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Sechstes Kapitel

Moth. Beim Sachsengotte Wodan
Nach welchem Wodanstag, Mittwoch, benannt ist: –
Die Wahrheit ist ein Ding, woran ich halte,
Bis zu dem dunklen Tag, an welchem ich
In's Grab muß steigen – –

Cartwright's Geistlicher.

Unser junger Freund, Lovel, der eine gleichartige Einladung erhalten hatte, kam, genau der bezeichneten Stunde gemäß, fünf Minuten vor vier Uhr am 17. July in Monkbarns an. Der Tag war äußerst schwül gewesen und zuweilen waren große Regentropfen gefallen, obwohl der drohende Platzregen noch nicht eingetreten war.

Mr. Oldbuck empfing den Gast an der Pilgerpforte in seinem vollständig braunen Anzuge, silbergrauen Strümpfen und der Perücke, die der alte Caxon mit aller Kunstfertigkeit gepudert hatte; da derselbe schon im Voraus die Mahlzeit roch, hatte er dafür gesorgt, daß sein Werk nicht eher, als bis kurz vor Essenszeit, fertig wurde.

»Sie sind willkommen bei meinem Symposium, Mr. Lovel; und nun lassen Sie sich meinem unnützen Gesindel, wie Tom Otter sagt, vorstellen; meinem heillosen und schädlichen Weibsvolk – den malis bestiis, Mr. Lovel.«

»Ich würde mich zu meinem Bedauern geirrt haben, Sir, wenn ich nicht fände, daß die Damen Ihren Tadel durchaus nicht verdienen.«

»Larifari, Mr. Lovel, – (beiläufig gesagt, die Erklärer leiten dies Wort sehr verschiedenartig ab,) – Larifari, sag' ich, keine Komplimente. Sie werden ganz gewöhnliche Weibsbilder in ihnen finden – aber hier sind sie, Mr. Lovel. Ich stelle Ihnen daher, in geziemender Ordnung, meine sittsame Schwester Griselda vor, welche die Einfachheit sowohl, als die Geduld verschmäht, die sich mit dem bescheidenen alten Namen Grizzel vereint; und sodann meine ganz vortreffliche Nichte Maria, deren Mutter Maria, und zuweilen auch Molly hieß.«

Die ältere Dame rauschte in Seide und Atlas und trug auf dem Kopf einen Bau, wie ihn der Damenkalender für's Jahr 1770 zeigt – ein treffliches Werk der Architektur – ganz wie ein modernes gothisches Schloß, wobei die Locken für Thürmchen, die Haarnadeln für chevaux de frize, und die Flügel für Fahnen gelten konnten.

Das Gesicht, welches, gleich den alten Statuen der Vesta, so reichlich von Thürmen gekrönt ward, war breit und lang, an Nase und Kinn spitzig, und zeigte außerdem eine so außerordentliche Aehnlichkeit mit der Physiognomie des Mr. Jonathan Oldbuck, daß Lovel, hätten sie nicht zugleich vor ihm gestanden, wie Sebastian und Viola in der letzten Scene des »Dreikönigabends,« leicht hätte glauben können, die Gestalt vor ihm sei sein alter Freund, der sich in einen Weiberanzug gesteckt habe. Ein alterthümliches, geblümtes, seidenes Gewand schmückte die außerordentliche Person, welcher dieser unvergleichliche Kopfputz gehörte, von dem ihr Bruder immer zu sagen pflegte, er passe mehr als Turban für Mahom oder Termagant, denn als Kopfputz für ein vernünftiges Geschöpf oder ein christliches Frauenzimmer. Zwei lange und knochige Arme waren am Ellbogen mit dreifachen Spitzenmanschetten versehn, und da sie auf der Brust kreuzweis gefaltet und mit Handschuhen von blendend hellrother Farbe geschmückt waren, so hatten sie keine geringe Aehnlichkeit mit zwei Riesenkrebsscheren. Schuh' mit hohen Absätzen und ein kurzer seidener Mantel, mit eleganter Nachlässigkeit über die Schultern geworfen, vollendeten das Aeußere der Miß Griselda Oldbuck.

Ihre Nichte, dieselbe, die Lovel bei seinem ersten Besuche flüchtig gesehn hatte, war ein artiges junges Mädchen, gefällig nach der Mode des Tages gekleidet, mit einer schalkhaften Miene, die ihr recht wohl stand und die vielleicht ihren Ursprung in dem kaustischen Humor hatte, welcher der Familie ihres Oheims eigenthümlich war, obwohl bei ihr schon bedeutend gemildert.

Mr. Lovel bezeigte beiden Damen seine Aufmerksamkeit; die ältere erwiederte dieselbe mit den weitschweifigen Komplimenten vom Jahr 1760, jener regelrechten Periode,

Wo während eines Gratias
Wohl eine halbe Stunde schwand;

die jüngere aber antwortete moderner Sitte gemäß, wozu sie, gleich dem neuern Geistlichen zu seinem Tischgebet, weit weniger Zeit brauchte.

