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Elftes Kapitel.

Je näher sie der Hütte kamen, desto deutlicher schallte ihnen Geigenklang entgegen, und Laurie Schoten, der sich dicht hinter seinem Herrn hielt, flüsterte jetzt:

»Helfe mir der und jener, Herr, wenn der Geist, der so wacker die Geige streicht, ein anderer ist als Claud Halcro; denn noch nie hat jemand dieses Lied gespielt außer ihm.«

Der Udaller, der gleichen Meinung, winkte nun den Seinigen näher zu kommen und rief ein lustiges Hallo; das kleine Dichtermännchen trat nun auch auf die Schwelle, und der Udaller fragte ihn nach freundlicher Begrüßung: »wie er dazu käme, seine Lieder hier, an einem so wüsten Orte, zu singen, der Eule vergleichbar, die zu dem Mond hinaufschriee?«

»Sagt Ihr mir, lieber Vogt!« entgegnete Elaud Halcro, »wie Ihr daher kommt in den Bereich meiner Töne? – und noch dazu mit Euren lieblichen Töchtern? – Schöne Minna und Brenda, willkommen hier auf diesem gelben Sande, – wie kamet Ihr hierher, zweien Schwänen gleich, das Dämmerlicht in Tag, und alles, was Eure Füße betreten, in Silber verwandelnd?«

»Ihr sollt alles erfahren,« antwortete Magnus, »wen aber habt Ihr da bei Euch in der Hütte? mir deucht, ich höre jemand sprechen?«

»Niemand,« erwiderte Elaud Halcro, »als den armen Kerl, den Verwalter, und meinen kleinen Teufel von Jungen, den Giles. – Aber kommt doch herein – kommt herein, wir hungern hier ganz nach Bequemlichkeit – kein Mundvoll saurer Sillochs ist weder für Geld noch gute Worte zu haben.«

»Dem kann halbwegs abgeholfen werden,« versetzte der Udaller, »denn obgleich das Beste von unserm Abendbrot über die Fitful-Klippe zu den Seehunden und Haifischen gesteuert ist, haben wir doch noch einiges vom Untergang gerettet. – Her mit dem Rauchfleisch, Laurie!« » Jokul, Jokul! rief der Diener freudig, und lief, den Korb zu holen, während die übrigen in die Hütte traten.

In ihrem vom Rauche geschwärzten Innern, wo es gewaltig nach getrockneten Fischen roch, fanden sie, neben einem spärlichen Feuer, Triptolemus Yellowley, den Substituten des Lords-Kämmerlings, in Gesellschaft eines barfüßigen, flachshaarigen Burschen, der dann und wann Claud Halcro die Geige trug, den Klepper sattelte oder ähnliche Dienste leistete.

Auf den armen Ackerbauer, dessen Gesicht die hellste Verzweiflung kündete, schien die Ankunft des Udallers und seiner Gesellschaft erst Eindruck zu machen, als alles sich um das Feuer geschart hatte und der Korb geöffnet wurde, dessen Inhalt aus Gerstenbrot und gedörrtem Rindfleisch, auch einer Flasche Branntwein bestand, und mithin Aussicht auf eine leidliche Mahlzeit eröffnete; da erst fing Triptolemus an, aufzutauen, zu grinsen, zu kichern und sich die Hände zu reiben und sich nach allen Freunden und Bekannten auf Burgh-Westra zu erkundigen.

Nachdem man sich – was allen gut tat – einigermaßen gestärkt und erfrischt hatte, richtete der Udaller wiederholt die Frage an Halcro und den Verwalter, wie es käme, daß er sie zu solch nächtlicher Stunde in solch entlegenem Winkel träfe.

»Ich möchte nicht, Herr Magnus,« entgegnete Triptolemus, als ein zweiter Trunk ihm Mut gegeben, seine Leidensgeschichte zu erzählen, »ich möchte nicht, daß Ihr von mir glaubtet, unbedeutende Dinge konnten mich außer Fassung bringen. Ich bin von derbem Schrot und Korn, und so leicht schüttelt mich der Wind nicht. Schon oft habe ich Martini und Pfingsten erlebt, die gefährlichen Tage für Leute meines Gewerbes, und habe sie immer gut überstanden; aber in diesem Euren verwünschten Lande – Gott verzeihe mir, daß ich fluche; aber böse Gesellschaft verdirbt gute Sitten – soll ich, scheint's mir, elendiglich zu Grunde gehen.«

»Nun, Gott sei uns gnädig!« rief Magnus Troil, »was ist Euch denn widerfahren? Wollt Ihr mit Eurem Pfluge ein neues Land ackern, so müßt Ihr darauf gefaßt sein, dann und wann auf einen Stein zu stoßen – Ihr müßt uns mit Geduld vorangehen, nachdem Ihr hierher gekommen, alles zu meliorieren, wie Ihr zu sagen liebt.«

»Der Teufel hat mir die Füße gelenkt, als ich dies unternahm,« entgegnete der Verwalter.

