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Zweites Kapitel

Sir, man beleidigt mich hier auf der Straße!
Ein armes Stückchen Hammelfleisch des Tags,
Ganz dürr gebraten und hinab gespült
Mit Bier und Buttermilch vermischt zusammen.
Das widerstreitet meinem Recht und Erbe.
Wein ist das Wort, das Menschenherzen labt,
In meinem Haus gibt's Wein. »Sekt,« sagt mein Schild.
Mein Lied spricht, »lustig seid und trinket Sherry.«

Ben Jonson's »Neues Wirthshaus

Als der ältere Reisende über den holperigen Tritt der Diligence beim Wirthshause herunterstieg, wurde er von dem fetten, gichtischen, engbrüstigen Wirthe mit jener Mischung von Vertraulichkeit und Respekt begrüßt, welche die schottischen Wirthe der alten Schule gegen ihre geachtetern Gäste zu zeigen pflegten.

»Ach, was seh' ich, Monkbarns,« so redete er ihn mit dem Gutsnamen an, der dem Ohr eines schottischen Grundbesitzers stets angenehm klang, »sind Sie es? Ich hoffte kaum, Sie vor dem Ende der Sommersitzung zu sehn.«

»Ei, alter Teufelskerl,« antwortete der Gast, indem er seinen schottischen Accent vorwalten ließ, der übrigens sonst nur im Zorn sehr bemerkbar war, »alter dummer Kerl, was hab' ich denn mit der Sitzung zu thun, oder mit den Gänsen, die dahin fliegen, oder mit den Habichten, die ihnen die Flügel ausrupfen?«

»Freilich, das ist wohl wahr,« sagte der Wirth, dessen Worte in der That nur auf einer sehr allgemeinen Erinnerung von des Fremden ursprünglicher Bildung beruhten, dem aber doch der Ruf sehr unangenehm gewesen sein würde, als sei er nicht genau mit dem Stand und Beruf dieses, wie jedes Andern seiner Gäste bekannt. »Das ist sehr wahr – aber ich dachte, Sie hätten etwa eine eigene Rechtssache dort auszufechten – ich selbst habe einen – einen Proceß, den mir mein Vater hinterließ, welcher ihn auch schon von seinem Vater geerbt hatte. Es betrifft unsern Hinterhof – Sie werden davon im Parlamente gehört haben: Hutchinson gegen Mackitchinson – 's ist ein wohlbekannter Proceß, er ist schon viermal vor den Fünfzehn gewesen, aber die Klügsten von ihnen konnten doch nichts aus dem Dinge machen, als daß sie's wieder in's andre Haus schickten – o, es ist eine schöne Sache, wie lange und wie sorgfältig das Recht in diesem Lande erwogen wird.«

»Halt das Maul, Narr,« sagte der Reisende, aber sehr gutgelaunt, »und sag' lieber, was dieser junge Herr und ich zum Mittagessen haben können.«

»O, da ist Fisch, ja, – da sind Seeforellen und Schellfische,« sagte Mackitchinson, seine Serviette drehend; »auch können Sie Hammelcotelette haben, vorzüglich gute Himbeertörtchen, und Alles, was Ihnen sonst beliebt.«

»Das heißt so viel als, es ist weiter nichts da? Nun, Fisch und Cotelette und die Törtchen werden gut sein. Aber ahme uns die vorsichtige Langsamkeit nicht nach, die du an den Gerichtshöfen lobst. Laß nichts aus einem Haus in's andere schicken, hörst du?«

»Nein, nein,« sagte Mackitchinson, den langes und aufmerksames Durchlesen der gedruckten Gerichtsakten mit einigen juristischen Phrasen bekannt gemacht hatte, »das Mittagessen soll quam primum und zwar peremptorie bereit sein.« Und mit dem selbstgefälligen Lachen eines vielversprechenden Wirths ließ er sie in dem sandbestreuten Zimmer, worin die vier Jahreszeiten, in Kupfer gestochen, hingen.

Da, trotz seiner Versicherung des Gegentheils, die rühmliche Langsamkeit der Gesetze in der Küche des Wirthshauses nicht ohne Seitenstück blieb, so erhielt der jüngere Reisende Gelegenheit, hinauszugehen, und sich bei den Leuten im Hause nach Rang und Stand seines Gefährten zu erkundigen. Die Nachricht, die er empfing, war allgemeiner und unbestimmter Art, aber völlig hinreichend, um ihn mit dem Namen, der Geschichte und den Umständen des Herrn bekannt zu machen, den wir auch bei unsern Lesern mit wenigen Worten etwas genauer einführen wollen.