Während man Komplimente austauschte, hatte Sir Arthur, seine schöne Tochter am Arm führend, den Wagen verlassen, sich der Gartenthür genähert und den Damen gebührend seine Achtung bewiesen.

»Sir Arthur,« sagte der Alterthümler, »und Sie, meine schöne Feindin, gestatten, daß ich Sie mit meinem jungen Freunde Mr. Lovel bekannt mache, einem Herrn, welcher, während das Scharlachfieber jetzt epidemisch auf unserer Insel herrscht, die Tugend und Bescheidenheit hat, in einem Civilkleide zu erscheinen. Sie sehen indeß, daß jene Modefarbe, welche an seinen Kleidern nicht sichtbar ist, ihm doch die Wangen gefärbt hat. Sir Arthur, lassen Sie sich einen jungen Herrn vorstellen, den Sie bei näherer Bekanntschaft ernst, klug, höflich, lernbegierig, wohlbewandert, sehr belesen und völlig eingeweiht in alle Geheimnisse der Bühne, seit den Tagen des Davie Lindsay bis auf Dibdin herab, finden werden – schon wieder erröthet er, und das ist ein Zeichen der Anerkennung.«

»Mein Bruder,« sagte Miß Griselda, sich an Lovel wendend, »hat eine seltsame Weise, sich auszudrücken, Sir; Niemand achtet übrigens auf das, was Monkbarns sagt – daher bitt' ich, kümmern Sie sich nicht um seinen Unsinn; aber Sie haben gewiß von der Sonnenhitze gelitten, während Sie hieher kamen – wollen Sie nicht etwas zu sich nehmen? ein Glas Kräuterwein?«

Bevor Lovel antworten konnte, mischte sich der Antiquar hinein. »Fort mit dir, Hexe! willst du meine Gäste mit deinen höllischen Decocten vergiften? Weißt du nicht mehr, wie es dem Geistlichen ging, den du verführtest, von dem trügerischen Getränk zu genießen?«

»O pfui! pfui! Bruder – Sir Arthur, hörten Sie je dergleichen? – Er will Alles nach seiner eignen Art machen, oder er erdenkt solche Geschichten; – Aber da geht so eben Jenny um die alte Glocke zu ziehen, zum Zeichen, daß angerichtet ist.«

Bei seiner strengen Sparsamkeit hielt Mr. Oldbuck keine männliche Dienerschaft. Er versteckte dies unter dem Vorwande, daß das männliche Geschlecht zu edel sei, um zu solchen Geschäften persönlicher Dienstleistung gebraucht zu werden, welche stets, in allen frühern Perioden der Gesellschaft, nur vom Weibe verrichtet wurden. »Warum,« pflegte er zu sagen, »warum stahl der Knabe, Tam Rintherout, den ich auf meiner weisen Schwester Antrieb mit gleicher Weisheit zur Probe annahm – warum stahl er Aepfel, warum nahm er Vogelnester aus, warum zerbrach er Gläser und warum entwandte er zuletzt meine Brille – doch nur, weil er den edlen Eifer in sich fühlte, welcher die Brust des Mannes hebt, welcher ihn nach Flandern mit einer Muskete auf der Schulter führte, und ihm sicherlich noch zu einer ruhmvollen Sergeantenstelle, oder vielleicht gar zu dem Galgen verhilft? Und warum bewegt sich jenes Mädchen, seine Schwester, Jenny Rintherout, in demselben Berufe mit sicherem, geräuschlosem Schritte – beschuht und unbeschuht, – sanft und leise wie eine Katze und gelehrig wie ein Spürhund? Warum? nur weil sie an ihrer gebührenden Stelle ist. Sie mögen uns bedienen, Sir Arthur, – sie mögen uns bedienen, sag' ich, – das ist das Einzige, wozu sie taugen. Alle alten Gesetzgeber, von Lycurgus bis auf Mahommed, fälschlich Mahomet genannt, stimmen darin überein, daß sie den Weibern ihren eigentlichen untergeordneten Rang anweisen, und nur die verrückten Köpfe unsrer alten ritterlichen Vorfahren sind es, welche ihre Dulcineen zu despotischen Prinzessinnen erhoben.«

Miß Wardour protestirte laut gegen diese ungalante Lehre; aber jetzt erscholl die Glocke zum Essen.

»Lassen Sie mich all' die Pflichten der Höflichkeit gegen eine so schöne Gegnerin üben,« sagte der alte Herr, ihr den Arm bietend. »Ich besinne mich, Miß Wardour, daß Mahommed (gemeinhin Mahomet gesprochen,) seine Bedenklichkeiten über die Art hatte, wie er seine Moslemin zum Gebet rufen solle. Er verwarf Glocken, weil sich die Christen ihrer bedienten, Trompeten, weil sie von den Gebern gebraucht wurden, und am Ende wählte er die menschliche Stimme. Ich habe gleiche Bedenklichkeiten darüber, wie ich zu Tische rufen lassen soll. Handtrommeln [ gongs], wie man sie jetzt anwendet, scheinen mir eine neue, nichtige und überdies heidnische Erfindung, und die Stimme eines Weibes verwerfe ich als zu gellend und übeltönend; darum habe ich, im Gegensatz zu besagtem Mohammed oder Mahomet, die Glocke eingeführt. Sie war übrigens dem Orte eigenthümlich, denn sie rief die Mönche in's Refectorium, und überdies hat sie den Vorzug vor der Zunge des Premierministers meiner Schwester, der Jenny, daß sie, obwohl nicht ganz so laut und gellend, doch im Augenblick schweigt, sobald man den Strang losläßt; hingegen wissen wir aus trauriger Erfahrung, daß ein Versuch, Jenny zum Schweigen zu bringen, blos die Miß Oldbuck und Mary M'Intyre veranlaßt, im Chorus mit einzustimmen.«