»Aber was ist Euch denn begegnet,« fragte der Udaller, »und worüber beklagt Ihr Euch?«

»Ueber alles,« antwortete Yellowley, »was mir zugestoßen, seit dem Augenblick, wo ich den Fuß an diese Insel setzte, die, wie ich glaube, vom Beginn der Schöpfung an verflucht und Spitzbuben, Gaunern, Landstreichern, liederlichem Weibsvolk – (mit Erlaubnis der jungen Damen) – und Hexen und bösen Geistern zur Wohnstätte bestimmt worden.«

»Nun, ein treffliches Wortregister,« meinte der Udaller, »zu jeder andern Zeit hätte ich nur bei der Hälfte mich nötigen lassen, selbst die Rolle des Reformers zu übernehmen, und Euch mit meinem Knüttel gute Sitte beizubringen.«

»Habt Geduld, Herr Voigt oder Herr Udaller, oder wie man Euch sonst nennen mag,« versetzte Triptolemus; »da Ihr die Gewalt habt, so laßt's auch an Gnade nicht fehlen, sondern nehmt Rücksicht auf das unglückliche Los, das jeden armen Teufel erwartet, der sich auf diesem Euren Erdenparadiese niederläßt. Wenn er trinken will, bringt man ihm saure Molken, – Euren Schnaps, Udaller, ausgenommen, der alles Lob verdient – wenn er essen will, gibt's saure Fische, an denen sich der Satan die Zähne zerbeißen mag. – Ruft man die Leute zur Arbeit, so heißt's: heute ist St. Magnus- oder St. Ronans-Tag, oder eines Heiligen der Hölle – Tag – – Der eine ist mit dem verkehrten Fuß zuerst aus dem Bette gekommen, der andere hat eine Eule gesehen, dem dritten ist ein Kaninchen über den Weg gelaufen, oder er hat von einem gerösteten Pferde geträumt – kurz, es wird keine Hand gerührt; wenn's aber heißt: es geht zum Tanze, dann fliegen die Beine nur so!«

»Und warum sollte es auch anders sein,« fiel Claud Halero ein, »solange es Geiger gibt, ihnen aufzuspielen.«

»Ja, ja,« entgegnete Triptolemus, seinen Kopf schüttelnd, »Ihr seid gerade der Rechte, die Leute in solchem Unfug zu bestärken.«

»Aber das ist doch keine Antwort auf meine Frage,« erwiderte der Udaller, »wie, zum Teufel, kommt es, daß ich Euch hier vor Anker finde?«

»Geduld, werter Herr, Geduld,« entgegnete der bekümmerte Verwalter, »und hört, was ich zu sagen habe, denn ich denke, es wird am besten sein, Euch das Ganze zu erzählen.... Ihr sollt also wissen, daß ich glaubte, es sei mir so eine kleine Gottesgabe gesandt worden, die mich hier alles leichter ertragen ließe.«

»Wie, eine Gottesgabe? Meint Ihr ein Wrack, Herr Verwalter? « rief Magnus, »Pfui, schämt Euch, Ihr solltet doch andern ein besseres Beispiel geben!«

»Es war kein Wrack,« antwortete der Verwalter, »aber da Ihr es doch einmal wissen müßt, so hört: Als ich aus einem Kamin in einem der alten Räume zu Stourburgh einen Stein ausheben wollte, den ich brauchte, um Gerste zu stampfen, stieß ich auf ein Horn voll alter Münzen, meistens von Silber, doch auch hier und da mit einer goldenen untermischt. Ein willkommener Glücksfall! dachte ich, und so auch meine Schwester, und, froh des Ortes, wo es solche Nesteier gibt – legten wir sorgsam den Stein wieder über dies Horn des Ueberflusses, und die Schwester wie auch ich betraten den Raum nun wohl zwanzigmal, um uns zu vergewissern, daß kein anderer den Schatz höbe.«

