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Vierzehntes Kapitel.

Darf ich des Schlafs gefäll'gem Auge traun,
So sagt der Traum mir, daß mir Freude nah';
Auf seinem Thron sitzt meines Herzens Herrscher,
Den ganzen Tag hob mich ein ungewohnter Geist
Empor mit fröhlichen Gedanken.

Romeo und Julia.

Die Mittheilung des unglücklichen Unternehmens Sir Arthur's hatte Oldbuck seinen Vorsatz, Lovel über die Ursache seines Aufenthalts in Fairport auszuforschen, etwas vergessen lassen. Jetzt aber beschloß er, den Gegenstand zu berühren. »Miß Wardour war Ihnen früher bekannt, wie sie mir sagte, Mr. Lovel?«

Lovel antwortete, »er habe das Vergnügen gehabt, sie bei Mrs. Wilmont in Yorkshire zu sehen.«

»Wirklich? Sie erwähnten dessen früher nie gegen mich, auch redeten Sie sie nicht als alte Bekannte an.«

»Ich – ich wußte nicht,« sagte Lovel in großer Verlegenheit, »daß es dieselbe Dame war, bis wir zusammenkamen; und alsdann war's meine Pflicht, zu warten, bis sie mich wieder erkennen würde.«

»Ich bin von Ihrem Zartgefühl überzeugt; der Ritter ist ein pedantischer alter Narr, aber ich geb' Ihnen die Versicherung, sie ist über unsinnige Ceremonien und Vorurtheile hinaus. Und nun, da Sie eine neue Schaar von Freunden hier gefunden haben, werden Sie Fairport doch wohl nicht so geschwind verlassen, als Sie erst beabsichtigten?«

»Wenn ich nun Ihre Frage durch eine andere beantwortete,« erwiederte Lovel, »und Sie fragte, was Sie von Träumen halten?«

»Von Träumen, ei Sie närrischer Mann! – was sollt' ich von ihnen halten, außer daß es Täuschungen der Einbildungskraft sind, wenn Vernunft ihr die Zügel schießen läßt? – Ich kenne keinen Unterschied zwischen ihnen und den Gesichten des Wahnsinns – in beiden Fällen stürzen die führerlosen Rosse mit dem Wagen hinweg, nur daß auf dem einen der Kutscher betrunken, auf dem andern aber schlafend ist. Was sagt unser Markus Tullius? – Si insanorum visis fides non est habenda, cur credatur somnientium visis, quae multo etiam perturbatiora sunt, non intelligo.«

»Ja, Sir, aber Cicero sagt auch, wer den ganzen Tag über den Speer werfe, müsse das Ziel doch einigemal treffen; so kann, unter dem Gewühl nächtlicher Träume, wohl auch einer vorkommen, der mit künftigen Ereignissen im Zusammenhang steht.«

»Ja – das soll heißen, Sie haben das Ziel nach ihrer eignen weisen Meinung getroffen? Gott! Gott! wie ist diese Welt der Thorheit anheimgegeben! Gut, ich will einmal die Kunst der Traumdeuterei gelten lassen – ich will ihr einmal Glauben schenken und sagen, es sei ein neuer Daniel aufgestanden, um Träume zu erklären, wofern Sie mir darthun können, daß der Ihrige Ihnen eine gescheidte Handlungsweise vorgezeichnet hat.«

»Dann sagen Sie mir,« antwortete Lovel, »warum, als ich überlegte, ob ich ein, vielleicht zu rasch begonnenes Unternehmen fortsetzen solle, warum ich da in letzter Nacht träumte, ich sähe Ihren Ahnherrn vor mir, der mir einen Wahlspruch zeigte, welcher mich zur Beharrlichkeit ermuthigte? Warum könnte ich an jene Worte gedacht haben, die ich vorher niemals hörte, die einer mir fremden Sprache angehören, und die mir gleichwohl, als sie übersetzt wurden, eine Lehre gaben, die so klar auf meine eignen Umstände anwendbar ist?«