Während dieser Rede ging er nach dem Speisezimmer voran, welches Lovel noch nicht gesehn hatte; es war getäfelt und enthielt einige merkwürdige Gemälde. Jenny wartete bei der Tafel auf. Eine alte Oberaufseherin aber, eine Art Kellnerin, stand am Schenktische und unterzog sich der Bürde, einige strenge Vorwürfe Oldbuck's und einige Andeutungen seiner Schwester hinzunehmen, die zwar nicht so derb, aber nicht weniger schneidend waren.

Das Mahl war ganz so, wie es sich für einen Alterthumsforscher von Fach paßte und bot manche schmackhafte schottische Gerichte, welche freilich auf dem Tische modischer Leute außer Gebrauch gekommen sind. Hier fand sich die köstliche Solansgans, deren Duft so kräftig ist, daß man sie nie im Hause kocht. Bei gegenwärtiger Gelegenheit war sie noch halbroh, so daß Oldbuck drohte, er werde die fette Seegans der nachlässigen Hausverwalterin, welche als Priesterin das duftende Opfer herreichte, an den Kopf werfen. Zum Glück war ihr das Allerlei trefflich gerathen, welches man einstimmig als unnachahmlich pries. »Ich wußte, daß sie hier Ehre einlegen würde,« sagte Oldbuck jubelnd, »denn Davie Dibble, der Gärtner, (ein alter Junggeselle, wie ich selbst,) gibt wohl darauf Acht, daß die abscheulichen Weiber unsre Küchengewächse nicht ruiniren. Und hier ist Fisch und Sauce und Pastetchen – ich muß gestehn, daß unsre Weibsbilder in diesem Gerichte excelliren – und überdies haben sie dabei das Vergnügen, wöchentlich zweimal wenigstens eine halbe Stunde mit unserm Fischweibe, der alten Maggy Mucklebackit klatschen zu können. Die Hühnerpastete, Mr. Lovel, ist nach einem Recepte bereitet, welches mir meine verstorbene Großmutter, seligen Andenkens, hinterließ. Und wenn Sie ein Glas Wein versuchen wollen, so werden Sie finden, daß er eines Mannes würdig ist, der es mit der Regel des Königs Alphons von Kastilien hält: – Altes Holz zum Brennen, alte Bücher zum Lesen, alten Wein zum Trinken, und alte Freunde, Sir Arthur – ja, Mr. Lovel, auch junge Freunde, zur Unterhaltung.«

»Und was bringen Sie uns Neues von Edinburg, Monkbarns?« sagte Sir Arthur; »wie geht es in dem alten Rauchneste?«

»Toll, Sir Arthur, toll – ganz und gar wahnsinnig – da hilft kein in's Meer tauchen, kein Haarabscheren und kein Nießwurztrinken. Die schlechteste Art des Wahnsinns, der militärische Wahnsinn, hat Männer, Weiber und Kinder befallen.«

»Und dazu ist's hohe Zeit, sollt' ich denken,« sagte Miß Wardour, »da uns ein feindlicher Einfall von Außen, und Aufruhr im Innern droht.«

»O, ich wußte wohl, Sie würden sich mit dem scharlachrothen Feinde gegen mich verbinden – Frauen, wie Truthühner, werden stets durch einen rothen Lappen gereizt – aber was sagt Sir Arthur, der von stehenden Heeren und deutschem Drucke träumt?«

»Nun, ich sage, Mr. Oldbuck,« erwiederte der Ritter, »daß, so weit ich urtheilen kann, wir cum toto corpore regni Widerstand leisten müssen, – so heißt ja wohl die Phrase, wofern ich nicht all mein Latein vergessen habe, – Widerstand einem Feinde, der da kommt, um uns eine Whigregierung, eine Art Republik aufzudringen, und der von wahnsinnigen Menschen der schlimmsten Art im Herzen unsers eignen Landes unterstützt und gefördert wird. Ich sag' Ihnen, ich habe bereits einige Maßregeln genommen, wie sie meiner Stellung in der Grafschaft entsprechen; denn ich habe die Constables angewiesen, den alten landstreicherischen Bettler, Edie Ochiltree, aufzugreifen, weil er Mißvergnügen gegen Kirche und Staat im ganzen Kirchspiele zu verbreiten strebt. Er sagte offen und frei zum alten Caxon, daß Willie Howie's Kappe mehr Verstand bedecke, als alle drei Perücken im Kirchspiel zusammen – ich denke, es ist leicht, diesen Wink zu deuten; aber wir wollen den Burschen bessere Sitten lehren.«