Jonathan Oldenbuck oder Oldinbuck, im Munde des Volkes zusammengezogen Oldbuck, von Monkbarns, war der zweite Sohn eines Herrn, der ein kleines Gut in der Nähe einer lebhaften Hafenstadt an der Nordküste Schottlands besaß. Wir wollen jene Stadt aus verschiedenen Gründen Fairport nennen. Schon seit mehrern Generationen war die Familie in der Grafschaft ansässig gewesen, und in den meisten Gegenden Englands würde sie für eine bedeutende Familie gegolten haben. Aber die Grafschaft – – war bereits von Edelleuten älterer Herkunft und größerem Vermögen erfüllt. Auch waren in der letzten Generation die meisten Adeligen der Nachbarschaft Jacobiten gewesen, während die Besitzer von Monkbarns, gleich den Bürgern der nahgelegenen Stadt, standhafte Anhänger der protestantischen Erbfolge waren. Die letzter hatten indeß einen Stammbaum, auf den sie so stolz waren, als Jene, die sie verachteten, ihre sächsischen, normännischen oder celtischen Geschlechtsregister hochstellten. Der erste Oldenbuck, der die Niederlassung der Familie kurz nach der Reformation begründet hatte, stammte von einem der ersten Pfleger der Buchdruckerkunst in Deutschland ab, und hatte seine Heimat in Folge der gegen die Bekenner des protestantischen Glaubens gerichteten Verfolgungen verlassen. Er fand eine Zuflucht in der Stadt, in deren Nähe seine Nachkommen wohnten, und zwar um so leichter, weil er der protestantischen Sache wegen litt; nicht minder auch deßhalb, weil er Geld genug mitbrachte, um die kleine Besitzung Monkbarns zu kaufen, die damals ein verschwenderischer Laird feil bot, dessen Vater sie nebst andern Kirchengütern, geschenkt worden war, als das große und reiche Kloster, zu dem sie gehörte, aufgelöst wurde. Die Oldenbucks waren daher bei allen Empörungen getreue Unterthanen; und da sie ein gutes Einverständniß mit der Stadt unterhielten, so traf es sich, daß der Laird von Monkbarns in dem unglücklichen Jahre 1745 erste Magistratsperson daselbst wurde; er wirkte mit großem Eifer zu Gunsten des König Georg und machte sich in dieser Hinsicht selbst Unkosten, die ihm, dem liberalen Benehmen der damaligen Regierung gegen ihre Freunde gemäß, niemals wieder erstattet wurden. In Folge gemachter Vorstellungen jedoch, und weil es für die Stadt vortheilhaft war, gelang es ihm, eine Stelle beim Zollwesen zu erlangen, und als ein mäßiger und thätiger Mann sah er sich dadurch in den Stand gesetzt, sein väterliches Vermögen beträchtlich zu vermehren. Er hatte nur zwei Söhne, von denen, wie wir andeuteten, der jetzige Laird der jüngere war, und zwei Töchter, deren eine noch ledig und glücklich lebte, während die andere, jüngere, aus Liebe einen Capitain im zwei und vierzigsten Regiment geheirathet hatte, welcher nichts besaß als seinen militärischen Rang und einen hochländischen Stammbaum. Armuth trübte ein Bündniß, welches Liebe sonst glücklich gemacht haben würde, und Capitain M'Intyre sah sich aus Rücksicht auf sein Weib und seine Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, genöthigt, sein Glück in Ostindien zu suchen. Bei einer Expedition, die gegen Hyder Ali unternommen ward, wurde die Abtheilung, zu welcher er gehörte, abgeschnitten, und sein unglückliches Weib erhielt nie eine Nachricht, ob er in der Schlacht gefallen oder im Gefängniß ermordet worden sei, oder ob er noch in einer Gefangenschaft lebte, welche unter dem indischen Tyrannen gewöhnlich hoffnungslos war. Sie erlag endlich unter der schweren Bürde von Gram und Zweifel und hinterließ einen Sohn und eine Tochter der Fürsorge ihres Bruders, des jetzigen Lairds von Monkbarns.