Der Antiquar brach in ein lautes Lachen aus. »Entschuldigen Sie, mein junger Freund, aber wir närrischen Sterblichen täuschen uns nun einmal selbst, und schauen nach Beweggründen außer uns umher, die doch nur in unserm eigenen Willen entspringen. Ich denke Ihnen den Grund des Traumbildes nachweisen zu können. Sie waren gestern nach dem Essen so in Ihren Betrachtungen versunken, daß Sie dem Gespräch zwischen Sir Arthur und mir wenig Aufmerksamkeit schenkten, bis wir wegen der Pikten in Streit geriethen, welcher dann so kurz abgebrochen wurde. Ich erinnere mich jedoch, Sir Arthur ein von meinem Ahnherrn gedrucktes Buch gezeigt und auf das Motto aufmerksam gemacht zu haben; Ihr Geist war mit andern Dingen beschäftigt, aber mechanisch vernahm und behielt Ihr Ohr die Worte, und Ihre geschäftige Phantasie, durch Grizzel's Geschichten aufgeregt, hat dann wahrscheinlich den deutschen Spruch in Ihren Traum verwebt. Wenn aber die wache Weisheit von einem so thörichten Umstand die Rechtfertigung des Beharrens auf einem Pfade herleitet, für dessen Entschuldigung sie keinen bessern Grund finden konnte, so ist dies nur eine jener Narrenspossen, welche auch die Weisesten unter uns dann und wann spielen, um unsre Neigungen auf Kosten unsers Verstandes zu befriedigen.«

»Ich geb' es zu,« sagte Lovel tief erröthend, »ich glaube, Sie haben Recht, Mr. Oldbuck, und ich werde in Ihrer Achtung sinken, daß ich auch nur einen Augenblick Gewicht auf einen so nichtigen Umstand legte; aber ich ward von widerstreitenden Wünschen und Entschlüssen geplagt, und Sie wissen, welche dünne Leine ein Boot ziehen kann, wenn's einmal flott auf den Wellen ist, obwohl es auf dem Strande kaum durch ein Tau in Bewegung gesetzt werden kann.«

»Richtig, richtig,« rief der Antiquar; »in meiner Achtung sinken? ganz und gar nicht. Um so lieber sind Sie mir, Mann! Ei, wir können jetzt mit einander aufheben, und ich kann mit weniger Beschämung daran denken, mir mit dem verfluchten Prätorium eine Blöße gegeben zu haben; gleichwohl bin ich noch immer überzeugt, daß Agricola's Lager in der Nähe gewesen sein muß. Und nun, Lovel, mein guter Freund, seien Sie aufrichtig gegen mich – warum fern von Wittenberg? warum ließen Sie Ihre Heimath und Ihren Beruf, um müßig an einem Orte, wie Fairport, zu leben? – Eine Neigung zum Müßiggang, fürcht' ich.«

»Freilich,« erwiederte Lovel, sich geduldig einem Verhör unterziehend, dem er nicht wohl ausweichen konnte; »und doch bin ich so abgezogen von aller Welt, habe so wenige, für die ich mich interessire oder die Theil an mir nehmen, daß mir gerade mein Zustand der Verlassenheit Unabhängigkeit gibt. Er, den sein Glück oder Mißgeschick allein berührt, hat auch das beste Recht, demselben nach seiner Laune zu folgen.«

»Verzeihn Sie, junger Mann,« sagte Oldbuck, ihm die Hand freundlich auf die Schulter legend, während er förmlich stehen blieb – » Sufflamina – ein Bischen Geduld, wenn's gefällig ist. Ich will annehmen, daß Sie keine Freunde haben, die Ihr Lebensglück theilen oder sich darüber freuen könnten, daß Sie nicht auf solche zurückblicken können, denen Sie Dank schuldig sind, oder vorwärts auf solche, von denen Sie Unterstützung zu erwarten haben; – aber trotzdem dürfen Sie nicht minder standhaft auf dem Pfade der Pflicht wandeln: denn Ihre Thätigkeit gehört nicht blos der Gesellschaft, sondern in bescheidener Dankbarkeit auch dem Wesen, welches Sie zu einem Mitgliede jener machte und mit Kräften ausrüstete, um sich selbst und Andern zu dienen.«