»Eine amüsante Beschäftigung,« bemerkte Claud Halcro, »nach der eigenen Barschaft so oft zu sehen! Mir ist solch Glück noch nie beschert gewesen!«

»Aber Ihr vergeßt, lieber Claud,« fiel der Udaller ein, »daß der Verwalter das Geld nur für seinen Herrn den Lord Kämmerling überzählte. Da er so streng auf die Rechte seines Herrn beim Walfischfange und bei den Strandungsfällen hält, wird er seiner beim Auffinden solches Schatzes gewiß nicht vergessen haben.«

»Ei – ei – ei nun!« entgegnete Triptolemus, wie von einem plötzlichen Husten befallen, – »ohne Zweifel wären Mylords Rechte aufs strengste beobachtet worden, liegen sie doch in den ehrlichsten Händen! Aber hört nur, was geschah! Als ich eines Tages wiederum hinaufging, um nachzusehen, ob alles noch sicher und wohlverwahrt sei, sah ich einen garstigen, mißgestalteten Zwerg, dem nur der Pferdefuß und die Hörner fehlten, um ein vollkommener Satan zu sein, neben dem Horne kauern und den Schatz zählen. Ich bin kein Hasenfuß, Vogt, aber der Argwohn, daß Teufelsspuk im Spiele sei, wäre auch andern gekommen als mir – und so redete ich den Zwerg auf lateinisch an und beschwor ihn in nomine usw. in Worten, wie sie mir der Augenblick eingab... Nun, der Zwerg war anfangs bestürzt, wie jemand, der etwas hört, was er nicht erwartet, sammelte sich aber schnell, glotzte auf mich mit seinen grauen Augen wie eine wilde Katze, riß seinen an Größe einem Backofen ähnlichen Mund auf und zeigte mir ein mißgestaltetes Ding von Zunge – kurz, spielte sich dermaßen als Bullenbeißer auf, daß ich zurückfuhr, die Schwester zu rufen, die weder Hund noch Satan fürchtet, wenn von Geld die Rede ist. Und wirklich sprang sie auch kampfbereit auf, wie die Lindsays und Ogilvies, wenn Donald Mac Donnoch oder seinesgleichen vom Hochlande kamen, die Gefilde von Islay zu verwüsten, aber ein altes, unnützes Geschöpf, Tronda Drons Tochter genannt, vertrat meiner Schwester den Weg, und heulte und schrie wie eine ganze Generation von Hunden; als wir ihrer endlich Herr geworden und die Treppe hinauf eilten, dem Gelaß zu, wo ich den Zwerg oder Satan gesehen, waren Zwerg, Horn und Schatz – verschwunden, und der Raum so leer, als habe die Katze ihn rein geleckt.

Hier hielt Triptolemus in seiner seltsamen Erzählung inne, während die übrigen sich einander voll Erstaunen anblickten, und der Udaller murmelte: »Allem Anschein nach ist das entweder der Satan selbst, oder Nicolas Strumpher gewesen, und wenn er es wirklich war, so hat er mehr von einem Kobold, als ich glaubte. Habt Ihr denn nicht gesehen, wie der Zwerg verschwand?«

»Nein,« erwiderte Triptolemus, scheu um sich blickend, »weder ich noch Baby, die doch mehr Herr ihrer Sinne war, denn sie hatte ja die fürchterliche Erscheinung nicht gesehen – haben irgend eine Spur von ihm entdecken können. Nur Tronda behauptete steif und fest, sie habe ihn auf einem Drachen durch die Luft fliegen sehen. Da aber der Drache ein fabelhaftes Tier ist, muß ich glauben, daß ihre Aussage nur auf Gesichtstäuschung beruhe.«

»Aber erkundigen dürfen wir uns wohl,« fragte Brenda, begierig, so viel wie möglich von dem Zwerg ihrer Muhme zu erfahren, »wie das alles auf Herrn Yellowley dergestalt einwirkte, daß wir ihn hier zu dieser unpassenden Stunde treffen?«

»Passend war sie sehr, Jungfer Brenda, denn, sie brachte uns in Eure angenehme Gesellschaft.« meinte Claud Halcro, dessen Quecksilbergehirn der Fassungskraft des Verwalters weit voraus eilte und der schon vor Ungeduld, so lange schweigen zu müssen, verging: »Die Wahrheit zu sagen, so führte mich der Zufall in das Haus unseres Freundes Yellowley, gerade als der Unfall sich dort zugetragen, und da habe ich ihm nun geraten, unserer Freundin auf Fitful-Head einen Besuch zu machen. Und so seht Ihr uns hier, wenn auch nicht zu Lande, denn Herr Jellowley mag von unseren Kleppern nichts mehr wissen.«