Die Geschichte dieses Besitzers selbst ist bald erzählt. Da er, wie wir sagten, der zweite Sohn war, so bestimmte ihn sein Vater zur Theilnahme an einem einträglichen Handelsgeschäft, welches einige seiner mütterlichen Verwandten führten. Dagegen empörte sich aber Jonathan's Kopf mit aller Macht. Nun ward er zu dem Berufe eines Sachwalters erzogen, und brachte es dabei so weit, daß er sich die ganzen Formen bei Lehensertheilungen aneignete, und großes Vergnügen dabei fand, die Ungereimtheiten derselben in Einklang zu bringen und ihren Ursprung zu erforschen, so daß sein Vorgesetzter große Hoffnung hegte, einst einen tüchtigen Gehilfen an ihm zu haben. Aber er blieb auf der Stelle stehn, und obwohl er sich einige Kenntniß vom Ursprunge und Zusammenhange der Gesetze seines Vaterlandes erwarb, konnte er doch nie überredet werden, dieselbe auf einträgliche und praktische Weise anzuwenden. Es war keineswegs eine unbedachte Verachtung der Vortheile, welche der Besitz des Geldes gewährt, was ihn veranlaßte, die Hoffnungen seines Vorgesetzten zu täuschen. »Wäre er gedankenlos, oder leichtsinnig, oder rei suae prodigus,« sagte sein Lehrer, »so würde ich schon wissen, was ich mit ihm zu thun hätte. Aber er gibt nie einen Schilling aus der Hand, ohne ängstlich durchzusehn, was er wieder herausbekommt, und sein Sechspencestück richtet mehr aus, als die halbe Krone eines andern Burschen, und er wird stets lieber die alte unscheinbare Copie einer Parlamentsakte Tage lang studiren, als nach dem Hafen oder sonst an einen öffentlichen Ort zu gehen; dagegen wird er keinen dieser Tage auf ein kleines Geschäft verwenden, das ihm zwanzig Schilling in die Tasche bringen würde – eine seltsame Mischung von Mäßigkeit und Fleiß und nachlässiger Trägheit – ich weiß nicht, was ich aus ihm machen soll.«

Aber im Verlaufe der Zeit gewann sein Schüler die Mittel, das aus sich zu machen, was er selber aus sich machen wollte; denn sein Vater starb und ward von seinem ältesten Sohne nicht lang überlebt; dieser war ein kühner Fischer und Jäger, und verließ das Zeitliche in Folge einer Erkältung, die er sich in seinem Berufe zugezogen, als er in einem Sumpfe, Knittlefittingmoor genannt, Enten schoß; er starb, trotzdem daß er in derselben Nacht eine Flasche Branntwein getrunken hatte, um sich die Kälte vom Magen abzuhalten. Jonathan erbte also das Gut und damit die Mittel, sich ohne die verhaßte Rechtsverdrehung zu nähren. Seine Wünsche waren sehr mäßig; und als die Einkünfte seines kleinen Besitzthums mit der Verbesserung des Bodens stiegen, so übertrafen sie bald seine Bedürfnisse und Ausgaben; und war er auch zu träge, um absichtlich Geld zusammen zu scharren, so blieb er doch nicht unempfindlich für das Vergnügen, es sich häufen zu sehen. Die Bürger der Stadt, in deren Nähe er lebte, betrachteten ihn mit einigem Neid als einen Mann, der sich von ihrer Stellung in der Gesellschaft zu unterscheiden strebte, und dessen Studien und Vergnügungen ihnen ganz unbegreiflich schienen. Indeß hielt immer ein angeerbter Respekt vor dem Laird von Monkbarns, der noch dadurch, daß man wußte, er habe Geld, vermehrt wurde, sein Ansehn bei dieser Klasse seiner Nachbarn aufrecht. Die Landedelleute besaßen im Allgemeinen mehr Vermögen, aber weniger Verstand als er, und sie hatten, einer ausgenommen, mit dem er auf vertrautem Fuße lebte, wenig Umgang mit Mr. Oldbuck von Monkbarns. Er wußte sich indeß dafür zu entschädigen durch die Gesellschaft des Geistlichen, oder des Arztes, so bald er Lust dazu hatte; außerdem aber auch durch seine eignen Beschäftigungen und Liebhabereien, da er mit den meisten Kennern seiner Zeit correspondirte, die gleich ihm verfallene Befestigungswerke maßen, Pläne von zerstörten Schlössern machten, räthselhafte Inschriften lasen, oder Abhandlungen über Münzen schrieben, und dies zwar in einem Verhältniß, daß auf jeden Buchstaben der Umschrift zwölf Seiten kamen. Eine schnelle Reizbarkeit hatte er sich, wie man in der Stadt Fairport sagte, durch eine frühzeitige Täuschung in der Liebe angewöhnt, durch welche er auch Misogynist, wie er's nannte, geworden war; mehr trug aber dazu die gefällige Aufmerksamkeit bei, welche ihm seine jungfräuliche Schwester und die verwaiste Nichte zollten, die er gelehrt hatte, ihn als den größten Mann auf Erden zu betrachten, und auf die er gleichfalls stolz war, als die einzigen Weiber, die er je gehörig zum Gehorsam gewöhnt gesehn hatte; freilich muß bemerkt werden, daß Miß Grizzy Oldbuck auch zuweilen widerspenstig sein konnte, wenn er die Zügel zu straff anzog. Die übrigen Seiten seines Charakters muß man aus der Geschichte erkennen, und wir beendigen mit Vergnügen das ermüdende Werk dieser trockenen Aufzählung.

