapitän eines Kauffahrers sein könntet, und doch wissen wir, daß Ihr nicht der britischen Marine angehört.«

»Auch andere als britische Kriegsschiffe durchschneiden die See,« erwiderte Cleveland; »als Freifahrer aber bereit, Tabak, Branntwein, Wacholder und dergleichen gegen Salzfische und Felle einzutauschen, verspüre ich keinerlei Verlangen, mich so behandeln und mir für mein Geld Proviant verweigern zu lassen, wie es den Kirkwallern beliebt.«

»In solchen Dingen allzu gewissenhaft zu sein,« sagte der Stadtschreiber, »ist unsre Sache nicht; denn wenn Leute unseres Schlages uns besuchen, machen wir es am besten wie der Köhler, als er auf den Teufel stieß – nämlich – lassen sie in Ruhe, solange sie uns in Ruhe lassen; – dort der Herr,« – hier zeigte er auf Goffe – »der vor Euch Kapitän war und es vielleicht nach Euch sein wird,« – (der Hasenfuß mag recht haben, murmelte Goffe) – »er weiß, wie freundlich wir uns benahmen, bis er und seine Leute wie eine Teufelsbande die Stadt zu durchstreifen begannen. – Dort steht einer! – Derselbe ist's, der meine Magd auf der Straße anhielt, als sie auf dem Heimwege die Laterne vor mir hertrug, und sie vor meinen Augen schlug.« – »Wenn es Euer Ehren beliebt,« sagte Derrick, auf den der Stadtschreiber gezeigt hatte; »ich war's nicht, der die Laterne beidrehte – das war ein andrer.«

»Nun wer?« fragte der Richter.

»Je nun,« entgegnete Derrick, indem er durch ein paar seemännische Verbeugungen den würdigen Stadtschreiber zu kopieren suchte – »ein ältlicher Mann war's – von holländischem Schnitt – wohlbeleibt – mit einer weißen Perücke und roten Nase, – Euer Gnaden ungemein ähnlich,« und zu einem seiner Kameraden gewandt, fuhr er fort: »Nicht wahr, Jack, der Bursche, der das hübsche Mädchen mit der Laterne küssen wollte, sah ganz aus wie der gestrenge Herr dort?«

»Mein Seel', Tom Derrick, ich glaube, es ist ein und derselbe,« antwortete der Befragte.

»Solche Unverschämtheit,« rief der Richter empört, »kann Euch teuer zu stehen kommen, Mann! Ihr habt Euch hier betragen, als befändet Ihr Euch auf Madagaskar oder in irgend einem Dorfe von Hinterindien. Ihr selbst, Kapitän, wenn Ihr anders Kapitän seid, habt noch gestern einen Auflauf veranlaßt. Proviant werdet Ihr nicht von uns empfangen, bis wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Hofft nicht, uns in Furcht zu setzen; wenn ich mit dem Schnupftuch zu dem Fenster neben mir hinauswinke, wird Euer Schiff in den Grund geschossen; vergeßt nicht, daß es unter den Kanonen unserer Batterie liegt!«

»Und wie viele von Euren Kanonen sind in gutem Stande?« versetzte Cleveland aufs Geratewohl, überzeugte sich aber schnell von der betroffenen Miene des Richters, daß sich die Artillerie von Kirkwall tatsächlich nicht im besten Zustande befinden müsse. »Bitte, bitte, Herr Richter! wir lassen uns so wenig in Furcht jagen wie Ihr. Eure Kanonen möchten den armen Matrosen, die sie bedienen, mehr Schaden zufügen als unserer Schaluppe; wenn aber wir Eurer Stadt eine volle Ladung geben sollten, dann könnte das Küchengerät Eurer Weiber leicht in Gefahr geraten. Und was nun Eure Beschwerde betrifft, daß unsere Leute etwas lustig am Lande waren, ei nun! wann ist das je anders? Man hat mir gesagt, Ihr wäret ein verständiger Mann, und darum bin ich überzeugt, daß wir beide die Sache in fünf Minuten abmachen könnten, wenn wir uns allein besprächen.«

»Nun gut denn,« erwiderte der Richter, »ich will hören, was Ihr zu sagen habt.«

Cleveland folgte ihm in ein kleineres, inneres Gemach und redete ihn dort folgendermaßen an: »Ich will meine Pistolen beiseite legen, wenn Ihr Euch fürchtet.«

»Verschont mich mit solchem Gerede,« entgegnete der Richter, »ich habe meinem Könige gedient und fürchte Pulverdampf so wenig wie Ihr.«

»Dann um so besser,« sagte Cleveland, »denn Ihr werdet mich – um so kaltblütiger anhören, – Also angenommen, wir wären wirklich, was Ihr argwöhnt, oder sonst etwas Aehnliches, was anders als Schläge und Blutvergießen, um des Himmels willen, könnt Ihr dabei gewinnen, wenn Ihr uns zurückhaltet? Glaubt mir, in dieser Hinsicht sind wir besser verproviantiert als Ihr. Unser Verhältnis ist ja einfach genug. Ihr wollt uns los sein – wir wollen fort von hier, also gebt uns die Mittel dazu, und wir verlassen Euch auf der Stelle.«

»Hört, Kapitän!« antwortete der Richter, »mich dürstet nach keines Menschen Blut. Ihr seid ein wackerer Gesell, wie ich zu meiner Zeit schon manchen Bukkanier gefunden, – aber deswegen wünschte ich Euch ein besseres Gewerbe. Unsere Magazine sollten Euch für Euer Geld offen stehen, wenn Ihr Euch aus diesen Gewässern entfernen wolltet; aber da steckt der Knoten. Die Fregatte Halkyon wird unverzüglich hier erwartet: wenn sie von Euch hört, wird sie Euch auf den Hals kommen. Denn auf nichts machen die Weißen Rabatten lieber Jagd als auf Piraten. Träfen sie nun aber unsere gute Stadt Kirkwall im Einklang mit den Feinden des Königs, dann könnten wir uns auf eine tüchtige Buße gefaßt machen, und mir als dem Stadtoberhaupte ginge es unbedingt an den Kragen.«

»Haha, ich sehe, wo Euch der Schuh drückt,« versetzte Cleveland; »wenn ich nun aber herum nach Stromneß lenkte? Da könnten wir alles, was wir gebrauchen, an Bord nehmen, ohne daß jemand was davon wüßte; und käme je etwas heraus, würde Eure Schwäche unserer überlegenen Macht gegenüber wohl Entschuldigungsgrund genug sein.«

»Möglich!« antwortete der Richter, »wenn ich Euch aber anderswohin fahren lasse, so muß ich Sicherheit haben, daß Ihr dort kein Unheil anrichtet.«

»Und wir,« versetzte Cleveland, »müßten Bürgschaft haben, daß Ihr uns nicht etwa hinhalten wollt, bis die Fregatte anlangt. Ich meinerseits bin bereit, als Geißel am Lande zu bleiben, wenn Ihr mir Euer Wort gebt, mich nicht zu verraten, und wenn Ihr dagegen eine Magistratsperson oder sonst einen Mann von Bedeutung an Bord sendet als eine Bürgschaft für uns.«

Der Richter schüttelte den Kopf und meinte: es würde schwierig sein, jemanden zu finden, der sich in solche gefährliche Lage begeben wolle, er wolle aber mit denjenigen seiner Amtskollegen, denen sich ein so wichtiger Fall anvertrauen lasse, in Beratung treten.


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