»Teufel sind's und keine Klepper,« unterbrach ihn Triptolemus, und murmelte vor sich hin: »wie jedes lebende Wesen, das ich hier in Shetland gefunden.«

Halcro aber fuhr fort: »Wenn auch, wie gesagt, nicht zu Lande, so doch in einem kleinen Boote, und Herr Triptolemus selbst wird Euch erzählen, wie echt seemännisch ich ihn in den kleinen, nur eine Viertelmeile von Nornas Wohnung gelegenen Hafen brachte.«

»Wollte der Himmel, Ihr hättet mich so wohlbehalten wieder zurückgeführt.« rief der Verwalter.

»Ja, ja,« entgegnete der Minnesänger, »ich bin, wie der ruhmgekrönte John Dryden sagt:

Ein kühner Seemann, bei des Meeres Wut,
Wenn himmelan die Riesenwellen steigen;
Doch steur' ich leicht, wenn ruhig nur die Flut,
Dem Sand zu nur um meine Kunst zu zeigen.«

»Ich aber zeigte keine Klugheit, als ich mich Eurer Führung anvertraute,« unterbrach ihn Triptolemus, »und auch Ihr legtet keine an den Tag, als Ihr das Boot am Schlunde des Seearms, wie Ihr es nennt, umkipptet, obgleich der arme Junge da, der schon mehr als halb ertrunken war, Euch aufmerksam machte, daß zuviel Segel aufgezogen wären; aber Ihr hattet das Segeltau an die Bank festgebunden, damit Ihr Eure Hände frei hattet, Eure Geige zu streichen.«

»Nie!« rief der Udallar, »das Segeltau festgebunden an die Bank? Eine ganz unseemännische Weise ist's, Claud Halcro!«

»Und der Erfolg war,« fuhr der Landbebauer fort, »daß der nächste Windstoß, – und die Pflegen hier zu Lande nicht lange auf sich warten zu lassen, – uns in die See tauchte. Herr Halcro bekümmerte sich um nichts als um die Rettung seiner Geige. Der arme Junge da schwamm wie ein Pudel, und ich kämpfte hart um mein Leben, so gut ich konnte, mit Hilfe eines Ruders; und – nun, da wurden wir – auf einen Mund groben Schiffszwiebacks angewiesen, der mehr nach Terpentin als sonst was schmeckte.«

»Mag Euch freilich schlimm angekommen sein und schlimm ankommen,« nahm jetzt Magnus Troil das Wort, »aber lieber wäre mir schon, Ihr sagtet, was Norna zu Eurem Geschäft bei ihr meinte?«

»Ja, das war eine andere saubere Geschichte,« antwortete Triptolemus, »sie wollte nichts von uns sehen noch hören: unsern Bekannten hier, Herrn Halcro, plagte sie mit einer Menge Fragen über Euch, Herr Magnus Troil, und Eure Familie; und als sie ihn ganz ausgeholt hatte, schien sie nicht wenig Lust zu haben, ihn wie eine leere Hülse über die Klippe zu werfen.«

»Und wie erging es Euch?« fragte der Udaller.

»Sie wollte nichts von meiner Geschichte hören, noch mich zu Worte kommen lassen,« erwiderte der Verwalter, »und das mögen sich diejenigen zur Lehre dienen lassen, die Hexen und Geisterbeschwörer befragen wollen.«

»Ihr hättet nicht nötig gehabt, Eure Zuflucht zu Nornas Weisheit zu nehmen, Herr Verwalter!« sagte Minna, vielleicht in der Absicht, den auf die Freundin, die ihr eben einen so großen Dienst geleistet, gemünzten Worten die Spitze abzubrechen, »das kleinste Kind auf Orkney hätte Euch sagen können, daß Zauberschätze, wenn sie nicht weise zum Besten anderer oder zum eigenen Nutzen verwendet werden, nicht lange in den Händen ihrer Besitzer weilen.«