Während man das Mittagessen einnahm, machte Mr. Oldbuck, von derselben Neugier getrieben, die hinsichtlich seiner auch der Reisegefährte gefühlt hatte, einige Versuche, und zwar, durch Alter und Stellung berechtigt, auf mehr direkte Weise, um Namen, Gewerbe oder Stand seines jungen Begleiters zu erfahren.

Sein Name, erklärte der junge Herr, sei Lovel.

»Wie! die Katze, die Ratze und Lovel unser Hund? stammen Sie etwa von König Richard's Liebling?«

»Er habe,« sagte er, »keine Ansprüche auf eine solche Abkunft; »sein Vater wäre ein Nordengländer. Er selbst reise gegenwärtig nach Fairport, (der Stadt, in deren Nähe Monkbarns lag,) und wofern er den Ort angenehm fände, würde er vielleicht einige Wochen dort bleiben.«

»Ist Mr. Lovel's Reise nur zum Vergnügen unternommen?«

»Nicht ganz.«

»Vielleicht Geschäfte mit einigen der Kaufleute in Fairport?«

»Zum Theil wohl Geschäfte, die aber nichts mit dem Handel zu thun haben.«

Hier schwieg er; und Mr. Oldbuck, der seine Forschungen so weit getrieben hatte, als es der Anstand erlaubte, mußte dem Gespräch eine andre Wendung geben. Der Alterthümler, obwohl keineswegs ein Feind der Tafelfreuden, war doch ein entschiedener Gegner aller unnöthigen Ausgaben auf der Reise; und als sein Gesellschafter einen Wink hinsichtlich einer Flasche Portweins fallen ließ, entwarf er ein schreckliches Gemälde von der Mischung, die, wie er sagte, gewöhnlich unter jenem Namen verkauft werde, und versicherte, ein wenig Punsch sei ächter und der Jahreszeit angemessener; zugleich streckte er seine Hand nach der Klingel aus, um das Nöthige zu bestellen. Aber Mackitchinson hatte in seinem eigenen Kopfe bereits anders über ihr Getränk entschieden und erschien mit einer ungeheuren Doppelquartflasche, oder einem magnum, wie es in Schottland heißt, bedeckt mit Staub und Spinneweben, den Zeugen ihres Alterthums.

»Punsch!« sagte er, jenes edle Wort beim Eintreten aufschnappend, »zum Henker der Tropfen Punsch, den Sie heute hier haben werden, Monkbarns, und darauf mögen Sie sich immer einrichten.«

»Was soll das heißen, unverschämter Spitzbube?«

»Ei nun, wir wollen nicht viel Worte drum machen; – Aber erinnern Sie sich noch des Streiches, den Sie mir spielten, als Sie das letzte Mal hier waren?«

»Ich einen Streich gespielt!«

»Ja, Sie selbst, Monkbarns. Der Laird von Tamlowrie, und Sir Gilbert Grizzlecleugh und der alte Roßballoh, und der Bailie setzten sich eben nieder, um hier einen Nachmittag zuzubringen; aber Sie kamen da mit einigen Ihrer Geschichten von der Vorzeit, denen einmal keine menschliche Seele widerstehn kann, und verführten mir jene, das alte römische Lager zu sehn – Ach, Sir,« (hier wandte er sich an Lovel,) »er würde die Vögel vom Baume locken können mit den Geschichten, die er von alten Völkern erzählt – und verlor ich dabei nicht den Absatz von sechs Pinten guten Claret, denn keiner wäre ja doch aufgestanden, so lang die letzte noch nicht geleert gewesen wäre?«

»Da hör' einer den unverschämten Kerl!« sagte Monkbarns, aber zugleich lachend; denn der wackere Wirth kannte, wie er sich zu rühmen pflegte, das Maaß vom Fuß eines jeden Gastes so gut, als irgend ein Schuhmacher; »gut, gut, schick' uns nur eine Flasche Portwein her.«

»Portwein! ach, nicht doch! Portwein und Punsch können Sie Leuten, wie uns, überlassen, für euch Lairds gehört sich Claret; und ich darf wohl sagen, keiner von den Leuten, über die Sie so viel zu sagen wissen, hat jemals Punsch oder Portwein getrunken.«

»Hören Sie, wie absprechend der Schelm ist? nun, mein junger Freund, wir müssen schon einmal den Falerner dem vile Sabinum vorziehen.«

Der geschäftige Wirth hatte den Kork alsbald herausgezogen, den Wein in ein Gefäß von gehöriger Größe geschüttet, und indem er erklärte, daß er das ganze Zimmer durchdufte, überließ er ihn nun seinen Gästen, um ihr Bestes dabei zu thun.