»O, nein, mein lieber Vater,« rief Miß Wardour, »nicht den alten Edie, den wir so lange kennen – ich sage dir, der Constable, der ihn verhaftet, wird von mir nicht wieder freundlich angesehn.«

»Ah, steht es so,« sagte der Antiquar; »Sie, Sir Arthur, ein eifriger Tory, haben einen hübschen jungen Sprößling von Whig in Ihrem Busen genährt – nun, Miß Wardour vermag allein eine Sitzung des Landgerichts zu regieren – ja, was sag' ich? einer ganzen Generalversammlung der Grafschaft! Eine Boadicea ist sie – eine Amazone, eine Zenobia.«

»Und bei all' meinem Muthe, Mr. Oldbuck, hör' ich's doch mit Vergnügen, daß unsre Leute zu den Waffen greifen.«

»Zu den Waffen, nun, Gott segne Sie! Lasen Sie nie die Geschichte von Margarete? sie entsprang aus einem Kopfe, der, obwohl arm und ergraut, doch mehr Verstand und politische Klugheit besitzt, als in unsern Tagen eine ganze Synode. Erinnern Sie sich an den Traum der Amme in jenem köstlichen Werke, den sie dem Hubble Bubble in der Todesangst erzählt? Wie sie im Traume ein Stück Leinwand aufheben wollte, zerplatzte es plötzlich, gleich einer eisernen Kanone. Streckte sie die Hand nach einer Spindel aus, so erblickte sie dieselbe alsbald in Gestalt einer Pistole. Was ich in Edinburg sah, hat damit viel Aehnlichkeit. Ich ging zu meinem Advokaten; er war in Dragoneruniform, behelmt und gegürtet, und eben im Begriff, sich auf sein Pferd zu setzen, das der Schreiber, welcher Scharfschützenuniform trug, vor der Thür auf und ab führte. Ich suchte nun meinen Agenten auf, um ihn auszuschelten, daß er mich an einen Narren empfohlen hatte; er hatte seine Feder, die er sonst stets zwischen den Fingern trug, auf den Kopf gesteckt und figurirte nun als Artillerieofficier. Mein Krämer hatte seinen Sponton in der Hand, als ob er das Tuch damit, statt mit der gesetzmäßigen Elle, messen könnte. Der Geschäftsführer meines Banquiers, welcher meine Rechnung ausziehen sollte, machte diese dreimal falsch, weil sein Kopf noch vom Exerciren am Morgen verwirrt war. Ich war unwohl und schickte nach einem Wundarzt –

Er kam – doch strahlte solchen Muth sein Auge,
Und solch ein Pallasch glänzt' an seiner Hüfte,
Daß ich, bei solchem Waffenschmuck, wahrhaftig,
Schon glaubt', er käm zu morden – nicht zu heilen!

Ich nahm meine Zuflucht zu einem Arzte, aber dieser hatte auch das Ansehn eines Todtschlägers in höherm Grade, als es ihm sein Beruf schon einräumte. Und nun, da ich hieher zurückgekehrt bin, seh' ich, daß unsre klugen Nachbarn in Fairport in dieselbe tapfere Stimmung gerathen sind. Ich hasse eine Flinte, wie eine angeschossene wilde Ente – ich verabscheue eine Trommel, wie einen Quäker; – und sie rasseln und donnern nun drüben auf dem Gemeindeanger der Stadt herum, daß jeder Ton mir einen Stich durch's Herz gibt.«

»Lieber Bruder, sprich doch von den Herren Freiwilligen nicht so übel. Sie haben in der That eine recht hübsche Uniform. Und in der letzten Woche sind sie zweimal bis auf die Haut durchnäßt worden; ich begegnete ihnen, als sie in dem schrecklichen Wetter marschirten, und mancher von ihnen hatte den Husten recht sehr – ihre Bemühungen geben ihnen doch wirklich Anspruch auf unsre Dankbarkeit.«

»Und ich weiß auch,« sagte Miß M'Intyre, »daß mein Oheim zwanzig Guineen zu ihrer Ausrüstung beigesteuert hat.«

»Sie sollten dafür nur Lakritzensaft und Zuckerkand kaufen,« sagte der Spötter, »um damit den Handel des Ortes zu fördern, und die Kehlen der Officiere zu erquicken, die sich im Dienste des Vaterlands heiser geschrien hatten.«

»Nehmen Sie sich in Acht, Monkbarns! wir werden Sie wohl noch ins schwarze Register setzen.«

»Nein, Sir Arthur, ich bin ein zahmer Murrkopf. Ich nehme blos das Vorrecht in Anspruch, hier auf meinem eignen Winkel krächzen zu dürfen, ohne beim Marsch im Chorus mitzuschreien. Ni quito Rey, ni pongo Rey – ich mache keinen König und setze keinen ab, wie Sancho sagt; aber von Herzen bet' ich für unsern eignen Monarchen, zahle Steuern und Gaben und brumme über den Einnehmer; – aber da kommt der Schafkäse zur rechten Zeit; der ist verdaulicher als Politik.«

Als das Essen vorüber war und die Flaschen auf dem Tische standen, brachte Mr. Oldbuck des Königs Gesundheit in einem Becher aus, und Lovel, so wie der Baronet stimmten bereitwillig ein; denn des letztern Jacobitismus war jetzt nur noch in der Idee vorhanden, – nur noch als Schatten des Schattens.