»Aber ich weiß nichts davon, daß ich solche Kräfte besitze,« sagte Lovel etwas ungeduldig; »ich verlange von der Gesellschaft nichts, als die Erlaubniß, harmlos den Pfad des Lebens gehn zu dürfen, ohne andre zu stören, oder mich stören zu lassen. – Keinem Menschen bin ich etwas schuldig – ich habe die Mittel, mich selbst in vollkommener Unabhängigkeit zu erhalten, und meine Wünsche sind in dieser Hinsicht so mäßig, daß selbst jene Mittel, obwohl beschränkt, eher zu weit reichen, als zu gering sind.«

»Nun,« sagte Oldbuck, seine Hand zurückziehend und weitergehend, »wenn Sie ein so ächter Philosoph sind, und Geld genug zu haben meinen, so läßt sich nichts weiter sagen. Ich kann mir das Recht nicht anmaßen, Ihr Rathgeber zu sein. Sie haben die Akme – den Gipfel der Vollkommenheit erreicht. – Und wie kam Fairport dazu, zum Aufenthalt eines sich so selbst verläugnenden Philosophen erwählt zu werden? Es ist, wie wenn ein Verehrer der wahren Religion seinen Stab freiwillig unter die manchfachen Götzendiener des Landes Aegypten gesetzt hätte. Kein Mensch lebt in Fairport, der nicht ein Anbeter des goldenen Kalbes wäre – des ungerechten Mammons! Ja, ich selber bin durch die böse Nachbarschaft so angesteckt worden, daß ich mich manchmal geneigt fühle, selbst ein Götzendiener zu werden.«

»Da meine Hauptunterhaltungen literarischer Art sind,« antwortete Lovel, »und Umstände, die ich nicht nennen kann, mich veranlaßt haben, den Dienst in der Armee, wenigstens für eine gewisse Zeit, zu verlassen, so habe ich Fairport gewählt, als einen Ort, wo ich meinen Bestrebungen folgen kann, ohne durch die Gesellschaft davon abgezogen zu werden, welches in gebildeteren Kreisen wohl der Fall sein könnte.«

»Aha!« erwiederte Oldbuck schlau, »– ich fange an, ihre Anwendung des Wahlspruchs meines Ahnherrn zu verstehen – Sie bewerben sich um die öffentliche Gunst, obwohl nicht auf die Weise, wie ich anfangs vermuthete, – Sie wünschen als literarischer Charakter zu glänzen und hoffen, durch Arbeit und Beharrlichkeit Gunst zu erwerben?«

Lovel, der sich durch die Forschungen des alten Herrn etwas belästigt fühlte, hielt es für's Beste, ihn in dem Irrthum zu lassen, in den er zufällig gerathen war.

»Ich bin zuweilen thöricht genug gewesen,« sagte er, »Gedanken dieser Art zu nähren.«

»O, armer Mann! nichts kann trauriger sein; außer, Sie hätten sich, wie junge Männer zuweilen thun, in ein unnützes Weibsstück verliebt, was allerdings, wie Shakspeare sehr richtig sagt, auf einmal zu Tode gedrückt, gehängt, gepeitscht werden heißt.«

Er setzte seine Fragen nun fort, war jedoch öfters artig genug, sie selber zu beantworten. Denn der gute alte Herr hatte bei seinen antiquarischen Forschungen die Gewohnheit liebgewonnen, auf Voraussetzungen, die oft gar keinen genügenden Grund dazu hergeben konnten, große Gebäude aufzuführen; und da er, wie der Leser bemerkt haben muß, ziemlich rechthaberisch war, so ließ er sich nicht gern, weder in Thatsachen noch in Ansichten, zurechtweisen, auch nicht einmal von denen, welche bei dem, was er behauptete, vorzüglich betheiligt waren. So begann er nun auch, Lovel seine literarische Laufbahn vorzuzeichnen.