»Ei, schönen Dank, Jungfer Minna, schönen Dank für den Wink,« entgegnete Triptolemus, – »und herzlich freut es mich, daß sich Euer Verstand – wollte sagen, Eure Gesundheit, wiedergefunden hat, – Was aber den Schatz betrifft, so habe ich ihn weder gebraucht, noch gemißbraucht, was auch, wie es jedem, der im Hause meiner Schwester bekannt ist, einleuchten wird, schwer gewesen wäre.«

»Der Verwalter,« sagte Halcro, vielleicht nicht abgeneigt, sich an Triptolemus wegen der abfälligen Reden über seine Seemannskunst zu rächen, »war so gewissenhaft, den Schatz selbst vor seinem Herrn, dem Lord-Kämmerer, geheim zu halten; jetzt aber, da die Sache laut geworden, kann er von diesem leicht zur Rechenschaft gezogen werden um dessen willen, was sich nicht mehr in seinen Händen befindet; denn der Lord-Kämmerer wird sich wohl kaum sehr beeilen, dieser Mär von einem Zwerge Glauben beizumessen. Auch meine ich –« (hier winkte er dem Udaller) – »Norna hat ihr ebensowenig geglaubt; und das ist auch ohne Zweifel der Grund gewesen zu dem kalten Empfange, den sie uns bereitete. Vielleicht hat sie gar gewußt, daß unser Freund, Herr Triptolem, für seinen Schatz einen andern heimlichen Winkel gefunden und die Mär mit dem Zwerge nur erfunden hat? Ich wenigstens verschließe mich dem Glauben, daß es einen Zwerg gibt, wie ihn Herr Yellowley beschrieben, solange bis ich mich mit meinen eigenen Augen von seiner Existenz überzeugt habe.«

»Das könnt Ihr auf der Stelle,« rief Triptolem, »denn beim« – (hier murmelte er eine kurze Beschwörungsformel, indem er voll Schrecken aufsprang) »dort steht er leibhaftig vor uns!«

Alle richteten die Augen auf die Stelle, wohin er zeigte, und erblickten Pacolets greuliche Gestalt, dessen Augen sie durch den Rauch hindurch anglotzen. Unbemerkt war er während ihrer Unterhaltung herzugeschlichen, bis ihn Triptolemus' Augen mit Entsetzen gewahrt hatten. In seiner jähen und unvermuteten Erscheinung lag etwas so geisterartiges, daß selbst Magnus Troil, dem doch seine Gestalt nicht fremd war, einige Bestürzung nicht unterdrücken konnte. – Aergerlich, sich solche, wenn auch nur geringe Blöße gegeben zu haben, und ergrimmt auf den Zwerg, die Veranlassung dazu gewesen zu sein, fragte Magnus denselben ernst, welches Geschäft ihn hierher führe? Pacolet gab Antwort auf diese Frage, indem er mit ein paar unverständlichen Tönen dem Udaller einen Brief zu lesen gab.

»Keine leichte Arbeit hier bei solch düsterer Flamme,« sagte Magnus, »aber es kann Minna betreffen, und so muß ich es schon versuchen.«

Brenda bot ihren Beistand an, aber der Udaller entgegnete: »Nein, nein, Mädchen! Nornas Briefe dürfen nur von denen gelesen werden, an die sie gerichtet sind. – Gebt unterdes dem Niklas Strumpher einen Schluck, obgleich er ihn heute eben nicht um mich verdient hat.«

»Wollt Ihr dem Herrn den Becher kredenzen, oder soll ich Ganymed sein, Freund Yellowley?« fragte Halcro leise den Verwalter, während Magnus die Brille aus dem großen Futteral zog und auf die Nase setzte, um Nornas Brief zu lesen.

»Ich möchte ihn weder berühren, noch nahe an ihn herantreten,« erwiderte der Ackerbauer, dessen Furcht keineswegs verschwunden war, obgleich er sah, daß die übrigen den Zwerg wie ein Wesen von Fleisch und Blut behandelten; »aber tut mir die Liebe und fragt, was er mit meinem Horn voll Münzen angefangen?«

Der Zwerg, der die Frage hörte, warf den dicken Kopf zurück, riß den ungeheuren Schlund von Mund auf und zeigte mit dem Finger hinein.