Nachdem die Damen das Zimmer verlassen hatten, ließen sich der Wirth und Sir Arthur in mehrere herrliche Discussionen ein, an denen der jüngere Gast, vielleicht weil er die abstrusen gelehrten Ideen nicht gern hatte, oder aus irgend einem andern Grunde nur wenig Antheil nahm, bis er endlich plötzlich aus seiner tiefen Träumerei emporgeschreckt wurde, als man unerwartet sein Urtheil in Anspruch nahm.

»Ich werde mich an Mr. Lovel's Meinung halten; er ist in Nordengland geboren, und kennt vielleicht den Ort selbst.«

Sir Arthur hielt es für unwahrscheinlich, daß ein so junger Herr dergleichen Dingen große Aufmerksamkeit geschenkt haben sollte.

»Ich bin vom Gegentheil überzeugt,« sagte Oldbuck. – »Was sagen Sie, Mr. Lovel? – Sprechen Sie einmal Ihre Meinung aus.«

Lovel mußte bekennen, daß er sich in der komischen Lage eines Menschen befinde, welcher den Gegenstand der Unterhaltung nicht kenne und gar nicht wisse, wovon die Gesellschaft bereits seit einer Stunde spreche.

»Gott helfe dem jungen Manne, sein Kopf hat sich verdreht! Ich dachte mir das schon, weil die Weiber da waren – da ist dann aus einem jungen Menschen sechs Stunden lang kein vernünftiges Wort zu bringen. Nun, Freund, es waren einmal Leute, die man Piken nannte« –

»Eigentlicher Pikten,« fiel der Baronet ein.

»Ich sage Pikar, Pihar, Piochtar, Piaghter oder Peughtar,« eiferte Oldbuck; »sie sprachen einen gothischen Dialekt« –

»Einen ächt celtischen,« betheuerte der Ritter dagegen.

»Einen gothischen! einen gothischen, darauf will ich sterben!« behauptete der Squire wieder.

»Ei, meine Herrn,« sagte Lovel, »das ist, wie ich meine, ein Streit, der durch Philologen leicht beigelegt werden kann, wenn noch einige Reste der Sprache übrig sind.«

»Nur ein Wort ist vorhanden,« sagte der Baronet; »aber trotz Mr. Oldbuck's Hartnäckigkeit, entscheidet es schon Alles.«

»Ja, zu meinen Gunsten,« sagte Oldbuck: »Mr. Lovel, Sie werden urtheilen – ich habe den gelehrten Pinkerton auf meiner Seite.«

»Ich auf der meinen den unermüdeten und gelehrten Chalmers.«

»Gordon stimmt mit meiner Ansicht überein.«

»Sir Robert Sibbald mit der meinigen.«

»Innes spricht wie ich!« eiferte Oldbuck.

»Ritson hat keinen Zweifel darüber!« schrie der Baronet.

»Wirklich, meine Herrn,« sagte Lovel, »bevor Sie Ihre Streitkräfte anrücken lassen und mich mit Autoritäten erdrücken, möcht' ich wohl das streitige Wort kennen.«

»Benval,« sagten beide Streitende zugleich

»Welches bedeutet caput valli,« sagte Sir Arthur.

»Die Spitze des Walles,« wiederholte Oldbuck.

Jetzt entstand eine tiefe Pause. – »Das ist freilich ein schmaler Grund, um eine Hypothese darauf zu bauen,« bemerkte der Schiedsrichter.

»Keineswegs! keineswegs!« sagte Oldbuck; »man kämpft am besten auf schmalem Gebiet – ein Zoll gilt so viel als eine Meile, wenn ein tapferer Streich zu führen ist.«

»Es ist entschieden celtisch,« sagte der Baronet; »der Name jeden Hügels in den Hochlanden fängt mit Ben an.«

»Aber was sagen Sie zu Val, Sir Arthur – ist es nicht entschieden das sächsische Wall?«

»Es ist das römische Vallum,« sagte Sir Arthur; »die Pikten borgten diesen Theil des Wortes für sich.«

»Ganz und gar nicht; wenn sie etwas borgten so muß es Ihr Ben gewesen sein, welches sie vielleicht von den benachbarten Briten in Strath Cluyd bekamen.«