»Und womit gedenken Sie als Gelehrter zuerst aufzutreten? – aber ich errathe – Poesie – Poesie – die holde Verführerin der Jugend ist's! Ja! eine bescheidene Verwirrung in Ihrem Blick und Benehmen sagt mir, daß ich recht habe. Und wohin neigt sich Ihre poetische Ader? Wollen Sie die höhern Regionen des Parnassus erfliegen, oder wollen Sie um den Fuß des Berges flattern?«

»Ich habe mich bisher nur mit wenigen lyrischen Sachen versucht,« sagte Lovel.

»Ganz wie ich vermuthete – die Flügel probiren und von Zweig zu Zweig hüpfen. Aber ich glaube doch, Sie beabsichtigen einen kühnern Flug? Hören Sie an, ich möcht' Ihnen keineswegs rathen, bei dieser unvortheilhaften Bestrebung zu verharren – aber Sie sagen, Sie wären ganz unabhängig von der Laune des Publikums?«

»Allerdings,« erwiederte Lovel.

»Und sind entschlossen, keine thätigere Lebensweise zu beginnen?«

»Für jetzt ist dies allerdings mein Entschluß,« antwortete der junge Mann.

»Nun, dann bleibt mir nichts übrig, als Ihnen bei der erwählten Beschäftigung meinen besten Rath und Beistand zu leihen. Ich habe selbst zwei Abhandlungen im antiquarischen Repertorium veröffentlicht, und habe also als Schriftsteller Erfahrung. Die eine davon waren meine Bemerkungen über Hearne's Ausgabe des Robert von Gloucester, unterzeichnet mit Scrutator; und die andere, mit Indagator unterzeichnet, betrifft eine Stelle beim Tacitus. Ich könnte noch etwas nennen, was zu seiner Zeit ziemliches Aufsehen machte, nämlich mein Aufsatz im Gentlemans-Magazine über die Inschrift Aelia Lelia, den ich mit Oedipus unterzeichnete. Sie sehen also, daß ich kein Lehrling in den Mysterien der Autorschaft bin, und nothwendigerweise den Geschmack und die Stimmung der Zeiten verstehen muß. – Und nun noch einmal, womit gedenken Sie anzufangen?«

»Für den Augenblick beabsichtige ich nicht, etwas zu veröffentlichen.«

»Ach! damit geht es nicht; Sie müssen bei Allem, was Sie anfangen, das Publikum vor Augen haben. Lassen Sie sehn – eine Sammlung flüchtiger Poesien – doch nein – dergleichen kann beim Buchhändler Bedenklichkeiten machen. – Es muß zugleich etwas Solides und auch Anziehendes sein – keiner von den jetzigen Romanen oder seltsamen Novellen – ich würd' Ihnen rathen, gleich mit etwas Großem, Tüchtigem zu beginnen. Lassen Sie mich sehen: – was meinen Sie zu einem großen Epos? Das lange, altmodische Gedicht, welches sich hinbewegt durch zwölf oder vier und zwanzig Gesänge – das wollen wir behalten – ich will Sie mit einem Gegenstande versorgen – die Schlacht zwischen den Caledoniern und Römern: die Caledoniade; oder, der zurückgewiesene Einfall – so lassen Sie den Titel sein – es wird dem jetzigen Geschmacke zusagen und Sie können auch einigermaßen auf die Zeit anspielen.«

»Aber der Einfall Agricola's ward nicht zurückgewiesen.«

»Nein; aber Sie sind ein Dichter, frei von historischer Strenge und so wenig an Wahrheit und Wahrscheinlichkeit gebunden, wie Virgil selbst. Trotz Tacitus können Sie die Römer schlagen.«

»Und Agricola's Lager aufschlagen auf dem Kaim von – wie nannten Sie's doch? – trotz Edie Ochiltree?« antwortete Lovel.