Mackitchinson's Wein war wirklich gut und äußerte seine Wirkung auf den Geist des ältern Gastes, welcher einige gute Geschichten erzählte, einige hübsche Späße machte und sich endlich in ein gelehrtes Gespräch über die alten Dramatiker vertiefte; in diesem Fache fand er seinen neuen Bekannten so gut bewandert, daß er endlich auf die Vermuthung kam, derselbe habe diesen Gegenstand seines Berufs wegen studirt. »Ein Reisender, theils in Geschäften, theils zum Vergnügen? – Ei, die Bühne begreift beides in sich; die Darsteller haben Mühe dabei, aber die Zuschauer finden Vergnügen, oder sollen es wenigstens finden. In seinem Benehmen und seiner Bildung scheint er höher zu stehen, als die meisten jungen Leute, welche jenen Beruf wählen; aber ich entsinne mich, gehört zu haben, das kleine Theater in Fairport solle mit dem Auftreten eines jungen Herrn eröffnet werden, der hier überhaupt zum ersten Male die Bühne betreten wolle. – Wenn es dieser wäre, Lovel? – Lovel? ja Lovel oder Belville sind gerade die Namen, welche junge Leute bei solchen Gelegenheiten annehmen – wahrhaftig, mir thut der junge Mann leid.«

Mr. Oldbuck war gewöhnlich sparsam, aber nie ein Knicker; sein erster Gedanke war, für seinen jungen Reisegefährten einen Theil der hier verursachten Kosten zu bezahlen, welche diesem, so glaubte er, in seiner Lage mehr oder minder drückend sein mußten. Er nahm daher Gelegenheit, in der Stille mit Mr. Mackitchinson abzurechnen. Der junge Reisende protestirte gegen diese Freigebigkeit und gab endlich nur den Jahren und dem würdigen Ansehn des Andern nach.

Der Umstand, daß jeder mit des andern Gesellschaft so wohl zufrieden war, veranlaßte Mr. Oldbuck, vorzuschlagen, den Rest ihrer Reise gemeinschaftlich zu machen, und Lovel nahm diesen Vorschlag bereitwillig an. Mr. Oldbuck ließ den Wunsch hören, zwei Drittel des Postgeldes zu zahlen, indem er bemerkte, er brauche zu seiner Bequemlichkeit einen verhältnißmäßig größern Raum; aber dies lehnte Mr. Lovel entschieden ab. Ihre Kosten waren also gemeinschaftlich, außer daß Lovel einen Schilling in die Hand eines murrenden Postknechts drückte; denn Oldbuck, der hartnäckig an alten Gewohnheiten hing, gab auf keiner Station mehr als achtzehn Pence Trinkgeld. Auf diese Weise reisten sie, bis sie um zwei Uhr am folgenden Tage in Fairport ankamen.

Lovel erwartete wahrscheinlich, sein Gesellschafter werde ihn bei ihrer Ankunft zum Mittagessen einladen; aber Mr. Oldbuck wußte sehr wohl, daß man bei ihm auf unerwartete Gäste nicht gehörig vorbereitet sei; dies und vielleicht noch einige andere Gründe, hielt ihn ab, jene Artigkeit zu erweisen. Er bat blos, ihn sobald als möglich an einem Vormittage zu besuchen, empfahl ihn einer Wittwe, welche Zimmer zu vermiethen hatte, und einem Manne, wo man einen anständigen Tisch fand; beiden machte er jedoch nebenbei bemerklich, er kenne Mr. Lovel blos als einen angenehmen Gesellschafter in einem Postwagen, und sei nicht Willens, für Rechnungen gut zu sagen, die jener während seines Aufenthalts zu Fairport veranlassen würde. Des jungen Herren Aeußeres, sein Benehmen und überdies ein wohlversehener Koffer, welcher bald zur See unter seiner Adresse in Fairport anlangte, trugen wahrscheinlich ebenso viel zu seiner guten Aufnahme bei, als die beschränkte Empfehlung seines Reisegefährten.


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