»Ja, wenn er es verschlungen hat, bleibt freilich nichts zu sagen,« meinte der Verwalter; »nur soll es ihm dann so gut bekommen, wie den Kühen der nasse Klee. Er steht in Nornas Diensten – nun ja, wie der Herr, so das Gescherr! Wenn aber Diebe und Hexen hierzulande ungestraft ihr Wesen treiben können, da mag sich der Lord Kämmerer einen anderen Verwalter suchen; ich bin gewohnt, in einem Lande zu leben, wo eines Mannes irdisches Gut vor Diebstahl, und seine unsterbliche Seele vor den Klauen des Satans geschützt sind.« –

Herr Yellowley ließ seinen Beschwerden vielleicht darum freien Lauf, weil Magnus Troil, der inzwischen Claud Halcro in einen andern Winkel der Hütte gezogen hatte, sie nicht hören konnte.

»Sagt mir aufrichtig, Freund Halcro!« fragte er, »was hat Euch nach Fitful-Head geführt? Das bloße Vergnügen, mit dem närrischen Kerle von Substitut zu reisen, ist doch der Grund nicht gewesen?«

»Nun denn, Vogt! wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt,« erwiderte Halcro, »ich wollte mit Norna über Eure Angelegenheiten reden.«

»Ueber meine Angelegenheiten?« fragte der Udaller, »und über welche?«

»Ei nun, über den Gesundheitszustand Eurer Tochter. Ich hörte, daß Norna Euren Boten abgewiesen habe, und in der Hoffnung, mehr bei Norna auszurichten – sind doch Skalden und weise Frauen von jeher gewissermaßen verwandt – unternahm ich die Reise.«

»Recht freundlich von Dir, gutherziger Claud,« sagte der Udaller, dem Sänger die Hand kräftig schüttelnd, – »Hab ich doch immer gesagt, daß Du Dein altnorwegisches Herz bei allem Geklimper und aller Torheit noch immer auf dem rechten Flecke behalten. Oho, zucke nicht die Achsel, sondern freue Dich vielmehr, daß Dein Herz besser ist als Dein Kopf. – Nun, und nicht wahr! Dir ward von Norna keine Antwort?«

»Nein, wenigstens keine rechte,« antwortete Halcro, »aber sie fragte mich über Minnas Krankheit aus; ich erzählte ihr, wie ich sie am frühen Morgen nach dem St. Johannisfeste bei eben nicht gutem Wetter im Freien getroffen, und wie ihre Schwester Brenda mir erzählt habe, daß sie sich den Fuß verletzt; – kurz, ich sagte ihr alles, was ich wußte.«

»Und etwas mehr noch, wie es scheint,« bemerkte der Udaller; »denn ich wenigstens habe noch mit keinem Worte gehört, daß Minna sich verletzte.«

»Bloß eine Schmarre,« erwiderte der kleine Mann; »ich fürchtete, es möchte sie ein giftiges Tier gebissen haben.«

»Und was sagte Norna?« fragte der Udaller.

»Sie hieß mich gehen und sagte, auf dem Markt in Kirkwall würde ich Näheres erfahren; und gleiches sagte sie auch zu dem Einfaltspinsel von Verwalter – das war alles, was wir von unserer Mühe und Arbeit hatten.«

»Seltsam!« entgegnete Magnus, »in diesem Briefe schreibt mir meine Muhme, daß ich mich mit meinen Töchtern ebenfalls dorthin begeben solle. Der Markt geht ihr arg im Kopfe herum, – man sollte meinen, sie wollte dort selbst Markt halten, und doch hat sie, so viel ich weiß, weder etwas zu kaufen noch zu verkaufen. Ihr ginget also nicht klüger fort, als Ihr hinkamt, und schluget bei der Mündung des Seearms mit dem Boote um?«

»Ja, dem war nicht abzuhelfen,« antwortete der Poet, »ich hatte den Jungen ans Steuer gesetzt, und da der Windstoß plötzlich vom Lande kam, blieb mir nicht Zeit, das Tau zu lösen, denn ich strich die Geige. Aber was tut's? Salzwasser schadet keinem Shetländer, wenn er nur wieder herauskommt. Gottlob! das Wasser war kaum mannshoch, und da wir die Hütte fanden, ward uns Schutz und Feuer, jetzt aber sind wir weit besser daran, da wir uns Eurer Gesellschaft und Eures Proviants erfreuen. – Aber es wird spät, und wir werden gut tun, uns zur Ruhe zu begeben; in der Kammer riecht's zwar etwas nach Fischen, aber der Geruch ist gesund.«

Am andern Morgen, nach einem ruhigen gesunden Schlafe, zog jeder seines Weges; aber Magnus Troil nahm Claud Halcros Versprechen mit, ihn nach Kirkwall zu begleiten.


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