»Nichts mehr davon, wenn du mich liebst; und gleichwohl darf ich sagen, Sie können, ohn' es zu wissen, in beiden Fällen vollkommen die Wahrheit reden, trotz der Toga des Historikers und trotz dem blauen Kittel des Bettlers.«

»Trefflich gerathen! Nun gut, ich will mein Bestes thun. Sie werden mich freundlich mit Nachrichten hinsichtlich der Oertlichkeit unterstützen.«

»Das bedarf keiner Frage, Freund! ja, ich will die kritischen und historischen Noten zu jedem Gesange schreiben, und selbst den Plan der Geschichte entwerfen. Ich habe einiges poetische Talent, Mr. Lovel, nur war ich nie im Stande, Verse zu schreiben.«

»Es ist Schade, Sir, daß Ihnen eine Gabe abging, die wesentlich zur Kunst gehört.«

»Wesentlich? gar nicht! das ist nur das Mechanische dabei. Es kann ein Mann Dichter sein, ohne Spondäen und Daktylen zu messen, gleich den Alten, oder das Ende der Zeilen zu reimen, wie die Neuen, ebenso gut, wie einer Architekt sein kann, obwohl er nicht im Stande ist, wie ein Steinmetz zu arbeiten. Glauben Sie, daß Palladius oder Vitruvius je ein Kalkfaß trugen?«

»Wenn es so ist, so sollten stets zwei Autoren ein Gedicht ausarbeiten; einer um zu denken und zu erfinden, der andere, um es äußerlich auszuführen.«

»Nun, das würde gar nicht übel sein; wir wollen jedenfalls den Versuch machen. Nicht, als ob ich meinen Namen öffentlich zu nennen wünschte – der Beistand eines gelehrten Freundes könnte nur, ganz wie es Ihnen gefiele, in der Vorrede anerkannt werden – schriftstellerische Eitelkeit ist mir völlig fremd.«

Lovel ergötzte sich sehr an einer Erklärung, welche nicht sehr mit dem Eifer übereinstimmte, womit sein Freund die Gelegenheit, vor das Publikum zu treten, zu ergreifen schien, obwohl dies auf eine Weise geschah, als wolle er lieber hinten auf den Wagen, als hineinsteigen. Der Antiquar war in der That ungewöhnlich heiter; denn gleich vielen andern Männern, die ihr Leben im Verborgenen mit wissenschaftlichen Forschungen zubringen, wünschte er im Stillen gar sehr, sich gedruckt zu sehn; und nur gelegentlicher Mangel an Selbstvertrauen, Furcht vor der Kritik, und zur Gewohnheit gewordene Trägheit und stetes Aufschieben hatten ihn bisher daran verhindert. Ich kann aber, dachte er, wie ein zweiter Teucer, meine Pfeile hinter dem Schild meines Verbündeten abschießen; und sollte er sich nicht als ein Poet ersten Ranges erweisen, so bin ich auf keine Weise für seine Mängel verantwortlich, und die guten Noten werden wahrscheinlich einem unbedeutenden Texte aufhelfen. – Aber er ist – er muß ein guter Dichter sein – er hat die ächte parnassische Zerstreuung – selten beantwortet er eine Frage, als bis sie zweimal wiederholt ist – seinen Thee trinkt er siedend und ißt, ohne zu wissen, was er in den Mund steckt. Das ist der wahre aestus, das Awen der altenglischen Barden, der Divinus afflatus, der den Dichter über die Gränzen der sublunarischen Dinge erhebt. Auch seine Träume haben ganz die poetische Wildheit. Ich muß doch Caxon auftragen, daß er Achtung gibt, ob er Nachts sein Licht auslöscht – Poeten und Träumer sind immer nachlässig in dieser Hinsicht. – Nun begann er, sich wieder an seinen Gefährten wendend, laut seine Gedanken auszusprechen.