»Die Piken oder Pikten,« sagte Lovel, »müssen eine sehr arme Sprache gehabt haben, da in dem einzigen übrigen Worte ihres ganzen Wörterschatzes, welches nur aus zwei Sylben besteht, sie auch noch genöthigt waren, die eine einer andern Sprache abzuborgen; und mich dünkt, mit Erlaubniß meine Herren, daß dieser Streit dem jener beiden Ritter sehr gleich ist, welche wegen eines Schildes fochten, das eine schwarze und eine weiße Seite hatte. Jeder von Ihnen nimmt eine Hälfte des Wortes in Anspruch und scheint auf die andre zu verzichten. Was mich aber am meisten wundert, ist die Armuth der Sprache, die so geringe Spuren hinterlassen hat.«

»Sie sind im Irrthum,« sagte Sir Arthur; »es war eine sehr reiche Sprache, und das Volk war groß und mächtig – es baute zwei Thürme, einen zu Brechin und einen zu Abernethy. Die piktischen Mädchen aus königlichem Blut wurden im Schlosse zu Edinburg aufbewahrt, welches daher castrum puellarum hieß.«

»Ein kindisches Märchen,« sagte Oldbuck, »erfunden, um dem elenden Weibsvolk eine Wichtigkeit beizulegen. Es hieß das Mädchenschloß, quasi lucus a non lucendo, weil es jedem Angriffe widerstand, und das thun die Weiber freilich nie.«

»Es ist eine Liste der piktischen Könige vorhanden,« behauptete Sir Arthur, »welche ganz authentisch ist; sie geht von Crentheminachryme (dessen Regierungszeit nicht ganz genau bestimmt ist,) bis auf Drusterstone, mit dessen Tode ihre Dynastie zu Ende ging. Die Hälfte von ihnen hat das celtische patronymische Mac vorgesetzt – Mac, id est filius – was sagen Sie dazu, Oldbuck? Da haben wir Drust Macmorachin, Trynel Maclachlin, (der erste dieses alten Clans, wie sich erweisen ließe,) und Gormach Macdonald, Alpin Macmetegus, Drust Mactallargam,« (hier ward er durch einen Hustenanfall unterbrochen,) »hm! hm! hm! – Golarge Macchan – hm, hm – Macchanan – hm, Macchananail – Kenneth – hm, – hm – Macferedith, Eachan Macfungus – und zwanzig andere entschieden celtische Namen, die ich anführen könnte, wenn der verwünschte Husten nicht wäre.«

»Nehmen Sie ein Glas Wein, Sir Arthur, und spülen damit die Liste der unchristlichen Namen hinunter, die selbst den Teufel ersticken könnten – ei, der letzte Kerl hatte den einzigen vernünftigen Namen von all den angeführten – sie sind alle vom Stamme Macfungus – alle mit einander erdichtete Monarchen; entsprungen aus dem Qualme des Betrugs, der Thorheit und der Lüge, und im Gehirn eines tollen Hochländer Bänkelsängers ausgesponnen.«

»Ich bin erstaunt Sie so sagen zu hören, Mr. Oldbuck; Sie wissen, oder sollten doch wissen, daß die Liste dieser Potentaten von Henry Maule von Melgum aus den Chroniken von Loch-Leven und Saint Andrews genommen ist; ferner, daß er sie dann seiner kurzen aber genügenden Geschichte der Pikten voranschickte, gedruckt von Robert Freenbairn in Edinburg und zu haben in dessen Laden unterm Parlamentshause, im Jahre des Herrn siebenzehnhundert und fünf, oder sechs, es ist mir nicht genau gegenwärtig; – aber ich habe ein Exemplar zu Hause: es steht neben meiner Duodezausgabe der schottischen Geschichten, und paßt mit denselben gerade recht gut in die Reihe. – Was sagen Sie nun dazu, Mr. Oldbuck?«

»Was ich sage? Ei, ich lache über Henry Maule und seine Geschichte,« antwortete Oldbuck, »und so entspreche ich seiner vorausgeschickten Bitte, dem Werke nach Verdienst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«

»Lachen Sie nicht über einen vornehmern Mann, als Sie selbst,« sagte Sir Arthur, etwas wegwerfend.

»Das thue ich auch wirklich nicht, Sir Arthur, wenn ich über ihn oder seine Geschichte lache.«

»Henry Maule von Melgum war ein Edelmann, Mr. Oldbuck.«

»Ich denke doch, in dieser Hinsicht hat er nichts vor mir voraus,« erwiederte der Antiquar etwas hitzig.

»Mit Erlaubniß, Mr. Oldbuck – er war ein Edelmann von hohem Adel, und von alter Herkunft, und daher –«

»Sollte der Nachkomme eines westphälischen Buchdruckers mit Ehrfurcht von ihm sprechen? – So meinen Sie vielleicht, Sir Arthur – aber ich meine nicht so. Ich denke, daß meine Abstammung von dem fleißigen und kunstreichen Typographen, Wolfbrand Oldenbuck, der im Monat December 1493 unter dem Schutze, wie das Titelblatt sagt, des Sebaldus Scheyter und Sebastian Kammermaister den Druck der großen Chronik von Nürnberg vollendete – ich denke, sag' ich, daß meine Abstammung von diesem großen Hersteller der Gelehrsamkeit mir, als einem Manne von Kenntnissen, wohl mehr Selbstvertrauen geben kann, als wenn ich in meinem Stammbaume all die streitlustigen, eisengepanzerten, alten gothischen Barone seit den Tagen des Crentheminachcryme aufzählen könnte – und sicherlich verstand keiner von ihnen seinen eignen Namen zu schreiben.«

»Wenn Sie mit dieser Bemerkung meine Vorfahren verspotten wollen,« entgegnete der Ritter im Gefühle seiner Ueberlegenheit mit großer Ruhe, »so hab' ich das Vergnügen, Ihnen zu sagen, daß der Name meines Ahnherrn, Gamelyn von Guardover, recht schön von eigner Hand in der ältesten Ragmansurkunde geschrieben ist.«

»Und diese dient nur zum Beweis, daß er einer der Ersten war, die das erniedrigende Beispiel gaben, sich Eduard I. zu unterwerfen. Was können Sie für die unbefleckte Loyalität Ihres Hauses sagen, Sir Arthur, nachdem dasselbe auf solche Weise gestrauchelt war?«

»'s ist genug, Sir,« sagte Sir Arthur, zornig aufspringend und den Stuhl zurückwerfend. »Ich werde mich künftig hüten, einen Mann mit meiner Gesellschaft zu beehren, der für meine Herablassung so undankbar ist.«

»Darin werden Sie handeln, wie's Ihnen gut scheint, Sir Arthur; da mir die Verpflichtung, die Sie mir durch den Besuch meines armen Hauses auflegten, nicht in ihrem ganzen Umfange bekannt war, so hoffe ich entschuldigt zu sein, wenn ich meine Dankbarkeit nicht bis zu knechtischer Unterwürfigkeit trieb.«

»Ganz gut – ganz gut, Mr. Oldbuck – ich wünsche Ihnen guten Abend – Mr. – Mr. – Shovel – ich wünsch' Ihnen gute Ruhe.«

Aus dem Zimmer stürzte der zornentbrannte Sir Arthur, wie wenn der Geist der ganzen Tafelrunde seinen Busen durchflammt hätte, und durcheilte mit langen Schritten das Labyrinth von Gängen, die zum Besuchzimmer führten.

»Hörten Sie je so einen alten, trotzköpfigen Esel?« redete Mr. Oldbuck Lovel an; »aber ich darf ihn nicht in seiner Raserei herumlaufen lassen.«

So sagend eilte er dem entflohenen Baronet nach, dessen Spur sich durch das Zuwerfen verschiedener Thüren verrieth, die er, bemüht das gesuchte Zimmer zu finden, öffnete, und jedesmal, wenn er sich getäuscht hatte, mit Heftigkeit in's Schloß warf. »Sie werden sich stoßen,« rief der Antiquar; » Qui ambulat in tenebris, nescit quo vadit – Sie werden die Treppe hinabstürzen.«

Sir Arthur war jetzt ganz in Finsterniß gehüllt, deren beruhigende Wirkung Ammen und Erzieherinnen, die mit unartigen Kindern zu thun haben, wohl bekannt ist. Der Schritt des erzürnten Baronets ward langsamer durch sie, wenn sie auch seinen Unwillen nicht bannte, und Mr. Oldbuck, besser bekannt mit der Oertlichkeit, erreichte ihn, als er im Begriff war, die Thür des Besuchszimmers zu öffnen.

»Warten Sie einen Augenblick, Sir Arthur,« sagte Oldbuck, sich seinem plötzlichen Eintritt widersetzend; »nicht gar zu hastig, mein guter alter Freund – ich war ein Bischen zu derb in Bezug auf Sir Gamelyn – ei, er ist einer meiner alten Bekannten und mein Liebling; er machte gemeinschaftliche Sache mit Bruce und Wallace, und, ich will's auf eine alte Bibel beschwören, daß er die Ragmansurkunde nur in der rechtlichen und tadellosen Absicht unterschrieb, um die falschen Südländer zu hintergehen; es war eine ächt schottische List, mein guter Ritter – hundert haben das gethan! und wohlan nun, vergeben und vergessen! gestehn Sie nur, wir haben dem jungen Manne das Recht gegeben, uns für ein Paar alte Narren zu halten.«

»Sprechen Sie für sich selbst, Mr. Jonathan Oldbuck,« sagte Sir Arthur mit erhabenem Selbstgefühl.

»Gut, gut, – einen Trotzkopf muß man gehen lassen.«

So ging die Thür auf, und in's Zimmer schritt die große hagere Gestalt Sir Arthur's, während Lovel und Mr. Oldbuck folgten; alle drei zeigten etwas verstörte Gesichter.

»Ich habe auf dich gewartet, Vater,« sagte Miß Wardour, »um vorzuschlagen, daß wir dem Wagen entgegengingen, da der Abend so schön ist!«

Sir Arthur nahm bereitwillig diesen Vorschlag an, weil er seiner aufgeregten Stimmung ganz gelegen kam; und nachdem er, wie es in solchem Gemüthszustande gewöhnlich geschieht, Thee und Kaffee ausgeschlagen hatte, nahm er den Arm seiner Tochter und ging, von den Damen einen sehr förmlichen, von Oldbuck sehr trockenen Abschied nehmend, von dannen.