»Ja, mein lieber Lovel, Sie sollen Noten in Menge haben; und wirklich, ich denke, wir können den ganzen Aufsatz über Lagerbefestigung dem Appendix einverleiben. Das wird dem Werke großen Werth geben. Dann wollen wir auch die guten alten Formen wieder anwenden, die in neuern Zeiten so heillos vernachlässigt werden. – Sie müssen die Muse anrufen. Und sicherlich muß sie einem Autor günstig sein, der in einem abtrünnigen Zeitalter, mit der Glaubenstreue eines Abdiel, noch der alten Form der Anbetung huldigt. Sodann müssen wir ein Traumgesicht haben, worin der Genius Caledoniens dem Galyacus erscheint und ihm eine Procession der ächten schottischen Monarchen zeigt. In den Noten werd' ich dem Boethius einen Hieb geben – doch nein, ich will diesen Punkt nicht berühren, da nun Sir Arthur außerdem wahrscheinlich schon genug Noth haben wird. Aber ich will Ossian, Macpherson und Maccribb vernichten.«

»Aber wir müssen auch die Kosten der Ausstattung erwägen,« sagte Lovel, der gern probiren wollte, ob diese Andeutung nicht wie kaltes Wasser auf den feurigen Eifer seines freiwilligen Helfers fallen werde.

»Kosten!« sagte Mr. Oldbuck, innehaltend, und mechanisch in die Tasche greifend. »Das ist wahr – ich würde gern etwas thun – aber Sie wollen es wohl nicht gern auf Subscription herausgeben?«

»Auf keinen Fall,« antwortete Lovel.

»Nein, nein!« stimmte der Alterthümler bei. »Das ist nicht anständig. – Ich will Ihnen was sagen; ich denke, ich kenne einen Buchhändler, der etwas auf meine Meinung gibt, und Druck und Papier dranwagen wird; auch will ich so viel Exemplare für Sie verkaufen, als ich nur immer kann.«

»O, ich bin kein Lohnschriftsteller,« antwortete Lovel lächelnd; »ich wünsche nur den Verlust zu decken.«

»Still, still! dafür wollen wir sorgen. Alles schieben wir dem Verleger auf den Hals. Mich verlangt, Ihre Arbeiten begonnen zu sehn. Sie werden doch reimlose Verse wählen? es läßt das großartiger und edler für einen historischen Gegenstand; und außerdem, Freund, denk' ich auch, daß es ziemlich leichter ist.«

Mit dieser Unterhaltung langten sie in Monkbarns an, wo den Alterthümler eine Scheltrede von Seiten seiner Schwester erwartete, die, obwohl kein Philosoph, ihn doch unter der Thür erwartete, um ihm eine Vorlesung zu geben. »Mein Himmel! Monkbarns, ist nicht ohnehin Alles theuer genug, daß du auch noch die Fische theurer machst, weil du der alten Betrügerin, der Luckie Mucklebackit, gibst, was ihr zu fordern gefällt?«

»Ei, Grizzel,« sagte der Weise, etwas überrascht von diesem unerwarteten Angriff, »ich glaubte, recht wohlgethan zu haben.«

»Wohlgethan! wenn du der Landstreicherin gerade die Hälfte von dem gibst, was sie fordert. – Wenn du ein Topfgucker sein und die Fische selber kaufen willst, so solltest du nie mehr als den vierten Theil geben. Und die Unverschämte ist auch noch frech genug, heraufzukommen, und einen Schnaps zu verlangen – nun, ich denke, Jenny und ich, wir haben ihr den Weg gehörig gewiesen!«

»Wirklich,« sagte Oldbuck, mit einem schlauen Blick auf seinen Gefährten, »ich glaube, es ist gut für uns gewesen, daß wir weit genug von diesem Streit entfernt waren. – Nun gut, Grizzel, ich habe mich einmal geirrt in meinem Leben – ultra crepidam – ich gebe das gern zu. Aber laß die Sache ruhen – Sorge tödtet auch eine Katze – wir wollen die Fische essen, kosten sie, was sie wollen. – Und Sie, Lovel, müssen wissen, daß ich auf Ihr heutiges Hierbleiben um so mehr bestehe, weil unsre Tafel heute besser als gewöhnlich bestellt sein wird: – gestern war ein Freudentag – ich habe jedoch immer ein Nachfest lieber, als das Fest selbst. Ich liebe die analecta, die collectanea, wie ich sie nennen möchte, vom Essen des vorigen Tages, die bei solchen Gelegenheiten aufgetragen werden – und sehen Sie, dort geht so eben Jenny, um die Speiseglocke zu ziehen.«


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