»Ich glaube, Sir Arthur hat wieder ein böses Gespenst gesehn,« sagte Miß Oldbuck.

»Ein Gespenst! – den Teufel! – er ist alberner als ein Weib. – Was sagen Sie dazu, Lovel? Ei, der Bursch ist auch gegangen.«

»Er nahm Abschied, Oheim, während Miß Wardour ihre Sachen zusammensuchte; du hast wahrscheinlich nicht Acht darauf gegeben.«

»Der Teufel sitzt in den Leuten! das hat man davon, wenn man sich bemüht und beunruhigt und aus seiner Ordnung geht, um ein Gastmahl zu geben, abgesehn von den Unkosten obendrein. – O Seged, Kaiser von Aethiopien!« sagte er, eine Tasse Thee in die eine Hand, und einen Band von der Zeitschrift der »Wandrer« in die andere nehmend, – denn er pflegte stets zu lesen, wenn er in Gegenwart seiner Schwester aß oder trank, weil er dadurch sowohl seine Verachtung des weiblichen Geschlechts an den Tag legen konnte, als auch seinen Entschluß, keinen Augenblick, wo er sich belehren konnte, zu verlieren, – »O Seged, Kaiser von Aethiopien! du hast sehr wahr gesprochen – kein Mensch sollte sich vermessen, zu sagen: dies soll ein Tag des Glückes sein.«

Oldbuck setzte seine Studien fast eine Stunde lang fort, ohne daß ihn die Damen unterbrachen, welche beide, in tiefem Stillschweigen, mit einer weiblichen Arbeit beschäftigt waren. Endlich vernahm man ein leises und bescheidenes Klopfen an der Thür. »Sind Sie's Caxon? nur herein, nur herein.«

Der alte Mann öffnete die Thür und, sein mageres, von dünnen grauen Locken umgebenes Gesicht, nebst dem einen Aermel seines Rocks hereinsteckend, sagte er mit halblauter und geheimnißvoller Stimme, »ich möchte Sie gern sprechen, Sir.«

»Nun, nur herein also, alter Narr, damit man hört, was es gibt.«

»Ich fürchte die Damen zu erschrecken,« sagte der Ex-Friseur.

»Erschrecken!« antwortete der Antiquar, »was gibt es? Sahen Sie wieder einen Geist auf dem Humlock-Know?«

»Nein, Sir, diesmal ist's kein Geist,« erwiederte Caxon – »aber mir ist nicht wohl dabei zu Muthe.«

»Hörten Sie das je von einem andern Menschen?« antwortete Oldbuck; »warum soll einer alten abgenützten Puderquaste wohler zu Muthe sein, als allen übrigen Menschenkindern?«

»'s ist nicht meinetwegen, Sir; aber es droht eine furchtbare Nacht; und Sir Arthur, und Miß Wardour, das arme Kind« –

»Ei, Mensch, sie müssen dem Wagen gleich oben an der Straße oder da herum begegnet sein; sie müssen längst zu Hause sein.«

»Nein, Sir; sie gingen nicht auf der Straße dem Wagen entgegen, sie gingen am Strande hin.«

Dies Wort wirkte elektrisch auf Oldbuck. »Am Strande!« rief er; »unmöglich!«

»Ja, Herr, das sagt' ich zum Gärtner auch; aber er sagt, er sah, wie sie sich bei der Muschelklippe abwärts wandten – nun wahrlich, sagt' ich zu ihm, wenn das der Fall ist, Davie, dann fürcht' ich« –

»Einen Kalender! einen Kalender!« sagte Oldbuck, in großer Unruhe aufspringend – »nicht das dumme Ding!« sagte er, einen kleinen Taschenkalender wegwerfend, den ihm seine Nichte bot – »Großer Gott! meine arme theure Miß Isabella! – holt mir sogleich den Fairportkalender.« – Er ward gebracht, zu Rathe gezogen und seine Unruhe steigerte sich dabei bedeutend. »Ich will selber gehn – ruft den Gärtner und den Knecht – sie sollen Seile und Leitern mitbringen – und auch noch mehr Leute sollen sie zusammenrufen – heißt sie gleich auf die Klippen gehn und jenen unten zurufen – ich gehe selber hin!«

»Was gibt's eigentlich?« fragte Miß Oldbuck und Miß M'Intyre.

»Die Fluth! die Fluth!« antwortete der angsterfüllte Antiquar.

»Thäte Jenny nicht besser – doch nein; ich will selber laufen,« sagte die jüngere Dame, ihres Oheims ganze Angst theilend, »ich will selber zu Saunders Mucklebackit laufen, und ihm sagen, daß er sein Boot aussetzt.«

»Danke dir, mein Kind, das ist das klügste Wort, was du je gesprochen – lauf! eile! Nach dem Strande zu gehn!« wiederholte er, Hut und Stock ergreifend; »hat man je von solcher Thorheit gehört?«


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